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Fröhlich Fasten mit Susanne Fröhlich - Fasten ist schon lange nicht mehr nur der Weg um Pfunde auf der Waage zu verlieren, sondern mittlerweile eine anerkannte Methode um Gesund und Fit zu Leben - Ehrlich und Ungeschönt begibt sich Autorin Susanne Fröhlich mutig in den Selbstversuch der verschiedensten Fasten-Wege und berichtet über Höhen, Tiefen und Lebensqualität mit etwas weniger Nahrung - Mit einer Menge Humor und viel Information erklärt dieses Buch, was es auf sich hat mit dem Phänomen Fasten und wie man es zu mehr Leichtigkeit von Körper und Seele schafftAlle Welt ist im Fastenfieber. Schließlich soll der beinharte Verzicht auf Nahrung wahre Wunder bewirken. Für die Gesundheit, für den Geist, für die Seele und ganz nebenbei auch für die Figur. Das ist aber auch das Mindeste, was man bei fast null Kalorien und null Genuss erwarten kann, dachte sich Susanne Fröhlich. Aber auch, dass das Fasten die letzte Rettung für ihre Rheumadiagnose sein könnte. Also startete sie mit großen Hoffnungen und einem Einlauf den Fastenselbstversuch. Ihr Ziel: Zu erfahren, was wirklich dran ist am Nichts. Ihre Erfahrung: Zum Glück besitzt auch Humor einigen Nährwert. Aber das bleibt längst nicht die einzig gute Nachricht aus ihrem fröhlichen Fastentagebuch. Mit persönlichen Fastenbeiträgen von Constanze Kleis, Bärbel Schäfer und Gert Scobel sowie Interviews mit den Fastenexperten Prof. Dr. Andreas Michalsen und Dr. Françoise Wilhelmi de Toledo
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Seitenzahl: 310
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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2018
© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2018
Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.
Projektleitung: Maria Hellstern
Text: Silke Amthor
Lektorat: Alexandra Bauer (textwerk, München), Karin Leonhart für textwerk, München
Covergestaltung: Martina Baldauf, München
eBook-Herstellung: Ina Maschner
ISBN 978-3-8338-6768-2
1. Auflage 2018
Bildnachweis
Fotos: (Cover) Cecilia Harling, (Coveraußenklappe) Michael Grasmann; privat (Anna v. Rüden), privat (Anna v. Rüden mit zwei Enkelkindern), privat (Anna u. Wilhelm Hüttermann, Susanne Bromkamp, Anna v. Rüden), privat (Anna v. Rüden), privat (Anna Hüttermann, Anna v. Rüden), privat (Anna v. Rüden), privat (Anna v. Rüden), privat (Anna v. Rüden), privat (Anna und Johannes v. Rüden), privat (Wilhelm, Anna, Johannes, Hans, Elisabeth v. Rüden), Steven Kohlstock, Hruod Burgher, Michael Grasmann, Cecilia Harling
Syndication: www.seasons.agency
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Autoren dar. Sie wurden von den Autoren nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autoren noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Bei mir wurde vor ein paar Jahren Rheuma diagnostiziert. Rheu- ma ist ein Oberbegriff für eine Krankheit mit sehr vielen unter- schiedlichen gemeinen Spielarten. Bei mir hat sich das Rheuma auf Schultern und Hüften kapriziert. Ich will nicht jammern, es hätte mich mit Sicherheit schlimmer treffen können. Sehr viel schlimmer. Aber es ist nichtsdestotrotz schmerzhaft und ausgesprochen lästig. Habe ich Schulterprobleme, kann ich mein Yoga nicht machen, sind die Hüften dran, ist Joggen unmöglich. Auf beides kann man natürlich verzichten – es gibt ein Leben ohne. Das wäre nicht das Problem. Allerdings schränken mich die Schmerzen auch im Alltag ein. Das Gehen schmerzt immer häufiger. Eben mal etwas greifen oder hochheben auch. Ich bewege mich nicht mehr spontan, weil ich Angst habe, dass mein Körper mit Schmerzen reagiert. Je mehr man sich einschränkt – bewusst und vor allem unbewusst –, umso unbeweglicher wird man. Kein guter Kreislauf.
Dass es morgens irgendwo im menschlichen Getriebe mal knirscht oder zwickt, ist absolut akzeptabel. Der Körper ist eine hoch komplizierte und komplexe Maschinerie und ich bin jenseits der 25. Das Material wird halt nicht besser. Darüber bin ich mit Sicherheit nicht begeistert, aber damit kann ich leben. Muss ich wohl auch. Wer alt werden will, sollte lernen, mit normalen Abnutzungserscheinungen klarzukommen. Allerdings sind diese Schmerzen eben keine „normale“ Altersbegleitung und ich habe nicht vor, sie einfach als gegeben zu betrachten. Cortison hat mir geholfen. Aber – wie Guido Maria Kretschmer, der Shopping-Queen-Moderator sagen würde – es hat ansonsten nichts für mich getan. Ich hatte ein ziemlich aufgedunsenes Gesicht und ständig Hunger. Mein Kühlschrank war mein neuer bester Freund. Ich bin manchmal nachts aufgewacht und wie ferngesteuert zum beleuchteten Hort der Lebensmittel getapert. Das ist, habe ich beschlossen, keinesfalls ein Dauerzustand. Vor allem weil ich im Laufe der Zeit gut zwölf Kilo zugenommen habe. Schuld war sicherlich nicht allein das Cortison, sondern auch der Frust, keinen Sport treiben zu können, und der Trost in Form von Essen. Viel Essen. Vor allem viel hochkalorischem Essen. Auch wenn man um die Misere weiß, kann man Verhalten oft nicht stoppen. Man gerät in einen fiesen Kreislauf und je tiefer man drinsteckt, umso schwerer wird es hinauszukommen.
Klar: Zur Not, bevor ich ständig Schmerzen habe, schlucke ich Cortison. Es ist, keine Frage, ein durchaus effektives Medikament. Allerdings auch nicht frei von Nebenwirkungen. Natürlich gibt es neben Cortison andere wirksame Rheumamedikamente. Aber auch hier ist die Liste der Nebenwirkungen lang. Ich habe zwei Packungen zu Hause liegen. Für den Fall der Fälle.
Die Idee, gegen mein Rheuma anzufasten, war eine Art Zufallsfund. Ich hatte eine Dokumentation auf Arte gesehen, eine Fastendokumentation, und war absolut fasziniert (zum Nachgucken: www.youtube.com/watch?v=Nyyb74PHIQs). Sollte einfaches Nichtessen der Schlüssel gegen mein Rheuma sein? Tatsächlich ein funktionierender Ersatz für Cortison? Kann Nichtessen tatsächlich Heilen? Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, aber die Doku und die anschließende Recherche zum Thema haben mich neugierig gemacht. Es klang verrückt und gleichzeitig so simpel. Warum nicht mal etwas versuchen? Vielleicht hilft es ja tatsächlich? Und was kann schon passieren? Wer nicht wagt, kann auch nicht gewinnen! Kostengünstig ist es allemal. Im schlimmsten Fall hilft es nicht und der ganze Verzicht war für die Katz.
Der Beschluss steht schnell fest. Ich werde fasten. Ich werde eine längere Zeit auf jegliche feste Nahrung verzichten. Allein der Gedanke macht mir Angst und schlechte Laune – und trotzdem werde ich es auf einen Versuch ankommen lassen.
Was mich an dem Gedanken so ängstigt: Essen ist für mich etwas Essenzielles. Ich habe schon immer einen großen Drang nach Essen. Essen kann mich glücklich machen, Verzicht grämt mich. Generell finde ich die Aussicht auf Verzicht wenig verlockend. Ich bin keine Frau, die nach Askese strebt. Schade eigentlich. Das würde mir im Leben so einiges erleichtern.
Ich liebe Essen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die im Brustton der Überzeugung behaupten: „Essen – das ist mir total egal.“ Ja, es gibt tatsächlich solche Leute. Ich konnte es erst auch nicht glauben. Manche Menschen essen tatsächlich nur, weil es eben dazugehört. Sie verbinden Essen nicht automatisch mit Genuss. Man macht es halt, weil der Körper Nahrung braucht. Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich diese Menschen beneide, weil man mit einer solchen Grundhaltung natürlich sehr viel leichter sein Essverhalten zügeln kann. Aber der fehlende Genuss spricht gegen eine solche Einstellung. Außerdem ist das, denke ich, keine Frage der Einstellung. Keine bewusste Entscheidung. Es scheint in meinen und unseren Familiengenen zu liegen. Dieser Hang und Drang zum Essen. Ich habe schon als Kind gern gegessen. Ich bin eine ausgesprochen leidenschaftliche Esserin. Gutes Essen ist für mich ein wichtiger Bestandteil eines gelungenen Lebens. Wie schon erwähnt: Ich liebe Essen. Ein schönes Menü, eine frische Brezel, ein Stück Streuselkuchen oder ein herrliches Curry. Ein Schälchen Quark mit Heidelbeeren und Granola, eine Pasta mit Tomatensauce – es gibt sehr wenig Essen, das mir nicht schmeckt. Ich mag eigentlich alles und bin extrem schnell zu begeistern. Schon der Geruch von Essen kann mich in Ekstase versetzen. Selbst der Anblick. An einer Bäckerei vorbeizugehen und nichts, aber auch rein gar nichts zu kaufen ist für mich ein Akt der unglaublichen Selbstbeherrschung. Ich werde einfach magisch von Essen angezogen. Insofern scheint der Gedanke an Fasten geradezu absurd. Ausgerechnet ich soll fasten? Möchte fasten? Eine Frau, die seit Jahrzehnten mit ihrem Speck in der Öffentlichkeit steht? Die immer mal wieder enorm Gewicht verliert, um ihm Monate später wieder ein schönes Zuhause zu bieten.
Ich bin eine Art lebender Speckmagnet. Er scheint sich bei mir ganz besonders wohlzufühlen. Aber ich habe gelernt, das zu akzeptieren. Ich bin ein Speck-Hotspot. Ich werde nie wahnsinnig dünn sein. Wozu auch? Ich strebe nicht nach der berüchtigten Thigh Gap, der hippen Lücke zwischen den Oberschenkeln. Was soll ich damit im Alltag auch anfangen? Und mal ehrlich: Ist man wirklich nur dünn attraktiv? Ich glaube nicht.
Dünn zu sein ist inzwischen zu einer regelrechten Währung geworden, die aber meiner Meinung nach überschätzt wird. Ich habe beschlossen, zu versuchen auf lange Strecke einigermaßen schlank und fit zu sein. Nicht aus optischen Gründen, sondern vor allem um gesund und beweglich zu sein. Ach ja, und ein bisschen auch, um unbeschwerter einkaufen zu können.
Diesmal geht es allerdings nur sekundär ums Gewicht. Sollte ich Gewicht verlieren, bin ich natürlich die Letzte, die sich darüber ärgert – ganz im Gegenteil: Ich wäre verzückt. Aber dem Speck kann ich auch auf andere Art zu Leibe rücken. Abnehmen ist, selbst wenn es heute oft anders dargestellt wird, eine ziemlich einfache Rechenaufgabe. Der Körper bekommt weniger, als er verbraucht. Irgendwann habe ich diese sehr einfache Gleichung begriffen, seither bin ich relativ schlank (im Rahmen meiner Vorstellungen und Möglichkeiten wohlgemerkt) und habe keine extremen Gewichtsausschläge mehr.
Ich bin keine Frau mit Hang zur Esoterik. Fasten hat, wenn man sich im Netz umschaut, jede Menge Spiritualität im Gepäck. Aber auch die Spiritualität ist eher nicht mein Kernthema. Ehrlich gesagt habe ich es auch nicht mit der Homöopathie – dagegen habe ich jedoch auch nichts. Ich glaube einfach nicht daran. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wirkstoffe, die unglaublich verdünnt werden, noch Wirkung zeigen. Auch wissenschaftliche Studien geben mir mit meiner Skepsis recht. Insofern bin ich, was das Fasten angeht, ausgesprochen verhalten optimistisch. Allerdings hat Fasten rein gar nichts mit Homöopathie zu tun. Fasten gehört in den Bereich der Naturheilkunde. Damit kann ich schon sehr viel mehr anfangen. Außerdem gilt hier wie überall der alte Satz: „Wer heilt, hat recht!“
Ich befrage meine Ärzte. Meinen Orthopäden, die Hausärztin und meine Rheumatologin. Alle sind, was das Fasten angeht, sehr aufgeschlossen. Zum Glück. Es gäbe interessante Ergebnisse und nichts spräche dagegen, es doch mal zu testen, meinen sie. Euphorisch wirken sie nicht, aber grundsätzlich befürworten sie meinen Versuch.
In der Dokumentation heißt es, um eine Wirkung bei Autoimmunerkrankungen zu erleben, müsse man länger fasten. Rheuma kann ein zähes Biest sein, lese ich im Netz. Drei bis sechs Wochen brauche es angeblich, um das Rheuma zu beeindrucken. Der Zeitraum schreckt mich. Das klassische Heilfasten dauert fünf bis sieben Tage, jedenfalls für Einsteiger. Eine Woche kann ich mir in meinen kühnsten Gedanken gerade noch vorstellen. Aber mehr? Soll ich direkt in die Vollen gehen? Oder nicht doch lieber mal klein anfangen?
Mhm, drei bis sechs Wochen? Traue ich mir zu, eine so verdammt lange Zeit nicht zu essen? Kann ich, einer der verfressensten Menschen, die ich kenne (und ich kenne viele Menschen), das wirklich schaffen? Bin ich so diszipliniert? Kann man das überhaupt aushalten? Ich habe in meinem langen Leben bisher genau einmal versucht, richtig zu fasten – und habe keine guten Erinnerungen. Es war in meinen frühen 20ern. Ein verzweifelter, radikaler Abnehmversuch, der nach sechs mühevollen Tagen mit einem anschließenden Essensrausch kläglich scheiterte. Damals war meine Motivation allerdings auch eine komplett andere. Ich wollte so schnell wie möglich möglichst viel Gewicht verlieren. Fasten klang irgendwie besser als Nulldiät. Bei Nulldiät, das wusste ich, würde ich mir jede Menge Vorträge anhören müssen. Also habe ich behauptet zu fasten und eigentlich einfach nur nichts gegessen. Schon um mir Vorhaltungen jeder Art zu ersparen. Dafür habe ich viel Kaffee getrunken und noch mehr geraucht. Wirklich bekommen ist mir das Experiment nicht. Als ich nach sechs Tagen schmerzende Waden hatte, habe ich meinen Cousin, einen Arzt, angerufen und gefragt, was ich jetzt am besten mache. „Essen“, war sein Vorschlag, den ich sofort beherzt und sehr froh in die Tat umgesetzt habe. Die 2,5 Kilo, die ich mühsam verloren hatte, waren dann auch ratzfatz wieder da. Diesmal soll alles anders laufen. Ich werde mich vorab informieren und mich nicht so planlos ins Fastenabenteuer stürzen. Nämlich genau als das sehe ich es an. Es wird ein Versuch, ein Abenteuer mit offenem Ausgang. Ich erhoffe mir viel, habe aber eine gehörige Portion Skepsis.
Allerdings wird es wohl Gründe geben, warum Menschen seit Jahrhunderten fasten. Zumeist sind es jedoch religiöse Auslöser, denn in fast allen Weltreligionen gehört das Fasten mit dazu. Aber Fasten ist eben nicht gleich Fasten. Wer sich mit dem Fasten beschäftigt, lernt schnell, dass es sehr viele verschiedene Fastenmöglichkeiten gibt. Und unter dem Fastenbegriff wird so einiges subsummiert. Die Bandbreite ist riesig.
Absolut im Trend liegt das intermittierende Fasten. Intermittierend heißt nicht mehr als zeitweise. Zwei Modelle des intermittierenden Fastens sind besonders populär: 5:2 und 16:8. Das bedeutet fünf Tage essen und an zwei Tagen der Woche, nicht an aufeinanderfolgenden Tagen, nichts zu essen oder höchstens 500 bis 600 Kalorien. Bei 16:8 darf man acht Stunden Essen und 16 Stunden eben nicht. Ich habe viele Freunde und Bekannte, die die 16:8-Variante ausprobiert haben. Auch ich selbst habe es eine Zeit lang gemacht. Wirklich signifikant abgenommen habe ich damit nicht, schließlich muss oder sollte man sich in den acht Stunden der Essensphase auch ein wenig beherrschen. Da lag mit Sicherheit mein Fehler. Wer sich in den acht Stunden beschränkt, nimmt natürlich auch ab. Die 16 Stunden Nahrungspause sind auf jeden Fall machbar. Schließlich gilt auch der Schlaf als Pause. Wer also abends um 21 Uhr das letzte Mal isst, darf dann nach 16 Stunden – sprich um 13 Uhr – wieder essen. Menschen wie mir, die auf Frühstück keinen überaus großen Wert legen, kommt das sehr entgegen. Aber Rheuma scheint nach härteren Geschützen zu verlangen, denn auf mein Rheuma hatte das intermittierende Fasten keinen Einfluss.
Man kann nach F. X. Mayr fasten, eine Schrothkur machen, Basenfasten oder klassisches Wasserfasten. Für mich erscheint mir nach ausgiebiger Internetrecherche und der Lektüre diverser Bücher das Buchinger-Heilfasten am sinnvollsten. Keine feste Nahrung – das ist ja letztlich auch die Definition vom Fasten –, sondern nur ein wenig Gemüsebrühe und ein bisschen Saft wegen der Nährstoffe und Mineralien. Die Vitamine und Nährstoffe sind auch der Grund, dass ich mich für diese Variante entscheide. Die Methode ist benannt nach ihrem Entdecker Dr. Otto Buchinger, der selbst unter sehr heftigem Rheuma gelitten hat und sagt, er sei durchs Fasten geheilt worden. Sicher wäre eine andere Variante, etwa das intermittierende Fasten, einfacher. Aber ich will dem Rheuma an den Kragen – und Experten glauben, da sei „richtiges“ Fasten wirksamer.
Apropos Experten: Da ich selbst ja keine Wissenschaftlerin bin, habe ich mit Menschen gesprochen, die sich so richtig gut auskennen. Die Interviews mit den Fastenexperten finden Sie natürlich auch hier im Buch.
Die Entscheidung steht, die Methode ist gewählt, jetzt muss ich nur noch anfangen. Wie immer bei solchen Beschlüssen erscheint es schwer, einen geeigneten Zeitpunkt zu finden. Immer stehen große Geburtstage an, Grillfeste, Partys, Hochzeiten oder andere Festivitäten wie Weihnachten, Silvester, Ostern und Co. Den perfekten Moment gibt es nicht. Sollte man eher im Sommer fasten, wenn es heiß ist und man sowieso weniger Hunger hat? Oder ist der Jahreswechsel ein guter Zeitpunkt – der Moment nach der Weihnachtsvöllerei, wenn man eh im Rausch der guten Vorsätze schwelgt? Ist das Frühjahr eventuell geeigneter, weil man weiß, dass die Bikinisaison ansteht? Oder ist es eigentlich vollkommen egal, weil immer irgendwas im Wege steht? Es ist ein bisschen wie die Frage nach dem perfekten Moment zum Kinderkriegen: Es gibt ihn einfach nicht. Jeder Moment kann falsch und perfekt sein und es gibt gegen jeden Zeitpunkt jede Menge Einsprüche.
„Nächste Woche“, sage ich mir. „Ich fange nächste Woche an.“ Genehmige mir selbst noch eine klitzekleine Gnadenfrist. Eine letzte Woche Essen. Zeit für die Vorbereitung. Mental und praktisch.
Also: Los geht’s. Ich wäre dann mal so weit.
PS: Jeder Mensch ist anders. Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht denken, ach, die Fröhlich wieder mit ihren extremen Selbsterfahrungssachen, das könnte ich eh nicht, habe ich Freunde gebeten, das Fasten ebenfalls auszuprobieren. Netterweise haben sie das auch getan und mir ihre Gedanken dazu niedergeschrieben. Manches ähnelt sich, manches ist ganz anders … Aber lesen Sie selbst.
Mein Abenteuer Fasten startet mit einer Überwindung. Ich gehe seit Langem mal wieder auf die Waage. Das kleine Miststück und ich haben ein sehr angespanntes Verhältnis. Wenn ich ahne, dass sie mich enttäuschen wird, betrete ich sie einfach nicht. Das ist natürlich ziemlich doof und kindisch, eine klassische Vermeidungsstrategie, aber ich lasse mir nicht gern von einem Stück Metall den Tag versauen. Heute allerdings muss es sein. Ich will Buch führen während des Fastens. Die Abnahme könnte mich zusätzlich motivieren. Der Gedanke, nicht nur meinem Rheuma an den Kragen zu gehen, sondern gleichzeitig noch ein paar Luxuspfunde zu verlieren, hat was. Nach dem Motto: „Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen …“
Die Einnahme von Cortison hat bei mir zu einer Zunahme geführt. Das Cortison allein war es natürlich nicht, aber ich habe einfach sehr viel mehr gegessen. Mehr, als mein Körper benötigt. Immerhin habe ich so eine schöne Ausrede. Man ist ja ungern ganz allein selbst schuld.
75 Kilo zeigt die Waage. Ich steige runter und schiebe sie eine Runde durchs Badezimmer. Manchmal kann man an anderer Stelle sehr viel erfreulichere Zahlen hervorzaubern. Der Trick, der sonst oft funktioniert hat, bringt heute nix Nennenswertes. Es bleibt im Mittel bei 75.
Für manche Frauen meiner Größe wäre das ein Grund den Weltuntergang nahen zu sehen, ich hingegen habe schon um einiges mehr gewogen und bin nicht wirklich geschockt. „Das geht ja noch so gerade!“, tröste ich mich. Kein Grund für eine Spontanparty und Luftballons, aber 75 Kilo entsprechen bei meiner Körpergröße von 1,74 Meter einem Body-Mass-Index (BMI) von 24,8. Bis 74 Kilo, sagt der BMI-Rechner im Netz, wäre alles okay. Mein optimales Gewicht laut BMI, Normalgewicht eben, liege zwischen 58 und 74 Kilo. Eine ordentliche Spannweite. Wegen einem Kilo mehr mache ich mich jetzt nicht wuschig. Im Alter darf man ein wenig mehr Speck auf den Rippen haben, da wird das eine Kilo plus ja wohl drin sein. Gut, zugegeben, nach unten ist BMI-technisch reichlich Luft. Irgendwas dazwischen, zwischen den unerreichbaren 58 und den doch so nahen 74 wäre schön. „Du wirst dich in den nächsten Wochen umgucken!“, drohe ich der Waage an und bin erleichtert. Habe insgeheim wirklich mit mehr gerechnet.
Ich werde mich während des Fastens täglich wiegen. Obwohl der Gewichtsverlust nur ein hübscher Zusatzgimmick ist. Trotzdem bin ich gespannt, was passiert. Entscheidend aber ist, ob das Fasten es tatsächlich schafft, meinem Rheuma die rote Karte zu zeigen.
Nachdem ich die letzten drei Tage schon sehr behutsam gegessen habe, ein wenig Obst und Gemüse, nichts Schwerverdauliches, geht es heute richtig los. Heute ist mein Fastenstart. Der Aufbruch in ein „neues Lebensgefühl“, wie manche behaupten. Noch bin ich ausgesprochen skeptisch, wie sich dieses angeblich „neue Lebensgefühl“ anfühlen wird – und vor allem schon jetzt ziemlich hungrig. Die obligatorischen Entlastungstage vor dem eigentlichen Fasten sind mir schwergefallen. Wenig zu essen ist generell schwer für mich. Das hat einfach etwas von Diät. Ein Thema, mit dem ich eigentlich abgeschlossen habe, schon weil ich weiß, dass Diäten per se kein Stimmungsgarant sind. Wie soll das werden, wenn ich ab jetzt gar nichts mehr esse? Eine Horrorvorstellung. Das große Nichts.
Seit zwei Tagen trinke ich außerdem keinen Kaffee mehr. Ich habe Kopfweh und fühle mich unleidlich. „Das ist der Entzug!“, lese ich in meinen Fastenbüchern. Wenn der Körper sich schon mit dem Kaffeeentzug so pienzig anstellt, will ich mir gar nicht erst vorstellen, was passiert, wenn ich das Essen komplett einstelle. Da wird er wohl richtig auf die Barrikaden gehen.
Ich liebe Koffein. Mein erster Gang am Morgen geht normalerweise an die Kaffeemaschine und dann lege ich mich mit einem schönen schaumigen Milchkaffee noch einmal für eine Viertelstunde hin, um den Tag zu planen. Dieses Ritual ist mir wichtig und vertraut. Pfefferminztee ist leider kein Milchkaffee, egal wie gut man sich zuredet. Ich habe nichts gegen Pfefferminztee an sich, aber gegen meinen geliebten Milchkaffee kommt er nun wirklich nicht an. Pfefferminztee hat einfach keinen Sexappeal. Nicht den Hauch von. Zumindest ist er auch warm. Aber trotz allen mentalen Kniffen, es ist kein Kaffee. Pfefferminztee hat immer was von Kranksein. Dennoch nehme ich ihn mit ins Bett, er kann ja nichts dafür, der kleine Tee. Bei jedem Schluck sehne ich mich nach meinem vertrauten Kaffee. „Du wirst dich daran gewöhnen“, rede ich mir gut zu. Angeblich kann alles zur Gewohnheit werden. Ich bin bereit, es zu glauben, jedenfalls im Moment. Was bleibt mir auch übrig?
Trotz des Kaffeeverzichts bin ich hochmotiviert. Ich neige zu einer gewissen Anfangsbegeisterung. Neue Herausforderungen – und das Fasten ist für mich eine – begeistern mich. Leider lässt meine Begeisterung auch oft sehr schnell wieder nach. Verpufft.
Aber noch bin ich wahnsinnig gespannt auf die Fastenchallenge. Habe mich in die Materie eingelesen und fest vor, die Sache durchzuziehen. Andere können es doch auch, also muss es machbar sein. Obwohl ich berechtigte Zweifel hege, ohne Essen auch nur einen Tag durchzustehen. Nahrung ist so viel mehr als schnöder Brennstoff und damit Energie für den Körper. Nahrung ist Trost, Motivation, Anerkennung und Belohnung. Nahrung ist zudem soziales Schmiermittel, Nahrung verbindet Menschen. Nahrungsaufnahme ist fester Bestandteil des Tages. Ein mehrfacher sogar – jedenfalls bei mir. Nahrung schafft somit auch Struktur, gliedert den Tag. Man hangelt sich von Mahlzeit zu Mahlzeit. Schafft sich selbst Haltepunkte im Alltag. Kurze Pausen. Hat etwas, worauf man sich freuen kann.
Ich muss abführen. Abführen ist ein Must-have des Fastens. Etwas, wovor mir graust. Aber, und da sind sich nahezu alle Fastenden einig, ohne Abführen kann es kein gutes Fasten geben. Ein leerer Magen und ein ausgeräumter Darm sollen das Durchhalten vereinfachen. Das Hungergefühl eliminieren.
Ich will es nicht direkt zu Beginn versauen. „Da musst du durch!“, sage ich mir. Die meisten Fastenprofis trinken Glaubersalz, um den Darm zu entleeren. Ich habe vor Jahren einmal Glaubersalz getrunken und obwohl es ewig her ist, erinnere ich mich nur zu gut an das Grauen. Es gibt Erlebnisse, die sich im Gehirn festsetzen. Allein beim Gedanken daran habe ich einen starken Würgereiz. Ich will das nicht trinken! Ich gehe in die Apotheke und frage nach wirkungsvollen Alternativen. Ich probiere es mit Passage-Salz. Angeblich eine mildere und weniger eklige Variante. Auch dieses Salz ist nicht wirklich schmackhaft, aber ich bekomme es ohne extremes Würgen hinunter. Dann heißt es einfach abwarten.
Ich habe heute frei und kann zu Hause arbeiten. Am Abführtag empfiehlt es sich keine wichtigen Termine zu haben und sich in der Nähe einer Toilette aufzuhalten. Am besten der eigenen. Glaubersalz hat eine enorme Durchschlagskraft, auch das weiß ich noch. Viel Zeit, um sich eine Toilette zu suchen, bleibt da oft nicht. Also, schön zu Hause ausharren und warten.
Ich höre in mich hinein und merke, da tut sich was. Es rumort offensichtlich, es brodelt und macht Geräusche, aber weiter passiert nichts. Dann aber, nach einigen Stunden, wirkt auch das Passage-Salz. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Es hat eine weniger explosive Wirkung als das Glaubersalz. Jedenfalls bei mir. Ich lege noch mal nach und genehmige mir ein weiteres Glas. Nur kein Geiz! Wenn schon, denn schon. Das kann doch nicht alles gewesen sein. Ich halte mir die Nase zu und stürze es runter. Hinterher gibt es Wasser mit einem Spritzer Zitrone. Man kann es aushalten. Lecker ist allerdings anders. Irgendwann zeigt es dann tatsächlich Wirkung. Mein Darm sollte grob entleert sein. Jedenfalls fürs Erste. Lust auf Essen habe ich trotzdem. Angeblich hat man ja bei einem leeren Darm keinen Hunger mehr. Genau das kommuniziere ich auch meinem Körper: „Du solltest keinen Hunger haben, also halte dich verdammt noch mal an die Vorgaben!“ Tagsüber geht es dann, aber als der Abend heranbricht, quält es mich. Ich bin eine austrainierte, talentierte Abendesserin. Schon immer. Frühstück kann nett sein, ist aber für mich am ehesten verzichtbar. „Nicht schon am ersten Tag schwächeln, sonst musst du morgen gerade wieder von vorne anfangen!“, rufe ich mich zur Raison. Allein der Gedanke, morgen direkt wieder mit Passage-Salz in den neuen Tag zu starten, hält mich vom Essen ab. Das wäre dann ja alles für die Katz gewesen. Ich beschließe, von Tag zu Tag zu entscheiden. Geplant sind fünf Wochen. Aber allein die Vorstellung, fünf Wochen lang nicht zu essen, ist abscheulich. Indem ich jedoch mit mir selbst abmache, mich einfach jeden Morgen neu entscheiden zu dürfen, ob es weitergeht oder eben nicht, und immer nur den nächsten Tag im Auge zu haben – dies alles macht es mir mental erträglicher.
Ich koche mir eine Gemüsebrühe. Beschäftigung schafft Ablenkung. Einfach nur dasitzen und warten, dass es vorbeigeht, scheint mir überhaupt keine gute Lösung. Da wird die Zeit im Kopf nur noch bis ins Unendliche gedehnt.
Im Netz kursieren irre viele Rezepte für die Gemüsefastenbrühe und auch in meinen Fastenbüchern gehören sie zum festen Bestandteil. Wirklich schwer ist es nicht, selbst für Kochmuffel wie mich. Gemüse lange auskochen, alles Feste wegwerfen und nicht pürieren (etwas, was mir schwerfällt) und fertig ist die Mahlzeit. Würzen darf man sein „Süppchen“ auch, allerdings nicht mit Salz. Löffeln sei wichtig, nicht trinken – so heißt es. Man habe dann eher das Gefühl, etwas zu essen. Na ja! Um so zu ticken, muss man schon ein wenig verklärt sein. Die Brühe ist warm, eine Art heißes Wasser mit Geschmack. Nicht sehr viel Geschmack, aber eine Abwechslung zum dauernden Wasserkonsum ist es. Ich streue mir einen Teelöffel Kräuter drauf und frage mich, welcher erwachsene Mensch von so etwas satt wird. „Darum geht es nicht“, lese ich in Fastenforen, „die Brühe gibt Mineralien und Vitamine.“ Okay, immerhin etwas.
Ich gehe verdammt früh ins Bett. „Wer schläft, isst nicht!“ erinnere ich mich an einen Satz meiner Mutter. Leider fällt mir das Einschlafen schwer. Liege hellwach im Bett und denke ans Essen. In meinem Kopf toben bunte Essensbilder. Jetzt wenigstens ein kleines Stück Brot oder eine Handvoll Nüsse. Immerhin sind meine Begierden sehr bescheiden. Überlege, ob ich mir nicht zumindest noch etwas von der Brühe heiß mache. Das kann doch keinen großen Unterschied machen. Ich lasse es und bleibe streng mit mir. Schon am ersten Tag zu bescheißen kommt nicht in Frage. Auch wenn es – wie eine kleine Stimme mir einflüstert – ja niemand sehen würde. Es rumort in meinem Bauch. Er scheint beleidigt, fragt sich wahrscheinlich, wann da endlich mal was kommt, kann sich die neue Leere sicherlich nicht erklären. Da muss er jetzt leider durch. „Es ist nur zu deinem Besten!“, rede ich dem Bauch gut zu und irgendwann schlafe ich auch tatsächlich ein.
Die große Überraschung beim Aufwachen: Ich lebe noch. Bin nicht verhungert und eigentlich recht munter, dafür dass ich schon einen ganzen Tag nichts gegessen habe. Hurra. Ich faste tatsächlich. Ich fühle mich, als hätte ich Wochen nichts gegessen. Gehe direkt zur Waage. Mal sehen, ob sich schon was getan hat. Ein Kilo hat die Flatter gemacht. 74 zeigt die Waage. Jetzt habe ich einen BMI im Normalbereich. Das ging flott. Eben noch leichtes Übergewicht, einmal drüber geschlafen – und heute normal. Fantastisch. Und auch lächerlich. Aber irgendeine Zahl muss eben die Grenze markieren. Wirklich verändert fühle ich mich nicht. Ist eh nur Wasser, das weiß ich natürlich, trotzdem beflügelt es mich. Die Tendenz stimmt. Meine Schulter ist noch nicht wirklich beeindruckt vom Fasten. Das wäre ja auch zu schön. Einen Tag nicht zu essen und schmerzfrei zu sein! Um das Rheuma eventuell ein bisschen zu beeindrucken, muss man mehr Geduld haben. Ich bin immer noch skeptisch, ob eine solch profane Maßnahme wirklich helfen kann. Wir werden sehen. Versuch macht klug. Schaden wird es mir nicht und ich habe das Go von meinen Ärzten.
Therapeutisches Heilfasten geht in der Regel länger als das normale Fasten. Schon deshalb habe ich mir für meine Fastenpremiere eben auch gleich so viel vorgenommen. Wenn schon, denn schon.
Lust auf Essen habe ich natürlich, trotz meiner verhältnismäßig guten Stimmung. Schließlich gehört Essen zu meinem Leben. Aber ich bin froh, den ersten Tag geschafft zu haben. Angeblich gibt der Körper nach spätestens vier Tagen Ruhe, gewöhnt sich an den Zustand und ergibt sich. Arrangiert sich mit seinem Schicksal. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, will es aber nur zu gern glauben. Vier Tage sind eine überschaubare Zeit. Es sind nicht mehr als 96 Stunden, von denen ich ja schon 24 geschafft habe. Also nur noch 72 Stunden (von denen ich ja einige verschlafen werde!), dann sollte jegliches Hungergefühl Geschichte sein. Sollte. Ob mein Körper sich diesen Durchschnittswerten fügen wird? Ich horche in mich hinein. Habe ich Hunger? Ehrlich gesagt: nicht wirklich.
Weiß ich überhaupt noch, wie sich richtiger Hunger anfühlt? Haben wir in unserem normalen Leben überhaupt noch wirklich Hunger? Nicht nur Gelüste oder Appetit? Ist das ständige Essen nicht einfach nur Gewohnheit? Essen wir dauernd, weil Nahrung eben dauernd verfügbar ist? Sollten wir nicht mehr auf unsere Bedürfnisse hören?
Egal was es ist, ich hätte gern etwas zu essen. Sehr, sehr gern. „Nicht jetzt“, gebe ich meinem Körper Antwort. Dabei ist es – glaube ich jedenfalls – gar nicht mein Körper, der quengelt, sondern mein Gehirn. „Noch 34 Tage“, sage ich meinem Gehirn. „Das ist ja mehr als ein Monat!“, antwortet das Hirn eingeschnappt und entsetzt und ich muss ihm leider recht geben. Rechnen kann es noch.
Trinke meinen Pfefferminztee und sehne mich nach meinem Milchkaffee. Mein Hirn bettelt um Verhandlung: „Kriege ich nach der Hälfte der Zeit zur Feier einen schönen Kaffee?“ Ich antworte wie früher meine Mutter: „Das besprechen wir, wenn es tatsächlich so weit kommen sollte.“ Vielleicht werde ich, falls ich es schaffen sollte, die Halbzeit wirklich mit einem schönen Milchkaffee feiern. Allein die Aussicht darauf ist verlockend. Auf beides. Den Kaffee und die Halbzeit.
Aber nicht nur der Kaffee fehlt mir, auch das Essen. Wärme mir um die Mittagszeit ein wenig Brühe auf. Ich werde mir salzfreie Gemüsesäfte dazu kaufen. Vielleicht schmecken die ja nach mehr. Auf jeden Fall werden sie für eine gewisse Abwechslung sorgen. Und ich kann mal wieder einkaufen gehen. Außerdem werde ich andere Brührezepte probieren. Von Instantbrühe raten die meisten ab. Zu salzig und oft mit Hefeextrakt. „Natur pur“ heißt das Fastenzauberwort. Keine Zusätze. Eine Fertigbrühe wäre natürlich das Praktischste. Beschließe trotz aller Bedenken, eine zu besorgen und sie in meiner Handtasche zu verwahren. Zur Not kann ich dann unterwegs mal ein Süppchen herstellen. Heißes Wasser bekommt man ja überall. Und besser als ein belegtes Brötchen auf die Hand ist so eine Brühe allemal.
Noch kann ich mir nicht vorstellen, dieses Fastenfernziel in 34 Tagen wirklich zu erreichen. Lese, um mich zu motivieren, in meinen Fastenbüchern. Man soll sich ablenken. Sport treiben. Malen, musizieren, lernen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ich schnüre meine Laufschuhe und beschließe, eine Runde joggen zu gehen. Das funktioniert ausgesprochen gut, was mich erstaunt. Nach etwa 24 Stunden hat der Körper seine Glykogen-Zuckervorräte aufgebraucht und muss nun seine Energie aus anderen Quellen speisen. Kohlenhydrate hat er nicht mehr. „Nicht die Muskulatur anknabbern, die brauche ich noch!“, sage ich meinem Körper und hoffe, dass er auf mich hört. Mit „Nimm doch das Fett!“ biete ich ihm eine fantastische Alternative an. Ich bin nicht wirklich dick, aber es sind genug Vorräte vorhanden. Pölsterchen, auf die ich gut verzichten könnte. Angeblich werden die nach zwei Tagen zur Hauptenergiequelle des Körpers. Wie schlau vom Körper! Und wie nett.
Abends schleiche ich um meinen Kühlschrank. In weiser Voraussicht habe ich ihn ziemlich leer gegessen vor dem Fastenstart. Ich kenne mich eben. Ich neige zu nächtlichen Kühlschrankgängen. Fast so, als würde er sanfte Lockmelodien ausstoßen, sobald die Sonne untergeht: „Komm her und schau in mich hinein! Bitte! Ich bin voller Versuchungen …“
Senf, Ketchup, Wasabi und ein Schälchen Quark sind noch da. Mit den frischen Kräutern für die Suppe könnte ich mir, rein theoretisch, einen herrlichen Kräuterquark machen. Aber Kräuterquark ohne alles? Ohne Brot oder zumindest eine Kartoffel? Oder wenigstens ein paar Gemüsesticks zum Dippen? Auch irgendwie trostlos. Ich bin voller Bewunderung für all die Menschen, die fasten und nebenbei für ihre Familie kochen. Wahre Helden! Das erfordert noch mal ganz andere Willensstärke als in meinem Fall. Aber auch hier im Haus lauern Versuchungen. Mein Keller hat einen Vorratsraum. Einen sehr gut bestückten Vorratsraum und eine gigantische Tiefkühltruhe. Ich könnte mal nachschauen, was es da noch so alles gibt. Irgendwas findet sich bekanntlich immer. Ich bin schon auf der Treppe nach unten, als ich umdrehe. „Das ist eine Form des Masochismus, Susanne“, sage ich mir selbst und mache mir, ausgesprochen vernünftig, Gemüsebrühe warm. „Keine Kellerbesuche in meinem Zustand!“, ermahne ich mich. Der Keller ist tabu. Verbotenes Gebiet. Sperrzone.
Diesmal haue ich jede Menge Kräuter auf die Brühe und würze mit allem, was mein Gewürzbord hergibt. Nur kein Salz. Salz bindet Wasser im Körper und das sei kontraproduktiv, heißt es.
Trinke derartige Mengen, dass ich eigentlich rund um die Uhr ein Dixi-Klo mit mir rumtragen müsste. Ich komme bestimmt auf gut drei Liter am Tag. Manchmal sogar mehr. Ich trinke, bevor überhaupt Durst aufkommt. Wer viel trinkt, hat – so heißt es – weniger Hunger. Der Magen füllt sich mit Wasser. Manchmal habe ich Angst, ich könnte beim Gehen leise vor mich hingluckern. Fühle mich wie ein menschlicher Wassertank. Zum Glück mag ich Wasser. Ich bin keine Limo-Frau, trinke aber, schon weil ich keinen Alkohol konsumiere, ab und an mal eine Coca-Cola zero oder ein anderes Lightgetränk beim Ausgehen. Einfach, um mal Abwechslung im Glas zu haben. Darf man beim Fasten natürlich nicht. Keine Süßstoffe. Nichts Künstliches. Bis heute ist die Rolle des Süßstoffs nicht wirklich final geklärt. Löst er im Körper das aus, was Zucker auslöst? Pusht er den Insulinspiegel? Macht Süßstoff Hunger? Schadet er? Ist er per se gesundheitsschädlich? Oder ist er einfach nur ein Ersatzsüßmittel? Ich kann es nicht beurteilen und die Datenlage ist konfus. Aber der Verzicht auf diese Getränke macht mir – zurzeit jedenfalls – nichts aus. Stattdessen presse ich mir ein bisschen Zitrone ins Wasser oder lege ein paar Scheiben Ingwer rein. Oder ein paar Minzeblättchen. Oder – ganz gewagt – eine Kombi aus allem. Not macht erfinderisch.
Ab und an ein bisschen Fruchtsaft wäre beim Buchinger-Heilfasten erlaubt. Frisch gepresst und mit viel Wasser verdünnt. Erstaunlicherweise lockt mich Fruchtsaft nicht. Jedenfalls im Moment nicht. Meine Begierden sind nicht süß, sondern eher salzig. Ich war schon immer eine Frau, die lieber aufs Dessert als aufs Hauptgericht verzichtet. Was nicht heißt, dass Süßes mich per se nicht lockt. Einem Spaghettieis, einer leckeren Creme mit Beeren oder auch einem klassisches Tiramisu, Marzipan, Vollmilch-Nussschokolade oder Gummibärchen kann ich durchaus was abgewinnen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann eher für Spaghetti als für Spaghettieis. Am besten natürlich erst das eine, dann das andere. Leider gerade kein Thema. Weder das eine noch das andere. Kurz bemitleide ich mich eine Runde und frage mich, warum ich mir das antue. Dann schmerzt meine Schulter bei einer unbewussten Bewegung … und ich weiß es wieder. Ich will das Rheuma in den Griff kriegen. Will es wenigstens versucht haben. Wenn ich dafür fasten muss, dann tue ich es eben.
Ich fahre zum nächsten Supermarkt, um nach Gemüsesäften Ausschau zu halten. Ein Supermarktbesuch während des Fastens ist eine seltsame Angelegenheit. Ich schwanke gefühlsmäßig zwischen wahlloser Gier und leicht aufkommender Überheblichkeit. Ich denke, all das brauche ich nicht – und gleichzeitig will ich alles in den Einkaufswagen werfen. Kaufe mir frische Kräuter in Töpfen, mehrere Tomatensäfte, Karotten- und Gemüsesaft. Dazu ein paar Zitronen, diverse Kräutertees und ein wenig Ingwer. Gemüse für eine frische Brühe. Und Toilettenpapier. Die nette Frau an der Kasse schaut verwundert, sagt aber nichts zu meinem untypischen Einkauf. Auch ich verkneife mir jede Erklärung.
Als ich mit meinem ausgesprochen günstigen Einkauf wieder auf dem Parkplatz stehe, bin ich auf eine verrückte Art stolz. Ich habe widerstanden. Alles wäre verfügbar gewesen und ich habe es im Regal gelassen. Zu merken, man kann willensstark sein, ist ein sehr gutes Gefühl. So ähnlich wie nach dem Sport.
Heute steht ein erster Einlauf auf meiner To-do-Liste. Bisher habe ich, außer bei den Geburten meiner Kinder, noch nie einen Einlauf bekommen. Geschweige denn, mir selbst einen verpasst. Ich fahre nach dem Supermarktbesuch zur nächsten Apotheke, um mir einen Einlauf zu kaufen. Natürlich steht ein Mann hinter dem Tresen und mir ist mein Anliegen irgendwie peinlich. Ich weiß, dass es dem relativ jungen Kerl, der noch dazu ganz niedlich aussieht, wahrscheinlich mehr als egal ist, was ich, die Mittfünfzigerin kaufe, aber irgendwie geniere ich mich. Die Apotheke ist relativ voll und ich äußere mein Anliegen mit einer, für meine Verhältnisse sehr leisen Stimme. Die Rückfrage kommt prompt und in ordentlicher Lautstärke: „Wollen Sie ein Einmalklistier oder einen Klistierball oder eher Mini-Klistiere? Wir haben viele verschiedene Einlaufmöglichkeiten!“ Jetzt habe ich die Aufmerksamkeit der gesamten Apotheke. In meinem Kopf läuft direkt ein kleiner Film ab. Was werden die Leute denken? Hat die Frau schlimme Verstopfung? Was stimmt denn bei der nicht?