Fröhlich mit Abstand - Susanne Fröhlich - E-Book
SONDERANGEBOT

Fröhlich mit Abstand E-Book

Susanne Fröhlich

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

- - Das Bestseller-Erfolgsduo: Susanne Fröhlich und Constanze Kleis - - Alles außer Grau: Unterhaltsame Lektüre für alle, die mit ihrem Alltag auch in Normalzeit hadern - - Eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge im Leben, die uns auch durch Krisenzeiten tragen und zeigen, was wirklich wichtig ist Wenn morgen die Welt untergeht, backen wir heute noch Hefezopf. Wenn unser Alltag alles außer alltäglich ist: In außergewöhnlichen Situationen und Krisen sind wir zurückgeworfen auf uns selbst. Plötzlich liegt das Leben wie unter einem Vergrößerungsglas vor uns und wir stellen uns Fragen, für die sonst oft kaum Zeit blieb: Ist der Mann an meiner Seite der Richtige? Waren die Kinder schon immer so? Wieso stehen wieder so viele Frauen am Herd? Und seit wann bin ich eigentlich wie meine Mutter? Denn was bleibt, wenn sich alles ändert? Wenn man nichts machen kann, außer weiter? Dann zeigt sich deutlich: Unser Alltag ist alles andere als der Langweiler, für den wir ihn immer hielten. Er besitzt mehr Glamour als gedacht, bietet Halt, gerade wenn draußen in der Welt alles aus den Fugen gerät. Er ist voller Sensationen und die Summe aller kleinen Dinge, die uns ausmachen - der eigentliche Held unseres Lebens. Das Erfolgsduo Susanne Fröhlich und Constanze Kleis öffnen für uns ihr Tagebuch und erzählen, wie sie ihren Alltag auf den Prüfstand stellen, um sich dabei neu in ihn zu verlieben. In das, was er für uns war und sein kann: das Beste vom Tag. Er macht uns unverwechselbar, ist ein enorm guter Tröster und voller Glücksmomente und wir können mit Gewissheit eines von ihm sagen: ohne ihn ist alles nichts. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 308

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Susanne Fröhlich / Constanze Kleis

FRÖHLICH MIT ABSTAND

Wie wir uns neu in unseren Alltag verliebten

Knaur e-books

Über dieses Buch

Alles außer Grau

In außergewöhnlichen Situationen und Krisen liegt das Leben wie unter einem Vergrößerungsglas vor uns. Wir stellen uns Fragen, für die sonst oft kaum Zeit bleibt: Ist der Mann an meiner Seite der richtige? Waren die Kinder schon immer so? Und seit wann bin ich eigentlich wie meine Mutter?

Die Corona-Krise hat all unsere Alltagswerte auf den Prüfstand gestellt und uns, unsere Beziehungen, unsere Sehnsüchte gleich mit. Noch nie haben sich unsere Perspektiven so rasant geändert, und noch nie hatten wir die Gelegenheit, zu erleben, wie gravierend die Folgen sein können, wenn man auch nur einen von vielen Puzzlesteinen aus dem Alltagspanorama herausnimmt.

Mit dem Virus kam die Erkenntnis: Gott, was waren wir undankbar! Als nämlich nichts mehr ging und man überhaupt am besten daheimblieb, sehnten wir uns nach den ganz alltäglichen Dingen. Eigentlich war immer alles besser, als wir dachten, oder? Sollte die Situation vielleicht wenigstens dafür gut sein: sich einmal das eigene Leben ganz neu, nämlich durch die Ausnahmezustand-Brille zu betrachten? Unseren Alltag, unser Leben, unsere Lieben, den Haaransatz und unseren Body-Mass-Index mit ganz neuen Augen zu sehen?

Eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge im Leben, die uns auch durch Krisenzeiten tragen und zeigen, was wirklich wichtig ist.

Inhaltsübersicht

WidmungAlles ausser GrauDer erste TagConstanzeSusanneDas unbekannte TierConstanzeSusanneBevormundungenConstanzeSusanneFernwärmeConstanzeSusanneSolidaritätswelleConstanzeSusanneVollimprägniert gegen JammernConstanzeSusanneDie dunkle SeiteConstanzeSusanneNeues von der Stubenhocker-NationConstanzeSusanneKlorollen und Corona-HumorConstanzeSusanneTräumen darf man ja nochConstanzeSusanneKommunikation auf ZimmerlautstärkeConstanzeSusanneUnbelehrbarConstanzeSusanneBeschaffungsmanagement vs. BesserwisserConstanzeSusanneSonntags dauerschleifeConstanzeSusanneBeschäftigungen nicht nur für Single-MännerConstanzeSusanneRespekt vs. LangeweileConstanzeSusanneScherzlosConstanzeSusanneDistanzlosConstanzeSusanneVom grau gesträhnten Zebra und dem MopsConstanzeSusanneAbsolut speckfreiConstanzeSusanneLeuchtfeuerConstanzeSusanneTageslichttauglichConstanzeSusanneLaufend auf dem LaufendenConstanzeSusanneLeidlich normalConstanzeSusanneAlltag as usualConstanzeSusanneBeuteschemaConstanzeSusanneAuf der ZielgeradenConstanzeSusanneOsterhefezopf- Beauty-ContestConstanzeSusanneAusnahmebeziehungszuständeConstanzeSusanneFrustrationstoleranzSusanneConstanzeTrittbrettfahrerstolzSusanneConstanzeAlltag mal fragilSusanneConstanzeNicht die Nerven verlierenSusanneConstanzeGit up and danceConstanzeSusanneLebenshintergrund- geräuscheConstanzeSusanneKatastrophen- müdigkeitConstanzeSusanneAufmerksamkeitenConstanzeSusanneAus der BalanceConstanzeSusanneSprachlosConstanzeSusannePerfektion in der WarteschleifeConstanzeSusanneBest of böseConstanzeSusanneStreichkonzertConstanzeSusanneAbgeschminktConstanzeSusanneVerkabeltConstanzeSusanneFotoberührungen und GeisterbegegnungenConstanzeSusanneLang lebe die EntspanntheitConstanzeSusannePromenadologieConstanzeSusanneSackblödConstanzeSusanneAn der OptikfrontConstanzeSusanneFünfzig und pudelwohlConstanzeSusanneKlammerbluesSusanneConstanzeMutti Eine WürdigungConstanzeSusanneAusgewachsenConstanzeSusanneMansplainingConstanzeSusannePillepalleConstanzeSusanneHeimatkundeConstanzeSusanneMach dich lockerConstanzeSusanneShowgirlsConstanzeSusanneJammertagConstanzeSusanneVon Silberstreifen und StrandhaferConstanzeZeltplatz vs. Hipster-KlubSusanneConstanzeVerschieberitisSusanneConstanzeAbschluss und alles weitereSusanneHappy birthdayConstanzeSusanneZeitverbesserungs- SpitzenkräfteSusanneConstanzeVorläufiges Ende
[home]

Für alle, die uns durch diese seltsamen und beunruhigenden Zeiten begleiten und dafür sorgen, dass wir nicht aus den Augen verlieren, wer und was wirklich zählt. Vor allem aber für die Menschen, die den Laden da draußen auch dann am Laufen halten, wenn es mal wieder eng wird. Und natürlich besonders für Matthias und Uli.

[home]

Alles ausser Grau

So viel vorneweg: Wir müssen uns entschuldigen, und zwar bei unserem Alltag. Dafür, dass wir ihn für so einen tödlichen Langeweiler hielten. Ihn mit seinen Routinen und ewig gleichen Abläufen unfasslich kleinkariert fanden und ihm dauernd Vorwürfe machten, dass er uns nicht bot, was wir doch mindestens verdient hätten: mehr Abwechslung, Esprit, Glamour, Abenteuer, Zauberstaub. Also Mauritius statt Nordsee. Schlemmermenüs in Sternerestaurants statt Pizza und Pasta beim Italiener um die Ecke. Shoppingwochenende in den Metropolen der Welt statt Einkauf in der Fußgängerzone um die Ecke. Wir wollten aufregende Dates mit aufmerksamen, fürsorglichen Männern, die um 22 Uhr noch in Bars Champagner ausgeben. Und nicht mehr länger Klaus-Dieter dabei zuschauen, wie er auf dem Sofa einschläft, natürlich ohne vorher sein leeres Bierglas in die Küche zu bringen. Überhaupt kein Wunder, dachten wir, dass der Alltag bloß als zuverlässiger Beziehungskiller so eine enorme Karriere gemacht hat. Schließlich, so unterstellten wir ihm, verfügt er höchstens über gera}de so viel Magie, wie man braucht, um aus »bunt« »grau« zu machen.

 

Dann kam Corona und mit dem Virus die Erkenntnis: Gott, was waren wir undankbar! Als nämlich nichts mehr ging und man überhaupt am besten daheimblieb, nicht mehr reisen, nicht mehr ins Restaurant, nicht ins Büro, zu Freunden konnte und kaum andere Familienangehörige traf als die, die man in der gemeinsamen Wohnung ohnehin vorrätig hatte, da wären wir plötzlich furchtbar gern zum Italiener um die Ecke gegangen oder wenigstens einmal wieder zum Kaffee zu den betagten Eltern. Jetzt wünschten wir uns, wenigstens noch ein paar Tage an der Nordsee urlauben zu können, und stellten überhaupt etwas sehr Erstaunliches fest: wie sehr wir uns zurücksehnten in unseren alten Alltag, in eine Normalität, in der wir uns nicht mal in unseren kühnsten Träumen vorstellen konnten, was so ein Virus anzurichten vermag.

Sollte Corona vielleicht wenigstens dafür gut sein: sich einmal das eigene, alltägliche Leben ganz neu, nämlich durch die Ausnahmezustand-Brille zu betrachten? Das fragten wir uns von Beginn des Lockdowns an. Seit dem 16. März 2020. Und zwar schriftlich. Weil wir uns nicht mehr treffen durften, schrieben wir uns eben. Jeden Tag gingen Mails hin und her – zwischen Frankfurt, wo Constanze mit ihrem Mann und zwei Katzen lebt, und einem Vorort der Mainmetropole, wo Susanne die Lockdown-Wochen mit ihrem noch ziemlich neuen Partner und seinem fünfzehnjährigen Sohn verbrachte. Dabei stellten wir immer wieder fest, wie unfasslich viel sich gerade dann bewegt, wenn alles zum Stillstand kommt. Wie sich ausgerechnet, wenn nichts mehr geht, alles verändert.

Wir fingen an, Supermarktkassiererinnen mit ganz neuen Augen zu sehen – und ihnen endlich den Respekt zu zollen, den sie ohnehin schon immer verdienten. Wir empfanden Demut und Dankbarkeit für ein Staatsoberhaupt wie Angela Merkel und gegenüber jenen, die jetzt in den Kliniken an vorderster Corona-Front dafür kämpften, dass wir so viel Normalität wie nur möglich behalten durften. Und wir entdeckten die Küche und ungeahnte hausfrauliche Qualitäten. Wir entwickelten außerdem eine unerwartete Gelassenheit gegenüber unserem Verfall, der nun ungebremst von Friseuren, Nagelstudios und Fitnesscentern munter voranschritt. Und wir beobachteten so etwas wie den brennenden Busch der Corona-Krise: wie junge Menschen plötzlich anfingen, sich ausgerechnet nach der Schule und der Uni zu sehnen. Wir freuten uns, Väter im Park mit ihren Kindern spielen zu sehen. Und waren ziemlich erschüttert darüber, wie erwachsene Menschen sich um Klopapier stritten und manche Männer lieber drei Stunden vor dem Baumarkt Schlange standen, um eine winzige Schraube zu beschaffen, von der sie selbst nicht wussten, wozu sie sie einmal brauchen würden – (außer dazu, mit diesem vermeintlich »systemrelevanten Einkauf« der Hausarbeit zu entkommen als daheim das eigen Fleisch und Blut zu beaufsichtigen). Plötzlich hielten wir mitten im Sommer das Thema »Bikinifigur« für ungefähr so bedeutend wie den letzten Tweet von Trump und überlegten, ob Angela Merkel bei ihren Videokonferenzen untenherum das Gleiche trug wie wir bei unseren: Jogginghosen und Hausschuhe.

Großes und Banales saßen auf einmal in schönster Eintracht zusammen, ein Kunststück, das längst nicht allen gelang. Auch so ein erstaunliches Corona-Phänomen: dass so viele ausgerechnet mit den nächsten Menschen die neue Nähe eher als bedrückend empfanden. Was zu einer weiteren Alltagsfrage führte: Haben wir vielleicht verlernt, uns ohne all die täglichen Ablenkungen der Vor-Corona-Zeit auszuhalten? Und während die einen vor lauter Leerlauf begannen, ihre Wohnungen zu renovieren, Webinare zu buchen oder ihren Kleiderschrankinhalt nach Farben zu sortieren, hatten die anderen – die mit Kindern und Homeoffice – vor allem das Problem, überhaupt noch zum Schlafen zu kommen. Jetzt, wo wir plötzlich alle zu Hause bleiben sollten und wirklich einmal denselben Tagesablauf hatten, erfuhren wir, wie man seinen vermeintlich so langweiligen Alltag vermissen kann und all die Menschen, die darin kleine und große Rollen haben, kleine und große Aufgaben übernehmen. Die Freundinnen, die Lehrer, die Erzieherinnen, die Familienmitglieder, die Nachbarn, die Verkäuferinnen, die Kollegen. Wir verstanden nun, wie abwechslungsreich unser Alltag eben noch gewesen war, wie besonders – und wie viel Glück wir mit ihm, diesem denkbar großartigsten gemeinsamen Vielfachen von »Leben« hatten. Gemacht aus Hobbys, Ausgeh- und Reisegewohnheiten, Treffen mit Freundinnen, Familie, Kollegen, Kino, Theater, Konzerten. Corona hatte all das selbstherrlich und radikal aus unseren Terminkalendern gestrichen und damit unsere Alltagsroutine, unsere Beziehungen, Sehnsüchte und schließlich auch uns auf den Prüfstand gestellt. Noch nie hatten sich unsere Perspektiven so rasant geändert, und noch nie hatten wir die Gelegenheit zu erleben, wie gravierend die Folgen sein können, wenn man auch nur einen von vielen Puzzlesteinen aus dem Alltagspanorama herausnimmt.

Ja, es war manchmal schlimm zu erleben, wie plötzlich so viel von dem, was wir für selbstverständlich hielten, einfach weg war. Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen, die der Lockdown etwa für Gastronomen hat. Und für die Senioren, die sich nach wie vor noch immer weitgehend isoliert in ihren Heimen fragen, ob man mit über achtzig nicht längst erwachsen genug ist, selbst zu entscheiden, welche Risiken man auf sich nimmt. Aber es stimmt auch, was ein großer Regisseur einmal sagte: »Komödie ist Tragödie plus Zeit.« Mit Abstand betrachtet, hatte die Krise nämlich durchaus auch lustige Momente. Wenn etwa die Beschaffung der so raren Hefe Züge annahm, die man sonst nur aus dem Drogenhandel kennt (natürlich bloß theoretisch). Oder unser Plan, Nachhaltiges aus der Krise mitnehmen zu wollen und per YouTube-Tutorial einen Tanz einzustudieren. Das war sehr, sehr amüsant. Jedenfalls für unsere jeweiligen Mitbewohner.

Und noch etwas Gutes hatte die Corona-Zwangsentschleunigung: Erstmals schauen wir unseren Nachbarn nämlich nicht nur in die Wohnung, sondern auch ein bisschen ins Herz. Mancher blickte vielleicht überhaupt erstmals von seinem Alltagsgerödel auf und stellte fest, dass um ihn herum noch andere Menschen leben. Auch solche, die möglicherweise Hilfe brauchen.

Ja, Corona hat so oder so unsere emotionale Fieberkurve in die Höhe getrieben. Vor allem aber sorgt die Krise nachhaltig dafür, dass wir unseren Alltag, unsere Lieben und unseren Body-Mass-Index mit ganz neuen Augen betrachten. Schließlich stellt sie fast jede Gewissheit und Selbstverständlichkeit auf den Kopf und wichtige Fragen: Was brauchen wir wirklich? Was ist wichtig? Und wer? Wie viele Vorschriften muss und sollte man sich machen lassen? Wieso sind so viele plötzlich so irre? Sollte ich mir weiterhin die Haare färben oder sie ganz dem Grau überlassen? Was passiert mit Freundschaft, wenn man sie bloß noch per Videochat pflegen kann? Wie werde ich meine Corona-Pfunde wieder los? Und wozu? Was ist wichtiger: dass mein betagter Vater total sicher ist vor Ansteckung oder dass er nicht völlig vereinsamt? Ist Politikern zu trauen, die ihre Sympathiewerte mit übereilten Lockerungen in die Höhe treiben wollen? Werde ich jemals wieder aus der Küche und der Verantwortung für regelmäßige warme Mahlzeiten herauskommen? Sind wir wirklich nachhaltig klüger geworden oder bloß in Teilzeit?

Wir zwei haben versucht, wenigstens für unser Leben ein paar Antworten zu finden. Tag für Tag. Und uns dabei an Karl Valentin festgehalten. Der hat einmal gesagt: »Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch!« Wir finden, das ist eine ziemlich gute Empfehlung. Auch wenn man natürlich zwischendurch immer mal heulen möchte (und es manchmal tut) – haben wir die Erfahrung gemacht, dass man gerade mit Abstand doch ziemlich fröhlich sein kann. Wir hoffen, dass Sie mit unserem Tagebuch in der Hand ganz ähnlich empfinden werden …

[home]

Der erste Tag

Constanze

16. März. Der erste Tag also – ab heute wollen wir uns schreiben, weil seit heute gilt: Besser keine direkten Begegnungen mehr. Klar, werden wir – wie immer – täglich telefonieren. Aber so ein Telefonat lässt sich halt nicht später noch einmal durchblättern, und irgendwie haben wir ja beide das Gefühl, dass die nächste Zeit uns schon ein paar Erfahrungen präsentieren wird, die es lohnen, festgehalten zu werden. Allein die letzten 24 Stunden. Kennst du das Lied »What a difference a day made«? Das könnte so etwas wie der Soundtrack der nächsten Wochen werden. Es ist total verrückt. Gestern war ich noch in einer Kneipe. Zwar etwas beklommen und unsicher ob der Dinge, die da kommen werden, und natürlich auch wegen der furchtbaren Bilder aus Italien, die uns schon seit Tagen begleiten. Andererseits: Offiziell ist in Deutschland erst ein Mensch an Corona gestorben. Ja, ich war gestern schon ein wenig beunruhigt. Aber immer noch irgendwie kuschelig aufgehoben in meiner Alltagsblase. Katastrophen? Waren immer so nett, sich woanders abzuspielen. Vor dem »social distancing« lebten wir in einem »desaster distancing«. Doch jetzt ist passiert, was ich bis jetzt nur aus dem Fernsehen oder Kino kannte: Das ganze Land fährt runter. Die EU hat einen Einreisestopp verhängt. Die Schulen sind geschlossen, die Kindergärten. Wir sollen möglichst zu Hause bleiben. Uns nicht mehr mit anderen treffen. Nicht mit Freunden, nicht mit Familienmitgliedern. Keine Restaurantbesuche mehr, kein Einkaufsbummel. Bloß noch die Beschaffung von notwendigen Dingen im nächsten Supermarkt. Kein Problem. Andere Geschäfte haben zumeist ohnehin nicht mehr geöffnet. Und was meinen Puls darüber hinaus dann doch etwas in die Höhe trieb: dass die Bundeskanzlerin in ihrer Ansprache von einer Herausforderung »historischen Ausmaßes« gesprochen hat. Klang wie aus dem kleinen Staatenlenker-Wörterbuch für Krisen in der Größenordnung von Kriegen, Meteoriteneinschlägen, Tsunamis, Reaktorunfällen, Erdbeben ab Stärke neun. Das fühlt sich ganz ähnlich an wie damals, als ich das erste Mal nach New York reiste: total unwirklich. Als wäre man in einem jener Filme gestrandet, aus denen man die Kulisse fast in- und auswendig kennt. Weil das Bewusstsein dafür, dass das jetzt wirklich passiert, so laaaaangsaaaam den Ereignissen hinterherschlappt, als wäre die Corona-Krise ein Klassenausflug und unser Realitätssinn ein lustloser Schüler, der exzessiv herumtrödelt in der irrigen Hoffnung, dass diese Zumutung sich dadurch verkürzt. Eine Freundin hat mal erzählt, wie sie mitten in Frankfurt zufällig in einen Banküberfall mit Schusswechsel kam. Sie war mittendrin, sagte sie, und wie sie die ganze Zeit damit beschäftigt war, sich klarzumachen, dass das hier jetzt gerade WIRKLICH passiert. Vom Kopf her sei ihr das gelungen, aber sie habe es nicht nachgefühlt. Es sei vielmehr die ganze Zeit so gewesen, als würde sie sich im Fernsehen etwas anschauen. Hast du schon wirklich richtig verstanden, was los ist? Wie war es in Stockholm? Als du mit deinem Freund losgefahren bist, war ja – noch fast – alles in Ordnung. Wie halten es die Schweden? Können die ihren Alltag noch behalten? Und: Eigentlich sind wir ja für morgen verabredet. Wir wollten zusammen an unserem Manuskript arbeiten. Aber sollten wir?

Susanne

Nein, ich habe noch nicht verstanden, was da los ist und wie ich mich zu verhalten habe. Dass wir uns ab heute täglich schreiben, finde ich eine wunderbare Idee.

Die Situation ist irgendwie bizarr: Ich bin heute Morgen noch in Stockholm aufgewacht. Das lange Wochenende in der schwedischen Hauptstadt, das ich meinem Freund zum Geburtstag geschenkt habe. Es war fest gebucht. Abflug: 13. März – Rückflug: 16. März. Schon vor dem Abflug am vergangenen Freitag waren wir ausgesprochen zögerlich. Nicht nur, weil uns diverse Leute gefragt haben, ob wir noch alle Tassen im Schrank haben. Die Lage war so dermaßen diffus und unübersichtlich. Aber es gab eben noch keine Reisewarnung, und wir hatten uns so auf den kleinen Trip gefreut. Diese Auszeit, nur wir beide.

Ich habe mir für die Entscheidung zu fliegen und die Reise anzutreten einiges anhören müssen. Eine Freundin hat mir per WhatsApp geschrieben, dass sie mich für verrückt hält. Richtig streng und unerbittlich. Das kann man so sehen, aber die Bedrohung erschien mir sehr abstrakt. Mein Freund war unsicher. Hat eher zur Absage tendiert, sich dann doch überreden lassen. Dass es keine Reisewarnung gab, hat ihn überzeugt. Du weißt: In den Anfangszeiten der Liebe geht noch einiges … (Bin gespannt, wann es sich legt ;-).

Noch nie habe ich den Frankfurter Flughafen – immerhin ein internationaler Dreh- und Angelpunkt – dermaßen leer erlebt. Fast als wäre er vor einer halben Stunde evakuiert worden. Auch im Flieger gähnende Leere. Erfreulich einerseits, aber doch unheimlich. Wir haben einen unheimlich netten schwedischen Flugbegleiter kennengelernt, und er hat uns jede Menge Tipps für seine Heimatstadt Stockholm gegeben. In der Stadt war es einfach nur wunderbar, kaum Touristen, fantastisches Wetter, aber trotz all des Schönen hatten wir immer ein leicht mulmiges Gefühl. Jeder kleiner Huster um uns rum hat uns aufgeschreckt. Unsere Versuche, vor der Abreise am Flughafen und dann in Stockholm Desinfektionsmittel aufzutreiben, waren erfolglos. In jeder Apotheke nur Kopfschütteln. Als hätten wir nach einer illegalen Substanz gefragt. Wir haben uns fast manisch die Hände gewaschen und versucht, niemandem zu nah auf die Pelle zu rücken. Noch nie habe ich so häufig mein Handy gecheckt, um die Entwicklung der Lage im Auge zu behalten. Unterschwellig waren wir die gesamten Tage latent angespannt. Heute Morgen im Hotel gab es auf einmal kein Frühstücksbüfett mehr. »Corona!«, hieß es. Es sind kleine Dinge, die zeigen, dass irgendwas ganz anders ist. Es liegt so was in der Luft, und damit meine ich nicht dieses seltsame kleine Virus, sondern eine Stimmung.

Jetzt bin ich zurück, und alles ist anders. Und kapiert habe ich noch nichts. So oder so – ich bin froh, wieder hier zu sein, und auch darüber, dich in der Nähe zu wissen. Trotzdem denke ich, wir sollten erst mal auf Abstand bleiben. Oder?

[home]

Das unbekannte Tier

Tag 2

Constanze

Ja, du hast recht, wir warten besser mal ab, bevor wir uns sehen. Dieses Virus – so winzig es ist – ist irgendwie wie ein sehr großes, sehr beängstigendes Tier, das nicht zu bändigen ist. Alle schauen gebannt, was es als Nächstes tun wird. Aber viele glauben auch, dass es gar nicht so böse ist, wie behauptet wird. Dass es ja genauso gut ganz harmlos sein könnte. Aber ehrlich: Ich will meine Hand nicht ausstrecken, und am Ende ist sie abgebissen. Außerdem sind die Bilder aus Italien schrecklich genug.

Habe ich mich je beklagt, dass nichts los ist in meinem Leben? Wie ich das jetzt schon bereue! Immerhin ist jetzt eine Pandemie los. Das Schicksal scheint einen bizarren Humor zu haben, denn wo es auf der einen Seite »Action!!« brüllt, reduziert es auf der anderen Seite den Event-Level in unseren Leben auf seniorenheimtauglich. Vermutlich denkt es, wir haben Ausnahmesituation genug – da brauchen wir keine Abwechslung mehr: die riesige Feier zum fünfzigsten Geburtstag einer Cousine in Köln – gestrichen. Das Fotoshooting, das wir – du und ich – nächste Woche gehabt hätten, auch gecancelt. Ebenso der Besuch meines Neffen aus Finnland. Und so ging es heute den ganzen Tag weiter: Leipziger Buchmesse, Fußballeuropameisterschaft, das Konzert, das mein Mann und ich am Wochenende besuchen wollten – alles fällt flach.

Waren wir vielleicht nicht dankbar genug für die kleinen Freuden des Alltags? Will uns das Virus das sagen? Wir haben ja beide auch die eine oder andere Freundin, die glaubt, mit allem, was so passiert, sei eine Botschaft verbunden. Höhere Mächte würden also eine Art Messengerdienst betreiben, und statt uns einfach ins Gesicht zu sagen, was immer sie uns mitzuteilen hätten, stellen sie uns lieber knifflige und offenbar manchmal auch sehr brutale Denkaufgaben. Getarnt als Krebsdiagnosen oder Verkehrsunfälle oder Arbeitsplatzverlust. In diesem Kosmos wäre das irgendwie dann ja doch immer für irgendetwas gut. Sogar Corona. Aber für was? Mal wieder ein gutes Buch zu lesen? Netter zum Mann zu sein, weil wir nun offenbar sehr viel Zeit und das ohne jede Ausweichmöglichkeit miteinander verbringen werden? Die Wohnung einmal wieder aufzuräumen, weil man ja nun Zeit dafür hätte? Den Kleiderschrank auszumisten? Aber will man sich von einem Profikiller – und das ist das Virus, nach allem, was man gerade erfährt – wirklich belehren lassen? Und ist es nicht ziemlich gemein, wenn man nicht einfach mal unglücklich sein darf, wenn etwas Schlimmes passiert, sondern andauernd in seinem Unglück noch einen Sinn suchen soll?

Aber zugegeben: Eine Sache mussten wir offenbar auf die ganz harte Tour mal wieder unter die Nase gerieben bekommen: wer hierzulande eigentlich wirklich wichtige Arbeit leistet – nämlich Supermarktbeschäftigte, Kranken- und Altenpflegepersonal. Sehe gegenüber aus dem Supermarkt gerade Leute mit prall gefüllten Einkaufstüten kommen – als wüssten die etwas, was wir noch nicht wissen –, zum Beispiel, dass dieser Tag heute die letzte Gelegenheit für Monate sein wird, sich mit Lebensmitteln einzudecken. Zugegeben, ein wenig ansteckend ist diese Panik schon.

Ich glaube, ich werde mal unsere Vorratskammer checken. Was hast du heute so vor?

Susanne

Ich warte immer noch darauf, aufzuwachen und zu merken, dass das alles ein fieser Albtraum ist. Du kennst doch diese Nächte, in denen man kurz vor dem Aufwachen noch so sehr in seinem Traum gefangen ist, dass man selbst im wachen Zustand ein bisschen weiterträumt? Ich fühle mich genau wie deine Freundin beim Banküberfall: wie in einem Film. Einem seltsamen Science-Fiction-Film. Nur ist hier bei diesem Film das Ende offen, und das macht mich besorgt.

Ist das jetzt wirklich ernst? Muss ich das ernst nehmen? Ist alles übertrieben? Ich weiß es nicht, und Unwissen macht mich schnell kirre. Ich fühle mich hilflos. Irgendwie überfordert mit der Einschätzung der Lage. Ich bin, obwohl es mir peinlich ist, andererseits auch fasziniert. Angefixt. Schaue permanent im Netz nach neuen Entwicklungen. Du weißt, ich bin ein Faktenjunkie. Ich entdecke in mir (nicht wirklich sympathisch) so etwas wie Sensationsgier. Hocke ständig vor der Glotze und gucke eine Spezial-Corona-Sendung nach der nächsten. Anne Will, Sandra Maischberger und Maybrit Illner sind quasi neue Familienmitglieder. Sehe sie häufiger als Menschen, die mir am Herzen liegen. Die Nachrichtenlage ändert sich nahezu stündlich. Belgien und Frankreich haben jetzt eine Ausgangssperre, Menschen dürfen nur noch in den Supermarkt, zum Arzt, zur Apotheke oder zur Bank. Ab morgen dürfen keine Touristen mehr nach Schleswig-Holstein. Beides tangiert mich natürlich eher weniger – ich hatte nicht vor, in Schleswig-Holstein Urlaub zu machen, und ob die Belgier und Franzosen rausdürfen oder nicht, kann mir eigentlich auch egal sein. Ist es aber nicht, denn all die Meldungen zeigen: Der Schrecken ist auf dem Vormarsch. Rückt beständig näher. Einer der Ausgangspunkte war wohl Ischgl, ein Skiort in Österreich. Dort blieb eine Bar geöffnet, obwohl ein Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet wurde. Auch wir, der Liebste, sein Sohn und ich, waren noch im Februar im Skiurlaub. Nicht in Ischgl, aber eben auch nicht wirklich weit davon entfernt. Waren wir nicht alle schlimm müde nach der Reise? So abgeschlagen? Liegt das daran, dass wir hoch oben auf dem Berg waren, daran, dass Skifahren nun mal anstrengend ist und wir – bis auf den Sohn – auch nicht mehr blutjung sind? Oder war es das verdammte Virus? Hatten wir was und wissen es nur nicht? Oder macht das Wissen darum, dass da etwas rumschwirrt, uns zu Superhypochondern? Steigern wir uns gerade in irgendwas rein? Ist das ganze Corona-Gedöns vielleicht komplett übertrieben, und ich falle wie so viele darauf rein?

Ach, und zurückkommend auf deine Frage, was ich heute so vorhabe: Ich werde tatsächlich auch mal einkaufen gehen. Sicher ist sicher. Obwohl mein Winterspeck einen gewissen Nahrungsentzug sehr gut verkraften könnte. Immerhin ein Gutes hat der Speck: Ich könnte sehr lange von den eigenen Reserven zehren.

[home]

Bevormundungen

Tag 3

Constanze

Heute ist der wöchentliche Vatertag. Seit unsere Mutter gestorben ist vor zehn Jahren, fahre ich ja immer wieder mittwochs gegen Abend mit Öffentlichen in den Frankfurter Vorort, in dem mein Vater lebt. Ich versuche, auf dem Weg dorthin irgendwo etwas Essbares aufzutreiben, weil mein Vater Dinner-Cancelling betreibt und nie etwas vorrätig hat. Also jedenfalls nichts, was für ein ordentliches Abendbrot taugt. Er findet, er sei zu dick. Finde ich nicht. Ich finde, dass man mit über achtzig doch wirklich alt genug ist, um mal satt ins Bett zu gehen. Aber gut, er ist erwachsen genug, um das selbst zu entscheiden. Ich würde sogar sagen: Erwachsener und also mündiger kann man ja kaum werden. Er hat für sich – und damit auch für mich – klargemacht, dass er auf keinen Fall auf die Besuche verzichten will. Und sowieso auch nicht aufs Einkaufen. Deshalb fahre ich wie immer in den Vorort von Frankfurt, in dem er lebt. Beziehungsweise: Ich lasse mich von meinem Mann fahren. Im Moment sind mir Busse und Bahnen doch irgendwie nicht geheuer. Da haben wir sie vermutlich: die erste Corona-Inkonsequenz. Einerseits habe ich genug Respekt vor dem Virus, um mich nicht mit Fremden in eine S-Bahn zu setzen. Andererseits offenbar nicht genug, um mich vom Vaterbesuch abhalten zu lassen. Zumal der – wie ja sonst auch – mal wieder beneidenswert entspannt ist. »Dieses Corona« ist – noch – etwas, das nicht wirklich im eigenen Leben passiert. Ich hatte allerdings auf dem Weg zu ihm einen kleinen Realitätsschub. Wenn man so an all den geschlossenen Läden vorbeifährt, weht einen schon der kalte Hauch des Ausnahmezustandes an. Eigentlich wollte ich mir dann im Supermarkt bei ihm gegenüber irgendetwas Vernünftiges kaufen: Gemüse, Salat, höchstens Hähnchen. Aber dann dachte ich, dass ich meine kleinen Vernunftvorräte bereits damit aufgebraucht habe, Öffentliche zu meiden. Und dann war da dieses enorme Bedürfnis, so zu tun, als wäre eigentlich gar nix. Zwei starke Strömungen, die mich direkt in die Stehpizzeria vor dem Haus meines Vaters gespült haben. Ja, die hat noch geöffnet: Liefern lassen darf man ja. Ich habe mir eine Pasta mit Pilzrahmsoße gegönnt. Kennst du das: dass man es immer nur schafft, zu höchstens siebzig Prozent konsequent zu sein? Dass da im Inneren immer so eine Art Taschenrechner mitläuft, der sagt: »Also heute warst du schließlich schon joggen, da kannst du dir locker ein Eis gönnen!« Oder: »Du kannst dich ruhig mal zwei Stunden auf den Balkon legen, schließlich hast du heute schon sehr früh angefangen zu arbeiten.« Irgendwie schaffe ich nie die Einhundertprozent-Tage, an denen ich mal ALLES richtig mache: früh aufstehen, viel arbeiten, Sport machen, nur Grünzeug essen, keinen Wein trinken. Nein, nicht mal ein winziges Glas. Eher mache ich mir mit einem Minus auf der einen Seite das mühsam erarbeitete Plus zunichte. Hoffe nur, mit dem Corona-Virus wird das nicht auch so laufen. Aber ich fürchte, dass es sich da um ein zutiefst menschliches Bedürfnis handelt: sich immer gleich für vermeintliches »Wohlverhalten« belohnen zu wollen und sich locker zu machen. Auch mein Vater hat dann abends noch ungefähr vier Marzipankartoffeln gegessen. Ich war nett und habe mir verkniffen zu sagen, dass er sich dafür auch hätte ein paar ordentliche Stullen schmieren können. Wie gesagt: Er ist schließlich alt genug für so ziemlich alles. Auch wenn ich merke, wie ich mich manchmal zusammenreißen muss, ihn nicht zu bevormunden. Du kennst da sicher die andere Seite – die Elternseite? Oder haben deine Kinder – noch – keinerlei Ambitionen, dir die Welt zu erklären?

Susanne

Ambitionen? Das wäre untertrieben: Meine Kinder sind im Welterklären die absoluten Weltmeister. Und ehrlich: Ich hasse es. Fühle mich dann immer, als wäre ich schon dement oder anderweitig nicht mehr ganz frisch im Kopf. Was das Thema angeht, bin ich fast schon überempfindlich, vielleicht weil die Rollen zwischen Eltern und Kind eigentlich klar verteilt sind. Die Eltern sagen, wo es langgeht, und die Kinder folgen. So weit die Theorie. In der Praxis werde ich in den letzten Jahren ziemlich häufig relativ harsch (jedenfalls für mein Empfinden) zurechtgewiesen. Von meinen Kindern, die aber, laut Alter, ja inzwischen junge Erwachsene sind. Viele ihrer »Bevormundungen« sind sicherlich auch eine Form der Sorge, insofern sollte ich in dieser Hinsicht nicht so streng sein. Vor allem, weil ich auch bei meinen Eltern merke, dass ich ihnen vermehrt sage, was sie zu tun und vor allem zu lassen haben. Ich versuche, es zu vermeiden, schließlich haben sie ja schon diverse Jahrzehnte ohne meinen Einspruch ziemlich gut gemeistert. Aber ich schaffe es, ehrlich gesagt, oft nicht. Kann halt schlecht einfach mal die Klappe halten. Gerade jetzt fällt es mir schwer. Meine Eltern sind ja geschieden, und ihr Verhalten ist in diesen Zeiten sehr unterschiedlich: Meine Mutter ist sehr, sehr ängstlich, mein Vater hingegen sieht es eher wie deiner. Er habe in Kriegszeiten überlebt, da lasse er sich nicht von einem Virus einschüchtern … – … mein Vorschlag, ihm einzukaufen, wird brüsk abgelehnt.

Und was die 70 Prozent Konsequenz angeht: Ich wäre froh die 70 überhaupt zu erreichen. Ich bin eine Meisterin im Aufrechnen von Plus und Minus. Eine kleine Joggingrunde (Plus) rechtfertigt einiges an nicht so optimaler Nahrung (Minus). Natürlich weiß ich, dass das Quatsch ist, so schlecht bin ich nun auch nicht in Mathe, aber ich mache es mir halt gerne nett. Das versuche ich selbst in diesen Viruszeiten.

Ich genieße das ungewohnte Leben an der Seite meines Freundes. Wir haben – ziemlich spontan – nach unserer Rückkehr aus Stockholm beschlossen, die Coronazeit gemeinsam zu verbringen. Ich werde bei ihm wohnen, bin als Single mit schon ausgewilderten Kindern eben flexibler als er, der mit seinem fünfzehnjährigen Sohn zusammenwohnt. Zusammenleben ist immer eine Herausforderung und noch mal etwas ganz anderes als gemeinsame Wochenenden. Bin gespannt, wie wir die Situation meistern. Gespannt und auch ein bisschen aufgeregt. Schließlich hätten wir das ohne Corona sicherlich nicht so schnell gemacht. Das Virus als Beziehungsbeschleuniger.

 

Ein schöner Nebeneffekt: Ich bin runter vom Berg und nun viel näher an Frankfurt und damit auch an dir. Hoffentlich können wir den räumlichen Vorteil demnächst auch mal nutzen. Schreiben und telefonieren ist das eine, sich sehen aber eben doch etwas völlig anderes. Fühl dich umarmt. Virtuell zumindest.

[home]

Fernwärme

Tag 4

Constanze

Noch nicht einmal eine Woche in der Corona-Krise, und ich frage mich: Werden wir 98 Prozent unserer Beziehungen wirklich auf Fernwärme umstellen können? So wie wir es nun sollen? Wie das auszuhalten sein wird, dass zwar alle unsere Lieben ja da sind – so wie mein Vater heute Morgen am Frühstückstisch –, aber dass man, damit das auch so bleibt, besser so weit wie möglich Abstand hält. Weil ausgerechnet Nähe – dieses so wichtige soziale Schmiermittel – im Zweifel tödlich sein kann. Ich betrachte und behandele meinen Vater jetzt schon, als würde er unter einer Glasglocke sitzen oder wäre ganz dick in dieses Plastik-mit-Luftlöchern eingeschlagen, mit dem man sehr zerbrechliche Dinge verpackt.

Das erfahren wir gerade, wie fragil unser Alltag ist, und sehen es in Italien, wie schnell man alles verlieren kann, was eben noch ganz selbstverständlich da war. Worauf man glaubte, einen Anspruch zu haben: ein gut funktionierendes Leben, Menschen, die einen lieben und begleiten. Statt froh darüber zu sein, haben wir es wie der Kleine Häwelmann im gleichnamigen Märchen von Theodor Storm gehalten und wollten immer noch »mehr, mehr, mehr«. Klar, ohne die ewige Unzufriedenheit würden wir vermutlich alle noch auf den Bäumen sitzen, weil keiner einen wirklich guten Grund sähe, runterzusteigen und mal ein Feuer zu machen oder das Internet zu erfinden. Offenbar haben wir uns viel zu selten gefragt, was wir schon alles haben, und stattdessen dauernd überlegt, was uns noch fehlt. Natürlich, als vor zehn Jahren meine Mutter krank wurde und schon drei Monate später starb, hatte ich schon mal einen sehr, sehr bitteren Vorgeschmack darauf bekommen, wie glücklich man eigentlich sein kann, wenn jeder an seinem Platz bleibt und sich einfach nichts verändert. Gerade deshalb bin ich jetzt so froh, mit meinem Vater wenigstens noch in demselben Raum sitzen zu können, wenn ich ihn schon nicht mehr umarmen soll. Wir beide – du und ich – können uns außerdem noch glücklich schätzen, quasi bestes »Berührungsmaterial« daheim vorrätig zu haben: unsere Männer. Ob die allerdings auch den Verlust von Freundinnen-Treffen kompensieren? Ob sie nicht unter der Last der Verantwortung, uns einmal wirklich ALLES zu sein, zusammenbrechen werden? Ob sie aus der Krise mit Hornhaut auf den Ohren herauskommen werden? Und wie werden wir es überhaupt aushalten, plötzlich so viel Zeit miteinander zu verbringen? Werden wir uns mehr lieben oder mehr hassen? Wir können uns ja gut zureden, dass diese Krise bald vorbei sein wird und wir dann unsere Freundinnen und den Rest der Familie werden sehen und vielleicht sogar wieder umarmen können. Wir haben ja Zeit. Anders die Senioren in den Altenheimen oder Schwerstkranke. Letzte Woche, als man Corona quasi schon dabei zuschauen konnte, wie es an der Grenze zu Deutschland auf die Einreise wartete, habe ich mit einer Hospizmitarbeiterin gesprochen, darüber, wie das sein wird, wenn Corona sich hier auch ausbreitet. Sie meinte: »Dann sterben unsere Patienten halt ein wenig früher!« Ich fand das erst ganz schön krass. Aber klar: Worauf soll man warten? Und wie lange? Wäre es dir ein paar Tage oder Wochen mehr Lebenszeit wert, sie schwerstkrank allein zu verbringen oder würdest du das Risiko einer Ansteckung und eines frühen Todes dafür in Kauf nehmen, deine Lieben um dich zu haben? Zählt nicht gerade, wenn die Zeit knapp wird, jeder Tag mehr und genug, um lieber auf Besuch zu verzichten?

Susanne

Eine schwere Frage, die du mir da zur Frühstückszeit servierst. Uff. Ich hänge sehr am Leben, aber die Vorstellung, so ganz allein schwerkrank aufs Ende zu warten, klingt grauenvoll. Ich glaube, ich würde mich dann doch für meine Liebsten und die kürzere Restlaufzeit entscheiden. Aber kann man so ein Thema rein theoretisch durchdenken? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter. Sie hat mal gesagt, wenn sie einen Unfall hätte und dann im Rollstuhl landen würde, wolle sie nicht mehr leben. Ich konnte das nicht nachvollziehen und vermute, dass man im Fall der Fälle doch sehr viel mehr am Leben hängt, als man sich in gesunden Zeiten vorstellen kann. Natürlich würde sich niemand ein solches Schicksal wählen, aber lieber ein ungewisses und schweres Leben als der Tod. Aber einsam zu sein, sich allein zu fühlen, ausgerechnet dann, wenn es einem schlecht geht, ist zu furchtbar. Zeit zu schinden um jeden Preis ist wahrscheinlich dann doch nicht die beste Option.

Gerade jetzt – in Zeiten der von dir so klug bezeichneten »Fernwärme« – frage ich mich immer häufiger, wer mir eigentlich wirklich am Herzen liegt? Wer mir fehlt? Wen ich in die Arme schließen will?

Was die Beziehungen angeht: Ja, da haben wir momentan definitiv Glück, dass wir Corona nicht allein durchstehen müssen. Noch vor sieben Monaten hätte ich Corona als Single erlebt. Wäre sicherlich eine ganz andere Erfahrung. Natürlich ist man ohne Partner nicht automatisch einsam, aber morgens endlich mal wieder an der Seite eines geliebten Menschen aufzuwachen, ist schon tröstlich. »Berührungsmaterial« – wie du es genannt hast – zu haben, weiß ich gerade sehr zu schätzen. Was das Virus mit unserer frischen Liebe machen wird? Eine spannende Frage. Wird es uns zusammenschweißen oder den Nervfaktor, der ja in jeder Liebe, selbst in der allerfrischesten, wenigstens in Spurenelementen vorhanden ist, ausweiten? So oder so: Das Virus wird eine Art von Brandbeschleuniger sein. In welche Richtung auch immer.

Ich glaube nicht, dass ein Mann, egal, wie sehr man ihn liebt und wie sehr er zurückliebt, alles, was ansonsten an Sozialkontakt da ist, kompensieren kann. Das wäre dann doch ein bisschen viel verlangt. Du kennst einen meiner Lieblingssätze: Für sein Glück ist man selbst verantwortlich. Die Zeiten, in denen wir glaubten, ein Mann könnte allein selig machend sein, sind ja vorbei. Was weniger mit Desillusionierung als mit gesundem Menschenverstand zu tun hat. Und dem Mann auch einiges an Druck nimmt. Ich wollte auch nicht für das komplette Seelenheil meines Partners haftbar gemacht werden. Allein der Gedanke hat etwas sehr Anstrengendes.

Was macht dein Leben so? Irgendwelche besonderen Vorkommnisse jenseits des Virus?

[home]

Solidaritätswelle

Tag 5

Constanze