Für immer, oder nicht? - Linda Franke - E-Book

Für immer, oder nicht? E-Book

Linda Franke

4,8

Beschreibung

Jenna lebt mit ihrem Freund Philip zusammen, ist gerade mit der Schule fertig und eigentlich könnte alles so schön sein. Hätte Philip ihr nicht gerade eröffnet, dass er eine andere geküsst hat und sie damit in eine echte Krise gestürzt. Und als dann auch noch Jennas Mutter Sarah auftaucht, die vor 3 Jahren nach Spanien abgehauen ist, scheint das Chaos perfekt. Doch schnell eröffnet sich Jenna eine Chance, die sie sich unmöglich entgehen lassen kann...

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Die Autorin

Linda Franke wurde im April 1994 in

Bielefeld geboren. Bereits in früher

Kindheit begann sie damit

Kurzgeschichten zu schreiben. Als sie

2012 auf die Baleareninsel Mallorca

auswanderte, begann sie mit dem

Schreiben ihres ersten Romans „Für

immer, oder nicht“.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Mittwoch, 25. Juli, 16 Uhr - in meiner alten Schule

Mittwoch, 25. Juli, 19:30 Uhr - im Maxim

Immer noch Mittwoch, 25. Juli, 21 Uhr - in der U-Bahn

Donnerstag, 26. Juli, 16 Uhr - Zuhause im Bett

Donnerstag, 26. Juli, 17:30 Uhr - Hacienda de Jess

Freitag, 27. Juli, 11:30 Uhr - Gästezimmer von Jess

Freitag, 27. Juli. 14 Uhr - vor Stanley Thissens Büro

Samstag, 28. Juli, 9:30 Uhr - bei Jess

Samstag, 28. Juli, 15 Uhr - bei Jess

Samstag, 28. Juli, 17 Uhr

Samstag, 28. Juli, 17:30 Uhr

Samstag, 28. Juli, 18:10 Uhr

Samstag, 28. Juli, 19 Uhr - im Ballsaal des Grand Hotel

Samstag, 28. Juli, 23 Uhr - auf dem Heimweg

Sonntag, 29. Juli, 13 Uhr - im Bett

Sonntag, 29. Juli, 15 Uhr - im Plaza

Sonntag, 29. Juli, 16 Uhr - bei Jess

Sonntag, 29. Juli, 20 Uhr - ‚Le Petit‘ Restaurant

Sonntag, 29. Juli, 21 Uhr - auf dem Weg zu Jess

Montag, 30. Juli, 9 Uhr - auf Jess gemütlicher Couch

Montag, 30. Juli, 15 Uhr - auf dem Heimweg

Montag, 30. Juli, 22 Uhr - auf dem Weg zum Flughafen

Montag, 30. Juli, 24 Uhr - am Flughafen

Dienstag, 31. Juli, 6:30 Uhr - Flughafen Son Sant Joan

Dienstag, 31. Juli, 8 Uhr - auf der Finca meiner Mutter

Dienstag, 31. Juli, 18 Uhr - in der Küche

Dienstag, 31. Juli, 17 Uhr - beim Essen

Dienstag, 31. Juli, 22 Uhr - Plaza Mayor

Mittwoch, 1. August, 10 Uhr - im Bett

Mittwoch, 1. August, 12 Uhr - im Wohnzimmer

Mittwoch, 1. August, 16 Uhr - am Strand

Mittwoch, 1. August, 20 Uhr - zuhause auf der Finca

Mittwoch, 1. August, 21 Uhr - im »Es Cruce«

Donnerstag, 2. August, 9:30 Uhr - in der Küche

Donnerstag, 2. August, 13 Uhr - am Esstisch

Donnerstag, 2. August, 16 Uhr - in Jess Zimmer alias Konferenzraum

Donnerstag, 2. August, 22 Uhr - Partymeile

Freitag, 3. August, 11 Uhr - in der Boutique »Costede«

Freitag, 3. August, 15 Uhr - Zuhause

Freitag, 3. August, 18 Uhr - auf der Terrasse

Freitag, 3. August, 20 Uhr - in der Garage

Freitag, 3. August, 21 Uhr - im Hauptsaal der Tanzschule

Freitag, 3. August, 22 Uhr – im Auto

Samstag, 4. August, 1 Uhr - auf dem Weg nach Hause

Samstag, 4. August, 11 Uhr - in der Küche

Samstag, 4. August, 19 Uhr - im es Cruce

Sonntag, 5. August, 10 Uhr - in meinem Zimmer

Sonntag, 5. August, 12 Uhr

Sonntag, 5. August, 18 Uhr - unterwegs mit Mom und Jess

Montag, 6. August, 2 Uhr - auf der Polizeiwache

Montag, 6. August, 10:30 Uhr – im Bett

Montag, 6. August, 15:30 Uhr – in Jess Zimmer

Montag, 6. August, 18:30 Uhr – im Auto

Montag, 6. August, 22 Uhr – auf internationalen Gewässern

Dienstag, 7. August, 9 Uhr – auf Bernats Boot

Dienstag, 7. August, 12 Uhr – zuhause auf der Finca

Dienstag, 7. August, 15 Uhr – im Wohnzimmer

Mittwoch, 8. August, 9 Uhr – im Schlafzimmer

Mittwoch, 8. August, 16 Uhr – im es Cruce

Prolog

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie beinahe geräuschlos einen Stein ins Wasser fallen ließ.

Sie hatte nicht bemerkt, dass es Abend geworden war, zu sehr bannte sie die unendliche Weite des Ozeans, der sich vor ihr erstreckte.

Als sie aufsah war die Sonne schon am Firmament verschwunden. Aufmerksam genoss sie die letzten Sonnenstrahlen, sog all die Gerüche, all die Bilder in sich auf. Es war ein Tag voller Emotionen gewesen, dabei hatte sie gar nicht viel gemacht. Ihr Körper zumindest hatte sich kaum bewegt.

Dennoch war sie an den schönsten Orten gewesen, hatte an den lieblichsten Blumen gerochen, während sie nur hier saß und auf das Meer hinausschaute.

Gedankenverloren stand sie auf und zog Linien in den Sand. Dann betrachtete sie lächelnd ihr Werk und ließ sich wieder auf den Steinen nieder.

Dort, wo sie saß hatte man den besten Blick auf die vielen Fischerboote, die friedlich schaukelten. Es war beruhigend. Unbewusst hatte sie sich einen der schönsten Plätze der Insel ausgesucht. Niemand zweifelte jemals daran - Dieser Platz gehörte ihr. Und sie gehörte hier hin. Kaum zu glauben, dass sie erst vor kurzem hergezogen war. Hatte es etwa je Zweifel daran gegeben, dass sie hier hin gehörte?

Sie zog die Brauen hoch und strich den letzten Satz durch. Was sie schrieb? Niemand wusste es, außer dem Ozean. Wenn gerade niemand hier war, dann las sie es vor. Es waren Gedichte. Wunderschöne. Oden, an das Meer. An ihre neue Heimat, die es eigentlich immer gewesen war. Und an diesen Jungen. Immer wieder tauchte er in ihren Texten auf. Er war der geheimnisvolle Fremde, ein Schatten ihrer selbst.

Sie legte den Stift nieder und blickte auf. Nun war die Sonne ganz verschwunden und alles war in dieses wunderbare Licht gehüllt. Sie liebte diese Zeit des Tages. Restaurants öffneten, die wenigen Touristen verschwanden von den Straßen. Die Bars füllten sich mit angenehmeren Gästen. Trotz des Rummels kehrte Ruhe ein. Eine tiefe, innere Ruhe.

Noch einmal ließ sie ihren Blick über die Weiten des Ozeans schweifen, genoss das Rauschen der Wellen, den warmen Sand unter ihren Füßen. Zufrieden lächelnd lief sie nach Hause.

Dort im Sand standen immer noch die Worte, unberührt von den Wellen.

»Träumerin«, sagte sie vor sich hin.

Mittwoch, 25. Juli, 16 Uhr - in meiner alten Schule

Gerade halte ich mein Abiturzeugnis in der Hand. Endlich. 13 Jahre schuften haben nun ein Ende. Das wurde auch Zeit. Die Schule und ich hatten nicht gerade das was man eine ‚innige Freundschaft‘ nennen würde. Aber jetzt, da alles zu Ende ist, werde ich doch ein wenig wehmütig. Wenn auch nur kurz. Denn endlich konnte ich das tun, was mir Spaß macht. Reisen, wohin ich will, arbeiten, als was ich will und endlich länger schlafen. Mit Schrecken stellte ich fest, dass mir der letzte Punkt wohl am wichtigsten war. Aber was würde ich jetzt tun, diese Frage war noch nicht geklärt. Ich würde gern schreiben, dass ich schon einen genauen Plan habe. Welche Uni, welches Fach oder was für eine Ausbildung. Aber die Wahrheit war: Ich habe leider keine besonderen Fähigkeiten. Ich schreibe gern Gedichte, aber davon kann man nicht leben, wenn man nicht gerade Goethe heißt, oder Schiller.

Da mich meine Gedanken leider kein Stück weiterbrachten, hatten Jess und ich beschlossen, ein Jahr lang in der Welt herumzureisen. Egal wohin, Hauptsache weg. Danach konnte ich mir immer noch Gedanken über meine Zukunft machen. »Wir Abiturienten seien die Zukunft«, hatte unser Direktor bei der Verabschiedung gesagt. Warum fühlte ich mich dann gerade eher wie ein nutzloses Stück Karton? Nina, die ist bestimmt die Zukunft. Sie will Ärztin werden. Aber ich sicher nicht.

»Kannst Du es glauben? Wir sind jetzt offiziell gebildet.« Jess schlang von hinten die Arme um mich.

»Zumindest auf dem Papier«, lachte ich.

Sie hakte sich bei mir unter und wir schlenderten ein letztes Mal die vertrauten Gänge der Schule entlang.

»Und, was meinst Du. Plant deine bessere Hälfte was für euren Jahrestag?«

Ich zuckte die Schulter. »Ich denke schon.«

Jess und ich waren seit der achten Klasse befreundet. Vorher war ich ein sozial ziemlich unverträgliches Wesen. Aber sie schaffte es, dass ich mich anderen Menschen mehr öffnete. Obwohl wir im Endeffekt sowieso nur zu zweit rumhingen. Und dann kamen Tom und Philip. Sie machten in dem Jahr Abitur, als wir zwei Freunde wurden. Eines Morgens kam sie angelaufen und erzählte mir aufgeregt »von dem tollen Jungen der sie im Bus angesprochen hat«. Philip, wie sich später herausstellte. Sie war total verschossen. Die beiden unterhielten sich von da an jeden Tag auf der Fahrt zur Schule und zurück. Irgendwann war es dann so weit: Sie wollten sich Treffen. Natürlich stand fest, dass ich Jess begleiten würde. Immerhin waren wir damals erst 14 und Philip schon 19. Also saßen wir drei nebeneinander auf unserer Picknickdecke und schwiegen uns an. Gott war das peinlich. Die sonst so selbstbewusste Jess brachte keinen Ton raus. Und dann kam Tom. Auch Philip hatte sich Verstärkung eingeladen, als er hörte, dass ich die beiden begleiten würde. Tom hatte schon damals ein sehr sonniges Temperament. So wurde der Tag doch noch ziemlich lustig. Ich war ziemlich beeindruckt von Tom. Als es dunkel wurde, nahm er mich beiseite. »Glaubst Du, Jess steht auf Philip?«

Er sah mich mit seinem großen Hundeaugen an. »Kann ich nicht sagen, aber denke schon.«

»Ach so.« Er sah traurig aus.

Im nächsten Moment verkündete Jess: »Ich muss mir kurz die Beine vertreten, Jen, kommst Du mit?« Stumm formte sie mit den Lippen: »Wir müssen reden«.

Wir drehten eine Runde um den See, an dem wir unsere Decke ausgebreitet hatten. »Du, Philip steht gar nicht auf mich«, sagte sie traurig, »sondern auf dich.«

Ich sah sie belustigt an. »Irgendwie passend. Dafür scheint Tom gesteigertes Interesse an dir zu haben.«

Ihre Augen weiteten sich. »Meinst Du wirklich? Er wirkt ja so erwachsen.«

Und so kam es, wie es kommen musste, wenige Tage später hatten sich zwei Paare gebildet. Seitdem sind wir vier unzertrennlich. Seit letztem Jahr wohnen wir auch zusammen. Also Jess und Tom haben einen eigenen Bereich im Haus seiner Eltern. Ist wirklich toll, sogar mit Gästezimmer; aber das tollste ist, dass er zwar Miete an seine Eltern zahlen muss, aber lange nicht so viel, wie die Wohnung eigentlich wert ist. Na ja, und da Philips Eltern sehr viel Geld haben, bezahlen sie die Miete für das kleine Apartment, das wir bewohnen. Ich mag die beiden echt gerne. Sie waren schon immer total nett zu mir, und seit meine Mom weg ist irgendwie meine Ersatzeltern.

Gerade setzte ich einen Fuß in die Wohnung und schloss die Tür. Dann bemerkte ich den Strauß roter Rosen auf dem Esstisch, daran befestigt war eine Nachricht:

Hallo mein Herz, Glückwunsch zum bestandenen Abitur! Ich wusste immer, dass Du es schaffen würdest. Heute Abend möchte ich mit dir gern einige Dinge besprechen. Ich warte im Maxim um halb 8. – Philip

Was hatte er mir wohl für Dinge zu sagen?! Geduld war nicht gerade meine größte Stärke … Das müsste Philip in den 5 Jahren, die wir heute zusammen sind, eigentlich gelernt haben. Er kennt mich besser als jeder andere, ist für mich wie ein Teil der Familie, die ich nicht mehr habe. Als meine Mutter vor drei Jahren mit irgendeinem Juan oder Javier nach Spanien durchgebrannt ist, hat mich Philips Familie aufgenommen. Was blieb ihnen auch anderes übrig? So schnell wie damals alles gegangen war. Meinen Vater kannte ich nicht, da meine Mutter es nie für nötig befunden hatte, ihn mir vorzustellen. Wahrscheinlich wusste sie selbst nicht genau, wer es war. Ganz ehrlich, das könnte ich mir sogar vorstellen. Man muss sich nur mal Fotos von früher angucken, wie sie damals rumgelaufen ist! Ich meine, wenn ich so rumlaufen würde, hätte ich von ihr direkt drei Monate Hausarrest bekommen. Daher hatte ich schon früh beschlossen das »Mutter werden« sehr weit nach hinten zu verschieben. Ich möchte nicht irgendwann zuhause sitzen und denken: »Gott, was habe ich alles falsch gemacht. Ich suche mir jetzt einen Spanier und verlasse mein Kind um meine Jugend nachzuholen.« Aber gut. Ich will mich nicht beschweren. Seit neustem läuft nämlich endlich mal alles perfekt bei mir. Eigentlich eher untypisch. Da Kinder ja noch zwanzig oder dreißig Jahre Zeit haben, wollen wir uns einen Hund anschaffen; das heißt, ICH will einen Hund. Philip ist gegen Tierhaare allergisch. Oder vielleicht sagt er das auch nur, weil er insgeheim lieber einen Vogel möchte. Ich habe ihn nämlich noch nie niesen sehen, wenn seine Cousine mit ihrem Labrador vorbeigekommen ist. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Er hat mir bestimmt einen Welpen gekauft! Wenn das Mal nicht das beste Geschenk überhaupt wäre. So quasi zum Start in unser gemeinsames Leben. Oh Mann, hoffentlich geht die Zeit schnell rum, ich konnte es nicht erwarten, Philip zu sehen.

Mittwoch, 25. Juli, 19:30 Uhr - im Maxim

Als ich ankam, wartete er bereits am Tisch. Er stand sofort auf und zog meinen Stuhl vor. »Du siehst toll aus«, sagte er.

»Das Styling hat auch lang genug gedauert«, scherzte ich.

Als ich mich hinsetzte, veränderte sich plötzlich sein Gesichtsausdruck. Ein nervöses Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du weißt ja, dass heute ein ganz besonderer Abend ist.« (JA. Und jetzt rück schon den Welpen raus.)

Er strich sich nervös über sein Handgelenk. »Wir blicken zurück auf fünf gemeinsame Jahre, in denen wir so einige Rückschläge zusammen durchgestanden haben. Ich hoffe, unsere Beziehung ist auch stark genug für das, was ich dir jetzt sagen muss.« Er sah angespannt aus. Irgendwie verkrampft.

»Was ist denn passiert?«

»Hör zu ...«, begann er. Das klang aber ganz und gar nicht gut. Und schon gar nicht, als würde er mir gleich ein unglaublich tolles Geschenk machen. Mein Magen verkrampfte sich und ich fühlte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete.

»Ich habe echt Mist gebaut«, fuhr er fort.

Wovon sprach er bitte?

»Weißt du, es war aus einer Partylaune heraus. Ich war total betrunken.«

Mein Blick versteifte sich. Mit eiskalter Stimme zischte ich: »WAS hast du getan?«

Immer noch Mittwoch, 25. Juli, 21 Uhr - in der U-Bahn

Ich kann es nicht glauben … Ich bin immer noch völlig aufgelöst. Seine Worte hallten in meinem Kopf und hinterließen einen stechenden Schmerz. »Ich habe Vanessa geküsst. Auf ihrer Party letzten Samstag. Es hat nichts bedeutet. Ich liebe nur dich, bitte glaube mir das!« Wie konnte er mir so was antun, nach allem was wir zusammen erlebt haben. Ausgerechnet Vanessa, diese miese Schlampe. Ich habe es immer geahnt. Ich sage nur Chefsekretärin, *hust* ... Oh Gott, was mache ich denn jetzt, und wo soll ich hingehen? Oder eher, wo soll Philip hingehen. Ich beeile mich, vor ihm nach Hause zu kommen und lasse den Schlüssel stecken. Soll er doch sehen, wo er bleibt. Auch wenn er mir verzweifelt versuchte zu versichern, dass außer dem Kuss nichts gelaufen ist, wer mein Vertrauen einmal missbraucht tut es bestimmt auch ein zweites Mal. Wir waren fünf Jahre zusammen, fünf! Das alles schmeißt er einfach so weg, hinter dem Tarnmantel ‚Ich war betrunken‘. Das habe ich ihm dann auch regelrecht entgegengebrüllt. Ich war völlig außer mir. Und was tut er? »Jenna beruhige dich, es ist doch nicht so eine große Sache.« Was soll das bitte heißen, keine große Sache?! Wenn er nicht will, dass ich ausraste, dann soll er seine Zunge bei sich behalten! Ich dachte immer, Philip wäre total einfühlsam, jedenfalls war er es, als meine Mutter damals abgehauen ist. Gut, in letzter Zeit lief es nicht immer besonders gut zwischen uns, aber ich war mir immer sicher, dass er mich nie verletzen würde. Ich habe ihm dann noch entgegengeschrien, dass er mich mal kann, und ich nicht mehr mit ihm reden will. Dann bin ich rausgerannt.

Schluchzend kramte ich nach einem Taschentuch. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass die Leute in der U-Bahn mich anstarrten. Ich lief sofort rot an. Manchen Leuten ist auch nichts peinlich. Hatten die etwa noch nie ein Mädchen weinen sehen? »IST WAS?!«, schniefte ich vor mich hin. Entrüstet wandten sie ihren Blick ab und tuschelten. Immerhin hatte mich dieser kleine Aufreger kurzzeitig abgelenkt und ich weinte fast gar nicht mehr. Dann wurde endlich meine Station angeschlagen und ich verließ mit einem letzten bösen Blick den Waggon.

Donnerstag, 26. Juli, 16 Uhr - Zuhause im Bett

Ich werde nie mehr aufstehen. Meinem Bett ist es egal, wie ich aussehe. Es geht mir niemals fremd und ich kann ihm alles erzählen. Ich muss nur noch einen Weg finden, wie ich Philip aus meinem Kopf verbannen kann. Was mir die 15 Nachrichten von ihm auf dem AB und sein ständiges Geklopfe an die Haustür deutlich erschweren. Oke, er wollte bestimmt gern duschen und sein Bett hat ihm sicher gestern Nacht auch gefehlt, aber ich wollte ihn nicht mehr sehen. Nie mehr. Er hat mich gedemütigt und mein Herz gebrochen.

Da, es klopft schon wieder. »Jenna?«, hörte ich Jess rufen. »Mach auf, ich weiß, dass Du da bist.«

Alles drehte sich, als ich mich langsam aus dem Bett pellte. Mit tränennassem Gesicht und in meinem Snoopy Pyjama öffnete ich ihr die Tür.

»Oh Gott, wie siehst Du denn aus? Hast Du überhaupt eine Ahnung, wie spät es ist?!«

»Na vielen Dank auch!«

»So war das doch nicht gemeint. Komm erst mal her und beruhige dich. Dein Philip hat mich völlig aufgelöst angerufen, Du hast ihn ausgesperrt?« Sie lächelte amüsiert.

»Er ist nicht mehr ‚mein Philip‘.«

»Oh Jenna …«

Nachdem ich mir alles von der Seele geredet hatte, fühlte ich mich gleich besser. Jess hatte eine eigenartig beruhigende Wirkung auf mich, fast wie meine Mutter. Trotzdem fühlte ich noch immer diese große Leere in mir. Am liebsten würde ich einfach wieder zurück ins Bett gehen. Doch diesen Gedanken trieb sie mir schnell wieder aus. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, vernichteten wir eine 200-Gramm-Tafel Schokolade. Das würde sich morgen sicher rächen, aber das war in diesem Moment egal; jetzt ist nicht die Zeit, um Kalorien zu zählen. Oke, wenn ich ehrlich bin, ist für mich nie Zeit dazu. Ich bin einfach schrecklich undiszipliniert. So habe ich mir zum Beispiel schon oft fest vorgenommen, während der Schulzeit früher ins Bett zu gehen, oder morgens eine halbe Stunde eher aufzustehen, damit ich mich noch ordentlich fertigmachen kann. Tja, was soll ich sagen – im Endeffekt lief ich tagtäglich wie eine Vogelscheuche rum, weil ich alles in letzter Minute erledigen musste. Trotzdem hatte Philip sich damals in mich verliebt; und jetzt ist alles aus...

»So«, sagte sie schließlich, »Jetzt packen wir deine Sachen, Du schläfst heute Nacht bei mir. Wer weiß, vielleicht vertragt ihr euch ja doch wieder.«

Ich verschränkte die Arme und blickte finster drein. »Wohl kaum.«

Sie sah mich mitleidig an. »Warten wir erst mal ab, wie er sich verhält. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Jenna.«

»Das hätte er sich vorher überlegen sollen«, fauchte ich.

Donnerstag, 26. Juli, 17:30 Uhr - Hacienda de Jess

Nachdem Jess mich – fast ohne Zwang – runter ins Auto und dann zu sich gebracht hatte, steckte sie mich in die Dusche. Ich musste wirklich unangenehm riechen.

Als ich frisch geduscht und umgezogen aus dem Bad kam hielt sie mir eine Tasse mit Kakao hin und klopfte neben sich aufs Sofa. »Setz dich.«

»Du bist echt die Beste, weißt Du das?«

»Ach, ich hab da mal so was gehört. Tom schiebst Du schon mal die Pizzen in den Ofen?«

»Heißt das, ich bekomme wieder nur Fertiggerichte? Das hat mir aber keiner gesagt, als ich mit dir zusammengezogen bin.« Er duckte sich, als Jess ein Kissen nach ihm warf. »Ach übrigens, Philip hat ein oder zweimal angerufen. Na ja, eigentlich noch öfter, aber ich habe irgendwann das Telefon stumm geschaltet. Ruf den armen Kerl doch mal zurück, er leidet wirklich.« Tom bückte sich und legte die Pizzen aufs Backblech. »Außerdem ... Seien wir mal ehrlich, es war nur ein Kuss. Meinst Du nicht, du übertreibst etwas?«

Ich brachte keinen Ton raus. Jess stellte sich schützend vor mich. »Nur ein Kuss? Es geht ums Prinzip! Wenn das Vertrauen erst einmal einen Knacks hat, ist das nur schwer wieder zu kitten.«

Tom verdrehte stumm die Augen. Er wollte wohl keinen Streit mit ihr provozieren, sehr klug von ihm. Sie konnte manchmal so stur sein. Doch heute Abend war sie für mich da. Wir tranken warmen Kakao und schauten uns alle unsere Lieblingsfilme aus Kindertagen an. Das war schon zu einer Art Ritual geworden, wenn es einem von uns schlecht ging.

Tom hielt sich von nun an im Hintergrund, aber ich bemerkte seine skeptischen Blicke.

»Cinderella ist bestimmt auch nicht so glücklich, wie sie tut. Ihr Freund ist total oberflächlich, der liebt nur ihr Aussehen. Und keiner kann mir erzählen, dass einem Prinzen eine einzige Frau genügt.« Verächtlich steckte ich mir eine Hand voll Chips in den Mund. »Was gibt‘s da zu lachen?«

Jess kicherte in sich hinein. »Tut mir leid. Du bist einfach total lustig, wenn du sauer bist.« Sie tätschelte meinen Kopf, als ich die Arme verschränkte. »Es wird alles wieder gut, oke?«

»Wenn Du das sagst.« Müde legte ich meinen Kopf in ihren Schoß und dann fielen mir langsam die Augen zu...

Freitag, 27. Juli, 11:30 Uhr - Gästezimmer von Jess

Mich empfing der Duft von Kaffee und Croissants. Gab es eine schönere Art aufzuwachen? Einen Moment lang dachte ich, es wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Doch als ich die Augen aufschlug, realisierte ich, wo ich mich befand.

Noch immer verschlafen setzte ich mich an den Esstisch.

»Guten Morgen«, flötete Jess. Wie konnte sie nach dem Aufstehen bloß so gute Laune haben.

»Morgen«, brummelte ich.

»Jenna, wir haben heute Großes vor!«

»Oh Gott.«

»Ich habe einen kleinen Anschlag auf dich vor.« Oke, was kam jetzt? »Ich habe gehört, dass die bei der Zeitung Faktum noch Leute für die Redaktion suchen. Es war doch immer dein Traum, dort ein Praktikum zu machen. Also hab ich dir einen Vorstellungstermin gemacht!« Sie war völlig aus dem Häuschen über ihre eigene tolle Idee.

Mein Körper befand sich im Schockzustand. »Ist das jetzt dein Ernst?«

»Na klar! Du musst auf andere Gedanken kommen. Zeig allen, was Du für eine Powerfrau bist. DU lässt dich nicht von einem Mann runterziehen.«

Seit wann war ich denn eine Powerfrau? Ich würde mich eher als faul und unsicher bezeichnen. »Jess, ich kann unmöglich ...«

Sie legte mir ihren Finger an den Mund. »Ruhe. Ich weiß, dass Du das kannst.« Prüfend sah sie mich an und ließ den Finger sinken. »Der Personalchef soll echt sympathisch sein, und du kannst doch schreiben. Jetzt glaub doch mal ein bisschen an dich.«

»Entschuldigung, dass ich heute nicht auf Hochtouren laufe. Ich habe gerade erfahren, dass mein langjähriger Freund mich betrügt, und schlafe im Gästezimmer meiner Freundin. Ich könnte mir Situationen vorstellen, in denen ich selbstbewusster wäre.« Doch jeglicher Protest half nichts; wenn Jess sich was in den Kopf gesetzt hat, dann bringt sie keiner so schnell davon ab.

Freitag, 27. Juli. 14 Uhr - vor Stanley Thissens Büro

Hier sollte ich mich also bewerben, als ob ich eine Chance hatte.

»Mach dir keine Sorgen, die werden dich sicher nehmen«, sagte Jess, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Inmitten der imposanten Eingangshalle stand ein marmorner Empfangstresen. Souverän schritt Jess direkt darauf zu. Etwas weniger souverän schlurfte ich hinterher.

»Wir haben einen Termin bei Stanley Thissen.« Die Frau hinter dem Tresen nickte nur kurz und griff dann zum Telefonhörer. »Gehen sie gleich durch, vierte Etage, die erste Tür auf der rechten Seite.«

Mit weichen Knien wackelte ich zum Aufzug. »Ich bringe dich um«, zischte ich, als sich die Aufzugtüren schlossen. Oben angekommen stand ich wie angewurzelt da. Die Tür zu Stanley Thissens Büro wirkte bedrohlich, langsam machte sich Panik breit. Jess drückte aufmunternd meine Hand. »Du schaffst das.«

Tapfer lächelte ich ihr zu und klopfte an die Tür. Eine tiefe Männerstimme antwortete: »Herein.«

»Ehm, Herr Thissen, mein Name ist Jenna Mayer und ich bin hier wegen des Praktikumsplatzes.« Er nickte wissend und bedeutete mir Platz zu nehmen. Für einen Personalchef war er noch ziemlich jung, Ende zwanzig, Anfang dreißig vielleicht. Er hatte eine mächtige Ausstrahlung. Freundlich aber bestimmt. Ich merkte gleich, wie er meinen Körper von oben bis unten musterte. Es war mir unangenehm. Schließlich lächelte er und sagte: »Also, Frau Mayer, erzählen Sie mir etwas mehr über sich.«

Ich überlegte kurz. Da gab es eigentlich nicht besonders viel. »Ich habe gerade mein Abitur gemacht und wollte schon immer einen Job finden, bei dem ich meine Fähigkeiten Texte zu formulieren einbringen kann. Ich habe auch einige von mir verfasste Texte mitgebracht.« Mit zitternder Hand reichte ich ihm meine Bewerbungsmappe.

Er überflog die Seiten kurz und sah dann auf. »Das hört sich alles schon ganz gut an, aber Fakt ist, wir haben jedes Jahr hunderte Bewerber mit teilweise schon jahrelanger Berufserfahrung. Da müssen Sie schon anders punkten.«

Ich schluckte. Genau das hatte ich schon befürchtet.

Er sah mich eine Weile eindringlich an. »Ich will Ihnen einen Vorschlag machen, da Sie mir gefallen.« Seine dunklen Augen verrieten nicht im Geringsten, was er dachte. »Sie begleiten mich morgen Abend zu einem Betriebsbankett und dann sehen wir, ob Sie in unsere Firma passen. Wenn wir uns einig werden bekommen Sie zunächst einen Praktikumsplatz mit guten Chancen auf Übernahme durch den Betrieb. Sofern Sie sich nicht allzu dämlich anstellen.«

Er sah selbstsicher aus, siegesgewiss. Er hatte mich vollkommen überrumpelt. Ich konnte dieses unmoralische Angebot unmöglich annehmen. Ich prostituiere mich doch nicht für einen Praktikumsplatz. Außerdem hatte ich offiziell schließlich noch einen Freund.

»Ehm, ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber ...«

»Nein, nein«, unterbrach er mich. »Bevor sie ablehnen, denken Sie noch einmal drüber nach. Es