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Der Anruf kommt um kurz nach zwei. Ich habe zu Mittag gegessen und sitze in meinem Arbeitszimmer, es ist der 31. Juli 2007, und der Mann am Telephon sagt: Herr W., wir haben eine Leber für Sie.
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Seitenzahl: 30
Veröffentlichungsjahr: 2009
David Wagner
Für neue Leben
SuKuLTuR
David Wagner
Für neue Leben
SuKuLTuR
2011
Für neue Leben erschien erstmals
Im Merkur 715, Dezember 2008.
Schöner Lesen Nummer 85
ein SuKuLTuR-Produkt
1. Auflage (Print) Mai 2009
eBook-Ausgabe Juli 2011
Alle Rechte vorbehalten
Text © David Wagner
SuKuLTuR, Wachsmuthstraße 9, 13467 Berlin
[email protected] · www.sukultur.de
ISBN (Print) 978-3-941592-00-1
ISBN (ePub) 978-3-941592-92-6
ISBN (pdf) 978-3-941592-91-9
eBook-Herstellung und Auslieferung
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Der Anruf kommt um kurz nach zwei. Ich habe zu Mittag gegessen und sitze in meinem Arbeitszimmer, es ist der 31. Juli 2007, und der Mann am Telephon sagt: Herr W., wir haben eine Leber für Sie. Auf diesen Anruf, ich habe ihn gefürchtet und ersehnt, habe ich gewartet. Seinetwegen habe ich mein Telephon seit mehr als zwei Jahre nicht mehr ausgestellt. Vier Minuten später stehe ich unten vor dem Haus auf der Straße und warte auf den Krankenwagen. Es gibt Parkplätze, die Stadt ist leer, Sommerferien in Berlin. Wahllos habe ich, ich bin gar nicht gut organisiert, ich hatte nicht alles perfekt gepackt griffbereit neben der Tür stehen, ein paar Sachen in meine Tasche geworfen. Das Wichtigste, die Hausschuhe, habe ich wieder einmal vergessen. Als die Physiotherapeutin der Intensivstation mich drei Tage später zwingt, zum ersten Mal wieder aufzustehen – Aufstehen ist das Wichtigste, sagt der Arzt – , trage ich, was ziemlich komisch aussieht, Gummihandschuhe an den Füßen. Ich muß selbst darüber lachen, aber Lachen tut fürchterlich weh.
Der Krankenwagen ist schon einmal gekommen, an einem Abend im April 2006. Mit Christiane Rösinger hatte ich im Café Haliflor in der Schwedter Straße gesessen, und obwohl es von dort nur dreihundert Meter nach Hause sind, hatte sie mich im Auto mitgenommen und vor der Haustür abgesetzt. Damals schloß ich die Haustür auf, ging nach oben in die Wohnung, ich war allein und setzte mich in die Küche, öffnete ein Glas Apfelmus, das ich im Kühlschrank fand und begann es auszulöffeln. Ich las in der Zeitung, die noch auf dem Tisch lag, hatte plötzlich aber ein sonderbares Gefühl im Hals. Habe ich mich verschluckt? An Apfelmus? Ich nahm noch einen Löffel, aber es schmeckte mir nicht mehr. Ohne bestimmte Absicht stand ich auf und ging ins Bad, ich sah in den Spiegel und sah nichts Besonderes, ich sah aus wie immer, ein wenig blaß vielleicht. Weil ich nun aber schon im Bad war, wollte ich mir gleich die Zähne putzen, ich will ja, dachte ich, gleich ins Bett – wußte im selben Augenblick aber, daß ich mich gleich übergeben mußte. Ich drehte mich um und beugte mich über die Badewanne, da schwappte ein riesiger Schwall aus mir heraus. Als ich die Augen öffnete – ich glaube, es ist ein Reflex, beim Erbrechen so wie beim Niesen die Augen zu schließen – , wunderte ich mich, weil die Badewanne voller Blut war. Langsam lief es Richtung Abfluß.