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Willkommen in der Zukunft!
Seit die Sterblichkeit überwunden wurde, ist die Erde vollkommen überbevölkert. Ganz Europa ist zu einer einzigen Megapolis aus gigantischen Wohntürmen zusammengewachsen. Nur die Reichen und Mächtigen können sich in den obersten Etagen noch ein unbeschwertes Leben leisten, während die Mehrheit der Bevölkerung auf den niederen Ebenen ein beengtes Dasein fristet. Die Fortpflanzung ist streng reglementiert, und illegale Geburten werden unnachgiebig verfolgt. Als der Polizist Nr. 717 auf den Anführer einer Terrorgruppe angesetzt wird, gerät er in das Netz eines Komplotts, das bis in die höchsten Etagen der Gesellschaft reicht – und das die brutale Ordnung ins Wanken bringen wird.
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Seitenzahl: 1150
Von Dmitry Glukhovsky sind erschienen:
Metro 2033
Metro 2034
Sumerki – Dämmerung
In Dmitry Glukhovskys METRO 2033-UNIVERSUM sind erschienen:
Andrej Djakow: Die Reise ins Licht
Sergej Kusnezow: Das marmorne Paradies
Schimun Wrotschek: Piter
Andrej Djakow: Die Reise in die Dunkelheit
Sergej Antonow: Im Tunnel
Tullio Avoledo: Die Wurzeln des Himmels
Andrej Djakow: Hinter dem Horizont
Suren Zormudjan: Das Erbe der Ahnen
Mehr Informationen über Dmitry Glukhovsky und sein METRO 2033-UNIVERSUM auf:
Titel der russischen Originalausgabe
Будущее: роман-утопия
Deutsche Erstausgabe 6/2014
Redaktion: Anja Freckmann
Copyright © 2013 by Dmitry Glukhovsky
unter Vermittlung der Nibbe & Wiedling Literary Agency
www.nibbe-wiedling.com
Copyright © 2014 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München
Satz: Schaber Datentechnik, Wels
ISBN: 978-3-641-13202-6
www.diezukunft.de
INHALT
I · Horizonte
II · Wirbel
III · Razzia
IV · Träume
V · Vertigo
VI · Begegnung
VII · Geburtstag
VIII · Nach Plan
IX · Flucht
X · Fetisch
XI · Helen – Beatrice
XII · Beatrice – Helen
XIII · Glück
XIV · Paradies
XV · Hölle
XVI · Wiedergeburt
XVII · Anrufe
XVIII · Ma
XIX · Basile
XX · Meer
XXI · Purgatorium
XXII · Götter
XXIII · Vergebung
XXIV · Zeit
XXV · Flug
XXVI · Annelie
XXVII · Sie
XXVIII · Erlösung
XXIX · Rocamora
XXX · Aufgabe
I · HORIZONTE
So ein Lift ist eine großartige Sache. Es gibt jede Menge Gründe, die für einen Aufzug sprechen.
Wenn du dich horizontal bewegst, weißt du eigentlich immer, wo du am Ende landest.
Im vertikalen Modus dagegen kannst du wer weiß wo rauskommen.
Es gibt zwar nur zwei Richtungen, nämlich rauf und runter, trotzdem kannst du dir nie sicher sein, was du zu sehen bekommst, wenn sich die Aufzugtüren öffnen: ein schier unermessliches Großraumbüro, in dem Sachbearbeiter in Einzelgehegen sitzen wie in einem Tierpark, eine idyllische Pastorale mit sorglosen Schäfern oder eine Heuschreckenfarm. Vielleicht aber auch eine riesige Halle, in der einsam und ziemlich ramponiert die Notre-Dame herumsteht. Gut möglich, dass du dich plötzlich inmitten eines stinkenden Slums wiederfindest, wo jeder Mensch gerade mal dreißig Zentimeter Wohnraum besitzt, oder an einem Swimmingpool mit Mittelmeerpanorama oder in einem Labyrinth aus engen Fluren, wo sich die Gebäudetechnik verbirgt. Manche Ebenen sind allgemein zugänglich, andere öffnen sich nur für bestimmte Fahrgäste, und dann gibt es noch solche, von deren Existenz niemand weiß außer den Architekten des jeweiligen Turms.
Die Türme sind hoch genug, um die Wolken zu durchbrechen, und ihre Wurzeln reichen sogar noch tiefer in die Erde hinab. Die Christen behaupten, dass in dem Turm, der an der Stelle des Vatikans errichtet wurde, bestimmte Aufzüge bis in die Hölle und wieder zurück fahren, während andere wiederum die Gerechten direkt bis ins Paradies befördern. Einmal habe ich mir einen dieser Prediger geschnappt und ihn gefragt, warum sie die Leute noch immer an der Nase herumführen. All das Gerede von der Unsterblichkeit der Seele ist heute so was von sinnlos, damit weiß sowieso niemand mehr was anzufangen. Das Paradies der Christen ist wahrscheinlich ein genauso trostloses Loch wie der Petersdom selbst: Kein Schwein zu sehen, überall liegt fingerdick der Staub. Der Typ jedenfalls stotterte irgendwas von einer Vorbildfunktion für die Massen, man müsse mit den Schäfchen in ihrer Sprache sprechen und so. Ich hätte diesem Betrüger die Finger brechen sollen, damit es ihm nicht mehr so leichtfällt, sich zu bekreuzigen.
Um in zwei Kilometer Höhe zu gelangen, braucht man in den modernen Highspeed-Aufzügen nicht viel länger als eine Minute. Für die meisten von uns genug Zeit, um sich ein Werbevideo anzusehen, die Frisur zu richten oder nachzusehen, ob einem auch nichts zwischen den Zähnen steckt. Nur wenige verschwenden überhaupt einen Gedanken an die Innenausstattung oder die Größe der Kabine. Die meisten merken nicht mal, dass sich der Lift bewegt, obwohl die Beschleunigung ihnen sämtliche Darmschlingen und Hirnwindungen zusammenpresst.
Nach den Gesetzen der Physik müsste sich dabei doch auch die verdammte Zeit verdichten – wenigstens ein kleines bisschen. Von wegen: Jeder Augenblick in dieser Kabine dehnt sich, bläht sich auf …
Schon zum dritten Mal schaue ich auf die Uhr. Diese verfluchte Minute will einfach nicht vergehen. Ich hasse Leute, die Aufzüge toll finden, und ich hasse Leute, die darin einfach ihr Spiegelbild betrachten können, als wäre nichts dabei. Ich hasse Aufzüge, und ich hasse den Typen, der sie sich ausgedacht hat. Was für eine teuflische Erfindung, einen engen Kasten über einen Abgrund zu hängen, darin lebende Menschen einzupferchen und dem Kasten die Entscheidung zu überlassen, wann er sie wieder in die Freiheit entlässt!
Die Tür will sich immer noch nicht öffnen; schlimmer noch, die Kabine macht nicht einmal Anstalten langsamer zu werden. So hoch bin ich, glaube ich, noch nie hinaufgefahren.
Auf die Höhe scheiß ich, die stört mich nicht. Wenn’s sein muss, stell ich mich auf einem Bein auf den Everest. Hauptsache, ich komme endlich aus diesem verfluchten Kasten raus.
Nicht darüber nachdenken, sonst krieg ich keine Luft mehr. Warum habe ich schon wieder diese klebrigen Gedanken zugelassen? Dabei war ich doch gerade so schön am Philosophieren – über den verlassenen Petersdom, smaragdgrüne toskanische Hügel im Frühsommer … Schließ die Augen, stell dir vor, du stehst mitten in hohem Gras … Es reicht dir bis zur Hüfte … So soll man es machen, stand in diesem Buch … Einatmen … Ausatmen … Gleich geht’s dir wieder besser … Gleich …
Woher soll ich verdammt noch mal wissen, wie das ist, bis zur Hüfte im Gras zu stehen?! Ich bin einer Wiese noch nie näher gekommen als bis auf ein paar Schritte – wenn man von Kunstrasen mal absieht.
Warum habe ich mich überhaupt darauf eingelassen, so hoch hinaufzufahren? Warum habe ich diese Einladung angenommen?
Auch wenn sich das hier nur schwer als Einladung bezeichnen lässt.
Da lebst du ein stinknormales Leben an der Kakerlakenfront, läufst durch Spalten in Böden und Wänden wie durch Schützengräben, selbst beim kleinsten Geräusch erstarrst du, weil du glaubst, dass es dir gilt und du gleich zerdrückt wirst. Dann, eines schönen Tages, krabbelst du ausnahmsweise mal ans Licht – und schwupp, sitzt du in der Falle. Doch anstatt mit einem Knacks deine Käferseele auszuhauchen, fliegst du hinauf, von starken Fingern gepackt, denn offenbar will dich dort oben jemand begutachten.
Der Aufzug steigt noch immer. Auf einem Werbebildschirm, so groß wie eine der Kabinenwände, ist eine stark geschminkte Tussi zu sehen, die gerade eine Glückstablette schluckt. Die anderen Wände sind beige gepolstert. Das beruhigt die Passagiere und verhindert, dass sie sich bei einer Panikattacke die Köpfe einschlagen. Toll, wirklich jede Menge Gründe, die für Aufzüge sprechen …
Die Lüftung summt. Trotzdem tropft mir der Schweiß auf den beigen, federnden Boden. Meine Kehle lässt keine Luft mehr durch, als würde eine mächtige Pranke sie zusammenpressen. Die Tussi blickt mir in die Augen und lächelt. Durch einen winzigen Spalt im Hals bekomme ich gerade noch genug Sauerstoff, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Die beigen Wände verengen sich langsam, fast unmerklich, als wollten sie mich erdrücken.
Lasst mich raus!
Ich drücke der Tussi meine Hand auf den rot lächelnden Mund. Es scheint ihr sogar zu gefallen. Dann verschwindet das Bild, und die Wand verwandelt sich wieder in einen Spiegel. Ich blicke mir ins Gesicht. Und lächle.
Ich drehe mich um und hole aus, um der Tür einen Fausthieb zu verpassen.
Da bleibt der Lift stehen.
Die Türhälften gleiten auseinander.
Die stählernen Finger, die meine Atemröhre umklammern, lockern widerwillig ihren Griff.
Ich stürze aus der Kabine in die Lobby. Sieht ganz nach einem Steinboden aus, die Wände sind wahrscheinlich holzgetäfelt. Die Beleuchtung ist abendlich, hinter der dezenten Empfangstheke wartet ein braungebrannter, freundlicher Concierge im Casual-Look. Keine Namensschilder, kein Wachdienst: Wer hier Zutritt hat, weiß, wo er sich befindet und welchen Preis er für jegliche Art von Fehltritt zahlen würde.
Ich will mich vorstellen, doch der Concierge winkt freundlich ab.
»Gehen Sie ruhig weiter. Hinter dem Empfang ist ein zweiter Aufzug.«
»Was, noch einer?!«
»Er bringt Sie direkt aufs Dach. Es dauert nur wenige Sekunden.«
Aufs Dach?
Ich bin noch nie auf einem Dach gewesen. Mein Leben spielt sich in Boxen und Röhren ab, wie es sich gehört. Wenn ich mal rauskomme, bin ich hinter jemandem her. Kommt hin und wieder vor. Ist aber ansonsten uninteressant.
Dächer sind etwas anderes.
Ich ziehe ein beflissenes Lächeln über meine verschwitzte Birne, reiße mich zusammen und schreite auf den Geheimlift zu.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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