Gastgeschenke, Hilfestellungen und andere Merkwürdigkeiten - Wolfgang Richter - E-Book

Gastgeschenke, Hilfestellungen und andere Merkwürdigkeiten E-Book

Wolfgang Richter

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Beschreibung

Stell Dir vor, Du willst in einem fernen Land ein Brot kaufen, doch in dem einzigen Laden weit und breit gibt es keins mehr. Eine nette Frau gibt dir eins von ihren Broten ab und schenkt dir eine ganze Dose selbstgemachte Butter dazu. Oder stell dir vor, ein Polizist verlangt von dir einen Führerschein, der speziell und nur auf seiner Insel gilt. Er bietet dir an, den Schein sofort bei ihm zu kaufen. Oder stell dir vor, in der afrikanischen Savanne erleidet dein Auto einen kapitalen Schaden und du kannst keinen Meter weiterfahren. Doch es kommt ein rettender Engel und schleppt dich zur nächsten Rangerstation und sagt dann: "IM BUSCH HILFT JEDER JEDEM!" Dieser Satz wurde zu unserem Motto auf all unseren Fernreisen, die uns mit unserem Allrad-Camper "Gecko", einem Toyota Landcruiser, bis nach Sibirien, in die Mongolei, auf der Seidenstraße durch Zentralasien, aber auch bis ans Nordkap und quer durch Nordamerika bis nach Alaska führten. Wir bestanden so manches Abenteuer und erlebten unglaubliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Natürlich durchstanden wir auch unangenehme oder gefährliche Situationen. Unser Fazit nach vielen Jahren und Kilometern des Reisens steht jedoch fest: Der überwiegende Teil der Menschen will nicht mehr, aber auch nicht weniger, als in RUHE UND FRIEDEN zu leben.

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Inhalt

Vorwort

Strafe zahlen oder Arrest

Im Busch hilft jeder jedem

Der HNO-Arzt und die Schlangen

Überfall im Taxi?

Schrauber mit goldenen Händen

Bargeld – woher nehmen?

Stockdunkle Nacht und kein Licht

Warum einfach, wenn es auch umständlich geht

Extra-Lizenz zum Fahren auf Sansibar

100 Kamele für meine Frau

50 Euro Stundenlohn

Der Berber-Gerber-Trick

»Gitler kaput!«

Flucht mitten in der Nacht

Einmal Haare schneiden, bitte!

Vom Wächter erwischt

Ein besoffener Arzt

Der lebt ja noch!

Die eiskalte Hand

Zoya und Alexej

Ein Wasserhahn im Auto

Das Auto fährt mit Wasser?

Ringkampf in der Nacht

Irrfahrt in Ulan Bator

Winnetou in der Mongolei

Festgesetzt in der Mongolei

Papa kann nicht schwimmen!

High Heels und Radlager

Trinkwasser oder Badewasser

Melonen klauen

Frau weg – Auto weg

Korrupte Miliz und »hilfsbereite« deutsche Botschaft

Rechts abbiegen verboten – oder doch nicht?

Butter fürs Brot

Muslime und Christen

Eine Kalaschnikow ist ein starkes Argument

Durstiger Radfahrer

Schwierige Einreise

Der Germanistik-Professor und die Polizei

Letzter Ausweg – Obstplantage

Ein Kindheitstraum wird wahr

Mysteriöser Anruf in Chiwa

Ein Toyota in der Chevrolet-Werkstatt

Rübezahl im Kleinen Kaukasus

Überraschungen in 2025 m Höhe

Ein Zöllner und unsere Dachbox

Unhöfliche Russen?

Russischer Zöllner schwitzt

Wir allein zu Hause in Halifax

Lecker, gegrillter Elch

Essen – das ehrlichste Geschenk

Drei Fischer und zwei Fische

Weder Auto noch Motorrad

Welch Abschied!

Nachwort

Jetzt muss ich aber weiter

Über den Autor

Unser »Gecko«, ein Toyota Landcruiser mit Allrad-Antrieb und Klappdach, in der Welt der Reisenden und Allrad-Fahrer als Buschtaxi bekannt, brachte uns sicher bis in die Mongolei, zum Nordkap und sogar bis nach Alaska. Für fast drei Jahre, natürlich mit einigen Unterbrechungen, bot er uns mit seinen vier Quadratmetern Wohnfläche ein sicheres und zuverlässiges Zuhause.

Noch viel mehr über uns und unsere Reisen findest du in unserem Blog:

https://gecko-reisen.blogspot.de/

Vorwort

Wie oft habe ich schon gesagt, ich könnte ganze Bücher schreiben über unsere vielen Reisen und unzähligen Begegnungen. Ewig lange schob ich das schon vor mir her. Nun endlich ist es vollbracht; mein erstes Buch liegt vor Dir.

In den unterschiedlichsten Teilen der Welt begegneten wir, meine Frau Jutta und ich, vielen interessanten und wundervollen Menschen und durchaus auch einigen, die wir lieber nicht kennengelernt hätten. Sowohl der einen als auch der anderen Sorte wirst Du hier in diesem Buch begegnen.

Viele Jahre reisten wir per Flugzeug hauptsächlich ins südliche Afrika und nach Südostasien. Später schafften wir ein Reisemobil an. Mit diesem, einem allradgetriebenen Toyota Landcruiser, konnten wir autark unterwegs sein. Er war mit allem ausgestattet, was uns Sicherheit bot und ein einfaches Leben ermöglichte. Insgesamt lebten wir fast drei Jahre auf diesen vier Quadratmetern. Wir nannten ihn »Gecko«, weil ein großer, grüner Gecko-Aufkleber, den der Vorbesitzer angebracht hatte, auf der Motorhaube prangte.

Unsere erste große Tour führte uns 2015 durch 20 Länder. Durch die drei Staaten des Baltikums und weiter über Russland bis zum Baikalsee und schließlich bis in die Mongolei. Wir erkundeten in Zentralasien die Stan-Länder Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan und bewegten uns dabei auch auf Teilen der legendären Seidenstraße. Auf dieser sechsmonatigen Reise durften wir fast überall unglaubliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft erleben.

Zwei Jahre später umrundeten wir in weitem Bogen die Ostsee und besuchten fast alle europäischen Länder und auch Marokko. Die Hälfte des Jahres 2018 verbrachten wir in Kanada und den USA. Per Containerschiff überquerten wir zusammen mit unserem treuen »Gecko« den Atlantik, um dann den nordamerikanischen Kontinent von Halifax bis Anchorage und wieder zurück zu durchqueren.

Auch auf diesen Reisen begegneten wir immer und immer wieder freundlichen, hilfsbereiten Menschen. Natürlich erlebten wir auch Situationen, die unangenehm, stressig oder sogar gefährlich waren. Diese haben uns jedoch nie daran gehindert, uns wieder ins nächste Abenteuer zu stürzen.

Nach unzähligen Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen in vielen Teilen der Welt sind wir zur festen Überzeugung gelangt, dass fast alle Menschen dieser Welt nichts mehr, aber auch nichts weniger wollen, als in Ruhe und Frieden zu leben, und das gleich welcher Religion oder welchem Glauben sie angehören, welche Hautfarbe sie haben und wo auf unserer schönen Erde sie leben.

Sie alle, wir alle wollen

FRIEDEN!

Strafe zahlen oder Arrest

Vor wenigen Stunden landeten wir mit einer Boeing 777 in Johannesburg. Tom, der Sohn unseres Autovermieters, holte uns am Flughafen ab und brachte uns nach Pretoria, wo wir unseren Mietwagen in Empfang nahmen. Mit einem funkelnagelneuen Ford Ranger mit Dachzelt befinden wir uns nun auf dem Weg in Richtung Botswana.

Auf der vierspurig ausgebauten National Route N4 rollen wir gen Westen. Wir kommen zügig voran. Es macht richtig Spaß, ganz entspannt mit einem neuen Auto auf perfekter Straße in den Urlaub zu fahren. Doch die Freude währt nicht lange. Kurz vor Rustenburg springt ein schwarzer Polizist auf die Fahrbahn und winkt uns an den Straßenrand. In kaum verständlichem Englisch behauptet er, ich wäre viel zu schnell gefahren. 120 Stundenkilometer sind auf dem Highway erlaubt. Wahrscheinlich war ich tatsächlich etwas schneller unterwegs, doch ich habe nirgendwo ein Radargerät gesehen. Wie will er dann wissen, mit welcher Geschwindigkeit ich gefahren bin? Ich beteuere, dass ich auf gar keinen Fall die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Das interessiert den Polizisten allerdings kein bisschen. Ich denke, ich höre nicht richtig, als er 500 Rand von mir verlangt. Das sind rund 50 Euro! Alles Reden hilft nichts. Er besteht auf dem Betrag.

In einem Internet-Forum hatte ich mal gelesen, man solle in so einem Fall eine Quittung verlangen. Genau das tue ich jetzt. Das bringt den Gesetzeshüter ins Grübeln. Er muss sich erst mal mit seinem Kollegen, der die ganze Zeit im Polizeiwagen sitzt, beraten. Danach erklärt er mir, es gäbe ein Problem mit der Quittung. Sie müssten dazu aufs Polizeirevier fahren, um einen Quittungsblock zu holen. In der Zwischenzeit müsste er mich in Arrest nehmen.

Nun erzähle ich ihm, dass ich gar nicht so viel Geld bei mir habe. Schließlich wollen wir heute noch nach Botswana, also brauche ich nicht viele Rand. Nach einigem Hin und Her ist er dann doch mit 300 Rand zufrieden, natürlich ohne Quittung. Er zieht mit seiner Beute ab, und wir setzen unsere Fahrt fort.

Der Urlaub fängt ja gut an! Letztlich sind wir aber zufrieden, ihn auf 300 Rand, also rund 30 Euro, heruntergehandelt zu haben. Uns ist natürlich klar, dass er das Geld in die eigene Tasche steckt und damit seinen wahrscheinlich kargen Sold etwas aufbessert. Und wir wissen nun, dass der »Trick« mit der Quittung durchaus helfen kann, eine Strafzahlung zu verringern oder vielleicht sogar ganz zu vermeiden.

Im Busch hilft jeder jedem

Mit dem in Pretoria gemieteten Ford Ranger haben wir die Grenze zwischen Südafrika und Botswana hinter uns gelassen und sind auf dem Weg zum Osttor des Kgalagadi-Transfrontier-Nationalparks (KTP). Ungefähr zehn oder zwölf Kilometer vor dem Mabuasehube-Camp zittert der Zeiger der Kühlwasserkontrolle plötzlich im roten Bereich. Ich halte natürlich sofort an um nachzuschauen, was die Ursache sein könnte.

Ein Stück der vorderen Stoßstange fehlt und es tropft eine rosa Flüssigkeit in den Sand. Auf den ersten Blick kann ich nicht erkennen, was da undicht geworden ist. Der Behälter für die Kühlflüssigkeit könnte besser gefüllt sein. Das wurde vielleicht bei der letzten Inspektion übersehen. Oder verlieren wir doch das Kühlwasser? Nachdem der Motor abgekühlt ist, setzen wir unsere Fahrt fort. Weit kommen wir allerdings nicht. Schon nach wenigen hundert Metern meldet der Zeiger wieder einen überhitzten Motor.

Diesmal schaue ich doch gründlicher nach. Ich entferne die Grassamen und kleine Blätter, die sich in dem extra dafür vor dem Kühler angebrachten Schutznetz verfangen haben. Dabei wundere ich mich, dass der Kühler kalt ist. Wie kann das sein? Die Erklärung findet sich schnell. Der Kühler ist leer! Ich fülle Wasser auf, und so, wie ich es oben hineinschütte, läuft es irgendwo wieder heraus. Nun entdecke ich auch den Schaden. Im Kühler klafft an einer schlecht einsehbaren Stelle ein ca. zwei Zentimeter großes Loch!

Wie konnte das passieren? Einige Kilometer zuvor mussten wir mehrere hundert Meter durch hohes Steppengras fahren, das den Fahrweg überwuchert hatte. Das Gras reichte bis über die Motorhaube. Vom Weg war absolut nichts mehr zu sehen. Dabei polterte es einmal recht laut unter dem Vorderwagen. Ich vermutete, dass ein im hohen Gras liegender Ast oder ein großer Stein das Geräusch verursacht hatte. Wie wir jetzt leider feststellen müssen, richtete das verborgene Hindernis großen Schaden an. Den Versuch, das Loch im Kühler mit Kaugummi abzudichten, geben wir schnell wieder auf. Das Leck erweist sich einfach als viel zu groß.

Nun ist guter Rat teuer. Ohne Kühlflüssigkeit können wir keinen Meter mehr fahren. Dass hier demnächst ein Fahrzeug auftaucht, das uns helfen könnte, ist so gut wie ausgeschlossen, da wir uns auf einem Streckenabschnitt befinden, der seit einigen Tagen gesperrt ist. Auf der breiten Sandpiste legen wir vier riesige Buchstaben aus zusammengerafftem Steppengras aus: HELP. Vielleicht fliegt ja ein Flugzeug über uns und entdeckt unseren Hilferuf. Jutta schlägt vor, bis zum Tor des Nationalparks zu laufen. Dort würden wir sicher Hilfe bekommen. Doch wenige Meter entfernt von uns warnt ein Schild: »Grenze des Nationalparks. Vorsicht vor Löwen und anderen Raubtieren!«. Eine Wanderung scheidet also zwangsläufig aus. Schließlich wollen wir nicht als Futter für die Großkatzen enden.

Nach einer Nacht mitten auf der Piste sitzen wir gerade beim Frühstück, als Jutta ruft: »Dort kommt ein Auto!« Das hört sich an wie bei Schiffbrüchigen, wenn einer ruft: »Land in Sicht!« Wir können es kaum glauben. Noch sehr weit entfernt, doch ziemlich deutlich zu erkennen, nähert sich uns ein Fahrzeug!

Wenig später hält ein Toyota neben uns. Ein Ehepaar aus Südafrika, das sich auf der Heimreise von seinem dreiwöchigen Urlaub befindet, will noch am gleichen Tag Pretoria erreichen. Trotzdem ist für sie völlig klar, dass sie uns helfen werden. Sie sagen sofort zu, als wir sie bitten, zum Tor zurückzufahren und von dort unseren Auto-Vermieter zu informieren, dass wir hier liegen geblieben sind und dringend Hilfe benötigen. Nach fünfzig Metern Fahrt kommen sie wieder zurückgerollt und bieten uns an, unser Auto direkt bis zum Eingang des Nationalparks zu schleppen. Besser können wir es nicht treffen! Sie ziehen unseren havarierten Ford bis auf den Campingplatz unmittelbar hinter dem Eingang des Nationalparks, wo wir erst mal stehen bleiben und auf Hilfe warten können.

Unsere Retter aus der Not

Ich frage unseren Retter, wie wir ihm danken könnte. Er antwortet: »Your sincere thanks are completely enough for me.« (Dein aufrichtiger Dank genügt mir völlig.) Wir sind gerührt und begeistert von der Hilfsbereitschaft der Südafrikaner, von der wir schon viel gelesen hatten. Doch nun durften wir sie selbst erleben. Die beiden werden es an diesem Tag nicht mehr bis Pretoria schaffen. Für sie war es einfach selbstverständlich, uns in unserer misslichen Lage zu helfen. Beim Abschied ruft er uns noch lachend einen Satz zu: »In the bush everyone helps everyone!« (Im Busch hilft jeder jedem).

Diesen Satz haben wir seitdem zu unserem Motto gemacht. Uns wurde auf unseren Reisen schon so oft geholfen, dass wir froh sind, wenn wir auch mal irgendwo und irgendwann jemandem helfen können. Dabei kann der »Busch« wirklich überall sein...

Der HNO-Arzt und die Schlangen

Am Vorabend unseres ersten Fluges nach Namibia reinige ich mir beim Duschen gewohnheitsgemäß die Ohren mit diesen hinlänglich bekannten Wattetupfern. Großer Fehler! Seitdem benutze ich diese gefährlichen Dinger nicht mehr!

Was war passiert? Noch unter der Dusche merke ich, dass mein rechtes Ohr urplötzlich taub ist. Ich halte mir das linke Ohr zu und höre – absolut nichts mehr. Totale Funkstille im rechten Ohr. Da der Tupfer noch komplett ist, steckt seine Watte nicht im Ohr. Es kann also nur Ohrenschmalz sein, den ich mir mit diesem doofen Ding in den Gehörgang gedrückt habe. Die halbe Nacht versuche ich, das Ohr wieder frei zu bekommen, vergeblich.

Am nächsten Morgen diagnostiziert der Notarzt eine Mittelohrentzündung. Das Ohr hatte durch meine Reinigungsversuche seine Farbe zu knallrot geändert. Na gut, wie soll ein Notarzt, der kein Ohrenspezialist ist, wissen, wie eine richtige Mittelohrentzündung aussieht. Meine Erklärungsversuche schlägt er einfach in den Wind. Er kleistert mir irgendeine rotbraune Paste ins Ohr, verschließt meinen Lauscher mit einem Mullstreifen, der dann mehrere Zentimeter aus dem Ohr heraushängt, verschreibt ein Antibiotikum und schärft mir ein, sofort nach meiner Ankunft in Windhoek einen Spezialisten aufzusuchen.

Dass mich die Leute auf dem Flughafen und später im Flugzeug komisch anschauen, weil mir dieses Bändchen aus dem Ohr heraushängt, versuche ich zu ignorieren. Einen Schönheitspreis gewinne ich damit sicher nicht. Der Streifen hat inzwischen die braune Farbe der Salbe im Ohr angenommen und sieht tatsächlich ein bisschen unappetitlich aus.

Kaum in unserer Unterkunft in der Hauptstadt Namibias angekommen, rufe ich die deutsche Botschaft an. Eine freundliche Dame nennt mir die Adresse eines HNO-Arztes ganz in der Nähe unserer kleinen Pension. Wir begeben uns sofort zu seiner Praxis. Eine schwarze Empfangsdame fragt mich streng, ob ich denn auch Geld hätte. Ich zeige ihr meine Kreditkarte und bekomme einen Termin für den gleichen Nachmittag.

Pünktlich auf die Minute begrüßt mich Dr. Beuys, ein grauhaariger weißer Mann, ein paar Jahre älter als ich, wie einen alten Bekannten: »Hello Wolfgang, what's the matter?« Er versteht mein nicht so perfektes Englisch ganz gut. Ich erkläre ihm mein Malheur. Im Handumdrehen liege ich auf einem Behandlungsstuhl und fühle mich fast wie beim Zahnarzt. Er schaut in mein rechtes Ohr und meint: »It looks like Scheiße!« Na klar, diese braune Pampe vom deutschen Notarzt...

Mit einem Sauggerät entfernt er das eklige Zeug und plötzlich, nach einem sanften Knall im Ohr, kann ich auf dem rechten Ohr wieder hören. Und zwar besser als jemals zuvor. Erleichterung macht sich in mir breit. Das linke Ohr nimmt sich Dr. Beuys auch gleich vor. »Oh, it's hard on the edge!«, sagt er. Das heißt so viel wie »Es wird höchste Zeit!« Mit dem Ohr hat er eine ganze Weile zu tun. Es ist auch ziemlich unangenehm, so kurz vor der Schmerzgrenze. Belohnt werde ich aber nach der Prozedur mit klarem Hörgenuss. Ich vergleiche das Gefühl mit dem beim Zahnarzt nach dem Entfernen des Zahnsteins.

Zum Schluss bittet mich Dr. Beuys in sein Büro. Wir plaudern eine Weile über Namibia und über unsere Reiseziele. Als ich ihm erzähle, dass wir uns ganz besonders auf die vielen Tiere freuen, die wir hoffentlich zu Gesicht bekommen werden, überreicht er mir ein schmales Büchlein im Schulheftformat. Sein Titel: »Schlangen in Namibia«. Auf dem Einband erkenne ich seinen Namen. Er schmunzelt, als er meinen erstaunten Blick bemerkt. Diese kleine Broschüre enthält Abbildungen und Beschreibungen aller in Namibia heimischen Schlangenarten. Er hat sie gemeinsam mit seinem Sohn verfasst und verteilt sie in den Schulen des Landes. Sein Wunsch ist es, der schwarzen (und natürlich auch der weißen) Bevölkerung mehr Wissen über diese eleganten Tiere zu vermitteln. Die meisten der Schwarzen erschlagen in panischer Angst jede Schlange, die ihnen zu nahe kommt, egal, ob sie giftig oder völlig harmlos ist. Diese Angst hofft er, den Menschen mit diesem Büchlein nehmen zu können. Und so manche Schlange könnte in Zukunft am Leben bleiben.

Ich freue mich sehr über das Geschenk. Meiner Bitte um eine kurze Widmung im Buch kommt er gerne nach. Was für ein Einstand in Afrika! Ein namibischer HNO-Spezialist korrigiert die Diagnose eines deutschen Arztes, ich kann wieder perfekt hören wie ein Luchs und bekomme noch dazu ein schönes und lehrreiches Büchlein geschenkt.

Für die Neugierigen: Für die Behandlung bezahlte ich 275 Namibia-Dollars. Das entsprach damals ungefähr 35 Euro, die ich letztlich von der Krankenkasse erstattet bekam.

Überfall im Taxi?

Die letzten Tage unserer ersten Namibiareise relaxen wir auf einer Farm in der Nähe von Windhoek. Der Chef der Farm bietet uns an, mit ihm in die Stadt zu fahren. Für die Rückfahrt müssten wir uns allerdings ein Taxi nehmen, da er anderweitig zu tun hat.

Wir nehmen das Angebot natürlich gerne an und verbringen fast den ganzen Tag in Namibias Hauptstadt. Am späten Nachmittag halten wir Ausschau nach einem Taxi, das uns die rund 30 Kilometer zurück zur Farm bringen soll. Als ich dem ersten Taxifahrer unser Ziel nenne, lehnt er ab und fährt weiter. Da wundern wir uns noch nicht. Bei der zweiten Ablehnung denken wir uns auch noch nichts weiter. Taxis fahren ja eine ganze Menge in Windhoek herum, so dass wir keine Mühe haben, weitere anzuhalten. Doch bald kommen wir wirklich ins Grübeln, denn kein Taxifahrer will uns mitnehmen. Wollen die alle kein Geld verdienen?

Erst beim zehnten oder vielleicht sogar zwölften Versuch dürfen wir endlich einsteigen. Unsere Erleichterung, nun doch noch eine Fahrt bekommen zu haben, weicht wenige Minuten später leichter Verwunderung. Der Fahrer, ein Weißer, steuert zwei Straßen weiter eine Tankstelle an. So weit, so normal. Er tankt aber nur fünf Liter. Na gut, vielleicht hat er nicht mehr Geld dabei. Doch dann holt er eine schwarze Stoffhaube aus dem Handschuhfach und deckt damit das Taxischild auf dem Autodach ab. Ob das hier so üblich ist, wenn das Taxi besetzt ist? Schließlich klebt er noch schwarzes Klebeband irgendwo unten an beide vordere Türen des Wagens. Was soll das denn nun?

Als er wieder hinterm Lenkrad sitzt, verstellt er den Innenspiegel so, dass er mich darin sehen kann. Er wechselt ein paar Worte mit seinem schwarzen Beifahrer, die ich aber nicht verstehe. Die beiden sprechen wohl Afrikaans. Endlich fahren wir weiter. Jutta sitzt rechts von mir hinter dem Fahrer, ich hinter dem Schwarzen. (In Namibia herrscht Linksverkehr.) Ich achte genau auf die Fahrtroute, die der Fahrer einschlägt, finde aber nichts Auffälliges. Er fährt genau in die richtige Richtung.

Wir verlassen die Stadt in nördlicher Richtung. Bald fällt mir auf, dass der Weiße immer wieder Blicke in den Innenspiegel wirft. Warum beobachtet der mich ständig? Allmählich werde ich immer unruhiger. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich öffne schon mal den Knopf der linken Brusttasche meines Hemdes, um nötigenfalls die kleine Pfefferspraydose darin zur Hand zu haben. Sicher ist sicher!

Immer öfter spüre ich die Blicke des Fahrers im Rückspiegel, auch wenn er sich bemüht, dies möglichst unauffällig zu tun. Was haben die Kerle vor? Meine Unruhe wächst. Fieberhaft überlege ich, wie ich reagieren könnte, sollten die beiden uns ernsthaft angreifen. Sollte der Fahrer unplanmäßig halten, was er ja wohl muss, wenn sie irgendeine Attacke auf uns vor haben, dann würde ich blitzartig nach vorne greifen und den Sicherheitsgurt des Schwarzen von seiner Brust nach oben reißen und ihn um seinen Hals legen. Vielleicht könnte ich ihn so außer Gefecht setzen. Auf was für verrückte Gedanken man in solch einer Situation kommt!

Zwei, drei Kilometer vor dem Abzweig zu unserer Farm sage ich dem Fahrer, dass er unmittelbar vor dem Checkpoint der Polizei nach links auf einen Schotterweg abbiegen soll. Und was macht er? Er fährt prompt am Abzweig vorbei. Aber in unmittelbarer Nähe einer Polizeistation werden die uns doch nicht überfallen. Nee, natürlich nicht. Er entschuldigt sich, wendet und biegt dann in den richtigen Weg ab.

Nun liegt nur noch ein reichlicher Kilometer bis zum Tor der Farm vor uns. Wenn die Zwei uns wirklich etwas antun wollen, dann muss es jetzt passieren. Wir nähern uns dem Tor. Direkt davor hält das Taxi. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Der Fahrer blickt sich nervös nach mir um. Ich reiche ihm das Geld, das ich schon vorher abgezählt hatte. Er nimmt die Scheine hastig an sich und wirkt dabei völlig nervös und unruhig. Wir steigen aus, wobei ich die beiden nicht aus den Augen lasse.

Jutta hat das Taxi verlassen, ich stehe auch draußen und werfe die Tür zu. Kaum sind beide Türen ins Schloss gefallen, braust das Taxi mit durchdrehenden Rädern davon. Wir schauen uns völlig verdutzt an. Was war das denn jetzt?

Meine bessere Hälfte konnte während der Fahrt die Blicke des Fahrers in den Rückspiegel und meine Unruhe nicht bemerken. Umso erstaunter war sie, als ich ihr auf dem kurzen Fußweg zur Farm berichte, welche Gedanken ich mir gemacht hatte.

Abends berichten wir dem Farmbesitzer von unserem merkwürdigen Erlebnis. Er schmunzelt nur und klärt uns dann auf. Nur wenige Taxis haben eine Lizenz, die sie berechtigt, das Stadtgebiet zu verlassen. Deswegen lehnten sie alle die Fahrt hinaus zur Farm ab. Unser Fahrer hatte offensichtlich auch keine entsprechende Erlaubnis. Deswegen deckte er das Taxischild auf dem Dach ab und klebte die Firmenbezeichnung an den Türen zu. Die Taxis tanken alle immer nur ganz wenig Benzin, da sie oft überfallen werden und die Räuber manchmal versuchen, mit dem gekaperten Taxi zu fliehen. Weit kommen sie dann mit dem bisschen Benzin nicht. Und unser Fahrer befürchtete offensichtlich, dass wir ihn überfallen würden. Er hat sicher mehr Angst vor uns gehabt, als ich vor ihm.

Mit diesen Erläuterungen sind wir ein ganzes Stück schlauer, und ich muss über meine Befürchtungen nun doch grinsen. Die ganze »Gefahr« hatte nur in meinem Kopf und in dem des Fahrers existiert.

Diese Taxifahrt war tatsächlich das »Gefährlichste«, was wir auf unseren drei Reisen durch das südliche Afrika erlebt haben.

Schrauber mit goldenen Händen