Gedichte und Prosa - Matthias Claudius - E-Book

Gedichte und Prosa E-Book

Matthias Claudius

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Beschreibung

Dies ist eine umfangreiche Sammlung von Gedichten und Prosa des bekannten deutschen Schriftstellers und Lyrikers.

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Gedichte und Prosa

Matthias Claudius

Inhalt:

Matthias Claudius – Biografie und Bibliografie

Gedichte und Prosa

Erster und zweiter Teil

Mein Neujahrslied

 Batteux

 Jean qui rit et Jean qui pleure

Kuckuck

Am Karfreitagmorgen

Impetus Philosophicus

Was ich wohl mag

Der Schwarze in der Zuckerplantage

Die Henne

 – Paraphrasis Evangelii Johannis – etc.

Eine Chria,

Bei dem Grabe Anselmos

Brief an Andres

 Neue Apologie des Sokrates

Charlotte und Mutter

Alte und neue Zeit

 Neue Apologie des Buchstaben H

 Herrn Doktor Cramers Psalmen

Als er sein Weib und 's Kind an ihrer Brust schlafend fand

Über das Genie

Hier liegen Fußangeln

An – als ihm die – starb

Der Tempel der Musen

Ein Lied um Regen

[Über das Genie – Fortsetzung]

Klage um Ali Bey

Hinz und Kunz

Im Junius

Ein sonderlicher Kasus von harten Talern und Waldhorn

Phidile

An die Nachtigall

 Älteste Urkunde des Menschengeschlechts

Die Mutter bei der Wiege

Wandsbeck,

 Die Leiden des jungen Werthers

Fritze

 Diogenes von Sinope

Von meinem Freund Virgilius

Als der Hund tot war

Über die Musik

Ein Lied,

 Oden

Aus dem Englischen

Brief an Andres

Hinz und Kunz

Fuchs und Bär

 Bekehrungsgeschichte des – – – – – – –

Kuckuck am Johannistage an seine Kollegen

 Discours sur les fruits des Bonnes Etudes – –

Grabschrift auf den Windmüller Jackson

Ein Brief an den Mond

Ich wüßte nicht warum?

Die Biene

Brief von Pythagoras an Fürst Hiero von Syrakusa

Ein Fragment, das nach der Stoa schmeckt

Eine Disputation

An Herrn N.N. Litteratus

Das unschuldige Mädchen

Vergleichung

Fuchs und Pferd

An eine Quelle. 1760

Steht Homer z. Ex. unterm Spruch des Aristoteles & Compagnie?

Universalhistorie des Jahrs 1773; oder silbernes A.B.C. defekt

Von Projekten und Projektmachern

Die Nachahmer

Von Schwedenborg,

Ein Wiegenlied bei Mondschein zu singen

Ein Dito

Noch ein dito für belesene und empfindsame Personen

 Abhandlung über den Ursprung der Sprache,

An S. bei – Begräbnis

Denksprüche alter Weisen, mit meinen Randglossen

Spekulations am Neujahrstage

Ein Versuch in Versen

Brief an den Mond

Hinz und Kunz

Der Frühling. Am ersten Maimorgen

Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter, die Bibelübersetzungen betreffend

Einem Rezensenten zu Ehren

Der Tod und das Mädchen

Als Daphne krank war

Im Mai

Brief an den Mond.

 Der Teutsche Merkur etc.

Hinz und Kunz

Lied

 Emilia Galotti,

Die Geschichte von Sir Robert

Über den Vorzug der Gelehrten

Nachricht von Asmodi, samt angehängter Formel

Brief an Andres die Illumination betreffend

Hinz und Kunz

Brief an Andres

Bei dem Grabe meines Vaters

Dritter Teil

Morgenlied eines Bauermanns,

 Auch eine Philosophie der Geschichte

zu Bildung der Menschheit etc.1774

Abendlied eines Bauermanns

»Er schuf sie ein Männlein und Fräulein«

Eine Korrespondenz

zwischen mir und meinem Vetter,

Der große und der kleine Hund, oder Packan und Alard

Anselmuccio

Brief an Andres, von wegen einer gewissen Vermutung

Nachricht vom Genie

Serenata,

 Johann Caspar Lavaters

Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe,

Kunz und der Wucherer

Görgeliana

No. 1. Des alten lahmen

Invaliden Görgel sein Neujahrswunsch

No. 4. Billet doux von Görgel an seinen Herrn, den 10. Jan.

No. 15. Schreiben von Görgel an seinen Herrn, d.d. 1777

No. 19. Beschluß-Nachricht von Görgel an seinen Herrn, d.d. Gr. den 27. Febr. 1777

Phidile,

 Die deutsche Gelehrten-Republique etc.

Wächter und Bürgermeister

Antwort an Andres auf seinen letzten Brief

Trinklied

Nachricht von meiner Audienz beim Kaiser von Japan

Täglich zu singen

Lückenbüßer

 Christiani Zachaei Telonarchae Prolegomena

Als C. mit dem L. Hochzeit machte

An Prediger

Der Maler der den Sokrates gemalt hatte

Der Mann im Lehnstuhl

Vorlesung an die Herren Subskribenten

Auskunft über diesen Holzschnitt

Nach der Krankheit 1777

Den Pythagoras betreffend

Über das Gebet, an meinen Freund Andres

Die Geschichte von Goliath und David, in Reime bracht

Brief an Andres wegen den Geburtstägen im August 1777

Rheinweinlied

Hussans Dedikation seiner Kriegslieder an Ali Bey

Motetto,

Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter,

Parentation über Anselmo,

Vierter Teil

Motet

Über ein Sprichwort

Ein Lied vom Reifen,

Von der Freundschaft

Paul Erdmanns Fest

Das Bauernlied

Vorrede des Übersetzers. 1782

Abendlied

Das Gebet,

Ein Lied nach dem Frieden

An die Frau B ...r

Neue Erfindung

Ernst und Kurzweil,

Auf den Tod der Kaiserin

Schönheit und Unschuld

Kleine Geschichtchen

Ein Lied

Kriegslied

Über des Ritters Ramsay »Reisen des Cyrus«

Ein Lied in die Haushaltung

Das Kind,

Frau Rebekka

Über einige Sprüche des Prediger Salomo

Ein Lied für Schwindsüchtige

Der Mensch

Passe-Temps

Der Besuch im St. Hiob zu **

Verflucht sei der Acker um deinetwillen etc.

Briefe an Andres

Fünfter Teil

Die Mutter am Grabe

Der Vater

Über die Unsterblichkeit der Seele

Das große Halleluja

Gespräche, die Freiheit betreffend

Eine Korrespondenz mit mir selbst

Schreiben des Kaisers von J-p-n an einen gewissen –

Die Apologie des Sokrates

Wir Wandsbecker an den Kronprinzen

Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter

Der Bauer, nach geendigtem Prozeß

Urians Reise um die Welt,

Zwei Rezensionen etc. in Sachen der Herren Lessing, M. Mendelssohn, und Jacobi

Der glückliche Bauer

Eine Parabel

Weihnacht-Kantilene

Brief an Andres

Von und Mit

Sechster Teil

Über die neue Politik

Rencontre

Frau Rebekka mit den Kindern,

Lied der Bauern zu – an ihre Gutsherschaft,

Eine Fabel

Als der Sohn unsers Kronprinzen, nach der Geburt, gestorben war

Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter

Lied der Schulkinder zu – an ihre kranke Wohltäterin

Urians Nachricht von der neuen Aufklärung, oder Urian und die Dänen

Übungen im Stil

Krieg und Friede

In der Allee zu Pyrmont, morgens beim Aufgang der Sonne

An Frau Rebekka;

Christiane

Der Tod

Die Liebe

Über die Unsterblichkeit der Seele

Über die Glückseligkeit Krischna

Hauptpunkte der von Hollwell bekanntgemachten Fragmente des Schasta,

Briefe an Andres

Siebenter Teil

Eine asiatische Vorlesung

Till, der Holzhacker

Über den allgemeinen Eifer der Menschen für Religion und religiose Handlungen

Die Armen in Wandsbeck

Bemerkung

Vorrede zu der Übersetzung von Fénelons Werken religiosen Inhalts

Ein Seliger an die Seinen in der Welt

Kron und Szepter, 1795

An meinen Sohn Johannes 1799

Ein gülden ABC

Ein silbern dito

Das letzte Kapitel aus dem unvergesslichen und vergessenen Werk des Grosskanzlers Franz Baco v. Verulam: De Dignitate et Augmentis Scientiarum

Bacons Glaubensbekenntnis

Aus Newtons Observationen zum Propheten Daniel, das 11. Kapitel,

Postskript an Andres

Einfältiger Hausvater-Bericht über die christliche Religion

Bei der Einweihung unsrer neuen Kirche, den 30. Nov. 1800

Die Sternseherin Lise

Über die neue Theologie, an Andres

Valet an meine Leser

Achter Teil

Das heilige Abendmahl

Impetus Philosophicus

An des Königs Geburtstag, den 28. Januar 1812

Hochzeitlied

Auf O – – o R – – s Grab

P** und C**** bei dem Begräbnis ihres J***

Auf einen Selbstmörder

Der Esel

Vorrede zum 2. Band der Übersetzung von Fénelons Werken religiösen Inhalts

Vorrede zum 3. Band etc.

Vom Vaterunser

Morgengespräch zwischen A. und dem Kandidaten Bertram

Sterben und Auferstehn

Geburt und Wiedergeburt

Brief an Andres

Der Philosoph und die Sonne

Brief

Klage

Sprüche des Pythagoreers Demophilus

Osterlied

Vom Gewissen

Predigt eines Laienbruders zu Neujahr 1814

Gedichte und Prosa, Matthias Claudius

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849607999

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt wurde der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar ist. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Matthias Claudius – Biografie und Bibliografie

Dichter und Schriftsteller, geb. 15. Aug. 1740 als Sohn eines Pfarrers zu Reinfeld im Holsteinischen, gest. 21. Jan. 1815 im Hause seines Schwiegersohnes Friedrich Christoph Perthes in Hamburg, studierte 1759–63 in Jena erst Theologie, dann Rechtswissenschaft und lebte danach in Kopenhagen, Reinfeld, Hamburg und Wandsbek bei Hamburg, wo er 1770–75 unter dem Namen Asmus den »Wandsbecker Boten« herausgab. 1776 wurde er auf Herders Empfehlung nach Darmstadt berufen, um die neue »Landzeitung« zu schreiben, aber schon 1777 kehrte er nach Wandsbek zurück, wo er sich nun dauernd niederließ. Von Bedeutung ist C. als Volksschriftsteller. Stark beeinflusst von den Bestrebungen des Pietismus und der Empfindsamkeit, übte er zugleich durch biedere Derbheit, Witz und satirische Laune, vor allem aber durch volkstümliche Verständlichkeit eine starke Wirkung aus. Das Höchste leistete er im einfach sinnigen und im launigen Lied. Sein Rheinweinlied (»Bekränzt mit Laub«), »Der Mond ist ausgegangen«, »Wenn jemand eine Reise tut«, »Der Riese Goliath« u. a. offenbaren die ganze Liebenswürdigkeit seiner anspruchslosen und frischen Natur. Er selbst veranstaltete eine Sammlung seiner Werke unter dem Titel: »Asmus omnia sua secum portans, oder: Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten« (Hamb. u. Wandsbek 1775, 2 Tle.; Hamb. 1790–1812, 8 Tle.; 13. Aufl., mit Anmerkungen und einer Nachlese von Redlich, Gotha 1902, 2 Bde.). Außerdem übersetzte er englische und französische Werke. Eine Auswahl aus seinen Werken besorgte Karl Gerok (3. Aufl., Gotha 1903). Vgl. W. Herbst, Matthias C., der Wandsbecker Bote (4. Aufl., Gotha 1878); Schneiderreit, Matthias C. Seine Weltanschauung und Lebensweisheit (Berl. 1898); Möhn, M. C., der Wandsbecker Bote, für die Jugend und das Volk dargestellt und ausgewählt (Gütersloh 1901).

Gedichte und Prosa

Erster und zweiter Teil

Subskriptionsanzeige

Ich will meine Werke auch sammlen und h'rausgeben. Es hat mich zwar, wie sonst wohl zu geschehen pflegt, kein Mensch drum gebeten, und ich weiß besser als irgendein geneigter Leser, wie wenig dran verloren wäre wenn meine Werke so unbekannt blieben als ich selbst bin, aber 's ist doch so artig mit dem Subskribieren und H'rausgeben, und so eine Freud und Ehre für mich und meine alte Muhme; ist auch ja 's Menschen sein freier Wille, ob er subskribieren will oder nicht. Will sie also h'rausgeben, unter dem Titel: »Asmus, omnia sua secum portans, oder sämtliche Werke des Wandsbecker Boten.« Dieser secum portans wird bestehen, aus Gedichten, einigen Briefen, und andern prosaischen Stücken, welche letztere zum Teil mein einfältiges Urteil über ein und andres Buch enthalten; er wird in allem zwischen 15 und 20 Bogen betragen; auf feinem schönen Papier in klein 8° gedruckt, und mit wenigstens 1 schönem Kupfer ausgeschmückt sein. Der Preis ist 2 Mark schwer Geld, und für die Herren Kritiker und Journalisten etc. 3 Mk. Man kann pränumerieren oder subskribieren, wie einer will, bis Weihnachten; und Ostern soll 's Buch kommen. Da ich nicht absehn kann, zu was Nutzen die Namen der Herren Subskribenten vor so einem Buch wie meins vorgedruckt werden sollten, so werd ich sie hübsch in petto behalten, es sei denn daß jemand ausdrücklich anders begehrt. Ich war erst willens, alle Herren Subskribenten voran in Kupfer stechen zu lassen; man hat mir aber gesagt, daß dergl. seine Unbequemlichkeiten hat, und so hab ich's wieder aufgegeben. Da ich nicht dreist genug bin, die H.H. Gelehrten mit Annehmung der Subskription zu inkomm'dieren, so ersuche ich alle Boten, wes Alters, Statur und Religion sie sein mögen, und sonst jeden der Lust hat, Subskription anzunehmen, und zu Neujahr grade nach Wandsbeck an mich einzusenden, mit der Klausel seitwärts auf dem Briefe: »abzugeben in Hamburg bei Herrn Bode am Holzdamm«. Ich bin ihnen zu allem, was Sitte im Lande ist, gerne erbötig. Ich selbst nehme auch Subskription an, und in Hamburg nimmt Herr Bode am Holzdamm an. Schließlich wissen die geneigten Leser aus dem Göttinger Musenalmanach, wo ich mir manchmal auch einen andern Namen gebe, und sonderlich aus dem »Wandsbecker Boten«, was sie zu erwarten haben, und ich bin unschuldig, wenn einer subskribiert und hernach nicht zufrieden ist.

Den 8. November, 1774.

Asmus, pro tempore

Bote in Wandsbeck.

(No. 179 des Deutschen sonst Wandsbecker Boten vom Jahr 1774)

Erklärung der Kupfer und Zeichen

Das erste Kupfer◉ist Freund Hain. Ihm dedizier ich mein Buch, und er soll als Schutzheiliger und Hausgott vorn an der Haustüre des Buchs stehen.

Dedikation

Ich habe die Ehr Ihren Herrn Bruder zu kennen, und er ist mein guter Freund und Gönner. Hätt auch wohl noch andre Adresse an Sie; ich denk aber, man geht am besten gradezu. Sie sind nicht für Adressen, und pflegen ja nicht viele Komplimente zu machen.

's soll Leute geben, heißen starke Geister, die sich in ihrem Leben den Hain nichts anfechten lassen, und hinter seinem Rücken wohl gar über ihn und seine dünnen Beine spotten. Bin nicht starker Geist; 's läuft mir, die Wahrheit zu sagen, jedesmal kalt übern Rücken wenn ich Sie ansehe. Und doch will ich glauben, daß Sie 'n guter Mann sind wenn man Sie genug kennt; und doch ist's mir als hätt ich eine Art Heimweh und Mut zu dir, du alter Ruprecht Pförtner! daß du auch einmal kommen wirst, meinen Schmachtriemen aufzulösen, und mich auf beßre Zeiten sicher an Ort und Stelle zur Ruhe hinzulegen.

Ich hab da 'n Büchel geschrieben, und bring's Ihnen her. Sind Gedichte und Prosa. Weiß nicht, ob Sie 'n Liebhaber von Gedichten sind; sollt's aber kaum denken, da Sie überhaupt keinen Spaß verstehen, und die Zeiten vorbei sein sollen wo Gedichte mehr waren. Einiges im Büchel soll Ihnen, hoff ich, nicht ganz mißfallen; das meiste ist Einfassung und kleines Spielewerk: machen Sie 'mit was Sie wollen.

Die Hand, lieber Hain! und, wenn Ihr 'nmal kommt, fallt mir und meinen Freunden nicht hart.

Die Alten solln ihn anders gebildet haben: als 'n Jäger im Mantel der Nacht, und die Griechen; als 'n »Jüngling der in ruhiger Stellung mit gesenktem trüben Blicke die Fackel des Lebens neben dem Leichname auslöscht«. Ist 'n schönes Bild, und erinnert einen so tröstlich an Hain seine Familie und namentlich an seinen Bruder: wenn man sich da so den Tag über müde und matt gelaufen hat und kommt nun den Abend endlich so weit daß man's Licht auslöschen will – hat man doch nun die Nacht vor sich wo man ausruhen kann! und wenn's denn gar den andern Morgen Feiertag ist!! 's ist das würklich ein gutes Bild vom Hain; bin aber doch lieber beim Knochenmann geblieben. So steht er in unsrer Kirch, und so hab ich 'n mir immer von klein auf vorgestellt daß er auf'm Kirchhof über die Gräber hinschreite, wenn eins von uns Kindern 's Abends zusammenschauern tat, und die Mutter denn sagte: der Tod sei übers Grab gangen. Er ist auch so, dünkt mich, recht schön, und wenn man ihn lange ansieht wird er zuletzt ganz freundlich aussehen.

Das zweite Kupfer◉stellt vor: einen Raben; einige sagen gar, 's sei nur eine Krähe.

Das dritte◉ist der Präsident Lars. Ich weiß nicht mehr davon zu sagen, und das Werk mag seinen Meister loben.

Auf dem vierten Kupfer◉steh ich, und gieße Öl auf einen Stein. Was das bedeuten soll? – 's liegt ein Mann unter dem Stein, dem ich viel zu danken habe und nichts habe vergelten können. Da steh ich nun so dahier und salbe seinen Grabstein mit Öl und – 's soll nichts bedeuten.

Die  steht allemal vorm Titel irgendeines Buchs, und soll soviel zu verstehen geben, als daß ich meine einfältige Meinung dazutun will.

Der✩unter einem Stück will sagen, daß das Stück in meiner Mundart sei. In den Stücken ohne Stern hab ich mich mehr nach meinem Vetter gerichtet, und von diesen Stücken pfleg ich auch wohl vel quasi zu sagen, daß mein Vetter sie gemacht habe. Könnt auch sagen, daß mein Vetter sich in diesen Stücken nach niemand und in denen mit dem✩nach mir und meinem Botenstab gefügt habe; ist alles eins. Ob nun wohl also der✩mein Zeichen ist, so muß doch niemand daraus denken, als ob ich 'n Ritterband und 'n Stern hätte. Ich habe keinen Stern. Die Sterne und hohen Ehrentitel sind beim Verdienst, was der Wetterhahn beim Winde ist. Wer einen großen Titel und Stern hat, der muß auch 'n groß Verdienst haben, darnach richten sich die Potentaten beim Geben, und das sieht man auch an den meisten Herren die hohe Titel und Sterne haben; à propos, hab wohl eher 'n Stern auf einer Brust gesehn, und in dem Gesicht darüber Harmpfoten und Verdruß, und da hab ich denn so bei mir selbst gedacht, daß es wohl nicht immer Fried und Freude sei was so 'n Stern auf einer Brust manchmal so hoch hebt, und daß Titel und Sterne wohl nicht innerlich müssen glücklich machen können. Das Seinige treu tun, pflegte meine Mutter zu sagen, ist 'n Stern der auf der bloßen Brust sitzt, die andern sitzen nur am Latz.

Schließlich noch ein Wort mit meinen Herren Subskribenten. Erstens hoff ich, daß Sie mit Druck und Papier zufrieden sein werden. Zweitens: Ich hab Ihnen zwischen 15 und 20 Bogen versprochen, und liefre Ihnen nur 15 und einen halben; dafür aber liefre ich auch 2 Kupfer mehr als ich versprochen habe, und ich denke, daß Sie dabei nicht verloren haben. Drittens: da ich als »Asmus pro tempore Bote in Wandsbeck« nicht im Staatskalender stehe, und es mit den Briefen unter dieser Adresse Irrungen gibt: so ersuche ich die gütigen Herren, die sich mit Subskriptionsammlen bemüht haben, ihre Briefe an meinen Vetter »Matthias Claudius Homme de lettres« zu adressieren.

»So will ich nun hiermit das Buch beschließen, und hätte ich's lieblich gemacht, das wollte ich gern. Ist es aber zu gering: so habe ich doch getan, soviel ich vermocht. Denn alle Zeit Wein oder Wasser trinken ist nicht lustig, sondern zuweilen Wein, zuweilen Wasser trinken das ist lustig: also ist's auch lustig so man mancherlei lieset. Das sei das Ende.«

Asmus.

Mein Neujahrslied

Es war erst frühe Dämmerung

Mit leisem Tagverkünden,

Und nur noch eben hell genung

Sich durch den Wald zu finden.

Der Morgenstern stand linker Hand,

Ich aber ging und dachte

Im Eichtal an mein Vaterland,

Dem er ein Neujahr brachte.

Auch dacht ich weiter: So, und so,

Das Jahr ist nun vergangen,

Und du siehst, noch gesund und froh,

Den schönen Stern dort prangen.

Der ihm dort so zu stehn gebot

Muß doch gern geben mögen!

Sein Stern, Sein Tal, Sein Morgenrot,

Rund um mich her Sein Segen!

Und bald wird Seine Sonne hier

Zum erstenmal aufgehen!-

Das Herz im Leibe brannte mir,

Ich mußte stille stehen,

Und wankte wie ein Mensch im Traum

Wenn ihn Gesichte drängen,

Umarmte einen Eichenbaum

Und blieb so an ihm hängen.

Auf einmal hört ich's wie Gesang,

Und glänzend stieg's hernieder

Und sprach, mit hellem hohen Klang,

Das Waldtal sprach es wieder:

Der alten Barden Vaterland!

Und auch der alten Treue!

Dich, freies unbezwungnes Land!

Weiht Braga hier aufs neue

Zur Ahnentugend wieder ein!

Und Friede deinen Hütten,

Und deinem Volke Fröhlichsein,

Und alte deutsche Sitten!

Die Männer sollen, jung und alt,

Gut vaterländ'sch und tüchtig

Und bieder sein und kühn und kalt,

Die Weiber keusch und züchtig!

Und deine Fürsten groß und gut!

Und groß und gut die Fürsten!

Die Deutschen lieben, und ihr Blut

Nicht saugen, nicht Blut dürsten!

Gut sein! Gut sein! ist viel getan,

Erobern, ist nur wenig;

Der König sei der beßre Mann,

Sonst sei der beßre, König!

Dein Dichter soll nicht ewig Wein

Nicht ewig Amorn necken!

Die Barden müssen Männer sein,

Und Weise sein, nicht Gecken!

Ihr Kraftgesang soll himmelan

Mit Ungestüm sich reißen!-

Und du, Wandsbecker Leiermann,

Sollst Freund und Vetter heißen!

 Batteux

Geschichte der Meinungen der Philosophen von den ersten Grundursachen der Dinge. Aus dem Französischen übersetzt etc.

Monsieur Batteux hatte vermutlich gehört oder gelesen, daß einige der alten Philosophen von den ersten Grundursachen der Dinge Begriff hatten, und daß sie mit diesem Begriffhaben nicht übel dran, und immer so gutes Muts waren; er nahm sich also die Mühe, die Bruchstücke der alten philosophischen Sekten nach der Reihe vorzunehmen, um endlich einmal ins reine zu bringen, was denn die alten so hoch gerühmten Herren Guts hatten, auch allenfalls das Beste für sich und seine Zeitgenossen herauszuheben. Heutiges Tages sagen und schreiben viele Gelehrte mehr als sie wissen, in den alten Zeiten wußten einige mehr als sie schrieben, und dazu sollen sie, unter andern der selige Pythagoras dessen eine Hüfte nicht ganz orthodox gehalten wird, die affektierte Gewohnheit gehabt haben, vor und hinter einem Schirm zu dozieren etc. Monsieur Batteux läßt sich auf dergleichen Finessen nicht ein, sondern er nimmt was er vorfindet, beäugt es, und bringt am Ende heraus: daß die Leute Narren sind die wunder großes Ding bei den Alten suchen, daß Newton ein ganz andrer Mann sei usw.

Das ist etwa der Sinn dieser Schrift von Monsieur Batteux, und es wird sich auch wohl ohngefähr so verhalten.

 Jean qui rit et Jean qui pleure

eine Pièce fugitive des Herrn von Voltaire etc.

Es soll ehedem Jeans gegeben haben, die über die Schwachheit ihres Geschlechts lachten oder weinten; der Philosoph von Ephesus, den niemand verstehen konnte, weinte beständig, sagt man, und der große Mann von Abdera lachte. Aber das waren denn freilich Jeans die was versucht hatten, die es wußten, daß der Geist der Torheit und Tändelei, wie artig er sich auch gebärde, doch der Geist der Torheit und Tändelei sei, und nicht der Geist der Weisheit, zu dem man ohne Selbsterkenntnis nicht kommen kann, und die deswegen unter beständigem Kampf mit ihrer schönen Natur alt und grau geworden waren, und aus Erfahrung nun einsahen, was der Mensch ist, und was er sein soll, und werden kann.

Man kann sich des Unwillens nicht erwehren, wenn man so einen Komödianten und Jean F** mit würklich großen Menschen sich leichtfertig vergleichen sieht.

Kuckuck

Wir Vögel singen nicht egal;

Der singet laut, der andre leise,

Kauz nicht wie ich, ich nicht wie Nachtigall,

Ein jeder hat so seine Weise.

Am Karfreitagmorgen

Bin die vorige Nacht unterwegen gewesen. Etwas kalt schien einem der Mond auf den Leib, sonst war er aber so hell und schön, daß ich recht meine Freude dran hatt, und mich an ihm nicht konnte satt sehen. Heut nacht vor tausendachthundert Jahren schienst du gewiß nicht so, dacht ich bei mir selbst; denn es war doch wohl nicht möglich, daß Menschen im Angesicht eines so freundlichen sanften Monds einem gerechten unschuldigen Mann Leid tun konnten! –

Impetus Philosophicus

Einem jeglichen Menschen ist Arbeit aufgelegt nach seiner Maße, aber das Herz kann nicht dran bleiben; das trachtet immer zurück nach Eden, und dürstet und sehnet sich dahin. Und der Psyche ward ein Schleier vor die Augen gebunden, und sie ausgeleitet zum Blinde-Kuh-Spiel. Sie steht und horcht unterm Schleier hin, hüpft auf jeden Laut zu und breitet die Arme. – Ich beschwere euch, ihr Töchter Jerusalem: findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, daß ich vor Liebe krank liege.

Was ich wohl mag

Ich mag wohl Begraben mit ansehn, wenn so ein rotgeweintes Auge noch einmal in die Gruft hinabblickt, oder einer sich so kurz umwendet, und so bleich und starr sieht und nicht zum Weinen kommen kann. 's pflegt mir denn wohl selbst nicht richtig in 'n Augen zu werden, aber eigentlich bin ich doch fröhlich. Und warum sollt ich auch nicht fröhlich sein; liegt er doch nun und hat Ruhe! und ich bin darin 'n närrischer Kerl, wenn ich Weizen säen sehe, so denk ich schon an die Stoppeln und den Erntetanz. Die Leut fürchten sich so vor einem Toten, weiß nicht warum. Es ist ein rührender heiliger schöner Anblick, einer Leiche ins Gesicht zu sehen; aber sie muß ohne Flitterstaat sein. Die stille blasse Todsgestalt ist ihr Schmuck, und die Spuren der Verwesung ihr Halsgeschmeide, und das erste Hahnengeschrei zur Auferstehung.

Der Schwarze in der Zuckerplantage

Weit von meinem Vaterlande

Muß ich hier verschmachten und vergehn,

Ohne Trost, in Müh und Schande;

Ohhh die weißen Männer!! klug und schön!

Und ich hab den Männern ohn Erbarmen

Nichts getan.

Du im Himmel! hilf mir armen

Schwarzen Mann!

Die Henne

Es war mal eine Henne fein,

Die legte fleißig Eier;

Und pflegte denn ganz ungemein Wenn sie ein Ei gelegt zu schrein,

Als wär im Hause Feuer.

Ein alter Truthahn in dem Stall,

Der Fait vom Denken machte,

Ward bös darob, und Knall und Fall Trat er zur Henn und sagte:

»Das Schrein, Frau Nachbarin, war eben nicht vonnöten;

Und weil es doch zum Ei nichts tut,

So legt das Ei, und damit gut!

Hört, seid darum gebeten!

Ihr wisset nicht, wie's durch den Kopf mir geht.«

»Hm!« sprach die Nachbarin, und tät

Mit einem Fuß vortreten,

»Ihr wißt wohl schön, was heuer

Die Mode mit sich bringt, Ihr ungezognes Vieh!

Erst leg ich meine Eier,

Denn rezensier ich sie.«

 – Paraphrasis Evangelii Johannis – etc.

Ich habe von Jugend auf gern in der Bibel gelesen, für mein Leben gern. 's stehn solche schöne Gleichnis und Rätsel drin, und 's Herz wird einem darnach so recht frisch und mutig. Am liebsten aber les ich im Sankt Johannes. In ihm ist so etwas ganz Wunderbares – Dämmerung und Nacht, und durch sie hin der schnelle zückende Blitz! 'n sanftes Abendgewölk und hinter dem Gewölk der große volle Mond leibhaftig! so etwas Schwermütiges und Hohes und Ahndungvolles, daß man's nicht satt werden kann. 's ist mir immer beim Lesen im Johannes, als ob ich ihn beim letzten Abendmahl an der Brust seines Meisters vor mir liegen sehe, als ob sein Engel mir's Licht hält, und mir bei gewissen Stellen um den Hals fallen und etwas ins Ohr sagen wolle. Ich versteh lang nicht alles was ich lese, aber oft ist's doch als schwebt' es fern vor mir was Johannes meinte, und auch da, wo ich in einen ganz dunkeln Ort h'neinsehe, hab ich doch eine Vorempfindung von einem großen herrlichen Sinn den ich 'nmal verstehen werde, und darum greif ich so nach jeder neuen Erklärung des Johannes. Zwar die meisten kräuseln nur an dem Abendgewölke, und der Mond hinter ihm hat gute Ruhe.

Des Herrn Verfassers Erklärung ist sehr gelehrt, dünkt mich, und ich glaube, daß man wohl zwanzig Jahr studieren muß, eh man so eine schreiben kann.

Eine Chria,

darin ich von meinem akademischen Leben und Wandel Nachricht gebe

Bin auch auf Unverstädten gewesen, und hab auch studiert. Ne, studiert hab ich nicht, aber auf Unverstädten bin ich gewesen, und weiß von allem Bescheid. Ich ward von ohngefähr mit einigen Studenten bekannt, und die haben mir die ganze Unverstädt gewiesen, und mich allenthalben mit hingenommen, auch ins Kollegium. Da sitzen die Herren Studenten alle neben'nander auf Bänken wie in der Kirch, und am Fenster steht eine Hittsche, darauf sitzt 'n Professor oder so etwas, und führt über dies und das allerlei Reden, und das heißen sie denn dozieren. Das auf der Hittschen saß, als ich drin war, das war 'n Magister, und hatt eine große krause Paruque auf'm Kopf, und die Studenten sagten, daß seine Gelehrsamkeit noch viel größer und krauser, und er unter der Hand ein so kapitaler Freigeist sei, als irgendeiner in Frankreich und England. Mochte wohl was dran sein, denn 's ging ihm vom Maule weg als wenn's aus'm Mostschlauch gekommen wär; und demonstrieren konnt er, wie der Wind. Wenn er etwas vornahm, so fing er nur so eben 'n bißchen an, und, eh man sich umsah, da war's demonstriert. So demonstriert' er z. Ex. daß 'n Student 'n Student und kein Rhinozeros sei. Denn sagte er, 'n Student ist entweder 'n Student oder 'n Rhinozeros; nun ist aber 'n Student kein Rhinozeros, denn sonst müßt 'n Rhinozeros auch 'n Student sein; 'n Rhinozeros ist aber kein Student, also ist 'n Student 'n Student. Man sollte denken, das verstünd sich von selbst, aber unsereins weiß das nicht besser. Er sagte, das Ding »daß 'n Student kein Rhinozeros sondern 'n Student wäre« sei eine Hauptstütze der ganzen Philosophie, und die Magisters könnten den Rücken nicht fest genug gegenstemmen, daß sie nicht umkippe.

Weil man auf einem Fuß nicht gehn kann, so hat die Philosophie auch den andern, und darin war die Rede von mehr als einem Etwas, und das eine Etwas, sagte der Magister, sei für jedermann; zum andern Etwas gehör aber eine feinere Nas, und das sei nur für ihn und seine Kollegen. Als wenn eine Spinn einen Faden spinnt, da sei der Faden für jedermann und jedermann für den Faden, aber im Hinterteil der Spinne sei sein bescheiden Teil, nämlich das andre Etwas das der zureichende Grund von dem ersten Etwas ist, und einen solchen zureichenden Grund müß' ein jedes Etwas haben, doch brauche der nicht immer im Hinterteil zu sein. Ich hätt auch mit diesem Axioma, wie der Magister 's nannte, übel zu Fall kommen können. Daran hängt alles in der Welt, sagt er, und, wenn einer 's umstößt, so geht alles über und drunter.

Denn kam er auf die Gelehrsamkeit, und die Gelehrten zu sprechen, und zog bei der Gelegenheit gegen die Ungelahrten los. Alle Hagel, wie fegt' er sie! Dem ungelahrten Pöbel setzen sich die Vorurteile von Alp, Leichdörnern, Religion etc. wie Fliegen auf die Nase und stechen ihn; aber ihm, dem Magister, dürfe keine kommen, und käm ihm eine, schnaps schlüg er sie mit der Klappe der Philosophie sich auf der Nasen tot. Ob, und was Gott sei, lehr allein die Philosophie, und ohne sie könne man keinen Gedanken von Gott haben usw. Dies nun sagt' der Magister wohl aber nur so. Mir kann kein Mensch mit Grund der Wahrheit nachsagen, daß ich 'n Philosoph sei, aber ich gehe niemals durch 'n Wald, daß mir nicht einfiele, wer doch die Bäume wohl wachsen mache, und denn ahndet mich so von ferne und leise etwas von einem Unbekannten, und ich wollte wetten daß ich denn an Gott denke, so ehrerbietig und freudig schauert mich dabei.

Weiter sprach er von Berg und Tal, von Sonn und Mond, als wenn er sie hätte machen helfen. Mir fiel dabei der Ysop ein, der an der Wand wächst; aber die Wahrheit zu sagen, 's kam mir doch nicht vor, als wenn der Magister so weise war, als Salomo. Mich dünkt, wer was Rechts weiß, muß, muß – säh ich nur 'nmal einen, ich wollt 'n wohl kennen, malen wollt ich 'n auch wohl, mit dem hellen heitern ruhigen Auge, mit dem stillen großen Bewußtsein etc. Breit muß sich ein solcher nicht machen können, am allerwenigsten andre verachten und fegen. Oh! Eigendünkel, und Stolz ist eine feindselige Leidenschaft; Gras und Blumen können in der Nachbarschaft nicht gedeihen.

Bei dem Grabe Anselmos

Daß ich dich verloren habe,

Daß du nicht mehr bist,

Ach! daß hier in diesem Grabe

Mein Anselmo ist,

Das ist mein Schmerz! das ist mein Schmerz!!!

Seht, wir liebten uns, wir beide,

Und, solang ich bin, kommt Freude

Niemals wieder in mein Herz.

Brief an Andres

Gott zum Gruß!

Mein lieber Andres, wenn Er sich noch wohl befindet, ist's mir lieb. Was mich anlangt, so befind ich mich itzo in Wandsbeck.

Er wird's auch wohl vom Herrn Rektor gehört haben, daß der Kalendermacher und Sternkucker Tycho Brahe zu seiner Zeit in Wandsbeck den Sternenlauf betrachtet hat, und daß dieser Tycho Brahe eine Nase von Gold, Silber und Wachs hatte, weil ihm von ohngefähr 'n Edelmann zu nächtlicher Weile eine von Fleisch abduellierte; ich tu Ihm zu wissen, daß ich keine Nase von Gold, Silber und Wachs hab, und daß ich folglich hier auch den Sternenlauf nicht betrachte. Übrigens ist mir in Ermanglung eines Bessern zu Ohren gekommen, daß Ihm Seine Gertrud abgestorben ist. Da Er weiß, daß ich nicht ungerührt bleibe, wenn 'n Hund stirbt den ich zum erstenmal sehe, so kann Er sich leicht vorstellen, wie mir bei der Nachricht von diesem Todesfall geworden sein mag. Die selige Gertrud hatt ihre Nücken, aber 's reute sie doch gleich, und sie hatt auch viel Gutes, und hätte wohl länger leben mögen, doch sie ist nun kaputt, und Er muß sich zufriedengeben. Andres! unterm Mond ist viel Mühe des Lebens, Er muß sich zufriedengeben- ich sitze mit Tränen in den Augen und nag an der Feder, daß unterm Mond so viel Mühe des Lebens ist, und daß einen jedweden seine eigne Nücken so unglücklich machen müssen!

 Neue Apologie des Sokrates

oder Untersuchung der Lehre

von der Seligkeit der Heiden etc.

»Aber«, sagte Sokrates zum Beschluß seiner Bonmots zu seinen Richtern die ihn eben zum Tode verdammt hatten, »aber es ist Zeit, daß wir auseinandergehen, ihr an eure Geschäfte, und ich zu sterben; wer von uns am besten fährt, das wissen allein die Götter.«

Es hat von jeher nicht an Politikern gefehlt, die von Sokrates seiner Fahrt nicht viel Gutes vermutet haben. Da er ein Heide war, sagen sie, so ist er hingefahren wo die Heiden hingehören. Es ist freilich eine übertriebne Toleranzgrille, die alten Philosophen ohne Unterschied zu Christen machen wollen, weil sie eine hohe Moral gepredigt haben; aber auf der andern Seite ist zu Sokrates' Zeiten drei und eins so gut vier gewesen als itzo, Wasser hat damals schon Feuer gelöschet und so auch Selbstverleugnung ihre guten Folgen haben müssen. Einige von den Alten scheinen Wind von dieser Lehre gehabt zu haben, und Sokrates hatte sich unter andern dadurch bei seinen Landsleuten verhaßt gemacht, weil sie, wie alle andre Landsleute, in ihrer Knechtschaft nicht an die Freiheit erinnert noch durch das bittre Salz der Wahrheit gereizt sein wollten. Sonach würde es also ungeraten sein, dem Sokrates den Kranz, den er via legitima verdient hatte, abzureißen, und ihm die Freuden Gottes abzudisputieren, die der Lohn des Heldenganges sind: aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft in ein Land das man beim Ausmarsch noch nicht sehen kann. Ein Trost für Sokrates' Freunde ist indes, daß der Wind bläst wo er will und daß Disputations die ewigen Gesetze der Körper- und Geisterwelt nicht irremachen können. Plato erzählt auch, daß der obgedachte Lohn den Sokrates nicht Waise gelassen habe, und ihm im Richthause so hell in Aug und Antlitz getreten sei, daß seine Richter ihn nicht ansehen durften, und vor ihm dastanden, als sündige Verbrecher die von ihm ihr Urteil erwarteten.

Schließlich sei es bei dieser Gelegenheit erlaubt, einen sokratischen Schriftsteller über den Sokrates in Andenken zu bringen, den Verfasser der 1759 herausgekommenen »Sokratischen Denkwürdigkeiten etc.« Er zwar scheint ein Unhold zu sein der seinen Gang vor sich hingeht und sich nicht nach Beifall oder Tadel umsieht, aber dem Niemand und den Zweenen ist es nütze, daß er nicht vergessen werde, wiewohl er doch nicht viel verstanden wird. Gewisse Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit verwiesen ihn bei ihrer Anzeige seiner 4 Bogen in die Arbeits- und Raspelhäuser, welcher Sentenz Andenken er in einem eigenen Nachspiel gebührend gefeiert und allen Menschen, die nicht anders wollen, Freiheit gegeben hat, an den Hirschhörnern ihrer Vorurteile und Schoßneigungen ungestört fortzuraspeln.

Charlotte und Mutter

M.:

Charlotte, sag ich, bleibe da,

Sonst werd ich strafen müssen.

C.:

Wieso? Fritz tut mir nichts, Mama.

Er will mich nur küssen.

M.:

Das soll er nicht, Närrin, bleibe da.

C.:

Warum nicht, Mama?

Alte und neue Zeit

Zu 'n Zeiten Homers

Gab man der Minerva die Eule,

Und nicht aus Langeweile;

Zu 'n Zeiten Voltaires,

Des Weisen und Kastraten,

Verdient sie Minerva nicht mehr,

Und da würd ich denn freilich sehr

Zum Vogel Kuckuck raten.

 Neue Apologie des Buchstaben H

oder: Außerordentliche Betrachtungen

über die Orthographie der Deutschen

von H.S. Schullehrer etc.

Die Betrachtungen über die Religion und ihr Neues, die Orthographie ohne H., sind bekannt; diese Apologie ist ein Wink und Antwort darauf und auf alle Betrachtungen der Art, die sämtlich auf demselben Loch, nur mehr und minder laut, gepfiffen werden und gepfiffen worden sind, seit dem ersten, der den Johanniswurm der allgemeinen Vernunft, statt ihn auf der Erde seiner Heimat fortkriechen und glänzen zu lassen, über die Religion aufsteigen ließ, wie die Knaben ihren Drachen; und die sämtlich auf demselben Loch werden gepfiffen werden bis an der Welt Ende und der Johanniswürmer und Knaben und Drachen. Der Verfasser läßt sich in das Gesinge und Gesumse wider und für die Religion gar nicht ein, sondern anatomiert den Johanniswurm und macht ihn verdächtig etc. Übrigens hat er sich in ein mitternächtliches Gewand gewickelt, aber die goldnen Sternlein hin und her im Gewande verraten ihn, und reizen, daß man sich keine Mühe verdrießen läßt.

 Herrn Doktor Cramers Psalmen

mit Melodien von C.P.E. Bach etc.

's gereut mich doch nicht, daß ich pränumeriert habe. Sonst soll's mit dem Pränumerieren zuweilen mißlich sein, angesehn die H.H. Gelehrten oft so gewissenhaft zu Werk gehen als die H.H. Kaufleute, und mancher arme Schelm soll in seinem Warenlager von oben bis unten nichts als Mohnsamen liegen haben, daher er denn auch freilich mit besten Wissen und Gewissen nichts anders daraus geben kann. Mit diesem Buch ist's nun nicht so gangen. Es hatten mir aber auch honette Leut vorher gesagt, daß der C.P.E. Bach kräftig und desperat setzen und spielen solle, und da dacht ich: so 'n schöner Psalm mit einer kräftigen Melodie wird sich unterwegen in der Morgenstund oder sonst recht gut singen lassen, und so pränumeriert ich, und es gereut mich wie gesagt nicht! 's sind mehr als eine Melodie drin, die 's Geld allein wert sind. Gleich die erste, obwohl sonst aller Anfang schwer zu sein pflegt, ist ganz leicht und simpel und grade weg daß es eine Lust ist. Aber meine Leibmelodien sind S. 27 und S. 10; die erste tönt so schön tief und innig klagend, daß sie einem die Brust recht zusammenzieht, und die andre macht sie wieder weit, den hohen Lobpsalm mit aller Macht herauszusingen: und daß man auf »Grö-ße-Got-tes« so lang aushalten muß, das ist just wie ich's gern mag. S. 16, 45 und 51 sind wohl Futter für die Erzmusiker, ich bin aber der keiner.

Ein paar Melodien sind mit Klavierakkompagnement versehn. Aber woher das wenn ich auf'm Wege bin? Ei, was Klavierakkompagnement? ich singe meinen Psalm, mag der Nachtschauer und der Wald akkompagnieren.

Als er sein Weib und 's Kind an ihrer Brust schlafend fand

Das heiß ich rechte Augenweide,

's Herz weidet sich zugleich.

Der alles segnet, segn' euch beide!

Euch liebes Schlafgesindel, euch!

Über das Genie

Nescio quid servile olet et non sui Juris.

Ich stelle mir oft bei müßigen Stunden eine Sprache als ein Bündel Stäbe vor, wo an jedweden Stab eine verwünschte Prinzessin angezaubert ist, oder ein unglücklicher Prinz; und der Mann, der die Sprache versteht, wäre denn ein Sonntagskind, das Geister sehen kann, unterdes der andre den Stab sieht und nichts weiter. Man sagt, daß in der eigentlichen Zauberei, wenn einer das Handwerk versteht, eine Prinzessin vom Zauber erlöset, und statt ihrer ein Alp und Kobold an den Stab festgezaubert werden kann; bei den Sprachen geht's gewiß so her, und beides die Stäbe und die Geister sind sehr der Veränderung unterworfen. Die Geschichte dieser Veränderungen und Sukzessions ist ein sehr feines Studium. Sie erfordert ein philosophisches Fühlhorn, das nicht jedermanns Gabe ist, und ohne sie kann wenig Gescheutes von dem Geschmack eines Mannes und seiner Nachfolger gesagt werden, wie das die Abhandlungen in Quarto und Octavo beweisen.

Sokrates sprach von einem Genio, der ihm ins Ohr sagte, und tausend sprachen und sprechen nach ihm von einem Genio. Vielleicht verhält sich der Genius, von dem Sokrates sprach, zu den Geniis, von denen die tausend sprechen, wie ein alter Barde und Prophet zu den Minstrels und Balladsängern, denen die Königin Elisabeth in England eine Ehre auf dem Brett antat: »Alle Zigeuner, Landstreicher und Minstrels kommen in das Zuchthaus nach Neumünster«, vielleicht auch anders, denn es ist noch nicht recht ausgemacht worden, was Sokrates gemeint habe und was die tausend meinen.

Fast alle, die vom Sokratischen Genio geschrieben haben, sind entweder in die Marschländereien mondsüchtiger Phantasten geraten, oder in die dürre Sandwüsten der Wolffischen Philosophie und der mathematischen Lehrart. Es kann wohl sein, daß niemand etwas davon sagen kann, als wer einen ähnlichen Genium hat, und wer den hat, ist vielleicht zu hölzern, und so zurückhaltend als Sokrates war. Auf die letzte Vermutung bringt mich eine Erfahrung unter den Menschenkindern, nach der ein Säugling der Venus Erycina im ersten platonischen Paroxysmo der zarten Leidenschaft stumm ist, und in der Tiefe des einsamsten Waldes den Namen des Idol suo kaum aussprechen darf. Bei so gestalten Sachen nun wäre vom Sokratischen Genio nicht viel von andern Leuten zu erfahren, und es ginge damit wie mit dem leidigen Stein der Weisen. Es sei also in Ansehung seiner genung, in einer sanften Mondnacht mit gewaschenen Händen und einem Schauer von Ehrfurcht und Eifersucht Blumen für den Mann hinzulegen, der ihn hatte, und für den, der ihn hat – und nun herunter zum modernen Genius oder zum Genie.

Hier liegen Fußangeln

»Ich bin ein Barde.« Freund, sind deine Augen helle?

Gnügt dir die Eichel und die Quelle?

An – als ihm die – starb

Der Säemann säet den Samen,

Die Erd empfängt ihn, und über ein kleines

Keimet die Blume herauf –

Du liebtest sie. Was auch dies Leben

Sonst für Gewinn hat, war klein Dir geachtet,

Und sie entschlummerte Dir!

Was weinest Du neben dem Grabe

Und hebst die Hände zur Wolke des Todes

Und der Verwesung empor?

Wie Gras auf dem Felde sind Menschen

Dahin, wie Blätter! Nur wenige Tage

Gehn wir verkleidet einher!

Der Adler besuchet die Erde,

Doch säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub, und

Kehret zur Sonne zurück!

Der Tempel der Musen

Der Deutsch' und Grieche pflegen

Des Altars;

Der Römer pflegt auch mit, von wegen

Des Nachbars;

Hoch am Gewölbe schwebet

Der Brite wie Cherub, und lebet:

Der Welsch' ist Adjunktus und Küstermann,

Und oben flattert der Hahn

Vergoldet und lieblich zu sehen,

Und krähet Epopeen.

Ein Lied um Regen

Der Erste

Regen, komm herab!

Unsre Saaten stehn und trauern,

Und die Blumen welken.

Der Zweite

Regen, komm herab!

Unsre Bäume stehn und trauern!

Und das Laub verdorret.

Der Erste

Und das Vieh im Felde schmachtet,

Und brüllt auf zum Himmel.

Der Zweite

Und der Wurm im Grase schmachtet,

Schmachtet und will sterben.

Beide

Laß doch nicht die Blumen welken!

Nicht das Laub verdorren!

Oh, laß doch den Wurm nicht sterben!

Regen, komm herab!

[Über das Genie – Fortsetzung]

Mein Vetter hat S. 25 eine sehr gelehrte Abhandlung übers Genie angefangen. Er fängt oft an, und kommt ihm denn eine andre Grille, da läßt er's gut sein und denkt nicht weiter dran. Ich pfleg ihm denn wohl jezuweilen unter vier Augen seine Narrheit zu verweisen, aber er schämt und grämt sich nicht, und oft gibt er mir noch allerhand spitzfindige Redensarten zum Lohn. Neulich gab ich ihm zu verstehen, daß er, was er angefangen hätte, auch – »wohl wahr, Vetter«, fiel er mir in die Rede, »doch setzt Ihr's fort!« Ich gab natürlicherweise zur Antwort, daß ich nichts von der Materie verstehe. »Desto besser werdet Ihr davon schreiben, Vetter, es ist vieles in der Natur verborgen.« Was soll ich tun; will ich's fortgesetzt haben muß ich wohl dran, 's mag denn auch gehn wie 's geht.

Will nur zuvor den letzten Perioden nachlesen: »und nun herunter zum modernen Genius oder zum Genie« – herunter denn, und gleich im Fallen angefangen.

Empfange mich, du lieblicher Hain am Helikonberg! Ich komme gefallen, zu hören deinen Silbersturm und dein sanfteres Geräusche, und ihr im leichten Rosengewand, mit dem blassen Munde, der so holdselig sprechen kann, Gesellen des Hains! seid mir gegrüßt – Ha! der Schwindel ist über, und ich habe wieder festen Grund unter'n Füßen.

Wenn einer 'n Buch geschrieben hat, und man liest in dem Buch und 's würkt so sonderbar als ob man in Doktor Fausts Mantel davon sollte, daß man aufsteht und sich reisefertig macht, und, wenn man wieder zu sich selbst kommt, dankbar zum Buche zurückkehrt; dann, sollt ich glauben, habe der Autor mit Genie geschrieben. Aber, mein Vetter wird sagen, daß das nichts gesagt sei; daß man nicht wissen will, wer Genie habe, sondern was das Genie sei, das einer hat.

Das Genie also ist – ist – weiß nicht – ist 'n Walfisch! So recht, das Genie ist 'n Walfisch, das eine Idee drei Tage und drei Nächte in seinem Bauch halten kann und sie denn lebendig ans Land speit; ist 'n Walfisch, der bald durch die Tiefe in stiller Größe daherfährt, daß den Völkern der Wasserwelt 'n kaltes Fieber ankommt, bald herauffährt in die Höhe und mit Dreimastern spielt, auch wohl mit Ungestüm aus dem Meer plötzlich hervorbricht und große Erscheinungen macht. Das Nicht-Genie aber ist 'n Walfischgerippe, ohne Fett und Bein, das auf'm Wasser vom Winde hin und her getrieben wird, eine Witterung für die schwarzen und weißen Bären (Journalisten und Zeitungsschreiber), die über die Eisschollen herkommen und dran nagen. Ich will's nur beizeiten sagen, daß ich über meines Vetters Papiere gewesen bin; der geneigte Leser würd's doch bald merken; hab's gemacht wie die andern: Fremd Kraut, und meine Brühe drüber.

Der menschliche Körper voll Nerven und Adern, in deren Centro die menschliche Seele sitzt, wie eine Spinne im Centro ihres Gewebes, ist einer Harfe zu vergleichen, und die Dinge in der Welt um ihn den Fingern, die auf der Harfe spielen. Alle Harfensaiten beben und geben einen Ton, wenn sie berührt werden. Einige Harfen aber sind von einem so glücklichen Bau, daß sie gleich unterm Finger des Künstlers sprechen, und ihre Saiten sind so innig zum Beben aufgelegt, daß sich der Ton von der Saite losreißt und ein leichtes ätherisches Wesen für sich ausmacht, das in der Luft umherwallt und die Herzen mit süßer Schwermut anfüllt. Und dies leichte ätherische Wesen, das so frei für sich in der Luft umherwallt, wenn die Saite schon aufgehört hat zu beben, und das die Herzen mit süßer Schwermut anfüllt, kann nicht anders als mit dem Namen Genie getauft werden, und der Mann, dem es sich auf'n Kopf setzt, wie die Eule auf'n Helm der Minerva, ist ein Mann, der Genie hat; und der geneigte Leser wird nun hoffentlich besser als ich wissen, was Genie ist. Dies Genie, fahren die oberwähnten Papiere fort, das bis so weit eine bloße Gabe der Natur ist, erhält nun eine verschiedne Richtung, nach dem der ganze individuelle Zustand, in dem der Mensch sich befindet und befunden hat, verschieden ist. Da tun Wiege und Amme und Fibel und Wohnung und Sprache und Schlafmütze und Religion und Gelehrsamkeit etc. das Ihrige, es zu erdrücken oder in Gang zu helfen. Ein ganz besonders Verdienst im Erdrücken hat die Philosophie, wie sie auf den Schulen gang und gäbe ist: Vita Caroli, mors Conradini! Die Herren Philosophen, die von Allgemeinheiten gehört haben, die tief in der Natur verborgen liegen sollen und durch Hebammenkünste zur Welt gebracht werden müssen, abstrahieren der Natur das Fell über die Ohren, und geben ihre nackte Gespenster für jene Allgemeinheiten aus; und ihre Zuhörer, die an diese Gespenster gewöhnt werden, verlieren nach und nach die Gabe, Eindrücke von einer Welt zu empfangen, in der sie sind. Alle Hacken ihrer Seele, die an die Eindrücke der wirklichen Natur anpacken sollen, werden abgeschliffen, und alle Bilder fallen ihnen nun perspektivisch und dioptrisch in Aug und Herz, usw.

Aber das kostet Kopfbrechen, von einer Sache zu schreiben, von der man nichts versteht; und da pflegen wir Gelehrte denn wohl zur Abwechslung und Erholung eine Spielstunde zu machen. Der selige Isaac Newton schrieb in seinen Spielstunden eine Chronologie, und ich pflege wohl an meinen alten Freund und Schulkameraden Andres zu schreiben.

Mein lieber Andres,

Ich habe das Leichdornpflaster erhalten, die Würzpillen aber nicht, arbeite auch itzo an einem Buch, das ich dem Druck übergeben will. Er glaubt nicht, Andres, wie einem so wohl ist, wenn man was schreibt, das gedruckt werden soll, und ich wollt Ihm die Freude auch 'nmal gönnen. Er könnte etwa das Rezept zu dem Pflaster herausgeben, etwas vom Ursprung der Leichdörner herräsonieren und am Ende einige Errata hinzutun. Sieht Er, 's kommt bei einer Schrift auf den Inhalt eben nicht groß an, wenn nur Schwarz auf Weiß ist; einige loben's doch, und am Ende läßt sich von Leichdörnern und Pflaster schon 'was schreiben. Ich besinne mich, daß es Ihm in der Schule immer so schwer ward, die Kommata und Puncta recht zu setzen. Sieht Er, Andres, wo der Verstand halb aus ist, setzt Er ein Komma; wo er ganz aus ist, ein Punctum, und wo gar keiner ist, kann Er setzen, was Er will, wie Er auch in vielen Schriften findet, die herauskommen. Was Er Seinem Buch für einen Titel geben will, das muß Er wissen; eins heißt: Secum portans, und ich kann Ihm nichts weiter davon sagen, als daß es Anfang und Ende hat.

Sein

Diener,

Klage um Ali Bey

Laßt mich! laßt mich! ich will klagen,

Fröhlich sein nicht mehr!

Abudahab hat geschlagen

Ali und sein Heer.

So ein muntrer kühner Krieger

Wird nicht wieder sein;

Über alles ward er Sieger,

Haut' es kurz und klein.

Er verschmähte Wein und Weiber,

Ging nur Kriegesbahn,

Und war für die Zeitungsschreiber

Gar ein lieber Mann.

Aber, nun ist er gefallen.

Daß er's doch nicht wär!

Ach, von allen Beys, von allen

War kein Bey wie er.

Jedermann in Syrus saget:

»Schade, daß er fiel!«

Und in ganz Ägypten klaget

Mensch und Krokodil.

Daher sieht im Geist, wie's scheinet,

Am Serail mit Graus

Seines Freundes Kopf, und weinet

Sich die Augen aus etc.

DaCapo.

Hinz und Kunz

H.:

Was meinst du, Kunz, wie groß die Sonne sei?

K.:

Wie groß, Hinz? – als 'n Straußenei.

H.:

Du weißt es schön, bei meiner Treu!

Die Sonne als 'n Straußenei!

K.:

Was meinst denn du, wie groß sie sei?

H.:

So groß, hör – als 'n Fuder Heu.

K.:

Man dächt kaum, daß es möglich sei;

Potz tausend, als 'n Fuder Heu!

Im Junius

Aber die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön; wenn der Dornstrauch blüht und die Erde mit Gras und Blumen pranget! So 'n heller Dezembertag ist auch wohl schön und dankenswert, wenn Berg und Tal in Schnee gekleidet sind, und uns Boten in der Morgenstunde der Bart bereift; aber die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön! Und der Wald hat Blätter, und der Vogel singt, und die Saat schießt Ähren, und dort hängt die Wolke mit dem Bogen vom Himmel, und der fruchtbare Regen rauscht herab –

Wach auf mein Herz und singe

Dem Schöpfer aller Dinge etc.

's ist, als ob Er vorüberwandle, und die Natur habe Sein Kommen von ferne gefühlt und stehe bescheiden am Weg in ihrem Feierkleid, und frohlocke!

Ein sonderlicher Kasus von harten Talern und Waldhorn

Ich war erst sechszehn Sommer alt,

Unschuldig und nichts weiter,

Und kannte nichts als unsern Wald,

Als Blumen, Gras, und Kräuter.

Da kam ein fremder Jüngling her;

Ich hatt ihn nicht verschrieben,

Und wußte nicht wohin noch her;

Der kam und sprach von Lieben.

Er hatte schönes langes Haar

Um seinen Nacken wehen;

Und einen Nacken, als das war,

Hab ich noch nie gesehen.

Sein Auge, himmelblau und klar!

Schien freundlich was zu flehen;

So blau und freundlich, als das war,

Hab ich noch keins gesehen.

Und sein Gesicht, wie Milch und Blut!

Ich hab's nie so gesehen;

Auch, was er sagte, war sehr gut,

Nur konnt ich's nicht verstehen.

Er ging mir allenthalben nach,

Und drückte mir die Hände,

Und sagte immer Oh und Ach,

Und küßte sie behende.

Ich sah ihn einmal freundlich an,

Und fragte, was er meinte;

Da fiel der junge schöne Mann

Mir um den Hals, und weinte.

Das hatte niemand noch getan;

Doch war's mir nicht zuwider,

Und meine beide Augen sahn

In meinen Busen nieder.

Ich sagt ihm nicht ein einzig Wort,

Als ob ich's übelnähme,

Kein einzigs, und – er flohe fort;

Wenn er doch wiederkäme!

An die Nachtigall

Er liegt und schläft an meinem Herzen,

Mein guter Schutzgeist sang ihn ein;

Und ich kann fröhlich sein und scherzen,

Kann jeder Blum und jedes Blatts mich freun.

Nachtigall, Nachtigall, ach!

Sing mir den Amor nicht wach!

 Älteste Urkunde des Menschengeschlechts

I.T. Eine nach Jahrtausenden enthüllte heilige Schrift. II. T. Schlüssel zu den heiligen Wissenschaften der Ägypter. III. T. Trümmer der ältesten Geschichte des niedern Asiens.

Ein orientalischer Laut ist ein Laut aus Orient, und in Orient waren bekanntermaßen die 5 Pforten am Menschen in vollem Besitz aller ihrer Gerechtsame, und man hatte nicht den Mark aus den Knochen der Sinne und Imagination durch landsübliche Abstraktion herausgezogen; schlug nicht die Natur übern Leisten eines Systems, und reckte sie nicht darüber aus; löste sie nicht zu einen leichten Ätherduft auf, der zwar die Windmühle der allgemeinen Vernunft behende umtreibt, übrigens aber nicht Kraut noch Pflanzen wachsen machen kann; sondern in Orient hielt man unsers lieben Herrn Gotts Natur, wie sie da ist, in Ehren; ließ ihre Eindrücke sanft eingehen, und bewegte sie in seinem Herzen; in Orient präsidierten bekanntermaßen über Sonn und Mond, Morgenrot und Berg und Baum und ihre Eindrücke, Geister, die den zarten einfältigen Menschen durchwandelten und lehrten, und sein Herz mit Wallung füllten, die mehr wert war, als alle Q.E.D.-s, die, seitdem jene Geister von der Philosophie ihre Dimission in Gnaden erhalten haben, an ihrer Statt wieder Mode geworden sind; in Orient lehrte man durch Bilder; usw. Ein dergleichen orientalischer Laut ist nun diese Schrift, und ist, man mag dem Verfasser recht geben wollen oder nicht, immer eine schöne Erscheinung hoch in der Wolke und ein Weben des Genies.

Sie betrifft aber die Schöpfungsgeschichte Moses', die unser Verfasser auf Adlerflügeln von einem neuen und äußerst simpeln Mechanismo aus allem Bedruck der tausend und tausend Ehrenschändungen und Ehrenrettungen und Kommentations und Ehrenerklärungen allerlei gelehrter Zünfter und Handwerker heimholen, oder vielmehr auf ihren eignen Flügeln, die ihr bisher niemand angesehen hat, selbst heimfliegen lassen will, wie folget.

Nur noch vorher eine Glosse:

»Diese Analogie des Menschen zum Schöpfer erteilt allen Kreaturen ihr Gehalt und ihr Gepräge, von dem Treue und Glauben in der ganzen Natur abhängt. Je lebhafter diese Idee, das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, in unserm Gemüt ist; desto fähiger sind wir, Seine Leutseligkeit in den Geschöpfen zu sehen und zu schmecken, zu beschauen und mit Händen zu greifen. Jeder Eindruck der Natur in den Menschen ist nicht nur ein Andenken, sondern ein Unterpfand der Grundwahrheit; wer der herr ist. Jede Gegenwürkung des Menschen in die Kreatur ist Brief und Siegel von unserm Anteil an der göttlichen Natur, und daß wir Seines Geschlechts sind.« Diese Glosse eines alten Rhapsodisten und Schriftgelehrten mag die Seele der Leser zur Fassung der wahren Idee der Urkunde in Bewegung setzen, zumal gesagt wird, daß darin viel Finsternis und Dunkel sei. Und nun zum Werk:

Einige Herren Deisten also und chinesische Spitzköpfe haben aus Aristoteles' Organon, Graf Wellings Salzlehre, Descartes' Mathematik, Wolffens Experimentalphysik, Guerikens Luftpumplehre etc. etc. ein Heer von Einwendungen und Zweifeln ausgerüstet, in der Mosaischen Schöpfungsgeschichte einen Riß zu machen; so hätte zum Exempel am ersten Tage nicht Licht dasein sollen, und die Sonne drei Tage zu spät kommen; so hätte der dritte Tag der Welt nicht Gras, Bäume, Laub und Kraut geben, und am vierten erst das Firmament gebaut werden sollen usw. – und einige Herren Theologen, und philosophische Breitköpfe haben ihnen, aus Guerikens Luftpumplehre, Wolffens Experimentalphysik, Descartes' Mathematik, Graf Wellings Salzlehre, Aristoteles' Organon etc. etc. ein Heer von Antworten und Auflösungen entgegengestellt, und dadurch den Riß noch größer gemacht, angesehen Moses' Schöpfungsgeschichte weder nach Aristoteles' Organon, noch Guerikens Luftpumplehre, noch Descartes' Mathematik, noch Graf Wellings Salzlehre, noch Wolffens Experimentalphysik abgezirkelt ist, und also nicht darnach angefochten, noch gerechtfertigt werden soll noch muß. Wenn aber die Schöpfungsgeschichte Moses' noch von keinem gerechtfertigt worden ist, so ist das nicht die Schuld des Schlosses, sondern des Schlössers. Sie bedarf keiner so künstlichen Rechtfertigung, und schwebt auf Flügeln der Morgenröte über alle Einwendungen und Zweifel hoch daher und triumphiert. So nämlich: Gott wollte den unverdorbenen Urahnen offenbaren, daß Er Himmel und Erde, und alles das Gute und Schöne, was sie an Himmel und Erde um sich sahen, erschaffen habe, und, weil die ersten Menschen Sinne und Leidenschaften waren, und Sinne und Leidenschaften, wie der Rhapsodist sagt, nichts als Bilder reden noch verstehen, so knüpfte Gott seine Offenbarung an die Morgenröte, das schönste und freundlichste Bild unterm Himmel, das allen Völkern der Erde aufgeht, und sie jeden Morgen an die Offenbarung, und an ihren Schöpfer und Vater – gnädig, barmherzig und von großer Güte – mit Kraft und Leben erinnern könnte; oder vielmehr, Gott webte diese seine Offenbarung in die Buchstaben der Morgenröte, ins rötliche dramatische Gewand der Tagwerdung, daß sie zugleich in und mit der Schöne des Gewandes dem Menschen sinnlich würde, und ihm tief in Auge und Herz fallen sollte. Nach diesem Gesichtspunkt fallen die Einwendungen und Zweifel von selbst weg, und alles geht natürlichen Gang, wie ein jeder, der Augen hat, alle Morgen sehen kann. Licht kommt vor der Sonne, Gras und Laub sieht er vor Sonne usw. Aber wozu nun die Abteilung in sechs Tage, und der Sabbat am siebenten? Ist offenbar, sagt unser Verfasser, Institut der Arbeit und Ruhe, und das Gebot an den Menschen: »Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebenten ruhen«, in die Schöpfung der Welt verwebt, und in stillem belehrenden Beispiel gegeben; denn Gott, dessen Bild und Gleichnis und Repräsentant der Mensch auf Erden sein soll, schuf sechs Tage die Welt und ruhete am siebenten. Außerdem aber ist diese Abteilung in sieben wahrscheinlich auch ein hieroglyphisches Spielzeug für die mechanische Einbildungskraft und Kindeshand des jungen Menschengeschlechts, ad modum der äußerlichen Gestalt des Menschen, den man, ohne ein Narr zu sein, wie viele Narren die ihn so genannt haben, Mikrokosmus nennen kann, die aber von äußerst wichtigen Folgen fürs menschliche Geschlecht war, weil Symbolik, Zeitrechnung, Naturlehre, und, mit einem Wort, die ältesten wichtigsten Künste und Wissenschaften des menschlichen Geschlechts aus ihr, als einem Fingerzeig Gottes zu dem allen, hergekommen sind etc. siehe p. 112 sq. Diese alte Vaterurkunde und Offenbarung Gottes ist nun in den Religionen aller alten Völker mehr oder minder nationalisiert, verstellt und verstümmelt worden, ist aber in den übriggebliebenen Fragmenten noch sichtbar; und das, und dahin erklärt der zweite und dritte Teil unsers Produkts, was wir von den Ägyptern und den Völkern Niederasiens wissen, und was bisher zum Teil sehr anders erklärt worden ist etc.

Der Kuß,1 oder die Ähnlichkeiten in den verschiedenen alten Religionsfragmenten, und der gute Geruch der Zahl sieben