Gefühlsachterbahnfahrt - Manfred Draga - E-Book

Gefühlsachterbahnfahrt E-Book

Manfred Draga

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Beschreibung

Das Leben ist wie eine wilde Achterbahnfahrt. Es geht kreuz und quer, auf und ab und auch mal kopfüber aber niemals einfach nur geradeaus. Niemals! Schutzengel Theo, Auftragskillerin Pamela X, ein verliebter Darth Vader und viele andere Protagonisten der Kurzgeschichten von Manfred Draga können ein Lied davon singen. In teils skurrilen, humorvollen, turbulenten, aber auch melancholischen Erlebnissen stellen sich die Helden ihren täglichen Herausforderungen und nehmen uns mit auf ihre Abenteuerreise. Viel Freude auf dieser Gefühlsachterbahnfahrt und bitte die Sicherheitsvorschriften beachten. Die Fahrt beginnt!.

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Für Ulrike, Max und Timmy

Inhaltsverzeichnis

Gefühlsachterbahnfahrt

Stein im Schuh

Star Wars – einfach nur Star Wars

Kirschregen

First Love

O Tannenbaum

Hut mit roter Schleife

Gipfelstürmer

Möwen gewinnen immer

Der königliche Hamster

Die Schöne im Museum

Henry und die Schafsbande

Kein Hase zu Ostern

Fußspuren im Schnee

In The Air Tonight

Hans-Otto der Zweite

Nur nichts der Mama sagen

Blitze

Traumquote ade

Vertauscht

Tisch Nummer 30

Sechserpack

Sonnenblumenzauber

Das besondere Rezept

Überraschung

Pavel der Glücksbote

Hund im Bett

Noch schnell ein paar Worte

Gefühlsachterbahnfahrt

Kennt ihr dieses alte, schöne und auch mulmige Gefühl, wenn man früher mit seinen Freunden auf eine Kirmes ging? Es gab leckere Zuckerwatte, ein kaltes Bierchen, jede Menge Popcorn und allzu fettige Reibekuchen.

Dann ging es schnurstracks Richtung Achterbahn!

Plötzlich wurde mir so ganz anders im Kopf, im Bauch und in den Beinen. Das Herz pochte wild und heftig. Der ganze Körper kam in so eine besondere Schwingung.

»Hereinspaziert, hereinspaziert, Herrschaften – eine neue Fahrt, eine neue Runde«, rief der Kerl mit Dreitagebart und weißem Bremserhemd.

Die Freunde kauften die Tickets an der kleinen, in die Jahre gekommenen Bude und wir nahmen Platz in einem der vielen engen Waggons. Zu guter Letzt wurden die schon rostigen Haltebügel mit einem satten Quietschen nach unten gezogen.

Zack war ich gefangen und keine Flucht mehr möglich.

Es folgte diese kurze, verheißungsvolle Stille und ich selbst saß in diesem engen Teil wie ein Häufchen Elend, eingeklemmt zwischen zwei angetrunkenen Kameraden. Mein Blick ging zum Himmel und ich betete inständig, dass diese »Fahrt des Grauens« möglichst schnell und ohne bleibende Schäden an Körper und Klamotten vorbeigehen möge.

Doch dann – was für eine Überraschung!

Endlich kamen die Wagen ins Rollen. Die Jungs links und rechts grölten lauthals und reckten die Hände in die Höhe und ich selbst kam auch in solch einen schönen Trudel. Diese Schienen, die mal rauf und mal runter führten oder einen großen Bogen zeichneten, machten etwas mit mir. Das Ganze war besonders krass, wenn es eine große Achterbahn mit Looping war. Da stand die ganze Welt für mich Kopf.

Ja, all diese Schienen machten etwas mit mir.

Da gab es Glücksgefühle, rasenden Puls, kurze Verschnaufpausen, knallende Fahrten in den Abgrund und auch mal so ein zauberhaftes, fast schwereloses Schweben in luftiger Höhe.

Dies alles in einer so kurzen, lebhaften Fahrt und für nur wenige Münzen.

So schön!

Ich war beseelt und glücklich und wollte tatsächlich eine zweite Fahrt.

Und so, liebe Leser, sollen meine kleinen Geschichten des Lebens auch auf euch wirken. Jede dieser Erzählungen soll euch weit nach oben katapultieren, euch schwindelig machen oder eure Herzen erstrahlen lassen. Lasst Melancholie, Lachen, Sehnsucht und Kopfkino zu.

Viel Freude auf dieser Gefühlsachterbahnfahrt – schnallt euch an und beachtet die Sicherheitsvorschriften.

Die Fahrt beginnt …

Stein im Schuh

Fotos sind unsere Begleiter durchs Leben. Jedes erste Album beginnt mit einer Ansammlung süßer, niedlicher Fotos: Baby im Kinderwagen sitzend, Baby auf Mamis Arm, Baby mit Flasche im Mund oder auch einmal Baby bei Oma auf dem Schoß.

Mein allererstes Bild im Manfred-Album ist jedoch so ganz anders. Da sieht man meinen Kinderwagen mit hochgeklapptem Schutz. Von mir selbst sind nur meine krummen Froschbeine und die nackten Füße zu sehen. Sonst nichts!

Nicht schlimm, sage ich mir dann jedes Mal beim Betrachten. Füße sind so immens wichtig, weil sie ja unser ganzes Körpergewicht tragen. Dazu gerne meine erste Geschichte, von einem Mann mit einer ganz besonderen Begegnung …

***

Sommer 2018, irgendwo in Köln.

Es war ein heißer Donnerstagnachmittag und die Sonne brannte seit Stunden gnadenlos auf den Asphalt. Von schützenden Wolken am Himmel keine Spur.

Wie immer stand er dort an dieser verflixten Ampel, die sich auch heute stur und beharrlich weigerte, von Rot auf Grün umzuschlagen. Vermaledeite Ampel! Er konnte ankommen, wann immer er wollte. Nie gab es eine befreiende grüne Phase.

Und so fluchte er innerlich und verwünschte auch diesen blöden rotleuchtenden Kerl aus Metall.

Zudem störte ihn schon seit einer Weile so ein Steinchen, welches ihm in einem seiner bequemen Turnschuhe gekommen war. Dies musste wohl gleich nach dem Ausstieg aus dem Bus passiert sein.

Verflixter Stein, verflixte Ampel, verflixter Tag!

Er kannte diese Ampel und wusste ganz genau, dass noch Zeit genug war, sich des Störenfrieds in seinem Schuh zu entledigen. Also ging er leicht seufzend in die Hocke, löste den Schnürsenkel, zog den Schuh behutsam aus, fischte den kleinen Stein geschickt heraus und betrachtete ihn ganz kurz:

Ein kleiner weißer Kieselstein in Herzform und mit einem roten Fleck am Rand.

Verdammt!

Tatsächlich blutete er ein wenig an der Fußsohle und spürte jetzt, wo er den Stein in Händen hielt, seinen Schmerz.

»Blöder, verflixter Miststein!«, rief er ganz laut und erbost und warf den Übeltäter im hohen Bogen über die Straße bis auf die andere Seite. Dorthin, wo die verhasste Ampel immer noch rot war und ihm was hustete.

Ehe er sich wieder erheben konnte, hörte er eine freundliche, helle, klare Stimme hinter sich sagen:

»Na, wenn das alles ist. Ihre Sorgen möchte ich haben, junger Mann. Wirklich!«

Und so drehte er sich um und sah fast auf Augenhöhe eine ältere, feine, elegant gekleidete Dame, die in einem Rollstuhl saß.

»Ich würde so gerne einmal mit Ihnen tauschen wollen und spüren, was es heißt, einen kleinen Stein im Schuh zu haben. Aber so ein Glück bleibt mir wohl ein Leben lang verwehrt.«

Hastig und ein wenig unbehaglich zumute stand er auf und wollte sich bei der Dame im Rollstuhl entschuldigen für sein plumpes, unbeherrschtes Benehmen.

Doch diese sagte nur:

»Auf, auf, junger Mann. Ihre verflixte Ampel ist soeben grün geworden. Schnell, beeilen Sie sich – sonst sehe ich wieder rot für Sie!«

Und so eilte er über die Straße und kam gedankenverloren auf der anderen, rettenden Seite an. Als er sich umdrehte, sah er der älteren Dame nach, die sich mit ihrem Rollstuhl Richtung Park bewegte, um dort wohl zwischen den Schatten spendenden Bäumen ein wenig zu verweilen.

Er dachte eine Weile über das soeben Erlebte nach und entdeckte, nicht weit von seiner verflixten Ampel entfernt, ein kleines Bistro. Dies erreichte er mit wenigen Schritten und trat ein. Er bestellte bei der freundlichen jungen Dame an der Kasse zwei Coffee to go, zahlte mit Karte und steckte schnell noch Zuckertütchen, einige Milchdöschen und Plastiklöffel in seine Jackentasche.

Dann eilte er flugs nach draußen, um erneut dorthin zu gehen, woher er gekommen war: Auf die andere Straßenseite, Richtung Park.

Tatsächlich fand er die alte Dame dort in der Anlage unter herrlichen, schützenden Laubbäumen sitzend.

»Entschuldigung, darf ich Ihnen wohl ein wenig Gesellschaft leisten?«, fragte er ein wenig außer Atem und bot ihr zugleich einen der beiden Kaffeebecher an.

»Gerne doch«, antwortete Sie freundlich wie vorhin an der Ampel, »aber bitte nur dann, wenn Sie auch Milch und zwei Tütchen Zucker für mich haben.« Und dann sah sie sein erstauntes und irritiertes Gesicht an und lachte herzhaft und laut und so wunderbar ansteckend.

Er erfuhr vieles über das Leben im Rollstuhl und wie es ist, als behindertes Kind aufzuwachsen – unfähig, auch nur einen Schritt zu gehen. Er hörte gespannt zu, die Zeit vergessend, und lauschte all ihren Geschichten rund um Wünsche und Hoffnungen und Träume.

»Einmal nur möchte ich auf eigenen Füßen tanzen können für eine ganze Nacht. Und dann wäre es mir verflixt noch einmal egal, ob ich einen Stein im Schuh hätte oder nicht. Tanzen, Füße spüren und vergessen, dass ich an diesen Stuhl mit Rollen gebunden bin. Verstehen Sie das, junger Mann?«

Er nickte betrübt und verstand.

Dann lächelte Timo an diesem Nachmittag zum ersten Mal ganz gelöst und ganz entspannt und sorglos.

Von nun an war dieser Park und dieser bestimmte Tag in der Woche reserviert für die beiden. Sie saß stets freundlich lächelnd mit dem Rollstuhl unter den herrlichen Bäumen. Er hatte jedes Mal zwei Becher Kaffee dabei und in seinen Taschen Milch und Zucker. Sie sprachen über das Leben, sie erzählten sich viele spannende Geheimnisse und sie lächelten sich beide freundlich und zufrieden an.

Die ältere Dame und der junge Mann wurden Freunde und schon bald bot sie ihm auch das »Du« an.

»Ich bin ab sofort die Gerda für dich – und du bist für mich der Timo. Und das ›Sie‹ lassen wir bitte ab sofort weg. Das passt doch jetzt nicht mehr. Oder?«

Timo nickte und lachte laut und dann sprachen sie wieder über dieses und jenes aus alten und neuen Zeiten.

Die Nachmittage vergingen wie im Flug. Und so langsam wurden die Blätter der Bäume bunter und das Laub auf den Wegen zum Park dichter. Der Herbst zog ins Land und es wurde ungemütlicher, windiger und manchmal fiel auch ein wenig Regen aus den Wolken.

Timo spannte dann einen großen Regenschirm auf, sodass seine Gerda und er einigermaßen trocken blieben und gesund. Doch auch mit Regenschirm blieben die gemeinsamen Themen nicht aus. Es war nie langweilig mit ihr und die Stunden im Park brachten immer neue spannende Geschichten zutage.

Was für eine schöne Zeit!

An einem warmen Nachmittag im Oktober wartete Timo dann vergebens auf die reizende ältere Dame. Er saß mit zwei Bechern kaltem Kaffee über eine Stunde auf der Bank.

Doch seine Gerda kam nicht.

Erst jetzt realisierte er mit Bedauern, dass er keinerlei Kontaktdaten von ihr hatte. Er kannte nur den Vornamen und ihr Alter. Familienname, Adresse oder Telefonnummer waren ihm unbekannt. Das war auch bislang nicht wichtig gewesen, da auf Gerda stets Verlass gewesen war. Sie war pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk und schon immer vor ihm an dieser Bank im Park gewesen. Und so machte sich Timo zum ersten Mal große Sorgen um seine Freundin.

In der folgenden Nacht hatte Timo dann einen merkwürdigen Traum:

Er träumte von Gerda, die ein wunderbares, glänzendes Ballkleid trug. Sie hatte ein junges, zauberhaftes und strahlendes Gesicht, schöne lange Haare – und tatsächlich Tanzschuhe an den Füßen. Zu seiner großen Überraschung stand Gerda auf, kippte den verflixten Rollstuhl zur Seite und tanzte durch den ganzen Ballsaal.

Sie drehte sich lächelnd und hüpfte vergnügt und so federleicht.

Gerda konnte auf eigenen Füßen stehen! Ein Wunder!

Alle Hoffnungen und Wünsche schienen wahr geworden zu sein. Wie zauberhaft, wie fantastisch dies aussah und so real.

Dann fluchte Gerda plötzlich laut (und böse) und zog einen kleinen schwarzweißen Stein aus dem Schuh, der sogar ein wenig Blut an der Steinspitze aufwies.

»Autsch – das tut ja weh. Verflixt!«, sagte sie laut lachend und steckte den Stein in die kleine Handtasche, die so wunderbar zum Kleid passte.

Timo lachte laut auf vor Freude – und fand sich dann aufrecht im Bett sitzend wieder. Oh je, es war alles nur ein Traum gewesen. Jammerschade und doch so derart lustig. Das musste er unbedingt seiner Gerda beim nächsten Treffen erzählen.

Wie fein.

Tage später saß Timo erneut auf der hölzernen Bank im Park und wartete. Von Gerda weiterhin keine Spur.

Er war wütend auf sich selbst, dass er keinerlei Kontaktdaten von ihr hatte. In einer digitalen Welt voller Mobiltelefon und Internet war so etwas schon sehr merkwürdig. Nervös blickte er auf seine Uhr und wollte gerade aufstehen und sich auf dem Weg nach Hause machen, als er einen jüngeren Mann auf sich zukommen sah, der in seiner Hand ein kleines Kästchen hielt.

»Guten Tag – du musst Timo sein, richtig?«, fragte er und Timo nickte erwartungsvoll und auch irgendwie wissend.

»Nun, ich bin Frank, der Neffe von Gerda. Ihr Lieblingsneffe, so würde ich dies einmal nennen. Leider muss ich dir mitteilen, dass Gerda heute nicht mehr kommen wird. Sie kommt auch nicht nächste Woche oder in den folgenden Wochen.

Sie ist vor wenigen Tagen ins Licht gegangen und wir haben sie gestern auf ihrem letzten Weg begleitet. Tut mir sehr leid Timo, aber wir konnten dich nicht erreichen.

Aber hey, Tante Gerda meinte, dass ich dich heute hier im Park treffen werde. Dies hier ist für dich.«

Dann überreichte der junge Mann das Kästchen, beide gaben sich die Hand und gingen ihrer Wege.

Stunden später saß Timo auf seiner Couch im Wohnzimmer. Immer noch hielt er das kleine Kästchen in der Hand, welches er bislang nicht öffnen konnte. Immer wieder rollten ihm Tränen über die Wangen und er musste an diese verflixte rote Ampel denken, an den kleinen blutigen Stein im Turnschuh und an die allererste Begegnung mit dieser freundlichen, älteren feinen Dame im Rollstuhl.

Wie konnte sie gerade jetzt gehen, wo alles so viel leichter schien und die Nachmittage beiden stets so gutgetan hatten!

Wie ungerecht und wie grausam das Leben doch sein kann.

Schließlich öffnete er dieses letzte Geschenk seiner guten Freundin und fand im Inneren einen kleinen bunten Stein sowie einen gefalteten hellblauen Zettel, auf dem zu lesen war:

»Lieber Timo – gerne hätte ich einmal getanzt und so einen Stein unter meinem Fuß gespürt. So wie du damals. Doch das Leben ist nicht immer ein Wunschkonzert und nicht immer läuft alles rund.

Ich danke dir für die schönen Nachmittage und hoffe, dass dich diese Nachricht erreicht. Versprich mir, dass du nie wieder über die verflixte rote Ampel oder einen störenden Stein im Schuh fluchen wirst. Denn das alles gehört zum Leben dazu. Pass auf dich auf. Deine Gerda«

Spät am Abend ging Timo spazieren. Er hatte den kleinen Stein in seiner Jacke verstaut, der von nun an sein Glücksbringer sein sollte.

Der Himmel war sternenklar und so schaute er hinauf und wünschte sich, dass Gerda nun dort oben voller Leichtigkeit und Glückseligkeit tanzen konnte.

So wie in seinem Traum.

Star Wars – einfach nur Star Wars

Wenn ich etwas zu Star Wars lese, höre oder gar sehe, dann bin ich wieder in den alten Zeiten mit meinen drei Helden. Dann strahle ich und bin wieder der zwölfjährige Junge aus den 70ern.

Es gibt für mich kein schöneres Märchen mit sauberer Trennung zwischen Gut und Böse, und ich werde diese alte Trilogie für immer und ewig lieben.

Und da bin ich wohl nicht so ganz allein …

***

Felix wollte dieses Jahr zu Karneval unbedingt als der schwarze Lord, Mister Darth Vader himself, gehen. Das musste einfach so sein.

Alle seine Kumpels liebten die schöne Prinzessin Leia, den frechen Schmuggler Han Solo oder aber den schmucken Helden Luke Skywalker. Was für ihn okay war.

Aber jeder Held braucht im Leben auch einen starken Bösewicht, um wirklich glänzen zu können. Was wäre Schneewittchen ohne die böse Königin im Märchen? Einfach nur ein hübsches Mädel mit sieben Zwergen an der Backe.

Was wäre Dallas ohne J. R. oder der Denver Clan ohne Alexis gewesen? Stinklangweilig.

Gäbe es einen Batman ohne den bösen Joker? Er wäre nur ein crazy Typ mit schwarzem Latexanzug und Maske.

Und so war für Felix klar:

Darth Vader musste es in diesem Jahr sein. Und zwar mit so allem, was der finstere dunkle Lord der Galaxie zu bieten hat: schwarzer Anzug, schwarzer langer Umhang, schwarze Handschuhe, schwarze Stiefel, schwarzer Helm. Punkt. Die helle Seite durfte sehr gern Weiß und Gelb und Beige tragen. Die dunkle Seite hingegen trug immer kompromissloses Schwarz.

Punkt. Ende. Aus.

»Hi, Felix, was für ein Kostüm trägst du denn dieses Jahr?«, fragte Maya ihn neugierig und er antwortete nur knapp:

»Lass dich überraschen – du wirst staunen.«

Und dann lächelte er sie an und sie lächelte frech zurück und da war doch sicherlich auch irgendwie etwas mehr als nur dies Lächeln.

Oder nicht?

Oh, Mann – schwerer, langer Seufzer. Maya war genau der Typ Frau, mit dem Felix glücklich sein könnte für den Rest seines Lebens. Das wusste er einfach. Und zwar so richtig, mit allem, was dazu gehörte:

Kuss, Kissenschlacht, Hand in Hand am Strand, irgendwann ein Ring, mindestens drei Kinder, ein schickes großes Einfamilienhaus und natürlich ein familientauglicher, pflegeleichter Hund.

Das volle Programm eben. Keine halben Sachen. Das war ihm klar.

»Prima, ich freu mich. Du kommst doch zu meiner Party am Samstag, oder?«, fragte Maya und er nickte nur ganz kurz und so richtig männlich und sagte:

»Jepp!«

Dann ertönte auch schon die Klingel, die das Ende der Schulpause verkündete und beide gingen zurück in den Klassenraum.

Ich werde Darth Vader sein und du meine Prinzessin Padme Amidala, dachte sich Felix und sah kurz zu Maya hinüber, die noch schnell das Mathebuch aufklappte.

Dann betrat der Lehrer das Klassenzimmer und der Unterricht wurde fortgesetzt. Statt wilder Abenteuer im Weltall, zischenden Lichtschwertern in der Hand oder mithilfe der Macht ein eigenes Imperium zu errichten, gab es nun schnöde Wahrscheinlichkeitsrechnung bei Herrn Westermann.

Seufz – wahrscheinlich würde Felix erneut nur die Hälfte vom Stoff kapieren und so sagte er ernüchtert zu sich selbst:

»Wahrscheinlichkeitsrechnung ist neben dem Wecker am Morgen und dem instabilen WLAN zu Hause die größte Geißel der Menschheit. Darth Vader würde das alles mit einem Fingerschnippen platt machen.«

Er hatte noch ganze fünf Tage Zeit, um sich filmgerecht auszustatten. Aber das war für Felix kein Problem. Es gab ja zum Glück Amazon, eBay und andere Plattformen im Internet.

Das digitale Zeitalter war ein absoluter Segen. Wenn er seine Mutter sagen hörte, wie diese früher in Stadtbüchereien nach Lernmaterial gesucht hatte, klang dies nach Mittelalter. Papa ging früher in einen regionalen Plattenladen, um sich eine Langspielplatte (!) zu kaufen, damit man diese dann auf einem Plattenspieler mit einer Plattennadel hören konnte.

Das war doch einfach nur ein gruseliger Gedanke und ging so gar nicht in seinen Kopf hinein.

»Zuhause ist da, wo WLAN ist«, sagte Felix immer, wenn er gefragt wurde nach den wichtigen Dingen in seinem Leben.

Gutes WLAN mit mindestens vier Balken, etwas Sättigendes im Kühlschrank, seine meist verträglichen Eltern und natürlich seine Maya.

Seufz!

Er hatte Maya vor gut zwei Jahren zum ersten Mal gesehen. Damals auf dem Pausenhof stand sie neben seiner Flamme Lena. Oder besser gesagt seiner Ex-Flamme Lena. Lena war nett gewesen und beide hatten eine verdammt gute Zeit miteinander erlebt mit all den Höhen und Tiefen, die wohl jeder so mit seiner allerersten Liebe hatte.

Dann jedoch kamen die dunklen Tage in die Beziehung und das war das Aus. Für ihn war das absolut okay gewesen und Lena hatte flott einen neuen Kerl an der Hand. Einen Tim aus der Parallelklasse. Was für Felix dann weniger okay war.

Männer und ihr gekränktes Ego – das ist wohl so ein abendfüllendes Thema.

Bei Maya hatte es sofort klick gemacht. Wenn auch bislang nur einseitig. Aber das würde sich dann auf der Party ändern. Das war sein Plan.

Maya hatte alles, was man sich als Mann so an seiner Seite wünschte: großartige Figur, ein zauberhaftes, sympathisches Lächeln, einen coolen Klamottenstyle und sie liebte Fußball. Mega!

Viele seiner Kumpels hatten wirklich sexy Girls zur Freundin und man konnte mit ihnen wunderbar lachen und nach der Schule abhängen. Und doch war dann schnell Schicht, wenn es um das Thema Fußball ging. Da reichte es so eben noch, wenn man Ronaldo oder Neuer erwähnte und die Mädels dann schwärmend mit den Augen rollten und »oh ja – total süß« von sich gaben.

Abseitsfalle, Einwurf oder Kölner Keller waren dann für die Mädels das, was für ihn die Wahrscheinlichkeitsrechnung war. Völlig belanglos und absolut entbehrlich.

Maya hingegen liebte Fußball, ging regelmäßig mit dem Papa ins Stadion und feuerte dort ihren Lieblingsverein an, der leider nicht der Verein von Felix war.

Aber hey – nobody is perfect.

Oft sprachen sie nach der Schule über das Wochenende und die Tabelle der Bundesliga und Felix war erstaunt, was Maya so alles wusste.

Mein Mädchen, schwärmte er dann immer und sah sie von der Seite ganz verliebt an und hörte nur noch mit einem Ohr zu.

»Siehst du das nicht auch so?«, fragte sie ihn und er schaute ganz verlegen und stotterte schnell ein:

»Ja. Absolut! Sehe ich auch so, Maya.«

Sie spürte bestimmt auch, wie verlegen er in ihrer Nähe war, dachte er. Maya konnte man nicht so leicht hinters Licht führen und so lächelte sie zurück und wusste ganz genau, dass Felix in diesem Moment nicht zugehört hatte.

Der Tag bis zur großen Karnevalsfete bei Maya im großartigen Partykeller näherte sich. Noch zwei Tage blieben Felix, um sein Vader-Kostüm zu perfektionieren. Er hatte bereits vieles zusammen und wartete nun noch auf das Imitat des Laserschwerts und auf den Helm mit eingebautem Stimmverzerrer.

Das würde sicherlich der Knaller des Abends werden, wenn er seiner Maya mit Vaders Stimme ins Ohr flüstern würde:

»Maya – ich liebe dich. Magst du mich denn auch ein wenig?«

Er konnte es kaum erwarten, dass der Helm endlich per Paketpost zugestellt wurde. Eigentlich war die Lieferung schon vor zwei Tagen angekündigt worden.

Mist. Ich hoffe, da ist jetzt nichts schiefgelaufen mit dem Teil. Das wäre das Ende, sagte sich Felix und schaute immer wieder nervös aus dem Fenster, ob er den Paketboten oder dessen Wagen irgendwo entdecken konnte. Aber tote Hose – an diesem Tag kam kein Paket mehr.

Der letzte Tag vor der Party stand an.

»Morgen ist die Nacht der Nächte«, riefen seine Kumpels auf dem Schulhof und malten sich in Gedanken schon aus, wie lecker das Bier und die Chips schmecken würden, wie cool man in seinem Kostüm aussehen würde und wer mit welchem Girl tanzen würde. Und es war Gesetz unter Kumpels, dass Maya tabu war für alle. Die war für den guten Felix bestimmt.

Männerwort!

»Hast du denn alles für dein geheimes Kostüm?«, wollte Florian wissen und Felix antwortete lässig:

»Jepp. Wird der Burner. Du wirst schon sehen«, und hoffte zugleich inständig, dass der Paketbote heute kommen möge.

Letzte Chance.

Gegen Mittag kam er nach Hause und in seinem Zimmer stand eine Kiste mit Absender »Amazon« auf seiner Couch.

Hurra – Jackpot!

Der Helm und das Lichtschwert waren endlich da. Das Kostüm war nun vollständig und seine Maya würde ihn bis ans Ende aller Tage lieben. Freudig erregt packte Felix die Kiste aus, die ihm merkwürdigerweise kleiner und auch viel leichter vorkam. Auf den Fotos bei Amazon sah der schwarze Helm von Darth Vader viel größer und viel schwerer aus. Aber oft schon hatte er erlebt, dass Fotos im Internet täuschen können und die Wahrheit dann eine andere war.

Sein bester Freund hatte einmal auf eine Anzeige im Internet geantwortet und sich dann mutig mit dem Mädel zum Essen verabredet. Und er kam bitter enttäuscht vom Meeting zurück und meinte nur:

»Die war so etwas von fake, Alter. Auf dem Foto sah die aus wie Katy Perry. Aber in echt hätte die Katy Perrys Oma sein können. Fünfzig Euronen für Pizza und Bier hat mich das gekostet. Never ever again.«

Und dann mussten beide herzhaft über Katys Oma lachen.

Endlich war das Paket offen, der Karton auseinandergeklappt. Das Lichtschwert war der absolute Hammer und lag wirklich gut in der Hand. Felix griff erneut ins volle Glück und wollte nun seinen schwarzen, imposanten Helm aus der Enge befreien – doch dann klappte völlig irritiert seine Kinnlade nach unten und seine Augen weiteten sich voller Schreck, als er sah, was er da in seinen Händen hielt.

»Ach du Scheiße«, kam ihm nur noch über die Lippen, »das ist ja mal ein Ding.«

Samstagabend war die Fete bei Maya und noch Jahre später redeten alle davon, wie cool alles gewesen war. Beste Musik aller Zeiten, toller, großer Partyraum im Keller, Eltern übers Wochenende verreist und die Stimmung war einfach nur top.

Jungs und Mädels feierten ausgelassen in Kostümen bis in die frühen Morgenstunden und hatten die Nerven so einiger Nachbarn erheblich strapaziert. Und doch blieb alles friedlich, ohne Polizei und ohne Gemecker, weil eben auch die benachbarten Eltern einmal jung gewesen waren. Sie wussten, dass so eine Party etwas Besonderes für die Jungs und Mädels war.

Fairplay in the Hood.