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For a long time, lies and legends have altered the view of Georg Elser. Today, he stands alongside others in the first line of the resistance against Hitler. In autumn 1938, Elser decided to commit a bomb attack on Hitler. On 8th November 1939, he made an assassination attempt in the Munich Bürgerbräukeller. This book tells the life story of Georg Elser against the background of this failed assassination attempt that would have changed the world. It shows his motives, the preparations and the consequences of the attack - and it shows a steadfast opponent of Hitler, who was only belatedly adequately recognised in post-war Germany.
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Seitenzahl: 136
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Mensch – Zeit – Geschichte
Herausgegeben von Peter Steinbach, Julia Angster, Reinhold Weber
Die Herausgeber:
Professor em. Dr. Steinbach lehrte bis zur seiner Entpflichtung Neuere Geschichte an der Universität Mannheim. Professor Dr. Julia Angster hält den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte I ebenfalls an der Universität Mannheim. Professor Dr. Reinhold Weber ist Zeithistoriker bei der Landeszentrale Baden-Württemberg und Honorarprofessor am Seminar für Zeitgeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Für Joachim Ziller
und Kardelen
2. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-031077-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-031078-0
epub: ISBN 978-3-17-031079-7
mobi: ISBN 978-3-17-031080-3
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von Peter Härtling
Manchmal gehen Personen, die Geschichte bewegt haben, der Geschichte und uns Erinnernden verloren. Georg Elser zum Beispiel, ein Schreiner aus Königsbronn auf der Alb. Er war dreißig, als Hitler die Macht ergriff, beobachtete aufmerksam und unruhig die politische Entwicklung, zählte nicht zu den Arbeitern, die den Nazis blindlings folgten, deren Ideologie ihnen einredete, „gemeinsam stark” zu sein. Er wehrte sich schweigend, grübelnd und aufgewühlt seinen Gedanken nachgebend. Ein Einzelner unter Rasenden und Verblendeten. Wie er die Bombe in die Säule im Bürgerbräukeller einbaut, ein Tüftler aus Gewissen, ein waghalsig Hoffender, macht ihn als Person deutlich: Ernst und mit einem Anflug von Melancholie geht er an „die Arbeit”. Hitler kommt davon. Elser wird auf der Flucht in die Schweiz gefasst und von nun an wird ihm die Glaubwürdigkeit seiner Tat und seiner Existenz als „Einzeltäter” bestritten. Seine Wirklichkeit und sein Ruhm werden ihm böswillig vorenthalten.
Ulrich Renz hat das Leben Elsers mehrfach erzählt, nach einer ebenso geduldigen wie aufgebrachten Recherche. Im April 1956 steht in der „Heidenheimer Zeitung” zu lesen, wer Georg Elser in Wahrheit gewesen ist, woher er kam, was er tat und wie sein Leben endete. Autor des Aufsatzes war Erwin Roth, den die Ungerechtigkeit des kollektiven Erinnerns erzürnte und der seinen jungen Kollegen Renz anspornte, das Andenken an Elser schreibend und handelnd zu fördern.
Es bleibt die Irritation, weshalb Elser, der allein, ohne jegliche Unterstützung das Attentat auf Hitler vorbereitete, einer, der in seinem beherzten Widerstand Vorbild sein könnte, weshalb dieser Renitente übersehen und vergessen wurde. „Das Gewissen steht auf”, so hieß ein Buch, das Annedore Leber herausgab, und in dem sie die Heroen des Widerstands gegen Hitler versammelte. Vor allem Adlige, Offiziere, Gewerkschafter und Beamte. Sie alle miteinander verbunden, verschworen. Kein Einzeltäter unter ihnen, kein Arbeiter. Elser wurde kein Prozess gemacht, er wurde nach Verhören durch die Gestapo in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau gleichsam „privilegiert” gefangen gehalten und versteckt. Es durfte ihn nicht geben. Die Gerüchte, die deshalb entstanden, konnten den Nazis nur recht sein. Noch ein Jahr nach Kriegsende bestand Martin Niemöller darauf, dass Elser „ein Werkzeug” der Nazis gewesen sei. So wird eine Spur verwischt. So bekommt die Erinnerung einen veränderten Text. Erwin Roth und Ulrich Renz wussten, dass er neu zu schreiben war.
Vorwort
Ein Protokoll
Aus einfachen Verhältnissen
Kindheit und auf Wanderschaft
Vater und Sohn
Entscheidung im Herbst 1938
Elser erläutert seine Motive
„Warum plagt man die Juden so?“
Der 8. November
Der Saal explodiert
Umzug nach München
Nächtlicher Einbau einer Bombe
„Ich muss wieder auf Wanderschaft“
Ein Trümmerfeld
Elser kommt der Militäropposition in die Quere
Verhaftung mit Rätseln
Terror in „Attentatshausen“
Elsers Verhör in Berlin
„Einzigartig in der Kriminalgeschichte“
Otto Strasser muss die Schweiz verlassen
Ein Leben in völliger Isolation
Elsers Name wird in Nürnberg nicht erwähnt
Der lange Weg zum Ruhm
Gerüchte und Falschmeldungen
Das Blatt wendet sich
An der Seite von Daimler und Zeppelin
„Ein Meister der Tat“
Zeittafel
Verzeichnis der Quellen und Literatur:
Archive
Literatur
Weitere Literatur
Abbildungsnachweise
Georg Elser Gedenkstätte
Anmerkungen
Der Schlüssel zum Verständnis von Leben und Tat des Johann Georg Elser ist ein Protokoll der nationalsozialistischen Geheimen Staatspolizei. Dieses Dokument, das in den 1960er Jahren zufällig entdeckt wurde, beschreibt den Werdegang des Handwerkers von der Schwäbischen Alb bis zu jenem 8. November 1939, an dem sein Versuch nur ganz knapp scheiterte, den Diktator Adolf Hitler umzubringen. Als der Historiker Lothar Gruchmann das Protokoll um die Jahreswende 1969/70 veröffentlichte, gab er ihm den Titel Autobiographie eines Attentäters.
Das war etwas gewagt, denn schließlich hinterließ Elser selbst keinerlei Aufzeichnungen. In der Gedenkstätte, die ihm zu Ehren in seinem Heimatort Königsbronn geschaffen wurde, werden gerade einmal zwei Rechnungen ausgestellt, die seine Handschrift tragen. Der Schreiner hatte sie für die Lieferung von Möbeln geschrieben. So sind einige wenige Äußerungen des Widerstandskämpfers, der ganz gewiss nicht geschwätzig war, allenfalls mündlich überliefert. Also muss vor allem das Protokoll herhalten, wenn es gilt, die Geschichte des Anschlags auf Hitler an jenem Novemberabend im Saal des Bürgerbräukellers in München zu ergründen. Zwar ist es ein Werk der Gestapo, doch Elser war offensichtlich recht erfolgreich, ihm seinen Stempel aufzudrücken.
Der Wahrheit zum Durchbruch und Elser zu dem ihm gebührenden Platz in der Geschichte zu verhelfen, war ein sehr langer, mühsamer und quälender Prozess. Jahrzehntelang waren die Ereignisse vom Münchener Bürgerbräukeller ein Musterfall für den vergessenen und diffamierten Widerstand in Deutschland. Der Attentäter wurde ein Opfer der weit über das Jahr 1945 hinaus wirkenden nationalsozialistischen Propaganda, die glauben machen wollte, dass der Täter Hintermänner, vor allem in Gestalt des britischen Geheimdienstes, gehabt habe. Zugleich wirkten die Einflüsterungen von Gegnern Adolf Hitlers fort: Die hielten an der Vermutung fest, die Nazis selbst hätten den Anschlag inszeniert, um das Volk aufzurütteln und dann die „Vorsehung“ zu preisen, die über dem „Führer“ walte.
Ganz allmählich erst begannen die Lügen und Legenden durch couragierte Arbeit zu verblassen. Dann aber wichen sie der Erkenntnis, dass der Handwerker aus Königsbronn ganz allein, aus eigenem Antrieb, seinem Gewissen folgend, mit großer Entschlossenheit und kalter Präzision dem Diktator nach dem Leben trachtete und diesem Ziel so nahe kam, wie fünf Jahre später nur noch der Graf Stauffenberg. Lediglich einige Außenseiter zweifeln noch daran, dass er aus ehrenwerten Motiven und unter Berufung auf die allgemeinen Grundrechte handelte, angetrieben von einem ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit und einer abgrundtiefen Abneigung gegen den Krieg. Dabei leitete diesen Attentäter, der als einfacher Mann und schlichter Handwerker charakterisiert wurde, eine Weitsicht und Hellsicht, die man bei Angehörigen der sogenannten Eliten jener Zeit vergeblich suchte.
Abb. 1: Georg Elser auf seinem Passfoto um 1938.
Auch das Bild des Menschen Elser war im Laufe der Jahrzehnte Veränderungen unterworfen. Er galt lange Zeit als Einzelgänger und Sonderling, wenn nicht gar als eine Art Spinner. Dabei gibt es genügend Zeugnisse dafür, dass er sich in Gesellschaft wohl fühlte. Er musizierte gern mit anderen, er spielte zum Tanz auf. Der schmächtige Mann gefiel Frauen, wohl nicht zuletzt, weil er gradlinig war, nicht rauchte und kaum trank. Als er den Entschluss gefasst hatte, Hitler zu töten, schloss er sich allerdings konsequent von seiner Umwelt ab und nahm in Kauf, dass er als Eigenbrötler in Erinnerung blieb. Mit der selbst gewählten Isolation bemühte er sich auch, niemanden als Mitwisser zu gefährden.
Den Beruf des Schreiners empfand Elser als Berufung. Er hing sehr an diesem Handwerk, erwarb sich den Ruf eines Perfektionisten und erschien gelegentlich noch nach Tagen bei einem Kunden, um sich zu überzeugen, dass ein von ihm geliefertes Möbelstück fehlerlos in der Wohnung stand. Aus diesem gutem Grund nannte er sich Kunsttischler. Genauso akribisch ging er bei seinem Attentat zu Werke. Es ist überliefert, dass die „Höllenmaschine“, die er in eine Säule hinter dem Rednerpult Hitlers einbaute, bei den ermittelnden Kriminalbeamten nachher auf unübersehbaren Respekt stieß. An seinen Arbeitsstellen konnte sich aber auch sein Gerechtigkeitssinn bemerkbar machen. Wurde seine Leistung nicht so gewürdigt und entlohnt, wie er das wünschte, dann zog er weiter.
Schon sehr früh gab sich Georg Elser als Gegner der Nationalsozialisten zu erkennen. Mitbürger berichten, bei der Übertragung von Reden Hitlers im Radio habe er den Raum verlassen. Er wandte sich demonstrativ von Hakenkreuzfahnen ab, um sie nicht grüßen zu müssen, und ließ gelegentlich Bemerkungen fallen, die seine Abneigung ausdrückten. Und er erkannte, dass der Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus Krieg und damit unermessliches Leiden für die Bevölkerung bedeuten würden. Heuchlerische Reden des „Führers“ über den Frieden ließen ihn kalt, das Abkommen von München aus dem Jahre 1938 zur Beilegung der Sudetenkrise – also das Zugeständnis der Weltgemeinschaft an das Deutsche Reich, für den Frieden die deutschsprachigen Gebiete in der Tschechoslowakei besetzen zu dürfen – hielt er für das wertlose Stück Papier, das es in der Tat war.
Elser versuchte im Verhör den Eindruck zu erwecken, dass er nicht belesen und auch nicht gut über das Zeitgeschehen informiert sei. Doch studierte er offenbar jede Zeitung, derer er habhaft werden konnte. Er hörte Radiosender, vor allem auch ausländische, und zog seine Schlüsse aus Gesprächen mit anderen. So konnte er bei seiner Vernehmung genau vorrechnen, dass es den Arbeitern seit Hitlers „Machtergreifung“ tatsächlich materiell schlechter gehe. Er verwies auf die Einschränkung von Grundrechten und den Krieg, der zum Zeitpunkt seines Attentats schon begonnen hatte. Elser hatte keinen Plan für die Entwicklung nach dem Tod des Diktators, doch war er fest davon überzeugt, dass sich die Dinge auf jeden Fall zum Besseren wenden würden, wenn „die Führung“ des Regimes beseitigt sei.
Im Fall Stauffenberg wird gerne daran erinnert, dass nach dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 und damit binnen neun Monaten mehr Menschen, Soldaten wie Zivilisten, umkamen, als in den Kriegsjahren zuvor. Damit wird auch deutlich, wie viel Leid, Elend und Tod abgewendet worden wäre, wenn Elser mit seiner Bombe Erfolg gehabt hätte. So resümiert der Katalog der Elser-Ausstellung in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand: „Ein Gelingen seiner Tat hätte sowohl die Ausweitung des im Herbst 1939 begonnenen Krieges als auch den Massenmord an den Juden Europa verhindern können.“1
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