Gesammelte Dramen und Bühnenwerke - Achim von Arnim - E-Book

Gesammelte Dramen und Bühnenwerke E-Book

Achim von Arnim

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Beschreibung

Dieses eBook: "Gesammelte Dramen und Bühnenwerke: Das Frühlingsfest + Die Gleichen + Mißverständnisse und mehr" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Achim von Arnim (1781/1831) war ein deutscher Schriftsteller. Neben Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff gilt er als wichtigster Vertreter der Heidelberger Romantik. Inhalt: Das Frühlingsfest Die Gleichen Die Vertreibung der Spanier aus Wesel im Jahre 1629 Marino Caboga Mißverständnisse

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Achim von Arnim

Gesammelte Dramen und Bühnenwerke

Das Frühlingsfest + Die Gleichen + Mißverständnisse und mehr

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-0994-4

Inhaltsverzeichnis

Das Frühlingsfest
Die Gleichen
Die Vertreibung der Spanier aus Wesel im Jahre 1629
Marino Caboga
Mißverständnisse

Das Frühlingsfest

Inhaltsverzeichnis

Ein Nachspiel

Stimmen

Beata, Fürstin am Rhein (Diskant).

Walter, ihr Bruder (Baß).

Siegfried, ihr Feind (Bariton).

Der Frühling(Tenor).

Chor der Jungfrauen.

Einzelne Jungfrauen.

Chor von Walters Rittern.

Chor von Siegfrieds Rittern.

Chor der Schwäne.

Chöre der Hirten.

Grünes Wiesental am Rhein im ersten Frühlingsscheine, nach einer Seite von Bergen begrenzt. Von einem Bergschlosse herab steigt Beata mit ihrem Gefolge von Jungfrauen.

Chor der Jungfrauen Es grüßen sich die Hirten wieder Von Berg zu Berg in Freudensang, Die Herde steigt zum Tale nieder Und füllt mit hellem Glockenklang Des Widerhalles frohen Mund, Er macht das Fest des Frühlings kund.

Beata Der Schäfer lockt mit seiner Flöte Die Schäflein auf das frische Grün, Wo in der hellen Morgenröte Des Jahres erste Blumen blühn. Die Lämmer scheinen wie verloren Im Glanz, der Erd' und Himmel deckt, Es hat der Winter sie geboren, Der Frühling sie zur Freude weckt. O könnte ich den Gott erblicken, Der durch die Welt so freudig zieht, Er lockt mit irdischem Entzücken Und heimlich dann zum Himmel flieht.

Chor der Jungfrauen Wir wissen nicht, wer uns gerufen, Es war des Herzens Frühlingsdrang, Wir springen von den Felsenstufen, Uns wird so wohl, uns wird so bang. Wir freuen uns der frühen Milde Und fürchten doch, sie sei zu früh, Der Winter räumet das Gefilde, Als ob er vor dem Frühling flieh'; Noch könnte er wohl wiederkehren Mit neuer Kraft, mit alter Wut, Und alle Frühlingssaat zerstören In böser Lust, mit kaltem Blut.

Beata Es sinkt der Tau zu unsern Füßen, Es bleibt ein heller Maientag, Und sanfte Luft will uns umfließen, Daß hoch die Flamme brennen mag; Seht auf zum Himmel, welches Wetter. Und hört die wilden Tauben girrn, Dann legt die ersten grünen Blätter In Kränzen um die keusche Stirn. Das weiche Gras die Schritte hebet Zu unserm Festzug unbewußt, Und was in eurem Herzen bebet, Das ist ein Übermaß von Lust.

Chor der Jungfrauen Wir folgen dir so treu durchs Leben, Du weinest Tränen unbewußt.

Beata O seht, der Blume Haupt erbebet Am Wasserfall von Tropfenlust, Und was in meinen Wimpern schwebet, Ist Freudentau aus tiefer Brust. Der Adler führet seine Jungen Auf seinen Flügeln zu der Sonne, Die Schlangen haben sich umschlungen Und all ihr Gift ist Liebeswonne. So hat der Frühling mild verbunden Des Krieges schmerzlich tiefe Wunden. Mit den Schwertern, die zerbrochen Glänzen auf dem Strand am Rhein, Schlaget Funken aus dem Stein; O der seltnen Friedenswochen! Sammelt fleißig trockne Reiser, Wünschet feurig, redet leiser, Betet zu dem Morgenwinde, Daß die Flamme nicht verschwinde.

Chor der Jungfrauen Irrende Winde, wehet gelinde, Wärmt euch die Flügel, rauschend am Hügel, Zögernde Flammen füget zusammen, Daß sie verbündet, kräftig entzündet trockenen Zweigen leuchtend entsteigen, Blätter und Halmen wirbelnd zermalmen! Lasset sie steigen, daß doch ein Zeichen Drüben am Rheine Freunden erscheine, Die es erwidern, grüßend in Liedern, Grüßend in Feuer, ehrend die Feier, Die uns entzündet, die uns verbindet, Unschuld zu ehren, Treue zu lehren!

Beata Die Lüfte haben unsern Wunsch erfüllt, Und wie aus langverschloßner Haft Befreiet sich der Jugend Kraft, Die in den goldgelockten Flammen spielt. Schmückt das goldgelockte Haupt Mit dem frischen Thymian, Der dem Frühlingsfest geraubt, Trocknen Blumen macht er Bahn. Werft hinein die trocknen Malven, Gebet sie in Flammenhand, Daß die frischen Triebe wallen, Wird der tote Stamm verbrannt. Auch der Sonnenblume Scheiben, Von den Vögeln ausgepickt, Soll das Feuer spielend treiben, Daß kein Grün davon erdrückt. Auch der Vögel alte Nester Stürzet in den Flammenherd, Denn die Liebe einet fester, Die in neuer Müh' bewährt.

Chor der Jungfrauen Die Flamme steigt zur höchsten Höhe, Der Unschuld Schwur sei dargebracht, Das Feuer als ein Zeichen stehe, Die Schuld'ge strafe Feuers Macht. Wir alle, die wir hier beisammen, Wir schwören bei dem heil'gen Schein, Der reinen Unschuld heil'ge Flammen Bewahrten unsre Herzen rein, Wir können in das Blau des Himmels schauen, Als war' es Gottes Auge, voll Vertrauen.

Beata Es weht der Schwur Zum Himmel in den Flammenspitzen, Es hört ihn Wald und Flur, Der Himmel zeigt in frühen Blitzen, Die durch die heitre Bläue ziehn, Er sehe unsre Herzen glühn. Betet um des Jahres Milde, Daß es uns mit festem Schilde Auch in diesem Jahre schützt, Wenn der Krieger Auge blitzt, Wenn die Liebe, wenn Gewalt Grimmig tauschen die Gestalt Und zu unserem Verderben Im Vereine um uns werben.

Chor der Jungfrauen Es hörten unsern Schwur Der Himmel und die Flur, Sie hören das Gebet, Das still zu ihnen weht.

Beata Zum Opfer werft Wacholderäste, So hebt sich knisternd Wohlgeruch, Gern dient das Feuer jedem Feste, Es hebt den Duft im Freudenzug.

Chor der Jungfrauen Wie lieblich duften blaue Flammen Aus trocknen Ästen auferweckt, Vom Winter muß der Frühling stammen, Das Feuer die Verwandlung deckt, Geheimnis wirkt in allem Feuer, Geheimnis ist der Unschuld Feier.

Beata Nach altem Brauch bleibt nun beisammen Und tanzt nach alter, froher Sitt', Wie weichlich spielen grüne Flammen Um unsern leicht bewegten Schritt, Und jedes Grün, das wir betreten, Hebt frischer seine Blätter auf, Weil wir es tanzend nicht verschmähten In unfrei Schritte schnellem Lauf.

Chor der Jungfrauen Es hat das Jahr nun ausgeträumt, Wie glänzt der Rhein, wie strömt das Blut, Der Rhein in Tanzes Wirbeln schäumt, Es drängt das Blut in frischem Mut. Die Fische springen auf dem Spiegel Des hellen Stromes hoch empor, Die Freude leiht uns Engelsflügel Und trägt uns zu der Engel Chor. O dieses Glück wird ewig dauern!

Eine Jungfrau Weh uns!

Eine andre Du hemmst den Tanz mit Schaudern?

Beata Was störst du unsre Lust?

Die erste Jungfrau Weh uns!

Beata Du sinkst erblaßt an meine Brust! Hat deinen Fuß im Tanz ein Dorn verletzt, Hast du ihn auf den scharfen Stein gesetzt, Auf Eisensplittern, die der Krieg gesät, Wenn er die Ernte abgemäht, Wie kannst du vor so kleinem Schmerze zittern?

Jungfrau Weh uns, wehe, Ich kann nicht sagen, was ich sehe, Es starrt mein Blick! O allzu karges Glück! Wohin entfliehen? Die Feinde uns umziehen! Wo uns der Rhein vom Walde ist versteckt, Da naht der Feind, da ist er von den Schiffen schwarz bedeckt. Trommeten schmettern von den Schiffen, Die Panzer glänzen in dem Rhein, Bald hat auch uns der Feind ergriffen, Es hört kein Freund der Jungfraun Schrein.

Beata Sie werden nicht mit kriegrischem Getümmel Das Fest des Frühlings stören, Sie werden ritterlich die Jungfraun ehren, Verräter straft der Himmel.

Chor der Jungfrauen Wehe, wohin, ach wohin sollen wir flüchten? Gegen den Wind und den Strom siegen die Feinde – Wehe, wo weilen die Brüder, die Freunde? Schuldlose Lust, ach du willst uns vernichten. Sehet die Hirten, sie flüchten die Herden, Treiben sie jammernd zu höheren Bergen. Wehe, nichts kann uns im Tale verbergen, Wehe, sie nahn auf gerüsteten Pferden.

Chor der Ritter(Von Siegfried geführt, die sich auf den Schiffen nahten und ihre Pferde besteigen) Es senkt der Rhein das eis'ge Schwert, Das uns den Kampf so lang verwehrt, Und dienend muß er uns nun tragen. Gern möchte er das Schiff zerreißen, Doch wenn wir ihn mit Rudern schlagen, So muß er seinen Schmerz verbeißen. Juchhei ans Land! geschwind zu Pferd! Wir rauben die Jungfraun am Feindesherd.

Chor der Jungfrauen Sie nahn, sie zeigen uns die Sklavenketten, – Zu Hilfe! will uns keiner retten? So stürzen wir uns in den Rhein, Wir wollen treu dem Schwure sein.

Beata Seht auf und fasset Mut, Ihr seht den Staub am Berg hernieder: Es nahn die Brüder, Sie schützen treu ihr Blut.

Chor der Ritter(unter Walters Anführung, die aus einem der Bergschlösser zum Schutze der Jungfrauen hinunterreiten) Wir Reiter auf Wolken von flüchtigem Staub, Wir eilen zum Schutze der Jungfraun herbei, Wir hörten im Schlosse ihr Jammergeschrei, Noch hallen die Berge, noch zittert das Laub.

Walter Juchhei, mein Pferd, da standest du fest, Ich schwenkte mich drauf wie der Vogel ins Nest; Juchhei, mein Pferd, du kennst deinen Lauf, Er geht in den dichtesten Feindeshauf! Wie blitzen die Schwerter im Sonnenschein, Wie donnern die Rosse drein, drein, drein!

Chor von Walters Rittern Wie blitzen die Schwerter im Sonnenschein, Wie donnern die Rosse drein, drein, drein!

Chor der Jungfrauen Wehe, wehe in der Mitten Zwischen den ergrimmten Haufen, Angeweht vom Pferdeschnaufen, Werden wir in Staub geritten: Die uns raubend, die uns rettend grüßen, Beide, beide uns verderben müssen.

Beata Bruder, Freunde, treue Ritter, Hemmet eures Zornes Flamme, Seht, wie tobende Gewitter Steht ihr drohend über eurem Stamme! Fremde Ritter, eure Ehre Fordert, Frauen zu beschützen, Senket eure wilden Speere, Laßt sie heut im Ritterspiele blitzen! Hielt der Winter euch bezwungen, Dieser Rhein, der euch getrennt, Fester seid ihr jetzt umschlungen Von der Ehre, die im Herzen brennt. Freier Jungfraun Blumenketten Sind die Schranken, die euch trennen, Frühling will die Unschuld retten, Ladet euch zu edler Spiele Freuden.

Siegfried Ach, wie werde ich verraten! Diese blühend roten Wangen Hemmen alle meine Taten In dem zärtlichen Verlangen.

Chor von Siegfrieds Rittern Uns entsinket Speer und Zügel In dem Anblick dieser Schönen, Eine hält mir schon den Bügel, Will mit grünem Kranz mich krönen, Liebeszauber schenkt den Frieden, Friede ist ein zaubernd Lieben.

Walter Geliebte Schwester, wende ab von ihnen Die flehende Gewalt der Augen, Sie töten meinen Ruf. Schon wähnt der Feind, daß ich es meide, Mit gutem Schwert ihn zu bestreiten, Mit deiner Schönheit Zauberblume Ihm Herz und Stahl ankette. Ich lebe in der Ehre und im Ruf, Und tötest du den Ruf, so sinkt die Ehre, In mir sind beide eins, Ich leb und sterbe auch mit ihnen; Durchbohrst du mir das Herz, so sinkt mein Haupt, Zerschmetterst du mein Haupt, so stirbt mein Herz. Beata, ziehe heim zum hohen Schloß Und sieh dem Kampf, der alles soll entscheiden, Von unsres Hauses Zinnen zu; wir scheiden, Leb wohl! sei dein Gebet mein Schlachtgenoß! – Auf, Siegfried, auf! noch eh der Tag sich wendet, Sei unser Streit durch Mut und Glück geendet.

Siegfried Geendet ist der Streit Schon heut auf ew'ge Zeit; Nehmt, edle Fürstin, dieses Schwert, Ich geb mich Euch gefangen, Ihr seid allein der Herrschaft wert, Und Euch zu dienen, ist nun mein Verlangen.

Walter Ich staune die Verwandlung an Und ahnde wohl die Macht, die dich bezwungen, Ich mahne dich an alle tapfern Tage, Wo unsre Schwerter aneinander klirrten.

Siegfried Andre Zeit, Andrer Sinn! Zu dem Streit Zog ich hin, Sieg und Tod an beiden Seiten, Beide wollten mich begleiten, Beide wollten für mich streiten, Holde Schönheit zu erbeuten. Doch sie gingen beide über Zu der Schönheit Lustgestalt, Mich ergreift ein selig Fieber, Schöner Träume Allgewalt. Dürft' ich nur mein furchtsam Herz durchbohren! Doch sie lebt darin, die es erkoren, Und ihr Wille ist mein Mut, Und ihr Atem treibt mein Blut, Und ihr Wort ist mein Verstand, Und mein Schwert in ihrer Hand Kann mir Leben geben, nehmen, Ehre kann mich nicht beschämen.

Beata Ich nehme Euer Schwert, mein edler Ritter, Und werf es auf den freien Flammenherd, Und jede Hand verbrenne, Die es zum neuen Streit ergreifen will. Hier droht Euch kein Verrat: Mein hoher Bruder ehrt des Frühlings Macht, Die er in jugendlichen Herzen übt; Er sieht in Euch der Jugend Freund heut wieder, Mit dem er gern die ersten Kränze teilte, Eh dieses grüne Tal dem Rhein entstieg Und unsre Väter feindlich trennte, Bis sie der Tod darin verband. Beschaut dies Tal, Auf dem des Frühlings Feuer lodert, Bald trägt es viele rote Rosen, Sie sind von den Verlaßnen eingepflanzt, Wo der Geliebten Seelen jammernd schieden Und einen Strom von Blut zurückließen. Ihr Ritter, weiht das Tal mit andern Farben, Es sei der Freundschaft heil'ger Boden!

Siegfried Ich nehm den Kranz, den Ihr mir dargeboten, Und rufe: »Über alle Farben Grün, Sie ist des Friedens und der Hoffnung Zeichen!«

Walter Ich teile wieder diesen Kranz mit dir, Es sei des Friedens Zeichen! Mein Siegfried, wie bewegt mich dein vertraut Gesicht, Nun du das Eisengitter hast eröffnet, Der Freundschaft dunklen Kerker!

Siegfried Dein freundlich Wort durchschneidet meine Brust, Ach, lebten noch die teuren Helden alle, Die dieser Boden fest umschließt, Mein Walter, nimm den Händedruck in Lieb' und Leid Um so viel edle Zeit, um so viel edle Freunde.

Walter In deine Hand will ich den Würfel legen, Sprich du, wem dieses Land gebührt, Das uns mit seiner Herrlichkeit entzweite.

Siegfried O, wem gehört dies schöne Land, Wie kannst du zweifeln? kannst du fragen? Die uns den Frieden hat gesandt, Die Schönheit soll auch diese Krone tragen.

Chor der Ritter Heil dir, Beata, Fürstin im Tal! Warum verstummst du im sel'gen Traum?

Beata Die Krone drückt mich nieder! Ihr sollt nicht lohnen einem frommen Sinn; Daß er sich gibt, und daß ihr ihm gewährt, Ist ihm allein Gewinn.

Walter Du allein kannst sie nicht tragen, Dieses Landes schwere Krone, Liebe teilet gern die Plagen, Schützet dich auf hohem Throne, Und der würdigste von allen Sei der Liebe Wohlgefallen.

Beata Zitternd hör ich deine Rede, Ahnde, was sie mir bedeute; Ach, in dieser harten Fehde Nimmt die Großmut mich als Beute. Mich erschreckt des Bruders Willen, Nein, ich kann ihn nicht erfüllen.

Siegfried Sinnend sah ich deine Augen, Deinen Willen drin zu lesen, Mußte süßes Gift einsaugen, Das mich niemals läßt genesen, Doch inmitten meiner Schmerzen Fleh ich: »Folge deinem Herzen!«

Alle drei Zweifel trägt des Glückes Baum, Reifen läßt er keine Frucht, Nahes Glück wird ferner Traum; Denn die Zeit in ihrer Flucht Reißt die Blüte mit sich fort, Sehnsucht weilt und schmerzlich Wort.

Chor der Jungfrauen Wie die Wolken vor die Sonne, Wolkenschatten übers Tal, Also zieht durch Liebeswonne, Zweifel, deine finstre Qual.

Siegfried Dir, o Jungfrau, ist gegeben Freier Länder Heiligtum, Heitre Freiheit sei dein Leben Und dein Wille unser Ruhm; Hast du schon dein Herz vergeben, Krönen wir den Herrscher gleich, Willst du einsam heilig leben, Sei dies Tal ein heilig Reich. Oder willst du zweifelnd wählen, Überlasse dich der Zeit, Meine Näh' soll dich nicht quälen, Deinen Ruhm verkünd ich weit.

Walter Edles keimt in edlen Herzen, Güte wirkt zum Guten Kraft, Liebe löset alle Schmerzen, Die der leere Zweifel schafft: Völker, die durch Blut verfeindet, Werden heut durchs Blut befreundet.

Chor der Ritter Völker, die durch Blut verfeindet, Werden heut durchs Blut befreundet: Fest verbündet ist das Land, Reichst du Siegfried deine Hand.

Beata Weh, ihr habt es ausgesprochen, Was mir Edelmut verschwieg.

Siegfried Ach verzeih, was sie verbrochen; Roheit gibt der lange Krieg.

Beata Mich allein muß ich verdammen, Meine Tränen fließen dir.

Siegfried Ach, verhülle diese Flammen, Dieser Tränen Opfer mir.

Chor der Jungfrauen Wenn im hellen, frischen Morgen Eine dunkle Rebe weint, Bald der Knospen Grün erscheint, Frühling spielt in bangen Sorgen.

Beata Nein, es reißt der goldne Schleier, Der so mild mein Herz gedeckt, Dieses Tages hohe Feier Ist durch tiefen Gram befleckt, Und es rauscht im schönen Rheine, Was des Frühlings Stunde trübt, Daß ich seufze, daß ich weine, Weil ich nimmermehr geliebt.

Chor der Ritter Arme Fürstin, die noch nie geliebt, Nimmer warst du selig tiefbetrübt, Nie hast du des Tales Grün gesehn, Wie die Düfte liebend zu dir wehn, Nie hast du gehört des Waldes Rauschen, Wenn die Vögel singend sich belauschen, Nie hast du gesehn des Rheines Glanz, Trägt er eines Weinbergs hellen Kranz Auf der freien, spiegelglatten Stirn, Ach, dein Herz muß ewig zweifelnd irrn!

Beata Rufet mich nicht nach dem Rheine, Denn schon nahet mein Geschick, Liebe funkelt in dem Scheine, Wunder ahndet schon mein Blick, Fliehen möcht' ich und muß bleiben, Seh den Schreckensnachen treiben.

Walter und Siegfried Wer naht im frischen Morgenwind?

Beide Chöre Ein Wunder naht im frischen Morgenwind, Die Schwäne ziehen einen Purpurnachen, Am Maste steht ein Jüngling wie ein Kind Und singt, daß alle Echo rings erwachen; Die Laute klingt in seiner zarten Hand, Als wüßte sie, was seine Lippen sagen, Die Schwäne schlagen in dem Unbestand Den Wellentakt mit mächtigem Behagen. Die Reben steigen aus dem Nachen auf, Zum Schattendach sich über ihm verschlingen, Die bunten Vögel sitzen rings darauf Und lernen, wie sie bald so lieblich singen. Die Nachtigall sitzt auf des Sängers Hand Und flattert, sich im Gleichgewicht zu halten, Wie er auch spielt, so heftig, so gewandt, Sie scheint bezaubert von des Tons Gewalten.

( Der Frühling kommt im Nachen, Schwäne ziehen ihn.)

Chor der Schwäne Wir Schwäne ziehn den Gott des Lebens, Uns treibt geheime Todeslust, Es widerstrebt die Flut vergebens Und rauscht an unsrer weichen Brust, Die Wasserlilien uns umschlingen Mit ihrer holden Lieblichkeit: Nichts kann die dunkle Sehnsucht zwingen, Wo Frühling wohn' in Ewigkeit.

Frühling Sank ich sonst als Morgentau Aus der Wolke weiß Gefieder, Traten mich auf grüner Au Holde Frauen tanzend nieder; Stieg ich auf in Veilchenpracht, Rissen sie mich spielend ab, Wurde einmal angelacht, Und ihr Busen ward mein Grab: Lieb' und Frühling sangen alle Herzen, Frühlings liebe konnten sie verscherzen. Ich, der Gott, ward Mensch im Zorn Und verkörpert in der Rache; Doch als Gott hab ich geschworn, Daß ich aller Liebe lache. Winket nur, ihr schönen Fraun, Seufzet euer zärtlich Ach! Eure Augen glühn vom Schaun, Stürzt euch in den Fluß mir nach; »Lieber Frühling«, pochen alle Herzen, »Ich kann zornig lachen, rächend scherzen.« Todessang im Schwan erglüht, Reißt mich eilig ohn' Erbarmen Aus der Welt, die neu erblüht, Aus den ausgestreckten Armen, Reißt mich bald zum Erdenrand, Eh vorüber meine Zeit, Zu des Himmels blauem Strand, Der von Menschenlast befreit; »Komme, Frühling,« rufen schon die Götter, »Ohne dich ist uns kein Frühlingswetter.«

Alle Chöre Wunderbare Zauberklänge, Leben in der Übermacht, Freier Atem, Herzensenge, Sonnentag in Mondennacht!

Beata Wie soll ich dich, o Sänger, nennen? Doch meine Sehnsucht sah dich schon, Den Gott des Frühlings wollt' ich kennen, Und sehe dich auf seinem Thron. Dir brennen diese Feuer alle, Dich ehret unser frohes Fest, O nahe dich mit süßem Schalle, Daß sich dein Wort vernehmen läßt.

Chor der Jungfraun O nahe dich, denn fern verklungen Ist uns das Wort, das du gesungen.

Beata Sei begrüßt als Gott des Flusses, Trete auf dein armes Land, Eine Fülle des Genusses Sät in Tönen deine Hand. Sel'ge Ernte, wo du weilest, Wo dein Nachen stille steht, Da du solchen Schatz verteilest, Wo er rasch vorübergeht: Weile, weile, süßer Knabe, Sieh, mir naht der Vogel dein, Dieses Land sei Morgengabe Für dein Singen zart und rein. Willst du es mit Lust regieren, Nimm auch seiner Fürstin Hand, Daß sie lernt die Laute rühren Und dein Herz, das ihr gesandt.

Frühling Ich möchte höhnend sie verschmähen, Die mich vertrauend, liebend grüßt. Doch aller Zorn verschmilzt wie Schnee, Die Liebe blüht darunter heißer Und strebt zu ihrer Augen Licht; Ich möchte meine Augen schließen Und öffne sie, als wär's zum erstenmal, Als sähe ich zum erstenmal mein Frühlingswerk So gibt's ein Schicksal auch für Götter, Weh mir, daß ich ein Gott! (Lautenspiel.)

Chor der Jungfrauen Seht, er nahet sich dem Land, Streut mit Blumen diesen Strand, Zweifelnd scheint er noch zu schwanken, Führt ihn her, ihr freundlichen Gedanken!

Beata Umwacht die stille Himmelsbläue Der Erde erstes Lebensgrün, Da sehnt sich alles in das Freie Und will mit allen Blumen blühn: Und einer Lust geheime Weihe Umfängt uns in der Sonne Glühn, Und Luft und Wasser fühlt ein Leben, Wie rings die goldnen Strahlen weben. Ein Liebesnetz ist angefangen Und schließt mich immer enger ein, Ich fühle mich so gern gefangen Und mag mich nimmermehr befrein. Mit meinen Ketten will ich prangen, Es sind der Lippen Kunstverein, Die Laute will ich ewig üben, Bis sie dir sagt, was Frühlingslieben.

Frühling Nur in Tönen kann ich sagen Von der neuen Sonne Tagen.

Beata In der Stummheit will ich lernen, Wie die Blumen von den Sternen.

Chor der Ritter Welch Beginnen, welche Zucht! Liebe schenkt sie dem, der keine Liebe sucht.

Walter Welch Beginnen! Doch umklungen Von den Tönen, Fühle ich mich ganz bezwungen Von dem Schönen; Fliehen wir den Zaubernachen.

Siegfried Wehe, welche Eifersucht Glühet mir im starken Herzen! In Verzweiflung, in der Flucht Lösche ich die wildentbrannten Schmerzen, Fliehend meiner Liebe Abgrund, Fliehend diesen Göttermund, Fliehend diesen Zaubernachen.

Chor der Ritter Folgt den Helden, die uns führen, Zauberton soll uns nicht rühren, Fliehen wir den Zaubernachen. (Sie eilen fort.)

Beata Weh, sie fliehen! – Könnt' ich dich nur halten! Doch der Schwäne tückische Gewalten Dich vorüberziehen, Eh ich deine Hand berührt, Ach, wohin wirst du geführt! Lichte Schwäne, stolze Schwimmer, Wendet eure Blicke um, Seht im Spiegel euren Schimmer Und den Gott, der tönend stumm.

Frühling Haltet an, ihr treuen Schwäne, Liebe winkt mit Blick und Hand; Was ich mir so lang ersehne, Alles schenkt dies grüne Land, Und die Nachtigall kehrt wieder, Trägt ein grünes Myrtenblatt, Singet mir der Fürstin Lieder, Die sich mir ergeben hat. Haltet an den Purpurnachen, Tretet auf den grünen Strand, Holdes Seufzen, traulich Lachen Füllet dieses sel'ge Land.

Chor der Schwäne Nur auf Wellen sind wir schön, Von der Wellen Kraft vergöttert Hellhoch unsre Flügel stehn, Und ihr Schlag wie Blitz zerschmettert, Unser Hals den Feind umschlinget Und nach Schlangenart bezwinget. Ewig zieht die Flut vom Strand; Kannst du nicht die Strömung halten, Reißt sie uns vom nahen Land Mit den schmeichelnden Gewalten, Die uns dienend ganz bezwingen, Uns erhalten und verjüngen. Klage ist uns nicht erlaubt, Tobend wird der Strom noch rauschen, Darum tauchen wir das Haupt, Deinen Schmerz nicht zu belauschen, In den Spiegel aller Dinge, Daß uns frisches Blut durchdringe.

Frühling Weh, ich büße jetzt in Tränen, Daß mich diesen stolzen Schwänen Zorn und Rache hingegeben; Ach, verlornes Frühlingsleben! Fühllos reißt ihr mich vom Glücke, Ach wie schmerzt der Sonne Schein, Wenn die sehnsuchtvollen Blicke Sollen ohne Liebe sein, Wenn die Strömung weiter, weiter, Wo der Himmel ewig heiter, Den Betrübten, den Getrennten In die fremden Welten zieht; Ach wenn Göttertränen brennten, Wär' mein Auge schon verglüht.

Beata Trost des Herzens, daß du liebest, Schmerz des Schmerzes, daß du dich betrübest! Fern den Augen, die verdunkelt, Schon dein lieblich Antlitz funkelt Wie ein Stern, der niedersinkt Und im Wellenglanz ertrinkt; Haltet an, ihr harten Herzen, Höret meine, seine Schmerzen!

Beide Hart und schrecklich ist das Leben

Die Gleichen

Schauspiel in sechs Aufzügen

Inhaltsverzeichnis
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
Sechster Aufzug

Personen

Graf

von Neugleichen

Gräfin

Hartmann,

Hofmeister

Barbara Hartmann,

Schaffnerin

Bilibald,

Schloßvogt von Neugleichen.

Gottschalk,

Pferdehirte

Gottschälkchen,

dessen Sohn

Ein Bote

Burgmänner, Frauen

Ritter Plesse

von der Plesse, Lehnvetter der beiden Gleichen.

Ritter Bernhard von Hanstein,

Bruder der Gräfin von Neugleichen.

Gisella,

Gräfin

Norbert

ihre Kinder, Grafen von Altgleichen.

Gangolph

Joseph

Anneliese,

Magd

Amra,

Tochter des Sultans von Egypten.

Ein Geistlicher. Pilger, Freischöffen, Jäger.

Markesa

aus Venedig.

Galeratus

Galerata,

dessen Frau

Pietro,

Gefangenwärter

Wache, Ratsherrn, Ratsdiener

Erster Aufzug

Inhaltsverzeichnis
1
2
3
4
5

1

Inhaltsverzeichnis

Erstes Morgenlicht. Weideplatz mit alten Eichen; auf einer Seite ein großer Stein, auf der andern eine Kapelle, im Hintergrunde die Burg Neugleichen. Gottschalk liegt mit dem Kopfe auf einem Tönnchen schlafend unter einer der Eichen, sein Hirtenhorn neben ihm. Gottschälkchen kommt gelaufen, schüttelt ihn, doch ohne ihn erwecken zu können, endlich nimmt er das Horn und bläst Feuerlärm.

Gottschalk: Feuer blase ich? Warum denn? Wo ist Feuer, im Himmel oder auf Erden? Freilich, Himmel und Erde, Stirn und Magen, alles ein Feuer. Laß brennen, Gottschalk, laß brennen! Lauf und rette dein bißchen Leben, alter Narr! Das wäre zu viel, wenn du für deine paar Sünden lebendig verbrennen solltest!

Gottschälkchen: Vater, wenn das ein ehrlicher Mensch hörte!

Gottschalk: Nun – nun – wo ist denn das Feuer geblieben, das ich soeben angeblasen habe?

Gottschälkchen: Er denkt wohl noch, daß Er Nachtwächter ist, ja, wenn Er das Trinken hätte lassen können, so wären wir noch in dem guten Brot. Nun läßt Er die Pferde ins Korn laufen, da werden sie gepfändet, und Er muß Strafe zahlen. Muß ich Ihn da nicht wecken?

Gottschalk: Also du hast nur so geblasen, um mich zu wecken! So, so, – daß du mich geweckt hast, war gut, dafür gebe ich dir meinen stiefväterlichen Segen, daß du mich aber erschreckt hast, dafür wische ich dir mit diesem Backenstreiche den Segen rein ab.

Gottschälkchen: Der Backenschlag hat mich nicht getroffen, etsch, den Segen hab ich weg.

Gottschalk: Ein spitzfindiger Spitzbube. Junge, Junge, was könnte aus dir werden, wenn es Krieg gäbe; Junge, wie heißt der Reim des Herrn Bilibald, wenn er die Rüstkammer putzen läßt?

Gottschälkchen: Lauf Er lieber den Pferden nach.

Gottschalk: Junge, du sollst mir nichts vorschreiben, die Pferde haben vier Beine, und ich habe nur zwei, wer kann ihnen nachkommen! Wie heißt der Spruch vom Kriege?

Gottschälkchen: Wach auf, du friedlich müdes Schloß! Es schimmern die Helme, es wiehert das Roß, Wach auf, es steiget der Heldenglanz, Es glänzen die alten Lorbeern im Kranz Und treiben der jungen Zweige so viel, Viel tausend Blätter an einem Stiel; Es fällt ein Tau, der sie alle erfrischt, Es ist das Blut, das sich kämpfend vermischt Von Freund und Feind, von Roß und Mann, Es schimmert die Röte schon himmelan!

Gottschalk: Sing weiter, Allerweltsjunge, als ich so alt war wie du, konnte ich auch was behalten, aber die Feldzüge haben mir den Kopf geschwächt. Sing weiter!

Gottschälkchen: Die Hähne krähen und putzen die Sporn, Die Stiere zerwühlen die Erde im Zorn, Die Hündlein jagen aus Lust in dem Feld, Der Marketender der zählt schon sein Geld, Er geht nicht in den Streit, er zieht nur hinterher, Er hat das ganze Geld, stirbt uns das ganze Heer.

Gottschalk: Das soll ein Stich auf mich sein, ich wollt', es wäre wahr, da brauchte ich jetzt nicht Pferde zu hüten. Aber das Sprichwort sagt: wer im zwanzigsten Jahre nicht schön, im dreißigsten nicht kräftig, im vierzigsten nicht geehrt, im funfzigsten nicht reich ist, aus dem wird im sechzigsten Jahre ein Lump.

Gottschälkchen: Ihr werdet bald sechzig, was wird aus Euch?

Gottschalk: Ein Lump. Ich war im zwanzigsten Jahre grundhäßlich, im dreißigsten beständig krank, im vierzigsten wollte mich niemand ehren, funfzig bin ich arm und fromm wie eine Kirchenmaus, und der Schloßvogt hält mich für einen fressenden Schaden im Schloß, obgleich ich eigentlich mehr trinke als esse. Sohn, Sohn, wir haben viel Unglück erlebt, daß dein Gevattersmann, der alte Hartmann, mit dem Grafen im Morgenlande verloren ging, der hätte mein Glück gemacht und deins, – wir wollen miteinander weinen.

Gottschälkchen: Seine Tränenstunde hat wieder im Weinfaß angeschlagen. Wie kommt er nur zu dem Wein?

Gottschalk: Ein schlechtes Kellerschloß ist recht zum Trost der Armut vom Himmel eingerichtet; das öffnet sich vor meinen Fingern, als wären's Springwurzeln, husch, bin ich drunten, mein Fäßchen mit mir, keck ist der Hahn aufgedreht, zisch, zisch, ist mein Fäßchen voll. (Er trinkt.) Andre durstige Menschen schreien und singen, wenn sie trinken, aber ich mag gern dabei in aller Stille mein Unglück überdenken, wie deine Mutter, das Rabenhaar, – ja, schöne schwarze Haare hatte sie wie du – mit dem Venetianer und allem meinem Gelde davonlief. Dich ließ sie mir zum Angedenken, dich mußte ich nun selbst stillen.

Gottschälkchen: Wie will Er mich gestillt haben! Wer wird Ihm das glauben!

Gottschalk: Wie ich dich gestillt habe? Mit dem Ochsenziemer, wenn ich keine Ruhe vor dir hatte. Küß die Hand, Gottschälkchen, aus Dankbarkeit, du wärst sonst elendig in deiner Unart krepiert. Kannst du nicht aus Dankbarkeit beten, daß es bei uns einen langen, großen Krieg gibt, wobei viel Lebensmittel verbraucht werden? Auf dich wird noch geachtet im Himmel, denn du bist unschuldig, ich steh aber schon im Register schlecht angeschrieben.

Gottschälkchen: Es läßt sich wohl, um größeres Unglück abzuwenden, beten: in dieser Nacht war mir recht bange, Gott sei uns gnädig!

Gottschalk: Was sahst du denn, den alten Herrn Hug?

Gottschälkchen: Nein, viel mehr hab ich gesehn. Ich hatte mich eben aufs Stroh gelegt, da fuhr es über mich hin, ein solcher Sturm, als jagte er viel tausend scharfbeschlagene Rosse übers Dach. Die Ziegel klatschten nieder, die Glasscherben klingelten, als zöge eine Schlittenfahrt. Ich schöpfte nach Luft, wie ein Fisch auf dem Grase. Endlich sprang ich ans Fenster.

Gottschalk: Und was sahst du?

Gottschälkchen: Die Wolken wirbelten, sonst sah ich nichts, aber fern hallte noch Waffengeklirr und Rosseschnauben und Trompeten.

Gottschalk: Küssen muß ich dich für die Botschaft, Tedeum wollen wir singen, alle Heilige bekränzen, und ich habe die Glücksbotschaft verschlafen können!

Gottschälkchen: Was für Botschaft?

Gottschalk: O hätte ich es doch mit meinen leiblichen Ohren alles das selige Geschmetter in den Lüften gehört, mir wäre zumute gewesen, als ob ein Beutel mit Gelde vor mir umgestürzt würde. Hast du es nicht von Frau Barbara vernommen, was dieser reisige Zug in den Lüften bedeutet? Da zieht Herr Hug mit seinen Waffenbrüdern, und das bedeutet Krieg.

Gottschälkchen: Der alte Narr meint wohl, er will mitziehen, und muß doch im Grabe still liegen. Was aber nun unsere Frau Barbara anbetrifft, so muß sie wohl Herr Hug diese Nacht mit für den Kriegszug geworben haben, ich finde sie nirgends.

Gottschalk: Laß die Frau Großmutter ihre Wege gehen, sie hat überall ihr bißchen Hexenwesen.

Gottschälkchen: Ich meine aber, ich hab sie hier bei dem Steine schreien und zanken hören, und darum kam ich eigentlich heruntergelaufen, ihr zu helfen.

Gottschalk: Laß sie nur, die weiß sich schon zu helfen, wir aber wollen den Marketenderwagen schmieren.

Gottschälkchen: Da backen wir auch Kuchen, den will ich den Landsknechten verkaufen.

Gottschalk: Aber friß mir nicht die Rosinen heraus, sonst geht's nicht gut, lieber die Stücken etwas kleiner, das Rosinenfressen merkt jeder.

Gottschälkchen: Verlaß Er sich auf mich, Vater, wenn ich Rosinen will essen, so esse ich sie vor dem Backen, wie gestern, als Barbara dem Ritter Plesse einen Kuchen backen mußte, den er den beiden jungen Hochzeitleuten schenkte. Ach, der hat wieder diese Nacht gesungen, ganz leise, daß ich nichts verstehen konnte, aber es klang doch verliebt.

Gottschalk: Du Narr, was verstehst denn du davon, ob etwas verliebt klingt?

Gottschälkchen: Das hab ich schon recht gemerkt, wenn es so auf der Brust kocht, dann ist es ein Liebeslied, auch verdrehen die Leute dabei die Augen und lesen allerlei Abschabsel, Lappen, Haare, verwelkte Blumen auf; o wie oft hab ich das vom Ritter gesehen, wenn er in das Gärtchen kommt, wo die Gräfin gesessen hat.

Gottschalk: Der Junge hat rechte Pfiffe im Kopf! – Wer weiß, ob uns nicht daher der Krieg kommt, denn Gangolph und Norbert von Altengleichen leiden sicher nicht, daß der Plesse die Gräfin heiratet und sich zum Herrn in Neugleichen einsetzt. Wenn's nur Krieg gibt, mag er kommen, woher er will, der Krieg deckt mir den Tisch.

Gottschälkchen: Aber denkt Er denn, Vater, weil die Kriegsgeister diese Nacht in der Luft gerumpelt haben, daß sie darum schon fertig sind mit allen Rüstungen? Da müssen sie vielleicht noch diesen wecken, jenen hetzen, haben wir doch nicht einmal einen guten Hefenkuchen in ein paar Stunden fertig.

Gottschalk: Hast recht, Allerweltsjunge! wollen die Pferde noch heut aus dem Korn herausjagen, komm schnell, ehe sie der Schloßvogt sieht. (Beide ab.)

2

Inhaltsverzeichnis

Burg Altgleichen. Gewölbter Hausflur in erster Morgendämmerung. Gräfin Gisella pocht an eine Türe.

Gisella: Anneliese, steh auf und frag nicht lange, ob der Wächter sein Morgenlied abgesungen hat; die Hähne krähen, die Kühe rufen nach dir, der Hirte wird bald blasen. Wenn dich die Sonne im Bette bescheint, so kriegst du nimmermehr einen Mann! – Ist es nicht eine Schande, sie hört nicht mehr auf mich, seit Norbert und Gangolph mit ihr schön tun. Sie werden einander noch darüber feind werden, es gibt ein Unglück, aber was darf ich den herrischen Söhnen sagen? Wenn ich sie nur ansehe, so meine ich, daß ich verraten sei, die Strafe Gottes spricht aus allen ihren Gesichtszügen, und doch sagen die Leute, daß sie meinem seligen Manne ähnlich sehen. Wenn es nur niemand hört, was ich so für mich spreche, ich werde so schwach im Kopfe von aller Not. (Die Magd kommt.) Anneliese, wie die Augenlider herunterhängen, das bedeutet schlecht Wetter. (Die Magd geht gähnend nach dem Hofe, die Gräfin ruft ihr nach.) Schlag auch Feuer an zur Morgensuppe, meine Söhne werden bald von der Jagd zurückkommen. Wenn sie nur was mitbringen, ich weiß nicht, was ich heute kochen soll.

Joseph(springt in einem Mantel die Haustreppe hinunter): Hast du mich gerufen, liebe Mutter? wie mir das Herz schlägt, ich träumte so schön, so schön!

Gisella: Du armer Junge, warum hast du nicht länger geschlafen, wenn du so schön träumtest; leg dich wieder hin, vielleicht träumst du wieder fort wie vorher, ich will mich in acht nehmen und nicht so laut reden. Geh, lieber Joseph!

Joseph: Mutter, wie kommt's, ich hab's schon oft versucht, zu träumen, was mir gefällt, aber es geht nicht. Der Traum gehört einem gewiß nicht so recht an wie andere Gedanken. Ob es wohl die Engel sein mögen, die einem so was Gutes vorspiegeln?

Gisella: Freilich, wenn du artig bist, da spielen die Engel mit dir im Schlafe.

Joseph: Und dann werden die Engel müde, und dann ist der wunderschöne Traum aus. Nicht wahr, Mutter?

Gisella: Ja, du armes Kind, der Himmel wird seiner Gnade gegen uns müde und überdrüssig, und dann sind wir verlassen.

Joseph: Ich bin kein armes Kind, Mutter, ich werde sehr reich werden und dir will ich alles schenken; sei ruhig, du sollst keine Not mehr leiden, sollst ruhig ausschlafen, aus silbernem Becher trinken, und immer soll der Küchenschornstein rauchen. Wir wollen recht lustig sein und den ganzen Tag spielen.

Gisella: Du fabelst aus deinem Traume, der Fasttag gestern hat dich mit Eßlust eingewiegt, und mit Heißhunger bist du aufgewacht. Die Morgensuppe soll bald fertig sein.

Joseph: Nicht vom Fasttage, nein, aus der seltsamen Geschichte im großen Hausbuche kam der Traum: die Ameisen an der Wurzel der Eiche trugen edle Steine zusammen, und die Bienen auf dem Wipfel bauten Zellen von Silber und füllten sie mit Gold, und die Eiche war erwachsen auf unserm Wachtturm und drüben auf dem hohen Wachtturme in Neugleichen aus zwei Wurzeln, das tiefe Tal zwischen beiden war aber schon ganz mit Edelsteinen ausgefüllt, so daß die Eiche ganz fest stand. Norbert und Gangolph traten auf mich, um an der Mauer heranzuklettern, aber sie fielen, ich aber konnte fliegen, es ging so herrlich, und mir gehörte der Schatz der drei Brüder.

Gisella: Wenn dir dein Leben lieb ist, wenn du mich liebst, so schweig von diesem Traum, deine Brüder ärgern sich ohnedies an dir wegen .. nun, du weißt es ja, daß sie dich immer ärgern. Hätte nie gedacht, daß du schon so gut lesen könntest, verstehst mehr davon als ich, gab dir das Buch bloß wegen der schönen Bilder, und du sprichst daraus wie ein geistlicher Herr, und all das böse Geheimnis vom Dreibrüderschatze lastet nun auf deinem Gewissen. Versprich mir's in die Hand, denn du bist schwatzhaft, daß du keinem Menschen von dem Schatze erzählen willst.

Joseph: Warum sollte ich's erzählen? ich behalte es gern für mich.

Gisella: Nein, gib mir die Hand, es keiner lebenden Seele zu erzählen.

Joseph: Da meine Hand, liebe Mutter.

Gisella: Da hast du einen Kuß dafür, und sag mir nun auch, wie du so schnell hast lesen lernen und von wem.

Joseph: Von dem alten Pater Benedikt, der mich alle Tage bei der ausgebrannten Kirche in meinem Gärtchen besucht.

Gisella: Wer ist denn dieser geistliche Herr, seh ihn doch nie kommen oder weggehen? Es wird einem gar ängstlich bei so etwas in dem alten Hause. Geh nicht wieder nach der alten Kirche, die Leute erzählen so schon genug von einem alten Pater, der nachts da sitzt und blankes Geld zählt, daß es blitzt. Kein Mädchen will abends die Hühner da heraustreiben.

Joseph: Mutter, du warnst mich vor allem, und wenn wir uns auch vor allem in acht nehmen, es geht uns doch nicht gut.

Gisella: Du wirst ganz überklug bei deinem Lesen, wart nur, deine Brüder werden's schon an dir abstrafen, ich höre ihr Jagdhorn, sie bringen etwas für die Küche, sie jubeln.

Joseph: Ach, wäre ich auch dabei gewesen, da könnte ich mitjubeln!

Gisella: Bitte nicht darum, sie gehen nicht auf rechten Wegen, – aber die liebe Not!

(Norbert und Gangolph tragen singend ein Reh und legen es der Mutter zu Füßen.)

Norbert: Wenn der Baum kracht In dem Nachtsturm, Wacht der Leuchtwurm Auf der Lustjagd.

Gangolph: Auf zur Freijagd In das Grenzland, Wem das Herz lacht Nach dem Wildstand.

Norbert: Wir gaben nicht acht Auf Bann und auf Acht.

Gangolph: Wir konnten nicht sehen, Wohin wir da gehen, Das Netz ward gestellt, Kein Stern hat's erhellt, Kein Hund hat gebellt, Kein Bogen geschnellt.

Norbert: Da gab's kein Gehetz, Da gab's kein Geschwätz. Das Reh lief ins Netz, Als wär's sein Gesetz.

Gangolph: Da schlugen wir's sacht Und trugen's bedacht Und warfen's ins Haus, Nun teilet's zum Schmaus.

Norbert: Den Jägern zum Hohn Ihr segnet den Lohn, Zum Trotz und zum Spott Behütet uns Gott.

Gisella: Gott sei gedankt, daß es so abgegangen, ihr seid warm, ich muß euch die Stirn trocknen. Das ist brav, lieben Kinder, ihr kommt zur rechten Zeit, wußte nicht, was ich euch heute kochen sollte.

Norbert: Wir wußten's, die Anneliese ließ uns keine Ruh', wir mußten auf die Jagd. Joseph, nimm dich doch in acht, das Reh schweißt noch.

Joseph: Das liebe Tier, wie weich sein Mund, wie klar seine Augen; wenn ich ihm den Atem wieder einhauchen könnte, wie wollte ich es füttern, es sollte mir nachlaufen wie ein Hund, es sollte bei mir schlafen.

Norbert: Da wäre noch ein unnützer Brotesser wie du im Hause. Was hast du heute getan, Junge? bist noch nicht einmal ordentlich angezogen.

Gisella: Schelte doch nicht immer und ewig mit ihm, du machst ihn am Ende ganz schüchtern gegen dich, und er ist dir doch so gut.

Norbert: Mutter, für den feinen Einschlag habe ich zu harten Aufzug, das gibt kein gut Gewebe. Was kümmern mich des Jungen Gedanken; aber fleißig soll er werden, denn wir haben's nötig.

Gangolph: Der Joseph luleit den ganzen Tag im Garten, bemalt die Mauern mit Eulen und Affen.

Joseph: Ei, Gangolph, wie kannst du so reden; die Gräfin, wie ich sie neulich mit dem Ritter Plesse lustwandeln sah, als ich im Dickicht an der Grenze die Vögel behorchte, die habe ich an der Gartenmauer abgemalt, ganz wie sie leibt und lebt, sonst habe ich den ganzen Tag geharkt und gelesen.

Gangolph: Du sollst geistlicher Herr werden, weil du so gern lesen willst. Aber, Mutter, das muß ich dir sagen, zwischen der Gräfin und dem Plesse ist's nicht richtig, es munkelt sich allerlei. Er ist gesund wie ein Fisch und läßt sich immer noch von der Gräfin pflegen, ohne an seine Kreuzfahrt zu denken; er hat ein Kreuz auf dem Mantel, den Schalk im Herzen.

Gisella: Von wem hast du das gehört?

Gangolph: Von Gottschalk; er ist ja der einzige von dem Gesindel drüben, der mit uns zu verkehren wagt und uns die Kunde bringt, wenn die Jäger drüben lieber schlafen als die Forst bewachen.

Norbert: Auch soll der Plesse schon in früher Zeit mit ihr verlobt gewesen sein, und alte Liebe rostet nicht.

Gangolph: Erben wir die Grafschaft gleich, wenn sie den heiratet?

Gisella: Freilich, und dann käme auch Frau Brigitte, die weiße Frau, zur Ruhe.

Norbert: Die Geschichte hast du mir noch nicht erzählt, ich glaube auch nicht an die Frau Brigitte, denn ich habe sie noch nicht gesehen.

Gisella: Nur Geduld. Eben der Herr Hug, von dem es heißt, daß er drüben umgeht, so wie seine Frau Brigitte die weiße Frau sein soll, die immer erscheint, wenn einer aus unsern Häusern stirbt –

Norbert: Laß sie nur kommen, will sie abweisen mit dem Jagdspieß, das alte Biest.

Gangolph: Du bringst die Mutter ganz ab von der Geschichte. Was verordnete Herr Hug?

Gisella: Aus Liebe zu seiner Frau Brigitte, die ihren jüngern Sohn viel mehr als ihren ältern Sohn liebte (Gott weiß, warum, die Leute sagen aber, aus bösem Grunde), teilte er die Äcker und Wälder so ungleich, daß der ältere Sohn, unser Ahnherr, darben mußte, während jener drüben schwelgte. Und wegen dieses Unrechts, woran wir noch leiden, haben jene beiden, Herr Hug und Brigitte, keine Ruhe im Grabe und sind verflucht, umherzuwandeln zu jedermanns Schrecken, bis beide Stämme der Gleichen sich wieder zu einem verbunden haben. Das ist auch meine Hoffnung für euch, ihr Kinder.

Gangolph: Hier darf keiner eine Hoffnung fassen, hier erfriert die Weinblüte alle Jahr, und die Kelter steht da zum Spektakel.

Norbert: Verdammt, daß so einem toten Mann der Wille gelassen wird und uns nicht, die wir tapfer leben und das Nest alle Tage erstürmen könnten.

Gangolph: Es ist zu merken an dem Unheil, daß es von einer Frau kommt, ein Mann hat doch zu viel Verstand zu solchen Einfällen, es ist immer die alte Geschichte mit der Eva.

Norbert: Eine Frau sollte in ihrer Spinnstube bleiben und nicht in der Gerichtsstube mitsprechen, eine Frau ist zu gar nichts gut, und meiner Stammutter zum Ärger will ich nicht heiraten, damit der ganze Plunder an fremde Leute fällt, die sie auslachen in der Ewigkeit. Was hilft mir die Grafschaft, wenn ich alt und stumpf bin, und habe meine Jugend verhungert und verkümmert. Begegnet mir nun einmal die Frau Stammutter, sie soll auf immer die Lust verlieren, aus ihrem alten Sargdeckel hervorzukriechen!

Joseph: Bruder Norbert, sprich ja nicht so; wenn sie nun da wäre und dich zur Rede setzte! – da bewegt sich so eine weiße Gestalt an der Türe.

Norbert: Der Teufel sei uns gnädig.

Gangolph: Ich habe nichts gegen die gnädige Frau gesprochen, ich weiß von nichts, es muß der Joseph gewesen sein.

Gisella: Mir wird so schwach, das wird wohl mein Tod sein, ach Gott, warum scheue ich mich zu sterben, und meine eigene Kinder achten mich doch nicht.

Joseph: Nein, Mutter, du mußt leben, oder ich sterbe mit dir, hier ist ohne dich kein Auskommen mehr.

(Frau Barbara Hartmann steht an der Tür.)

Barbara: Laßt mich nur los, ihr bösen Knaben; sehen sie drüben, daß ich hier vom Schloß komme, so gibt's nur üble Nachrede.

Norbert: Du bist es, altes Fegefeuer.

Gangolph: Die ist's, die alte Hexe Barbara, da hatten wir uns selbst eine Rute gebunden.

Norbert: Ich möchte die Alte wie einen Raubvogel ans Tor nageln, aber da besuchte uns gar niemand, es mag so keiner in unsre magre Küche blicken. Alte, was gibst du Lösegeld?

Barbara: Wenn ihr nicht so böse wäret, ich könnte euch reich machen.

Joseph: Mutter, beruhige dich, es ist die alte Hartmann von drüben.

Gisella: Wie kommt sie denn so früh hieher?

Gangolph: Sie ist gar nicht gern gekommen, sie trieb da drunten bei den Eichen ihr Hexenwesen und fiel in unser Jagdnetz, da nahmen wir sie mit und haben sie draußen im Hof vergessen. Ja, wenn man sich die ganze Nacht herumgetrieben hat, vergeht einem das Gedächtnis.

Norbert: Der Spaß ist uns recht versalzen, es lief mir eiskalt über den Rücken! – Nun gesteh, Alte, was du da unten triebst, oder ich werf dich ins Verließ zu Ottern und Schlangen.

Barbara: Dir sag ich's nicht, du störriger Krauskopf, aber der Mutter will ich's vertrauen.

Gisella: Mag nichts mit Eurem Hexenkram zu tun haben.

Norbert: Mir sollst du alles sagen, oder ich zwicke dich mit der glühenden Kohlenzange.

Gangolph: Sag's mir nur, wenn dir der zu wild ist. Was treibst du bei dem großen Steine?

Barbara: Nun ja, dir will ich's sagen, bist du auch nicht viel besser wie dein Bruder, das böse Blut tritt dir doch nicht gleich so ins Gesicht. Ich tat gar nichts Böses, ich sag's euch, ich hatte mir nur eine frische Wünschelrute geschnitten, um zu prüfen, ob der große Hausschatz, der Dreibrüderschatz, noch läge, oder ob er schon gehoben.

Gisella: Ich befehle Ihr, Sie schweigt und geht, will Sie uns mit ihrem aberwitzigen Zeuge den Kopf verrücken? wir wollen nichts von dem Schatze wissen.

Norbert: Mutter, so heftig habe ich dich nie gesehen, fährst ja gegen sie an wie eine Glucke, die ihre Küchlein führt.

Barbara: Ich schweige bis zum jüngsten Tage, wenn's die Gräfin, eure Frau Mutter, nicht dulden will, sie muß am besten wissen, ob die drei Söhne den Schatz heben können, das Blut vom Grafen Heinrich klebt noch an dem Steine. Freilich, es ist gefährlich.

Gisella: Geht nur, alte tückische Seele, Ihr könnt doch das Reden nicht lassen, ich muß Euch noch selbst zur Burg hinausführen. Ich sag dir, Norbert, halt sie nicht, bei meinem Fluche!

Barbara: Ich geh ja gerne, hätte Euch sonst noch viel erzählen können von unsrer Gräfin, was wir da für Not haben mit dem Ritter Plesse, da darf nur einer eine Türe hart zumachen, so wird er ausgescholten, sie bewahrt ihn wie ein rohes Ei.

Gisella: Geht, Alte, geht, und laßt Euch niemals wieder sehen.

Barbara: Gräfin, Gräfin, bei aller Demut, die ich gegen Euer Haus im Herzen trage, wenn Ihr mich so hinausweist, die ich viel früher schon darin gewesen, Euch wird's gereuen, daß ich Euch hier erschienen bin, als wäre ich die weiße Frau gewesen.

Gisella: Ich meine, daß Ihr's seid, so ernst und leuchtend blickt Ihr aus den weißen Tüchern, beim allmächtigen Gott, wie das Bild von Frau Brigitten auf dem Saale. Fort, fort, Ihr deutet Tod mir an! (Geht ab mit Barbara.)

Norbert: So zornig habe ich die Mutter noch nie gesehn, ich fürchtete mich vor ihr wie sonst, als ich noch ein Kind war. Und dann predigt sie mir Sanftmut!

Gangolph: