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Dieses eBook: "Gesammelte Gedichte (Über 360 Titel in einem Band)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Ludwig Tieck (1773-1853) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer der Romantik. Inhalt: Ferne Die Spinnerin Treue Klage Frühe Sorge Die Liebende Kunst und Liebe Sehnen nach Italien Hochzeitlied Frage Liebe und Treue Reisegedichte eines Kranken Sehnsucht Begeisterung Der neue Frühling Frühling und Leben Wettgesang Die Zeichen im Walde An einen Liebenden im Frühling 1814 Arion Der Arme und die Liebe Das Wasser Die Phantasie Dichtkunst Der Dichter Lied vom Reisen Frühlingsreise Sanftmuth Andacht Die Rose Die Lilie Einsamkeit Lied von der Einsamkeit Nacht Auf der Reise Herbstlied Lebens-Elemente Morgen Mittag Abend Der Trostlose Waldlied Antwort Klage im Walde Des Mädchens Plage Der Minnesänger Improvisirtes Lied Augen Der Seufzer Trennung Brief der Minne Gesang der Feen Die Sirene Schifferlied der Wasserfee Der Fischfang Sonette Trennung und Finden Die Heimath Gruß Andenken Erstes Finden Frohsinn Gefühl der Liebe Schalmeyklang Posthornsschall Waldhornsmelodie Der Dichter und die Stimme Siegfried's Jugend Siegfried der Drachentödter Weland Jagdlied Die Blumen Des Jünglings Liebe Ermunterung Zweifel Hoffnung Glück Verzweiflung Trauer Trennung Neuer Sinn Klage Ruhe Treue Blätter der Erinnerung Reue Trinklied Verlohrene Jugend Der Jüngling und das Leben Heimliche Liebe Trauer Lied der Sehnsucht Schönheit und Vergänglichkeit Freude Ballmusik Leben Liebesgegenwart Zuversicht Beruhigung Der unglückliche Ritter Der Zornige Süße Ahndung Dichtung Wunder der Liebe Schmerz Muth Ungewisse Hoffnung Bitte Der Gefangene Zweifeln und Zagen Die Liebende Liebesverzweiflung Im Walde Melankolie Der Egoist Der Ungetreue Schrecken des Zweifels Rausch und Wahn Tod Blumen Spruch Harren der Geliebten Scherz Bedeutung Bildung in der Fremde Umgänlichkeit Tugend Der wilde Jäger Die Geige ...
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In diesem Buche sind diejenigen meiner Gedichte gesammelt, welche in einigen Almanachen, oder andern Bücher zerstreut waren; viele sind aus dem Sternbald und Octavian aufgenommen, da es schon oft der Wunsch der Freunde, besonders der musikalischen war, alle meine Versuche dieser Art gesammelt zu besitzen. Darum ist auch manche Kleinigkeit nicht zurückgelegt worden, die sich schon einer glücklichen musikalischen Composition erfreut. Manches, was hier erscheint, war bisher noch ungedruckt, was ich zum Theil für die künftigen Bände des Phantasus, oder für die Fortsetzung des Sternbald (der im künftigen Jahre, neu bearbeitet, erscheinen wird) bestimmt hatte: viele noch unbekannte Gedichte sind aus einem Roman: Alma, ein Buch der Liebe; welcher ebenfalls, nach Vollendung einiger andern Arbeiten, bekannt gemacht werden soll.
Warum Schmachten? Warum Sehnen? Alle Thränen Ach! sie trachten Weit nach Ferne, Wo sie wähnen Schönre Sterne. Leise Lüfte Wehen linde, Durch die Klüfte Blumendüfte, Gesang im Winde. Geisterscherzen, Leichte Herzen! Ach! ach! wie sehnt sich für und für O fremdes Land, mein Herz nach dir! Werd' ich nie dir näher kommen, Da mein Sinn so zu dir steht? Kömmt kein Schifflein angeschwommen, Das dann unter Segel geht? Unentdeckte ferne Lande, – Ach mich halten ernste Bande, Nur wenn Träume um mich dämmern, Seh' ich deine Ufer schimmern, Seh' von dorther mir was winken, – Ist es Freund, ist' s Menschgestalt? Schnell muß alles untersinken,
Wie beglückt, wer auf den Flügeln Seiner Phantasieen wandelt, Erde, Wasser, Luft und Himmel Sieht er in dem hohen Gange. Aufgeschlossen sind die Reiche Wo das Gold, die Erze wachsen, Wo Demant, Rubinen keimen, Ruhig sprießen in den Schaalen. Also sieht er auch der Herzen Geister, welche Rathschlag halten, In der Morgen-Abendröthe Lieblich blühende Gestalten. Phantasie im goldnen Meere Wirft, wo sie nur kann, den Anker, Und aus grünen Wogen steigen Blumenvolle Wunder-Lande. Nirgend ruht sie, wer ihr folget An dem schönen Zauberbande, Steigt in 's Innre, schaut die Kräfte Der regierenden Gewalten: Wie aus Wasser alle Welten Hat der ew'ge Trieb erschaffen, Wie das Feuer ihre Wurzel, Die in ihren Kindern pranget; Und das Licht die höchste Blühte, In dem Menschen Lieb' ihr Nahme, Wie sich alles dahin stürzet, Eilt im brünstigen Verlangen. Immer will die Erde aufwärts Liebend an der Sonne hangen, Und das Feuer hält sie innen In sich selber eingefangen; So erbiert sie aus den Sehnen Liebelechzend reine Wasser, Diese sind die Mutter-Thränen, Die ihr fließen von den Wangen: Und sie läßt die Blumen grünen, Keimen läßt sie schöne Pflanzen, Berge, Wälder, Flur sind trunken In der Wonn', im Liebes-Glanze. Dürstend lechzt der Menschenbusen, Seele will hinauf gelangen, Und in tiefster Inbrunst leise Wird des Schaffens Trieb empfangen: Denn das Feuer fängt die Liebe, Und nun kann sie nicht von dannen, Worauf manche tiefe Meister Wissenschaft und Kunst ersannen: Und am herrlichsten, am freisten Die kristallnen Brunnen sprangen, Die in Reimen, die in Tönen Dichtender Begeistrung klangen. Wieder sind es Mutter-Thränen,
Käme doch der Frühling! seufzt' ich oftmals, Daß der süße Blumenduft, das Flüstern Holder Birken und das Lied der Lerchen Meine heißen Thränen trocknen möchten! – Und in jedem Jahre kam der Frühling, Und in jedem Jahre weint' ich Thränen: Töne, Blumen, holdes Baumgeflüster, Alles ging wie scheu mir aus dem Wege, Nichts, das meinen heißen Busen kühlte: Und ich flehte nicht mehr um den Frühling. Kläglich kam er, kaum daß ich's bemerkte, Düster blickt' ich in sein grün Gewebe, Dachte: bist nicht besser als die andern! – Hinter mir hört' ich ein leises Rieseln, Wie wenn Bächlein über Kiesel jauchzen, Hinter mir lief Wind durch das Gebüsche, Seitwärts nickten alle Blumen freundlich, Und in sanften röthern Strahlen spielte Sonnenschein zum grünen Boden nieder. Sinnend stand ich jetzt, ein Weilchen zweifelnd Was die holde Täuschung um mich zaubre. Als ich wieder auf vom Boden blickte, Stand ein holder Knabe mir zur Seiten, Goldne Locken hingen um die Schläfe, Um die Lippen spielte schalkisch Lächeln, Sah mich an mit keckem blauen Auge: »Träumer du! zertritt nicht alle Freuden, Die so zart in deinem Wege liegen!« – Rief er, hob den Zeigefinger drohend. – Sieh, wie sich auf mein Gebot die Waldung Neu begrünt, wie Glanz und süßes Leben Sich auf jedem Zweige schaukelt; Blumen, Nachtigallen, Düfte, alles ruft dich An mit wunderbar-holdseel'gen Tönen; Gehst du nicht in deinem eignen Schatten? Bist du, Thor, nicht selber dir im Wege? Stracks voll Mismuth ward mein banger Busen: Kinder, sagt' ich, sollten nicht so sprechen, Thöricht sind sie, haben nichts erfahren, Leben ohne Sorge, unbefangen, Wissen über Spielgeräth zu urtheln, Müssen aber über Kummer schweigen. Also sagt' ich ernsthaftlich vermahnend, Meinte, daß er sich wohl schämen dürfte, Aber laut auf lachte nun der Bube Und die Fassung wär' mir fast entgangen. Aber als ich herzlich zürnen wollte, War Besinnung so wie Zorn entschwunden, Und wie von dem heiligsten Entzücken Stand ich überwältigt und gefangen Mitten in dem allerschönsten Frühling, Den mein Herz so lange hergesehnet. Meine Wangen fühlt' ich roth erglühen, Kühnes Blicks sah ich umher, als wären Alle Blumen, alle Freuden meine. Mir entgegen streckten sich Gewinde Ach! aus Myrthen, zauberischen Rosen, Kein Cypressenblatt im ganzen Kranze, Und die schönste Hand streckt' ihn entgegen. Kind! bin ich zum Kinde wieder worden? Rief ich, wollte blöde nach dem Kranze Nicht die Hände zitternd strecken. – Wach ich? Oder fesselt Schlaf die trüben Sinne, Daß, um mich zu laben goldne Träume Wunderbar auf mich herniederspielen? Lächelnd sprach der Knabe: Nein, du wachest,
Aus Wolken winken Hände, An jedem Finger rothe Rosen, Sie winken dir mit schmeichlerischem Kosen, Du stehst und fragst: wohin der Weg sich wende? Da singen alle Frühlingslüfte, Da duften und klingen die Blumendüfte, Lieblich Rauschen geht das Thal entlang: »Sei muthig, nicht bang! Siehst du des Mondes Schimmer, Der Quellen hüpfendes Geflimmer? In Wolken hoch die goldnen Hügel, Der Morgenröthe himmelbreite Flügel? Dir entgegen ziehn so Glück als Liebe, Dich als Beute mit goldnen Netzen zu fahn, So leise lieblich, daß keine Ausflucht bliebe Umzingeln sie dich, bald ist's um dich gethan.« – Was will das Glück mit mir beginnen? O Frühlingsnachtigall, singst du drein? Schon dringt die sehnende Lieb' auf mich ein, Wie Mondglanz webt's um meine Sinnen. – Wie bang' ist mir's, gefangen mich zu geben, Sie nah'n, die Schaaren der Wonne mit Heeresmacht! Verloren, verträumt ist das fliehende Leben, Schon rüstet sich Lieb' und Glück zur Schlacht. Der Kampf ist begonnen, Ich fühle die Wonnen Durchströmen die Brust: O, seel'ge Gefilde, Ich komme, wie milde Erquickt und ermattet des Lebens Lust. Es winket vom Himmel Der Freuden Gewimmel, Und lagert sich hier: Im Boden, ich fühle Der Freuden Gewühle, Sie streben und drängen entgegen mir. Der Quellen Getöne, Der Blümelein Schöne, Ihr lieblicher Blick, Sie winken so eigen, Ich deute das Schweigen: Sie wünschen mir alle zum Leben Glück. – Nun geht das Kind auf grünen Wegen, Den goldglänzenden Strahlen entgegen, Im bangen Harren geht es weit, Es klopft das Herz, es flieht die Zeit. Es ist, als wenn die Quellen schwiegen, Ihm dünkt, als dunkle Schatten stiegen, Und löschten des Waldes grüne Flammen, Es falten die Blumen den Putz zusammen. Die freundlichen Blüthen sind nun fort, Und Früchte stehn an selbigem Ort. Die Nachtigall versteckt die Gesänge im Wald, Nur Echo durch die Einsamkeit schallt. »Morgenröthe, bist du nach Haus gegangen? Ruft das Kind, und streckt die Händ' und weint; O komm', ich bin erlös't vom Bangen, Du wolltest mich mit goldnen Netzen fangen, Du hast es gewiß nicht böse gemeint. Ich will mich gerne drein ergeben, Es kann und soll nicht anders seyn: Ich opfre dir mein junges Leben, O! komm' zurück, du Himmelsschein!« Aber hoch und höher steigt das Licht, Und bescheint das thränende Gesicht; Die Nachtigall flieht waldwärts weiter,
Wer hat den lieben Frühling aufgeschlagen Gleichwie ein Zelt In blüh'nder Welt? Wer konnte Wolkenmacht verjagen? Das Thal voll Sonne, Der Wald mit Wonne Und Lied durchklungen: – Der Lieb' ist nur so schönes Werk gelungen.
Der Lieb' ist nur so schönes Werk gelungen, Daß Winter kalt Entflohen bald, Die holde Macht hat ihn bezwungen: Die Blumen süße, Der Quell, die Flüsse, Befreit von Banden Sind aus des Winters hartem Schlaf erstanden.
Sind aus des Winters hartem Schlaf erstanden Der Wechselsang, Der Echoklang, Daß sie im heitern Raum sich fanden. Die Nachtigallen- Gesänge schallen, Die Lindendüfte Umspielen liebekosend Frühlingslüfte.
Umspielen liebekosend Frühlingslüfte Gras, Blumen, Baum, Wie Liebestraum Hängt Rosenbluth um Felsenklüfte. Um Grotten schwanken Die Geisblattranken, Des Himmels Ferne Erhellen tausend goldne kleine Sterne.
Erhellen tausend goldne kleine Sterne Die Nacht so hold, Der Brunnen Gold Gießt strahlend sich zur Erde gerne: Mit Liebesblicken Uns zu beglücken Schaut hoch hernieder Die Liebe, giebt uns unsre Grüße wieder.
Die Liebe giebt uns unsre Grüße wieder, Drum Blumenwelt Uns zugesellt, Gesandt von ihr des Waldes Lieder: Sie schickt die Rose Daß sie uns kose, Wie uns zu danken Streckt sie die Zweig, webt Geisblatt-Epheuranken.
Streckt sie die Zweig, webt Geisblatt-Epheuranken? Ja, Lilienpracht Glänzt auch mit Macht, Ihr Glanz belebt den Liebeskranken, Und leise drücken Wir Kuß, Entzücken Auf Lilien-Wange, Daß hold die Liebe Dank von uns empfange.
Daß hold die Liebe Dank von uns empfange Wird Mädchenmund In trauter Stund Geküßt bei Nachtigallgesange:
O mein Sohn, wie gräßlich heulend Klagt herauf vom Moor die Unke! Hörst du wohl die Raben krächzen? Die Gespenster in dem Sturme? – Vater, laßt die Sorge fahren, Denn die Wolken ziehn hinunter; Bald wird sie der Mond bezwingen, Der zu scheinen schon begunnte. Durch die Thäler streift der Nebel, Schon erglänzen fern die Burgen, Schaut, schon leucht't das Crucifixe, Das Capellenbild da drunten. – Ach, du Crucifixe gütig, Laß vom Schatten dich verdunkeln! O Maria-Bild, sei gnädig, Bleib in Finsterniß verschlungen! Laßt ihn los, den alten Sünder, Fahren laßt den alten Wulfen: Tod und Sünde seine Freunde, Und die Hölle ihm verbunden! Wie die Nacht bald leucht't bald dämmert, Schauernd in dem Wolkenzuge, Ist es wie ein tiefes Auge, Da der Erbfeind herblickt dunkel. Wie die Wälder sausen, schallen, Rauschen ab die Felsenbrunnen, Hör' ich Wald, Thal, Berg und Klüfte Summen: Komm zu uns herunter. – Und es spricht sein Sohn ihm tröstend, Der ihn liebt, Sohn Sigismunde: Ach mein Vater, wär' vorüber Diese schreckenvolle Stunde! Soll ich nach dem Beicht'ger laufen? Nach dem Arzt, daß ihr gesundet? Soll ich beten? Geht zum Heiland, Tröstet euch an seinen Wunden. Wollt ihr sterben, alter Vater, Von Verzweifeln, Angst bezwungen? O wie faß' ich doch die Seele, Die sich Gott und Heil' entrungen? O besinnt euch auf die Güte, Auf die ew'ge, ew'ge Tugend, Die herab uns sprang, den Sündern, Von des Gottessohnes Blute. Denkt den Vater, denkt Marien, Unsrer ew'gen Liebe Mutter, Denkt den Geist, das unergründlich Heilig und dreyfaltig Wunder. Daß wir leben, sind wir Sünder, In dem Tod die Lilienblume; Reue kann uns Gott versöhnen, Auf macht er die Heiligthume. Unsre Angst klopft an die Pforten: Auf, o lieber Vater, thue! An dem Schlosse sitzt Erbarmen, Schiebt den Riegel bald zurucke. Ohne Schätzung ist der Himmel, Dennoch mag er Kauf erdulden; Unsre Thränen nimmt Sankt Peter, Schätzet sie als Münze gulden. Schnee und Regen gehn hernieder, Alle Ströme gehn bergunter, Jeder Stein, hinaufgeschleudert, Muß zur Erd' herab zur Stunde: Also zieht den Menschen Sünde, Niemals kann er ganz gesunden, Daß er aufrecht schaut zum Vater, Sind die himmlischen fünf Wunden. Da kam Himmelreich hernieder, Aus fünf Quellen wonnig blutend, Da erwuchs das Paradiese, Aus fünf Wunden göttlich blumend. Da erschrak die Erde freudig, Und zerborst in große Kluften, Und die Herzen wurden offen, Gottes Liebe faßte Wurzel. Blüht hinein in seinen Himmel, Wachst hinauf in seine Ruhe, Rankt hinan in schön Gebeten: Große Kraft hat Herz und Zunge. Ihr seid selbst ein Zweig vom Baume, Welcher steht in Gottes Grunde; Alle Zweig' und Laub sind Engel, All' formirt zu seinem Ruhme. – Abwärts wandte sich der Alte, Weil er keine Gnade wußte, Denn sein Ohr vernahm die Worte, Doch sein Herz war fern vom Muthe. Du mein einzig Kind, begann er, Niemals ward dir Schwester, Bruder; Als sie dich gebar, da schied sie, Deine treue fromme Mutter. Nur auf kurze Zeit geliehen War dem Frevler Kunigunde; Du warst fromm, mein Sohn, und heilig So wie ihre Todesstunde. Und so oft dein Blick geleuchtet, Sah ich immer diese Stunde; Und mein Herz zerriß die Sorge, Schnürte fester mich im Bunde. Darum war ein grimmer Wechsel Stets von Haß und Lieb' im Busen. Bei der Wiege stand ich lauernd, Und mein Arm den Dolch erhube. Aber dann die stillen Augen, Die sich aus einander schlugen, Brachten Furcht und Liebe wieder, Und die Angst ward wieder Ruhe. Also bist du mir erwachsen, Immer war mir fremd dein Thuen; Liebst du mich mit ganzer Seele, Kannst mir doch nicht stehn zum Schutze. Innerst recht in meiner Seele Sind die Kräfte, die da unten, Gottlos abgewandt vom Heile, In der Frevel Tiefe wuchern. Nicht ist mir der Christ gestorben; Andern Mächten, mit dem Blute, Das ich, trotzend ihm, vergossen, Bin ich eisenfest verbunden. Mir sind andre Paradiese, In dem Graus sind meine Blumen; Himmelsmächten widerstrebend Folg' ich meinem dunkeln Fluge. – Weinend nimmt der Sohn die Hände, Weinend spricht der Sigismunde: Vater, was ihr fehltet, gebt mir, Gebt mir, ach! die trübe Kunde. Daß uns Gott erlösen wollte Von dem allerschlimmsten Bunde, Drum gab er den Eingebohrnen: Himmel ist uns so gefunden. Jedem Sünder, der ihm traute, Ist Vergebung noch gelungen. Der Allmächt'ge kann vergeben, Und es will auch der Allgute. Nur nicht widerstrebt dem Geiste, Ohne Sühnung ein Verschulden; Diese Sünde thut ihr, Vater, Wenn Verzweiflung obgerungen. Leben, Blut und Herz und Glauben Will ich auf zum Werke rufen, Alle Kräfte sollen streiten, Siegen ob dem schlimmsten Truge. – Da erwacht der alte Vater, Sehnend wie aus einem Schlummer, Und es rinnen große Thränen Seinem trüben Aug' hinunter. Auf, so spricht er, was der Himmel Für Gewalt erleid', versuche; Ob so späte Reu im Sterben Wiederbring' verlohrne Tugend. Geh' hinunter nach dem Walde: Was die Zeichen dort im Grunde Aller Welt verbergen, hohle. Betend find' ich dann wohl Ruhe. – Und was sind denn diese Zeichen? Deine Reden sind mir dunkel. Wie soll ich in Nacht sie treffen? Wo im Walde soll ich suchen? – Kennst du nicht, fernab im Forste, Tief ein Thal, von Tannen dunkel, Wo ein Stein, bekreuzt mit Dolchen, Weiß dasteht auf trübem Grunde? Oftmals hast du mich gefraget, Wann wir jagten in der Runde, Was der Stein bezeichnen solle; Noch verschwieg ich dir die Kunde. Das ist nun das erste Zeichen, Mir ein Zeichen meines Kummers, Den erhebe, bringe zu mir, Was du finden wirst da drunten. Und zwey Dolche wirst du finden In der Erde wenig Schuhe. Ach, damit hab' ich erstochen Ihn, den Liebling meiner Jugend. An dem Platze war's geschehen, Und da setzt' ich meiner Tugend Dieses Zeichen, die gestorben In des liebsten Freundes Blute. Aufgekeimt wie junge Lämmer Spielten wir in jeder Stunde, Er bewohnte, die du jenseits Schimmern siehst, die alten Burgen. Mit dem Alter wuchs die Liebe, Und er hieß mich seinen Bruder, Und gelobte, wann er stürbe Mir zu geben seine Burgen. Nahm mich freundlich in die Arme, Und versprach mit einem Schwure, Eine Gattinn nie zu freyen, Nimmer um ein Weib zu buhlen. Also schrieb er selber nieder, Bald darauf erhielt ich Kunde, Daß er oft hinüber ritte Zu der schönen Kunigunde. Da erwacht' es wie ein Grausen Tief in meines Herzens Grunde, Geister rotten sich zusammen, Steigen aus dem finstern Schlunde. Diese Veste nur die meine, Sie die ärmste in der Runde, Und die Fremde als das schönste Weib in jedes Mannes Munde. Sie besucht' ich, sah sie selber, Fühlte bald die tiefe Wunde, Die mir Sinn und Leben raubte; Dachte sie nur jede Stunde. Alle Freundschaft ward vergessen, Was er that zu meinen Gunsten, Die Gestalt, sein lieblich Wesen, Kuß und Handdruck war verschwunden. Der Begierde Stachel fühlend, Der je scharf und schärfer wurde, Mied ich ihn, wo ich ihn schaute, Furchte mich vor seinem Gruße. Meine Liebe ward ihm fremde, Ihn gereute seine Jugend, Und er freite um die Schöne Bei den Eltern Kunigundens. Lieber war ich ihr geworden, Sie versprach mit einem Kusse Mein zu seyn, doch war ihr Vater Jenem hold, ob seinem Gute. Also traf ich ihn im Holze, Haß und Brunst in meinem Muthe, Daß ich ihn schnell ohn' Erbarmen Mit der Lanze niederschluge. Und die Dolche waren plötzlich In der Hand, ob ich nicht wußte Wie, woher; so eilt der Böse Daß in uns erstirbt das Gute. Seine Augen baten flehend, Zugeschlossen war mein Busen, Und das Herz, das mir geschlagen, Das zerstach ich, der Verfluchte. Trennte drauf das Haupt, das liebe, Mit dem Schwerdte von dem Rumpfe, Und verbarg es in der Erde, Weiter ab im dunkeln Grunde. Dieses ist das zweite Zeichen. Gehe hin, den Stein verrucke, Bringe den geliebten Schädel, Eh' ich zu die Augen drucke. Weiter ab, wo Wald zu Ende, Steht bei dem Wachholderbusche Endlich noch das dritte Zeichen. Ach, wo find' ich davor Ruhe? Also war mein Freund erblichen. Also starb der edle Kunze. Bald darauf ward ich vermählet Mit der schönen Kunigunde. Und die Freunde meines Freundes Forschten nach, wie er verblutet, Und von mir ward gleich das Schlimmste Von den Forschenden vermuthet. Angeklagt des schnöden Mordes Ließen mich die Richter rufen; Und ich fand den strengsten Richter Schon in meinem eignen Busen. Schwer im Wochenbett darnieder Lag die Gattin Kunigunde, Und es hatte sich der Kranken, Wie sie starb, ein Sohn entwunden. Alles Glück war abgeschlachtet, Meine Brust die Mördergrube: Ehre, Hoffnung, Liebe, Leben Ausgetilgt, und jedem Buben War mein Herz nun Preis gegeben; Um mich grinsten Höllenhunde, Und ich riß mit wüstem Streben Das, was mich an Gott gebunden. Mitternacht lag auf dem Lande, Da verließ ich dich im Schlummer, Und die Leiche meiner Gattin; Ging hinab die hohen Stufen. Wild zur Wildniß ging ich nieder, Sternen und dem Himmel fluchend: Nach der Nacht streckt' ich die Arme, Und der Mond ging trübe unter. Daß die Klüfte wiederschallten, Fing ich an so laut zu rufen. Eingeweiht zu tieferm Grausen Ward ich bald den finstern Zunften. Und der böse Feind erschiene Finster meinem bösen Muthe. Und er nahm ein Shreiben von mir, Das ich schrieb mit meinem Blute. Ihm zu eigen mich zu geben, Unter seinem grimmen Schutze Sicher sein mein Leib und Leben, Nur die Seele war verschuldet. Diese Schrift ward eingeschlossen, Daß ich's sah, in erzner Truhe, Unterm Steine eingegraben Dort im dunkelgrünen Grunde. Dieses ist das dritte Zeichen Dorten beim Wachholderbusche. Welche Macht kann es befreien, Bringen mir die Eisentruhe? Reichthum, Ehre ward verliehen Dem, der ab sich that dem Guten. Heute ist der Preis verfallen, Und ich fühl' der Hölle Ruthen. Kannst du mir die Zeichen bringen, Ist es dir, o Sohn, gelungen, O so möcht' es mir gerathen, Daß ich mich hinaufgeschwungen. Sieh, der Mond scheint hell und heller, Ach, so liebe Sterne lugen In den Grund hinab, und sanfte Herrscht im Thal und Wald die Ruhe. In sich klingt der Himmelsbogen, Regnen nieder Seegensfluthen, Ein Erbarmen winkt von oben: Eile denn zum Wald hinunter. – Wie der Sohn dem Vater anschaut, Will er ihm so fremd bedunken. Schaudernd wendet er sich von ihm, Geht hinab die Felsenstufen. Und er naht dem Crucifixe, Der Capelle dort im Grunde; Und er wirft sich knieend nieder, Betet da in tiefen Brunsten. Erd' und Himmel, Berg und Waldung, Blum' und alle Creaturen, Er sich selber, sind wie Fremdling, Findet nicht die vor'gen Fluren. Taumelnd tritt er in den Wald ein, Irrend sucht er wohl die Spuren Die ihn nach den Zeichen leiten, Die er sonst im Thal gefunden. Durch die Blätter geht ein Flüstern, Lichter gehn ihm vor dem Fuße, Da erblickt er mit den Dolchen, Weißen Stein auf dunklem Grunde. Mühsam wälzt er fort den Marmor, Und er gräbt nur wenig Schuhe: Sieh, da sind die beiden Dolche, Und er steckt sie in den Busen. Weiter geht er, bange sinnend, Jenes zweite Zeichen suchend; Fern ab jenem lenkt der Stein ihm Seine Schritte, wohl zweihundert. Schwerer ist der abzuwälzen, Nach dem Zeichen wächst sein Hunger, Sollten ihm die Sehnen reissen, Achtet's nicht; es ist gelungen. Aus dem Boden steigt ein Schädel, Und er hört fernab ein dumpfes Winseln, ob es Geister wären, Oder ein Geheul der Unken. Und der Wald ist schon zu Ende; Nahend dem Wachholderbusche Sieht er auf dem größten Steine Eine Menschenbildung ruhen. Fort da, Fremdling! Du mußt weichen, Diesen Ort muß ich durchsuchen, Denn da unten liegt ein Kleinod Von des Vaters Eigenthume. Wie so unhold? sagt der Fremde; Wohlbekannt ist deine Jugend; Sonst war mir ein Freund dein Vater, Denn ich heiß' mit Namen Kunze. Kunze ist dein Name, sprichst du? Ruft erschreckend aus der Junge; Der ist todt, so sagt mein Vater, Und begraben längst, der Gute. Wird noch stets sein Wahnsinn irren? Sprach der Mann mit dumpfer Zunge, Sollen wir uns nie versöhnen? Nimmer ist es mir gelungen. Zwietracht hielt uns lang' entfremdet, Und er wähnt, daß er erschluge Seinen treusten Freund und Liebsten, Seinen besten Waffenbruder. Freudenthränen weint der Jüngling, Da der diese Wort' anhube. O so kommt mit mir! mein Vater Ist schon nahe seiner Grube. Zeig' ihm jetzt dein Angesichte, Daß er Wähnen von sich thue, Daß er fröhlich möge sterben Und in Gottes Schooß dann ruhe. Ach, wie soll ich dir vergelten, Was du mir erzeigst so Gutes? Wiederum darf ich ihn lieben,
Wonne glänzt von allen Zweigen, Muthig regt sich jedes Reiß, Blumenkränz' aus Bäumen steigen, Purpurroth und silberweiß. Und bewegt wie Harfensaiten Ist die Welt ein Jubelklang, Durch der Welten Dunkelheiten Tönt der Nachtigall Gesang. Warum leuchten so die Felder? Nie hab' ich dies Grün gesehn: Lustgesang dringt durch die Wälder, Rauschend wie ein Sturmeswehn. Sieg und Freiheit blühn die Bäume, Heil dir Vaterland! erschallt Jubelnd durch die grünen Räume, Freiheit! braust der Eichenwald.
Arion schifft auf Meereswogen Nach seiner theuren Heimath zu, Er wird vom Winde fortgezogen Die See in stiller, sanfter Ruh'. Die Schiffer stehn von fern und flüstern, Der Dichter sieht in's Morgenroth, Nach seinen goldnen Schätzen lüstern Beschließen sie des Sängers Tod. Arion merkt die stille Tücke, Er bietet ihnen all' sein Gold, Er klagt und seufzt, daß seinem Glücke Das Schicksal nicht wie vordem hold. – Sie aber haben es beschlossen, Nur Tod giebt ihnen Sicherheit, Hinab in's Meer wird er gestoßen, Schon sind sie mit dem Schiffe weit. Er hat die Leyer nur gerettet, Sie schwebt in seiner schönen Hand, In Meeresfluthen hingebettet Ist Freude von ihm abgewandt. Doch greift er in die goldnen Saiten Daß laut die Wölbung wiederklingt, Statt mit den Wogen wild zu streiten Er sanft die zarten Töne singt: Klinge Saitenspiel, In der Fluth Wächst mein Muth, Sterb' ich gleich, verfehl' ich nicht mein Ziel. Unverdrossen Komm' ich, Tod, Dein Gebot Schreckt' mich nicht, mein Leben ward genossen. Welle hebt Mich im Schimmer, Bald den Schwimmer Sie in tiefer, nasser Fluth begräbt. So klang das Lied durch alle Tiefen, Die Wogen wurden sanft bewegt, In Abgrund's Schlüften, wo sie schliefen, Die Seegethiere aufgeregt. Aus allen Tiefen blaue Wunder, Die hüpfend um den Sänger ziehn, Die Meeresfläche weit hinunter Beschwimmen die Tritonen grün. Die Wellen tanzen, Fische springen, Seit Venus aus den Fluthen kam, Man dieses Jauchzen, Wonneklingen In Meeresvesten nicht vernahm. Arion sieht mit trunknen Blicken Lautsingend in das Seegewühl, Er fährt auf eines Delphins Rücken,
Es kam an einem Pilgerstab Wohl über's graue Meer Ein Wandersmann in's Thal hinab, Von fremden Landen her. Erbarmt euch meiner, rief er aus, Von fernem Land ich kam, Verloren hab' ich Gut und Haus, Anthonio ist mein Nahm'. Die Eltern starben mir schon lang', Ich war noch schwach und klein, War ohne Gut, war ohne Rang, Und Niemand dachte mein. Da nahm ich diesen Wanderstab Und trat die Reise an, Stieg hier in's frische Thal hinab, Fleh' euer Mitleid an. – Da ging er wohl von Thür zu Thür, Ging hier und wieder dort, Ward abgewiesen dort und hier, Und schlich sich weinend fort. »Was suchst du in der Fremde Glück? Wir sind dir nicht verwandt! Geh, wo du herkömmst, nur zurück, Bist nicht aus unserm Land. – Genug der Freunde leiden Noth, Der Landsmann sucht hier Trost, Für sie nur wächst hier Frucht und Brodt, Für sie der süße Most.« – Still und beschämt mit Ach und O! Schlich er die Straße hin, Da ruft es sanft: Anthonio! Ein Mädchen winkt ihn hin. O nimm von meiner Armuth an, Spricht sie mit frommen Sinn, Ich gebe was ich geben kann, Nimm alles, alles hin. Lucindens blaues Auge weint, Er dankt mit heißem Kuß, Und sieh! die Liebenden vereint Ein rascher Thränenguß. Ach nein, du bist mir nicht verwandt,
Heilig, reine, milde Fluth, Kind der Liebe, klares Wasser! Als die neue Welt dem Zorne War im ersten Seyn erstarret, Alle Kräfte ihr entflohen Und ihr innres Herz erkaltet, Schwebte sie ein harter Leichnam Durch die leeren Himmelbahnen, In sich keine Lebensgeister, Ueber sich nicht Sternverwandten. Und es regte sich ein Schmerz, Liebe ganz und ganz Erbarmen, In den allerreinsten Himmeln, Legte sich wie weiche Arme Um den stumm gewordnen Busen, Und das Herz drinnen erwarmte: Und es fühlte erst ein Zittern, Dann ein tief erbebend Bangen, Und es riß sich von der Furcht Und dem ungewissen Zagen, Gab sich ganz und voll dem Schmerz hin, Daß umher nur Todten-Halle, Alle Jugend ihm entschwunden Und die Lust erstarb, die alte. Wie die Welt in Schmerz und Wehen, Und Erinnerungen kamen, Und die Himmelsliebe außen Sie noch sanfter, weicher faßte, Wollt' sie sterbend ganz vergehen; Und die starren Riegel sprangen, Und den harten Tod zerriß Nach dem Tode das Verlangen, Heil'ge Lebensthränen, süße, Aus der innern Tiefe rannen Ueber das erblaßte Antlitz, Ueber die entstellten Wangen: Und im Schmerz entzündete Sich die Freude plötzlich, brannte, Und das Licht flog schnell empor, Kehrte wieder und umarmte Sie, die liebe arme Mutter Und das Kind, das heil'ge Wasser: Blumen, grüne Kräuter sproßten, Ströme fluteten und brachen In das Meer, das neu geboren, Und Gestirn' im goldnen Glanze Sahen liebend hoch hernieder, Sonne mit dem klaren Antlitz, Mond mit seinem stillen Troste, Kleine Lichter magisch wandelnd
Wer ist dort der alte Mann, In einer Ecke fest gebunden, Daß er sich nicht rührt und regt? Vernunft hält über ihn Wache, Sieht und erkundet jede Miene. Der Alte ist verdrüßlich, Um ihn in tausend Falten Ein weiter Mantel geschlagen. Es ist der launige Phantasus, Ein wunderlicher Alter, Folgt stets seiner närrischen Laune; Sie haben ihn fest-gebunden, Daß er nur seine Possen läßt, Vernunft im Denken nicht stört, Den armen Menschen nicht irrt, Daß er sein Tagsgeschäft In Ruhe vollbringe, Mit dem Nachbar verständig spreche Und nicht wie ein Thor erscheine. Denn der Alte hat nie was Kluges im Sinn, Immer tändelt er mit dem Spielzeug Und kramt es aus, und lärmt damit So wie nur nicht nach ihm gesehn wird. Der alte Mann schweigt und runzelt die Stirn, Als wenn er die Rede ungern vernähme, Schilt gern alles langweilig, Was in seinen Kram nicht taugt. Der Mensch handelt, denkt, die Pflicht Wird indeß stets von ihm gethan; Fällt in die Augen das Abendroth hinein, Stehn Schlummer und Schlaf aus ihrem Winkel auf Da sie den Schimmer merken. Vernunft muß ruhn und wird zu Bett gebracht, Schlummer singt ihr ein Wiegenlied: Schlafe ruhig, mein Kind, morgen ist auch noch ein Tag! Mußt nicht alles auf einmal denken, Bist unermüdet und das ist schön, Wirst auch immer weiter kommen, Wirst deinem lieben Menschen Ehre bringen, Er schätzt dich auch über alles, Schlaf' ruhig, schlaf' ein. – Wo ist meine Vernunft geblieben? sagt der Mensch, Geh' Erinnrung, und such' sie auf. Erinnrung geht und trifft sie schlafend, Gefällt ihr die Ruhe auch, Nickt über der Gefährtin ein. »Nun werden sie gewiß dem Alten die Hände frei machen,« Denkt der Mensch, und fürchtet sich schon. Da kömmt der Schlaf zum Alten geschlichen, Und sagt: mein Bester, du mußt erlahmen, Wenn dir die Glieder nicht frei gelöset sind, Pflicht, Vernunft und Verstand bringen dich ganz herunter, Und du bist gutwillig, wie ein Kind. – Indem macht der Schlaf ihm schon die Hände los, Und der Alte schmunzelt: sie haben mir viel zu danken, Mühsam hab' ich sie erzogen, Aber nun verachten sie mich alten Mann, Meinen, ich würde kindisch, Sei zu gar nichts zu gebrauchen. Du, mein Liebster, nimmst dich mein noch an, Wir beiden bleiben immer gute Kameraden. Der Alte steht auf und ist der Banden frei, Er schüttelt sich vor Freude: Er breitet den weiten Mantel aus, Und aus allen Falten stürzen wunderbare Sachen Die er mit Wohlgefallen ansieht. Er kehrt den Mantel um und spreitet ihn weit umher, Eine bunte Tapete ist die untre Seite. Nun handthiert Phantasus in seinem Zelte Und weiß sich vor Freuden nicht zu lassen. Aus Glas und Krystallen baut er Schlösser, Läßt oben aus den Zinnen Zwerge kucken, Die mit dem großen Kopfe wackeln. Unten gehn Fontainen im Garten spatzieren, Aus Röhren sprudeln Blumen in die Luft, Dazu singt der Alte ein seltsam Lied Und klimpert mit aller Gewalt auf der Harfe. Der Mensch sieht seinen Spielen zu Und freut sich, vergißt, daß Vernunft Ihn vor allen Wesen herrlich macht, Spricht: fahre fort, mein lieber Alter. Und der Alte läßt sich nicht lange bitten, Schreiten Geistergestalten heran, Zieht die kleinen Marionetten an Fäden Und läßt sie aus der Ferne größer scheinen. Tummeln sich Reuter und Fußvolk, Hängen Engel in Wolken oben, Abendröthen und Mondschein gehn durch einander. Verschämte Schönen sitzen in Lauben, Die Wangen roth, der Busen weiß, Das Gewand aus blinkenden Strahlen gewebt. Ein Heer von Kobolden lärmt und tanzt, Alte Helden kommen von Troja wieder, Achilles, der weise Nestor, versammeln sich zum Spiel Und entzweien sich wie die Knaben. – Ja, der Alte hat daran noch nicht genug, Er spricht und singt: Laß deine Thaten fahren, Dein Streben, Mensch, deine Grübelei'n, Sieh, ich will dir goldne Kegel schenken, Ein ganzes Spiel, und silberne Kugeln dazu, Männerchen, die von selbst immer auf den Beinen stehn, Warum willst du dich des Lebens nicht freun? Dann bleiben wir beisammen, Vertreiben mit Gespräch die Zeit, Ich lehre dich tausend Dinge, Von denen du noch nichts weißt. – Das blinkende Spielwerk sticht dem Menschen in die Augen, Er reckt die Hände gierig aus, Indem erwacht mit dem Morgen die Vernunft, Reibt die Augen und gähnt und dehnt sich: Wo ist mein lieber Mensch? Ist er zu neuen Thaten gestärkt? so ruft sie. Der Alte hört die Stimme und fängt an zu zittern, Der Mensch schämt sich, läßt Kegel und Kugel fallen, Vernunft tritt in's Gemach. Ist der alte Wirrwarr schon wieder los geworden? Ruft Vernunft aus, läßt du dich immer wieder locken Von dem kind'schen Greise, der selber nicht weiß Was er beginnt? – Der Alte fängt an zu weinen, Der Mantel wieder umgekehrt Ihm um die Schultern gehängt,
Durch Himmelsplan die rothen Wolken ziehen, Beglänzet von der Sonne Abendstrahlen, Jetzt sieht man sie in hellem Feuer glühen, Und wie sie sich in seltsam Bildniß mahlen: So oftmals Helden, große Thaten blühen, Aufsteigend aus der Zeiten goldnen Schaalen, Doch wie sie noch die Welt am schönsten schmücken, Fliehn sie wie Wolken und ein schnell Entzücken. Was dieser fliehnde Schimmer will bedeuten, Die Bildniß, die sich durch einander jagen, Die Glanzgestalten, die so furchtbar schreiten, Kann nur der Dichter offenbarend sagen; Es wechseln die Gestalten wie die Zeiten, Sind sie euch Räthsel, müßt ihr ihn nur fragen, Ewig bleibt stehn in seinem Lied gedichtet, Was die Natur schafft und im Rausch vernichtet. Es wohnt in ihr nur dieser ewge Wille Zu wechseln mit Gebären und Erzeugen, Vom Chaos zieht sie ab die dunkle Hülle, Die Tön' erweckt sie aus dem todten Schweigen, Ein Lebensquell regt sich die alte Stille,
Wie sehnsuchtsvoll fühlt sich mein Herz gezogen, Dem frischen grünen Walde zugelenket, Von Bächen wird das neue Gras getränket, Die Blumen schauen sich in klaren Wogen. Ein blau Krystall erscheint der Himmelsbogen, Zur blühenden Erde liebend hergesenket, Die Sonne zeigt, daß sie der Welt gedenket, Sie hat die Blumen küssend aufgesogen. Die Pflanzen glänzen, Wasserwogen lachen, Die muntern Thiere regen sich in Sprüngen, Der Vogel singt, vom grünen Zweig umrauschet. Wenn Thiere, Wasser, Blumen, Flur' erwachen,
Willt du dich zur Reis' bequemen Ueber Feld Berg und Thal Durch die Welt, Fremde Städte allzumal, Mußt Gesundheit mit dir nehmen. Neue Freunde aufzufinden Läßt die alten du dahinten, Früh am Morgen bist du wach, Mancher sieht dem Wandrer nach Weint dahinten, Kann die Freud' nicht wiederfinden. Eltern, Schwester, Bruder, Freund, Auch vielleicht das Liebchen weint; Laß sie weinen, traurig und froh Wechselt das Leben bald so bald so Nimmer ohne Ach! und O!