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Magisterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Romanistik - Hispanistik, Note: 2,0, Universität Trier (Romanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Science-Fiction befasst sich mit dem Fortschritt der gesamten Menschheit. Länder- und Nationengrenzen spielen keine Rolle. Die Faszination von Sci-Fi liegt dabei in der Widersprüchlichkeit zwischen Wissenschaft und Fiktion. Diese findet sich bereits in Antiken Mythen. Wieso aber ist das Genre in einigen Regionen beliebter als in anderen? Und wieso dominiert englischsprachige Literatur auf internationaler Ebene, wobei andere kulturelle Kontextualisierungen nur bedingt berücksichtig werden? Dem geht Lukas Szpeth in seinem Werk "Geschichte der spanischen Science-Fiction. Textualisierung von Wissen und Technologie in transarealer Perspektive" nach. Außerdem zeigt er in seiner Betrachtung der spanischen Science-Fiction-Literatur, warum sich diese regional aber sehr wohl unterscheidet. Lukas Szpeth zeichnet auch die Entwicklung ihrer Entstehungsgeschichte detailliert nach. Als Bezugspunkt dienen ihm dabei zwei spanischsprachige Werke und ein Interview mit dem spanischen Autor Juan Miguel Aguilera. Seine Arbeit ist deshalb idealer Anlaufpunkt für Science-Fiction-Fans, Literaturwissenschaftler, Kenner der Literaturgeschichte Spaniens und solche, die es werden wollen.
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La Ciencia ficción española
Textualisierung von Wissen und Technologie in transarealer Perspektive
Lukas Szpeth
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Problem der Definition
3 Historischer Hintergrund des Genres
3.1 Entstehungsgeschichte
3.2 Die Lange Geschichte der SF
3.3 Eine Kurze Geschichte der SF
3.4 Gernsback und die Geburt der Genre SF
4 Analyse ausgewählter spanischer SF Literatur
4.1 Einsatzmöglichkeiten von Wissen und Technologie:
4.2 Mundos en el Abismo
4.3 Sagrada: La Dama Dragón
5 Ausblick
Literaturverzeichnis
Interview mit Juan Miguel Aguilera
„Modern science fiction is the only form of literature that consistently considers the nature of the changes that face us, the possible consequences, and the possible solutions. That branch of literature which is concerned with the impact of scientific advance upon human beings”. Isaac Asimov (1952)[1]
Literatur und Wissenschaft. Das sind zwei Begriffe, die heutzutage nicht unbedingt miteinander in Verbindung gebracht werden. Natürlich gibt es die Literaturwissenschaft, doch um die soll es hier nicht gehen. Die Wissenschaft soll in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, alle ihre Zweige umfassend. Und die Literatur? Der Begriff Literatur soll sich hier vielmehr als Unterhaltungsliteratur verstehen. Folglich dreht sich diese Arbeit um die Zusammenführung von Wissenschaft und Unterhaltungsliteratur. Das ist eine Kombination, die nicht oft gesehen geschweige denn bewusst wahrgenommen wird. Doch existiert eine Literaturgattung, die besonderen Wert auf die Textualisierung von Themen der Wissenschaft und der Technologie legt. Die Science Fiction, abgekürzt SF.
Der Begriff Science Fiction legt nahe, dass Wissenschaft, und somit auch Technologie, eng mit dem Genre verbunden sind. Richten wir uns nach Lück, so meint Science „Wissenschaft, Forschung und Entdeckung, fantastische technische Neuerungen und Abenteuer im Weltraum“ (1977, S. 236). Doch was steckt wirklich dahinter? Wie werden Wissenschaft und Technologie betrachtet? Finden wir in der Science Fiction Technologie die wir selbst benutzen? Die wir möglicherweise in einigen Jahren benutzen könnten? Oder sind die beschriebenen Technologien so absurd, dass sie nur als fantastisch angesehen werden können?
Wie finden wir die reale Wissenschaft in der SF widergespiegelt? Spiegelt sie sich überhaupt oder wird der Begriff im Genre nur benutzt um fantastische Ideen mit scheinbarer Realitätsnähe auszuschmücken? Die Frage nach der Realitätsnähe der in der Science Fiction Literatur beschriebenen Wissenschaft und Technologie entpuppt sich als kritisch, denn der Teil Fiction „meint literarische Erfindung und spannende Handlung, action“ (Lück, 1977, S. 236).
Zusammenfassend lässt sich damit erkennen, dass das betrachtete Genre aus zwei gegen-poligen Basen besteht. Zum einen Wissenschaft (Science) und zum anderen Fiktion, also Fantastik. Daher kann das Genre im deutschen auch als „wissenschaftliche Fantastik“ beschrieben werden, was das Paradoxon der inneren Gegensätzlichkeit verdeutlicht (Lück, 1977, S.11)[2]. Wie geht die Science Fiction mit diesem Paradoxon um? Im Versuch der Klärung dessen empfiehlt sich zunächst der Versuch einer Genre-Definition. Mithilfe der Bemühung um eine Definition lassen sich viele Besonderheiten herausstellen und man gewinnt einen ersten Einblick in die Komplexität des Genres. Um diesen wiederum auf den Grund gehen zu können, braucht es eine Untersuchung der Entwicklungsgeschichte. Hier ergibt sich jedoch bereits die nächste Schwierigkeit. Es gibt viele Theorien über das Alter und die Entstehung der SF. Die älteste behauptet, das Genre sei so alt wie die Literatur selbst, während die jüngste die Gründung der SF in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts legt. Glücklicherweise kontrastieren sich die Theorien hauptsächlich in Fragen der Bezeichnung und der Relevanz verschiedener Einwirkungen, was sie im Grunde kompatibel macht. So ist für den einen Science Fiction, was für den andern ein Vorgänger des Genres, Proto-Science Fiction, oder gar Fantastik ist. Das scheint auf den ersten Blick schwer verständlich, doch basiert die Science Fiction im Grunde auf der Fantastik, was bedeutet, dass sie sich nicht gegenseitig ausschließen. Durch die Erforschung der Geschichte der SF wird klar, dass sie stetigen Veränderungen unterliegt. Auslöser der Umgestaltung sind meist Entdeckungen in der Forschung, die Weltbild-verändernde Folgen nach sich ziehen. In der Betrachtung der jüngeren Geschichte kristallisiert sich eine US-amerikanische Dominanz des Marktes und daraus resultierende Abhängigkeiten heraus. Daneben offenbart sich der schwere Stand der SF in Spanien, bedingt durch die politische und gesellschaftliche Geschichte des Landes. Die spanischen SF Autoren waren und sind doppelt marginalisiert (das Genre besaß nie große Popularität und englischsprachige Autoren verkauften sich besser), doch schafften sie es zunehmend die spanische SF in eine größere Autonomie zu leiten. Mit der Unabhängigkeit integrierten sich eigene, landestypische Themen und eine eigene Art der Textualisierung von Wissenschaft und Technologie. Die Verbundenheit zur angelsächsischen SF bleibt dennoch bestehen, allerdings mit erhöhter Gleichrangigkeit. Wie sich Wissen und Technologie nun genau in der SF niederschlagen wird dem nachfolgend auf den Grund gegangen. Dabei werden Unterschiede zwischen der Bemühung zur Realitätstreue und notwendiger Fiktionalität aufgedeckt. Abschließend wird der Einfluss von Wissenschaft und Technologie auf die Science Fiction anhand ausgewählter Beispiele erörtert.
„[V]iajes en tiempo, en espacio, por el interior del cuerpo humano, la abundante literatura de viajes reales e imaginarios, siempre ha satisfecho nuestra necesidad de lo nuevo y lo sorprendente“ Juan Miguel Aguilera[3]
Man sollte meinen eine Definition für das Genre der Science Fiction zu finden sei kinderleicht, vor allem da jedermann eine ganz bestimmte Idee dazu in seinem Kopf hat. So mag, aufgrund dieser Idee dem einen oder anderen möglicherweise sogar der Versuch, eine Definition schriftlich niederzulegen, überflüssig erscheinen.
Sobald man allerdings ansetzt um diese, doch so genaue Idee auf Papier zu bringen, erfolgt die Überraschung auf dem Fuße. Was anfangs so klar erschien, so deutlich von anderem abzugrenzen war, beginnt plötzlich zu verschwimmen und die Idee beginnt zu verschwinden. Die klaren Grenzen verfliegen und zurück bleibt nur das Wissen, eine doch so exakte Idee davon zu haben was Science Fiction eigentlich ist. Hier beginnt unsere Reise in dem Versuch der ursprünglichen Idee auf den Grund zu gehen und sie schriftlich zu definieren und festzuhalten.
Auf der Suche nach der Idee dessen, was Science Fiction ist, empfiehlt es sich zu Beginn die Definitionsversuche verschiedener Wörterbücher zu mustern, da diese das öffentliche Verständnis von SF widerspiegeln. Die hierfür durchgeführte transareale Beobachtung der englischsprachigen, deutschsprachigen und spanischsprachigen Räume[4] gibt zu erkennen, dass Abweichungen in der Bedeutungserklärung minimal sind und die Musterung der Definitionen tief-eingewobene transnationale Charakteristika des Genres preisgibt. Exemplarisch soll die Definition der offiziellen Webseite der Real Academía Española zur Darstellung dienen. Hier findet man unter dem Begriff der ciencia ficción folgende Bedeutung: „Género de obras literarias o cinematográficas, cuyo contenido se basa en hipotéticos logros científicos y técnicos del futuro“ (www.rae.es, 23.10.2013). Die Definition der RAE hat einen gewissen Wiedererkennungswert im Duden wie auch im Oxford Dictionary, da sich alle drei Definitionen auf den Inhalt beziehungsweise die Themen von Science Fiction Literatur berufen. Diese beruhen auf (wissenschaftlich-technischen) Errungenschaften der Menschheit, die hypothetischer und damit fiktionaler Natur sind.
Ein entscheidender Fehler muss in den öffentlichen Definitionen jedoch vermerkt werden. Die Gemeinsamkeiten der Definitionen weisen auf wichtige Bestandteile der SF hin, unter anderem die Bezüge zu Fiktionalität, Technologie, Wissenschaft, Zeit- und Raumreisen. Allerdings werden diese mit dem „magischen Wörtchen“ Zukunft in Verbindung gebracht. Das wirft die Frage auf, muss SF in der Zukunft spielen? Ist SF immer zukunftsorientiert?
Wenn dem so wäre, wird damit ein kritisches Problem aufgeworfen. Durch die bedingungslose Zukunftsorientierung, die ich als „Star Wars-Problem“[5] bezeichnen möchte, werden Werke, die in der öffentlichen Meinung klar der SF zugeordnet werden, von selbiger ausgeschlossen. Eben das wäre der Fall bei den Star Wars Filmen, die allesamt in der Eröffnungssequenz den Ort und die Zeit des Geschehens als „[a] long time ago in a galaxy far, far away...“ festlegen (Decker und Eberl, 2011, S. 147). Damit ist klar, die Geschichte, die vor langer Zeit, in einer weit entfernten Galaxie, und damit nicht in der Zukunft, spielt, würde demnach nicht Teil der SF formen. Auch wenn Star Wars Filme starke Verbindungen zu Fantastik, Religion und Mystik aufweisen, so lassen sie sich dennoch eindeutig als Science Fiction deklarieren, alleine auf dem Faktum beruhend, dass sie aus einer „technisch fortgeschrittenen galaktischen Gesellschaft“ bestehen (Vgl. Decker und Eberl, 2011, S. 147). Als Konsequenz ist daraus zu ziehen, dass die bisherigen Auslegungen zum Genre Science Fiction unzureichend sind.
Um das Genre besser erfassen zu können, muss die Materie im folgenden Schritt mittels der Fachliteratur durchleuchtet werden. Bei intensiver Untersuchung springt dem Forschenden ein besonderer Umstand deutlich ins Auge. In vielerlei Hinsicht herrscht „Uneinigkeit“ und vieles im Feld der SF ist und bleibt damit offen zur Diskussion (Schlobinski und Siebold, 2008, S. 7). Trotz allem, oder vielleicht gerade deswegen, lassen sich aus der Situation verschiedene maßgebliche Schlüsse ziehen.
Zum ersten: Es gibt keine brauchbare, umfassende Definition! Wie Alpes schon so treffend bemerkt: „[H]ier fangen die Schwierigkeiten schon an. Gewiss, Definitionsversuche gibt es mehr als genug, die Fachleute tun sich jedoch schwer dabei“ (1980, S. 25). Die Fachwelt ist in vielen Bereichen der SF in Diskussionen verstrickt, doch diese, meine Aussage begründet sich auf einer der wenigen Konstanten im SF Universum. Sie wird, unter anderem durch Peter Nicholls bestätigt. Dieser fügt außerdem hinzu, dass die vielen, sich voneinander unterscheidenden, Definitionsversuche teilweise Bedingungen aufstellen, die sich gegenseitig widersprechen und niemals eine Einigung über eine einzige umfassende Definition erzielt werden kann (Vgl. Nicholls, 1979, S. 159). Nicholls Erweiterung bildet eine gute Überleitung zur Schlussfolgerung Nummer Zwei, denn es kann keine umfassende Definition erstellt werden, weil die SF kein homogenes Genre ist.
Seed beschreibt sie als „one of the most extensive and varied kinds of modern literature” (Seed, 2008, S. 1). Als „género totalizante“ stellt Sánchez-Conejero fest, dass die SF nicht nur einige, sondern alle Fragen über das menschliche Sein behandelt (Vgl. Sánchez-Conejero, 2009, S. 7). Dadurch wird die Science Fiction Literatur zu einem ausgedehnten Fachgebiet, „covering many possible materials, many possible approaches to those materials, and many possible ways of handling them.” (Allen, 1977, S. 15). Die logische Konsequenz daraus ist, so macht Allen deutlich, dass eine Kategorisierung in Subgenres sehr hilfreich wird (Vgl. Ebd.).
Doch warum wird die SF als solch ein mannigfaltiges Genre angesehen? Der Grund dafür liegt in der Geschichte der SF. Sie wuchs nämlich im Laufe der Zeit aus der Mischung verschiedener Genres (von Utopien bis hin zu „space adventures“) zusammen (Vgl. Clute und Nicholls, 1993, S. 314).
Des Weiteren lassen sich, aufgrund der Dichotomie von Science und Fiction, drei verschiedene Blickwinkel auf das Genre ausmachen. An den beiden Extremen finden sich, zum einen die Sichtweise, die den Schwerpunkt auf den Literatur-Charakter beziehungsweise die Nicht- (Natur-) Wissenschaftlichkeit legt, und zum anderen die hierzu oppositionelle Sichtweise, die die Wissenschaftlichkeit als Kern der SF betont. Als dritter Blickwinkel gilt die Mischung der ersten beiden. Die beiden extremen Sichtweisen können nicht kompromisslos vertreten werden, da sie sich gegenseitig auflösen würden, daher sollten sie eher als Tendenzen der Autoren und Fachleute gesehen werden.
Als Anhänger der wissenschaftlich betonten Seite findet sich beispielsweise Edward James wieder, der klarstellt: „Rather than emerging from the adventure pulps, science fiction was an outgrowth of the popular-science movement“ (James, 2003, XVII). Bailey gibt dem Standpunkt eine historisch erweiterte Note, in dem er auf Kepler's Science Fiction verweist: „[T]he scientific integrity contributed by Kepler was now in, now out of, the stories” (Bailey, 1974, S. 23). Also Wissenschaft spielte einmal mehr, ein andermal weniger eine Rolle. Einer bei dem sie eine weniger große Rolle spielte, war der französische Schriftsteller Cyrano de Bergerac, der zwar auch teilweise an Wissenschaft interessiert war, dem es aber mehr darum ging seine Leser zu belustigen und Sitten und Manieren seiner Gegenwart satirisch widerzuspiegeln (Vgl. Bailey, 1974, S.18). Trotz allem weisen seine Texte eine gewisse Wissenschaftlichkeit auf, denn sonst würden sie von der Fachwelt nicht zur SF gezählt werden. Daraus lässt sich kurz gesagt schließen, es herrschte und herrscht Uneinigkeit darüber, inwieweit Science Fiction mit der realen Wissenschaft zusammenhängt oder nicht.
Nach eingängiger Untersuchung stellen wir fest, die exakte Beschreibung dessen, was SF ist, bereitet auch hier Probleme. Woran liegt das? Eine brauchbare Definition des Genres ist schwierig aufgrund der historischen Entwicklung des Genres und der Genre-Überschneidungen. Darum, und weil sie uns einiges über das Verhältnis von realer Wissenschaft zur SF sagen kann, ist es ratsam einen Blick auf die Geschichte der SF zu werfen. Währenddessen wird ebenfalls auf die Subgenres eingegangen, deren Blütezeit in der Regel einer bestimmten Epoche in der Evolutionsgeschichte der SF zugeordnet werden kann. Es lässt sich mutmaßen, dass genau aufgrund dieser „Evolution“ des Genres und der damit verbundenen immer wiederkehrenden Erneuerung und Veränderung desselben sich auch die Definition verändern und anpassen musste. Ob das wirklich der Fall ist, klärt sich im historischen Überblick.