Gespenster-Krimi 99 - A. F. Morland - E-Book

Gespenster-Krimi 99 E-Book

A. F. Morland

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Beschreibung

Die Erde bebte. Über dem Pleasure Hill, wie der Volksmund den kleinen, unbewaldeten, bei verliebten Pärchen sehr beliebten Hügel am Rand der Stadt nannte, lag ein unerklärbares Dröhnen in der kühlen Abendluft.
Man kam hierher, um in aller Heimlichkeit das zu tun, wozu man anderswo aus den verschiedensten Gründen kaum Gelegenheit hatte. Es wurde zärtlich geküsst, liebevoll gestreichelt, lustvoll geseufzt, wohlig gestöhnt ...
Nur grausam gestorben war hier noch niemand. Das passierte heute zum ersten Mal ...


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Inhalt

Cover

Highway from Hell

Special

Vorschau

Impressum

Highway from Hell

Ein Tony Ballard Roman

von A.F. Morland

Die Erde bebte. Über dem Pleasure Hill, wie der Volksmund den kleinen, unbewaldeten, bei verliebten Pärchen sehr beliebten Hügel am Rand der Stadt nannte, lag ein unerklärbares Dröhnen in der kühlen Abendluft.

Man kam hierher, um in aller Heimlichkeit das zu tun, wozu man anderswo aus den verschiedensten Gründen kaum Gelegenheit hatte. Es wurde zärtlich geküsst, liebevoll gestreichelt, lustvoll geseufzt, wohlig gestöhnt ...

Nur grausam gestorben war hier noch niemand. Das passierte heute zum ersten Mal ...

»Ich sollte nicht hier sein«, sagte Caroline Wood schuldbewusst. Sie saß neben Luke Marrow in dessen bespoilerter »Linke-Spur-Waffe«, einem knallgelben Toyota SUV Highlander mit haufenweise PS – bis unters Dach.

»Wir tun doch nichts, Caro«, erwiderte er mit harmloser Miene.

Er hatte auch tatsächlich nichts Unmoralisches im Sinn, obwohl es in seinen Lenden verflixt heftig kribbelte. Nicht jetzt. Nicht heute. Nicht hier. Er wollte mit Caroline nur reden. Wirklich und wahrhaftig nur reden. Sich mit ihr aussprechen.

»Es ist trotzdem nicht richtig«, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. Sie blickte stattdessen auf das funkelnde Lichtermeer der Stadt hinunter und nagte an ihrer Unterlippe. »Wenn Kevin davon erfährt ...«

»Von wem denn? Ich erzähle es ihm bestimmt nicht. Und du hast ebenfalls keine Veranlassung, es ihm auf die Nase zu binden.«

Sie strich sich eine Strähne ihres schulterlangen schwarzen Haares aus dem hübschen Gesicht. »Ach, Luke. Warum ist das Leben manchmal so kompliziert?«

»Du gehörst nicht zu Kevin Anderson, Caro.«

»Sag das nicht, Luke.«

»Du gehörst zu mir.«

»Nicht mehr. Das ist vorbei.«

»Kevin ist ein Langweiler«, sagte Luke verächtlich.

»Er bietet mir Stabilität.«

»Und was sonst noch?«

»Das genügt mir.«

»Ich glaube dir kein Wort, Caro. Du lebst mit ihm an der Armutsgrenze.«

»Geld ist nicht alles, Luke.«

»Wenn du jetzt behauptest, du wärst mit ihm glücklicher, als du es mit mir warst, dann lügst du.«

»Ich habe bei Kevin Anderson Ruhe gefunden.«

Luke Marrow zog die Mundwinkel nach unten. »Ruhe.«

»Das Leben mit dir war mir zu aufregend. Jedes Mal, wenn du aus dem Haus gingst, war ich nicht sicher, ob du wieder heimkommst. Jeden Augenblick stand die Polizei bei uns auf der Matte ...«

»Du übertreibst.«

»... weil du schon wieder etwas ausgefressen hattest. Wir konnten nie irgendetwas planen.«

»Unsinn.«

»Unsere Reise nach Island fiel ins Wasser, weil man dich wieder einmal eingesperrt hatte. Meinen Geburtstag musste ich allein feiern, weil du vorübergehend ›nicht verfügbar‹ warst. Du wurdest von irgendwelchen Gorillas überfallen und brutal zusammengeschlagen ... Das – das war kein Leben, Luke.«

»Wir hatten viel Spaß zusammen.«

»Einige wenige Male«, gab Caroline Wood zu. Sie seufzte traurig. »Ich werde nicht zu dir zurückkehren. Tut mir leid, Luke. Ich kann und will nicht mehr. Es ist vorbei. Ein für alle Mal. Du musst das akzeptieren. Machen wir uns nichts vor. Nennen wir das Kind beim Namen. Du bist ein Gangster. Diese ›Karriere‹ war dir von Anfang an vorgegeben. Dein Vater war ein Verbrecher. Dein Onkel ist einer ...«

»Ich kann mich ändern.«

Caroline schüttelte den Kopf. »Selbst wenn du das ernsthaft wolltest, würdest du es niemals schaffen.«

»Wollen wir wetten?«

»No way. Es würde nicht klappen.«

Luke Marrow presste enttäuscht die Lippen zusammen. Er war es nicht gewohnt, so bittere Pillen zu schlucken. Noch nie hatte ihm eine Frau so eine schmachvolle Abfuhr erteilt, und er hätte sie auch von keiner anderen jemals so beherrscht hingenommen. Wenn sein männlicher Stolz beleidigt worden war, hatte es bisher stets sofort Ohrfeigen geregnet.

Doch bei Caro war das anders, denn die mochte er wirklich. Hier war zum ersten Mal richtige Liebe im Spiel. Liebe, die nicht – oder nicht mehr – erwidert wurde.

Herrgott noch mal, wieso tat ihm Caro das an? Er hatte sie verwöhnt, ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, sie mit Geschenken überhäuft, ihr ein Leben in Luxus geboten. War das falsch gewesen? Hätte er sie weniger rücksichtsvoll behandeln sollen? Manche Frauen ertrugen es offenbar nicht, wenn sie auf Händen getragen und angebetet wurden.

Er atmete schwer aus. »Okay. Dann – dann ist es also endgültig vorbei.«

Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Es tut mir wirklich sehr, sehr leid, Luke.«

»Ja, ja, schon gut. Ich bin stark. Du brauchst mich nicht zu trösten. Ich werde darüber hinwegkommen.«

»Du wirst eine Frau finden, die besser zu dir passt. Das wünsche ich dir jedenfalls von ganzem Herzen.«

Er sah sie an. »Darf ich dich noch einmal küssen, Caro?«

»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Luke«, gab sie unsicher zurück.

»Zum Abschied«, sagte er. »Dann fahre ich dich nach Hause. Zurück zu Kevin Anderson, diesem Hungerleider, der hoffentlich weiß, was er an dir hat.«

»Keine Sorge. Er weiß es.«

»Können wir wenigstens Freunde bleiben?«

»Ach, Luke.« Sie sah ihn traurig an. »Das bringt doch nichts. Und das weißt du auch. Wir leben in zu verschiedenen Welten. Aber ich werde die Straßenseite nicht wechseln, wenn wir einander irgendwo zufällig begegnen. Versprochen.«

Er räusperte sich. »Und – der Abschiedskuss?«

Sie glitt ein Stück näher, lächelte engelhaft und hatte nichts dagegen. Er nahm sie in die Arme. Sie schloss die Augen. Seine Lippen legten sich – wie früher – sanft, weich und warm auf ihren roten Mund, und sie genoss es ein ganz klein wenig, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben, denn es war ja nur noch ein letzter, freundschaftlicher Abschiedskuss, der ihr Herz nicht berührte.

In diesem Moment bebte ganz plötzlich und beängstigend heftig die Erde ...

Ich saß auf der Terrasse unseres Penthouse und lutschte ein Lakritzbonbon. Angeblich unterstützt dieser intensive Süßholzextrakt das Immunsystem gegen Staphylococcus aureus, Pilze und Viren, ist entzündungshemmend, krampf- und schleimlösend. Doch deswegen liebe ich das Zeug nicht so sehr. Ich habe mich einfach nur daran gewöhnt. Deshalb gehen die Dinger auch nie bei mir aus. Ich habe immer welche in Reserve. Wie ein Raucher seine Zigaretten.

Ich lehnte mich entspannt zurück, atmete tief ein und genoss den stressfreien Abend. Ein brandgefährliches Abenteuer lag hinter uns.

Ich war mit Mr. Silver im inneren Zirkel der Hölle gewesen. Der Ex-Dämon und ich hatten Rigani, der Tochter eines zeitreisenden Druiden namens A-Mhòr, ein qualvolles Ende erspart. Auch Rigani war Druidin gewesen.

Sie hatte als Kelten-Priesterin viel Gutes getan, ehe sie von einem hinterhältigen, extrem gefährlichen Seuchendämon namens Cronnock verdorben worden war. Er hatte sie listig aus dem Licht gelockt, in dem sie so lange engagiert gewirkt hatte, und sie veranlasst, ihre Aura des Guten abzulegen.

Es war ihm ohne große Mühe gelungen, sie auf die schwarze Seite zu holen, wo sie wenig später im Reich der Verdammnis ehrgeizig und verblendet mit Hexen, Höllenfurien und Dämoninnen um die Gunst des Höllenherrschers gebuhlt hatte. Es war ihre Absicht gewesen, als schwarze Druidin an seiner Seite zu regieren. Doch ihr ambitionierter Plan war nicht aufgegangen, weil sie Loxagon, dem Teufelssohn, keine Bastarde hatte schenken können.

Er hatte deshalb bald kein Interesse mehr an Rigani gehabt und sie an einen furchtbar grausamen, extrem gewalttätigen Dämon namens Taffan weitergereicht ... Zwar war es ihr gelungen, Taffan zu entkommen, doch am Ende des Tages war sie nur vom Regen in die Traufe geraten und in einer Todeszone, die von einem monströsen Dämon namens Banon bewacht worden war, in einem eiförmigen, magischen Eisenkäfig gelandet und hätte darin ein qualvolles Ende gefunden, wenn wir es nicht verhindert hätten. Wir hatten sie befreit und – wie versprochen – zu ihrem Vater A-Mhòr zurückgebracht.

Bedauerlicherweise war sie mehr tot als lebendig gewesen, als wir sie ihm übergeben hatten, und ihr Zustand war nach wie vor kritisch. Was ihr in der Hölle angetan worden war, war einfach zu viel für sie gewesen ...

Vicky, meine wunderschöne blonde, blauäugige Frau, kam von einer ausgedehnten Shopping-Tour nach Hause. Sie machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Daraus schloss ich, dass ihre Schnäppchenjagd diesmal besonders erfolgreich gewesen war.

»Hallo, Mister Ballard«, sagte sie mit dunkler Stimme. »So allein?« Sie musterte mich unter halb gesenkten Wimpern und kam mit schleichenden, katzenhaften Bewegungen näher.

»Jetzt nicht mehr«, gab ich schmunzelnd zurück.

Sie setzte sich, leicht wie eine Feder, auf meinen Schoß und küsste mich auf diese ganz bestimmte Weise. Ein Signal, das ich noch nie missverstanden hatte.

»Kann ich irgendetwas für Sie tun, Mister Ballard?«, erkundigte sie sich leise. »Haben Sie einen geheimen Wunsch – was immer es ist –, den ich Ihnen erfüllen könnte?«, flüsterte sie mir ins Ohr. Ihr Atem war angenehm warm.

Mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken. »Viele«, antwortete ich breit grinsend.

Sie fuhr mir mit gespreizten Fingern durchs Haar und schmiegte sich schnurrend an mich. »Gleich hier?«

»Besser drinnen«, gab ich zurück, stand mit ihr auf und trug sie ins Schlafzimmer ...

Der Pleasure Hill wurde so kräftig geschüttelt, dass es Caroline Wood und Luke Marrow im Highlander förmlich auseinander riss.

Caroline schrie entsetzt auf. »Großer Gott, Luke, was ist das?«

»Ein Erdbeben.«

»So ein starkes? Das hat ja mindestens ...«

»Hab keine Angst, Caro«, versuchte Luke Marrow sie zu beruhigen. »In meinem Wagen sind wir sicher.«

»Und – und wenn sich die Erde spaltet?«, stotterte Caroline panisch.

»Das wird sie nicht.«

»Ich habe das schon mal gesehen. Im Fernsehen. Da hat sich – ich weiß nicht mehr, wo – die Erde wie ein riesiges Maul aufgetan und mehrere Autos und sogar noch zwei Trucks verschlungen. Das ... das war kein Film. Das ist wirklich passiert.«

»So etwas hat es meines Wissens in England noch nie gegeben«, gab Luke Marrow zurück.

Caroline Wood klammerte sich furchtsam an ihn. »Der Hügel bebt noch immer, Luke. Das ist nicht normal.«

»Die Erde wird sich gleich beruhigen«, behauptete Luke Marrow, als wüsste er das ganz genau. »Solche Beben sind in der Regel nach wenigen Sekunden vorbei.«

»Dieses nicht, Luke«, krächzte Caroline mit weit aufgerissenen Augen. »Dieses nicht!«

»Woher willst du das denn wissen?«

Caroline hob die Hand. »Da – da vorne. Sieh nur. Dieser rote Fleck. Das ist Feuer, Luke. Dort brennt die Luft.«

Er richtete seinen Blick in die angezeigte Richtung. Caro hat recht, dachte er angespannt. Dort ist tatsächlich ein roter Fleck. Und er wird rasch größer. Verflucht noch mal, was ist das wirklich?

Caroline Wood steckte ihn mit ihrer Panik an. Er war dermaßen durcheinander, dass er nicht wusste, was er tun sollte. Zum Beben kam ein permanent lauter werdendes Dröhnen – wie von PS-starken Motoren.

Es kam direkt aus dieser feuerroten Luft. Wie war das möglich? Einbildung? Realität? Was brauste da heran? Innerhalb weniger Herzschläge war die brennende Luftfläche so breit und so hoch wie ein Haus.

»Fahr!«, schrie Caroline Wood hysterisch. »Starte den Motor, Luke! Fahr los! Wir sind hier nicht sicher, müssen weg von hier! Ich weiß nicht, was sich uns da nähert, aber ich bin sicher, dass es entsetzlich gefährlich ist!«

Er warf die Maschine an und trat aufs Gaspedal. Der Highlander-Motor brüllte aggressiv. Doch das Fahrzeug kam nicht vom Fleck. Irgendetwas schien sich dagegenzustemmen.

Die Reifen griffen nicht, drehten durch. Erde und Steine flogen hinten weg. Tiefe Furchen entstanden im Buckel des Pleasure Hill.

»Verfluchte Scheiße!«, machte Luke Marrow seiner Wut Luft. »Was, zum Teufel ...«

»Fahr!«, kreischte Caroline. »So fahr doch! Warum fährst du nicht endlich?«

»Es geht nicht ...«

Etwas hielt den Toyota SUV Highlander auf. Eine unsichtbare Kraft? War es nicht verrückt, so etwas anzunehmen?

»Wir werden sterben!«, schluchzte Caroline.

Aus der brennenden Luft wurde eine breite Walze aus Feuer und Staub. Sie kam rasch näher und nahm Caroline Wood und Luke Marrow komplett die Sicht ...

Ich hatte Durst. Vicky lag friedlich schlummernd neben mir. Ihr hübscher Busen hob und senkte sich im Rhythmus ihrer regelmäßigen Atemzüge.

Wie ein Engel sah sie aus. Ihr seidenweiches blondes Haar breitete sich über das halbe Kissen aus. Ich stand vorsichtig auf. Sie bekam es nicht mit.

Ich schob meine Füße in die Pantoffel und verließ das Schlafzimmer. Sobald ich die Tür geschlossen hatte, machte ich Licht und ging in die Küche.

Der Kühlschrank hatte stilles Wasser, Mineralwasser mit Kohlensäure, mehrere Fruchtsäfte, Limonaden und Bier zu bieten. Ich entschied mich für Ersteres, griff nach der Flasche, schraubte sie auf und trank so gierig, als hätte ich einen stundenlangen Wüstentrip hinter mir.

Ich empfand die nächtliche Ruhe wie angenehm weichen, warmen, wunderbar entspannenden Balsam. Wie mochte es wohl Rigani im Moment gehen?

War es ihrem Vater inzwischen gelungen, sie aus ihrer tiefen, todesähnlichen Ohnmacht zu holen? Er war immerhin Druide. Ihm standen bestimmt Zaubermittel zur Verfügung, von denen ich noch nicht einmal gehört hatte. A-Mhòr hatte uns gebeten, ihm seine Tochter zurückzubringen, und das hatten wir getan. Der mehrere hundert Jahre alte weißbärtige Zeitreisende hatte gesagt, er wolle alles versuchen, um sie wieder ins Licht, auf die Seite des Guten, zu holen.

Sollte ihm das jedoch nicht gelingen, sollte sie trotz aller Bemühungen von der schwarzen Seite, also vom Bösen, dem sie verfallen war, nicht mehr loskommen, war er fest entschlossen, ihr das Leben, das er ihr einst gegeben hatte, wieder zu nehmen. Ich drückte sowohl Rigani als auch ihrem Vater im Geist ganz fest die Daumen.

Möge der Himmel geben, dass es nicht zum Äußersten kommen muss, dachte ich – für beide hoffend. Es wäre für den uralten Kelten eine schlimme Seelenpein, sein eigen Fleisch und Blut töten zu müssen. Aber er würde es tun. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

Ich löschte das Küchenlicht und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Als ich die Tür geräuschlos öffnete, traf mich, völlig unerwartet, der Schock mit der Wucht eines Keulenschlags ...

Der knallgelbe Toyota SUV Highlander war eingeschlossen in Feuer, Staub und Hitze. Und mit ihm Caroline Wood und Luke Marrow. Die junge Frau schrie, schrie, schrie. Sie konnte nicht aufhören. Ihre entsetzliche Angst brauchte dieses Ventil.

Luke Marrow bildete sich ein, seltsame Gestalten in diesem brausenden, wirbelnden und tosenden Feuertornado zu erkennen. Wutentbrannt riss er seine Pistole aus dem Gürtel. Man traf ihn so gut wie nie unbewaffnet an.

Selbst zu diesem harmlosen Date mit Caroline Wood war er nicht ohne Kanone gekommen. Immerhin wurden – laut einer seriösen internationalen Kriminalstatistik – in London schon mehr Morde verübt als in New York.

Und er hatte nicht nur Freunde, sondern auch viele Feinde in der Stadt ... Die unbegreifliche Situation überforderte nicht nur Caroline, sondern auch ihn. Es war vermutlich falsch, den Wagen zu verlassen, doch er konnte nicht drin bleiben.

Als er die Tür öffnen wollte, kreischte Caroline: »Nein, Luke! Um Himmels willen, was tust du? Was hast du vor? Bleib hier! Steig nicht aus! Ich bitte dich, bleib bei mir! Lass mich nicht allein! Ich komme um vor Angst!«

Sie hielt ihn fest. Er riss sich los, stieß die Tür auf und sprang aggressiv aus dem Wagen. Das laute Dröhnen, das ihn umgab, machte ihn halb taub.

Er bildete sich ein, Motorräder zu erkennen. Blitzend, funkelnd, brennend und vielleicht auch Feuer speiend brausten sie fortwährend in engen Kurven um den knallgelben SUV Highlander herum.

Und auf den Maschinen ...

Luke traute seinen Augen nicht. Das kann nicht sein, dachte er aufgewühlt. Das ist unmöglich. Was sehe ich denn da? Bin ich übergeschnappt? Deliriere ich? Ich bin doch nicht high. Ich habe vor dem Treffen mit Caro absichtlich nichts genommen, wollte absolut clean sein, wenn ich mit ihr rede. Wie kann ich bleiche Skelette auf großen, schweren Motorrädern sehen? Spielen mir meine Sinne einen Streich?

Mir war, als wäre ich gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Ich riss entsetzt die Augen auf und konnte nicht fassen, was ich sah. Vicky befand sich nicht allein im Schlafzimmer.

Jemand war bei ihr. Ein Wesen aus dem inneren Zirkel der Hölle. Banon, der Wächter der Todeszone. Er stand neben meiner schlafenden Frau und starrte sie mit seinen lidlosen Dämonenaugen hasserfüllt an.

Mir standen die Haare zu Berge. Mein Herz raste. Angst um Vicky schnürte mir die Kehle zu. »Weg!«, krächzte ich. »Weg von meiner Frau, du dreckige Höllenkreatur! Wenn du sie anfasst, vernichte ich dich!«

»Das hast du schon mal versucht, Dämonenhasser«, erwiderte der schlammgraue Koloss höhnisch. »Es ist dir nicht gelungen.«

Mir fiel ein, was Mr. Silver gesagt hatte. Banon war feige gewesen. Er war vor uns geflohen, hatte sich mit seinen schwarzen Geierkrallen wie ein riesiger Maulwurf blitzschnell in den Boden gegraben und war verschwunden.

Mr. Silver hatte gemeint, der Hüter der Todgeweihten würde seiner gerechten Strafe nicht entgehen. Man würde ihn, den Feigling, zur Rechenschaft ziehen, zum Tod verurteilen und aufhängen.

Verdammt, was war da schiefgelaufen? Wieso war es Banon gelungen, die Hölle zu verlassen und hier, in unserem Schlafzimmer, aufzutauchen?

»Weg – von – meiner – Frau!«, befahl ich dem stinkenden Riesen, jedes Wort scharf betonend.

Er grinste voller Hohn und Hass. »Ich werde sie dir nehmen, Tony Ballard. Du liebst sie. Es wird dir das Herz zerreißen, wenn ich sie töte. Das ist eine angemessene Strafe für einen wie dich!«

»Wieso bist du hier? Warum hat man dich nicht aufgehängt? Das macht man doch im Allgemeinen im Reich der Verdammnis mit Versagern.«

»Wenn ich deine Frau töte, wird man mich entsühnen. Dann habe ich nichts mehr zu befürchten. Damit ist meine Schuld dann abgegolten, gestrichen, nicht mehr vorhanden.«

»Du warst verletzt ...«

Er grinste voller Spott und Hohn. »Ich habe mich geheilt.«

Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn. War Vicky noch zu retten? Ein Hieb mit seiner Geierkralle genügte, um sie zu töten. Rote Flammen züngelten zwischen seinen Fingern. Herr im Himmel, wie konnte ich das Schlimmste von meiner schlafenden Frau noch abwenden?

Da waren auf einmal funkelnde, blitzende, klirrende grobgliedrige Ketten. Sie kreisten über böse grinsenden Totenfratzen.

Gehörte das auch noch zu Luke Marrows schrecklicher Horrorvision? Das staubende, brennende, nach Schwefel stinkende Inferno stürzte sich brutal in Lukes Hals.

Ihm war, als müsse er ersticken. Seine Augen brannten und tränten. Er war beinahe blind, hustete bellend, spuckte sandigen Speichel auf den Boden und begann wie verrückt um sich zu schießen.

Ob seine Kugeln trafen, konnte er nicht sehen. Er ballerte das ganze Magazin leer. Als seine Pistole nur noch klickte, schleuderte er sie wütend in das heiße, staubige Nichts. Beinahe im selben Moment schwang eine Kette auf ihn zu. Sie traf seine Brust.