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Melanie lebt glücklich und allein mit ihrer Tochter. Nach der Trennung von ihrer High-School-Liebe Cade hat sie sich ihren größten Traum erfüllt und ein Café eröffnet. Nur noch die Scheidung, dann hat sie die Vergangenheit endgültig hinter sich gelassen! Doch dann steht plötzlich ihr 20-jähriges Klassentreffen ins Haus - und Cade vor ihrer Tür, entschlossen, ihre Ehe zu retten. Mit einem einzigen Blick aus seinen blauen Augen bringt er immer noch ihr Herz zum Rasen. Und Melanie muss sich eingestehen: Er ist attraktiver denn je. Aber soll sie wirklich einen neuen Anfang wagen?
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Seitenzahl: 195
Shirley Jump
Gib dem Glück eine Chance, Melanie
IMPRESSUM
BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2007 by Shirley Kawa-Jump Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1719 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Gudrun Bothe
Fotos: Matton Images
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-288-5
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Würden ihre Finger nicht gerade in cremigem Schokoteig stecken, hätte Melanie Weaver sich auf jeden Fall die Hand vor den Mund gehalten, um es nicht schon wieder zu tun: Ja zu sagen, obwohl sie Nein meinte.
Doch selbst, wenn die Gründe für eine Absage geradezu zwingend waren, entschlüpfte ihr immer wieder dieses fatale Wort mit den zwei Buchstaben.
Möchtest du noch ein Stück von Großmutters Früchtekuchen? Kannst du die Tombola auf dem Wohltätigkeitsball übernehmen? Gefällt dir dieser orangefarbene Pullover?
Sie hasste Früchtekuchen, erstickte fast an den schalen Witzen, mit denen sie den Losverkauf puschen musste, und trug niemals Orange. Trotzdem bedachte ihre Großmutter sie jedes Jahr im Advent mit dem obligatorischen, steinharten Weihnachtsgebäck, von dem sie dann pflichtschuldigst ein Stückchen herunterwürgte und in höchsten Tönen die runzeligen Datteln und trockenen Cherry-Kirschen lobte.
Auf jedem karitativen Event rannte sie den halben Abend mit der Lostrommel unter dem Arm herum, und in ihrem Schrank hingen drei ungetragene orangefarbene Pullover – Geburtstagsgeschenke ihrer Tante Cornelia, die sie irgendwann gründlich missverstanden haben musste.
Es war also zu befürchten, dass Melanie an diesem sonnigen Freitagmorgen durchaus Gefahr lief, sich eine Zusage zum zwanzigjährigen Klassentreffen abringen zu lassen, obwohl ihr Leben ein riesiger Scherbenhaufen war, über den sie mit niemandem diskutieren wollte. Schon gar nicht mit ihren ehemaligen Mitschülern, die Cade und sie noch als „Traumpaar“ in Erinnerung hatten.
Und so kam es dann auch.
„Wie toll, dass wir auf dich zählen können!“, frohlockte Jeannie, eine ehemalige Cheerleaderin so ekstatisch, dass Melanie instinktiv das Handy ein Stück vom Ohr weghielt. „Alle freuen sich wahnsinnig darauf, euch endlich wiederzusehen. Als ich deinen Namen ohne Haken auf der Liste stehen sah, wusste ich gleich, dass deine Anmeldung irgendwie abhanden gekommen sein musste!“
„Wahrscheinlich irgendetwas in der Art …“, murmelte Melanie ergeben.
Sie hatte die Anmeldekarte weder ausgefüllt noch zurückgeschickt, weil sie nicht Gefahr laufen wollte, mit Fragen gelöchert zu werden, warum Cade nicht an ihrer Seite war. Oder, noch schlimmer, Cade dort womöglich mit einer fremden Frau am Arm zu sehen!
Ihre Ehe war am Ende, das hatte Melanie schon lange akzeptiert. Aber hinzunehmen, dass eine andere den Platz ausfüllte, der einmal ihr gehört hatte?
„In einer Woche ist es schon so weit!“, freute sich Jeannie am anderen Ende der Leitung. „Dann sind wir alle endlich wieder vereint. Ist das nicht aufregend?“
„Und wie!“ Melanie bemühte sich, wenigstens eine Spur Enthusiasmus in ihre Stimme zu legen. Natürlich wollte sie ihre alten Freunde wiedersehen und von den Veränderungen in deren Leben hören. Aber der Gedanke, inmitten ehemaliger gemeinsamer Klassenkameraden und dem damit verbundenen Austausch von sehnsüchtigen Erinnerungen an bessere Tage, womöglich auf Cade zu treffen, war unerträglich.
Ihr mühsam aufrechterhaltener Widerstand würde zusammenbrechen, und alle Skrupel wegen der Trennung und ihre uneingestandenen Hoffnungen auf eine zweite Chance würden wieder aufflackern und es ihr unmöglich machen, einen klaren Schlussstrich zu ziehen.
Doch es gab kein Zurück. Sie hatte sich verändert. Inzwischen führte sie erfolgreich einen eigenen Laden und damit auch ein neues Leben. Eines, das Cade nicht länger mit einschloss.
Während Jeannie unverdrossen weiterschwatzte, rollte Melanie mit den Augen, zog die Hände aus dem Teig und drückte mit einem Ellenbogen die Schwingtür zwischen Küche und Café auf.
So früh am Nachmittag war noch nicht viel Betrieb im Cuppa Life. Das wusste auch Cooter Reynolds zu schätzen, der hier täglich in aller Ruhe seinen Caffè Latte genoss, während er sich in die Lawford News vertiefte und mit dem Fuß den Takt der sanften Jazzrhythmen, die im Hintergrund erklangen, auf den Boden klopfte.
Melanie warf einen Blick auf die Uhr über dem Tresen. Eine knappe Stunde blieb ihr, bis die Meute der Collegestudenten das Cuppa Life heimsuchen würde. Hauptsache, Emmie tauchte innerhalb der nächsten fünf Sekunden zu ihrer Dienstagsschicht auf!
Den Teig für die Schoko-Doughnuts hatte Melanie vorsorglich angerührt, in der Hoffnung, ihre Tochter würde jeden Moment auf der Schwelle stehen, um das Backen zu übernehmen. Immerhin war sie seit exakt zwanzig Minuten überfällig. Also, zurück in die Küche, um die klebrige Angelegenheit endlich zu beenden.
„Bist du damals eigentlich gern aufs College gegangen?“, forderte Jeannie, die von ihrem Dauermonolog offenbar genug hatte, erneut Melanies Aufmerksamkeit ein. „Für mich war das jedenfalls nichts. Ich hatte die Schule so satt, als sie endlich vorbei war! Das Letzte, was ich wollte, war, auch noch ein Studium anzuhängen.“ Sie ließ einen dramatischen Seufzer hören, als wäre die Westvale High ein schlimmeres Los gewesen, als im Staatsgefängnis San Quentin einzusitzen.
Während seine Tochter ihm einen Kaffee zubereitete, beobachtete Cade die Frau, von der er einst gedacht hatte, er kenne sie besser als sich selbst. Sie eilte zwischen Espressomaschine und Kuchenbuffet hin und her, begrüßte die Gäste mit Namen, lachte über ihre Scherze und servierte den Kaffee mit beneidenswerter Grazie und freundlicher Zuvorkommenheit.
Wohl zum tausendsten Mal überlegte Cade, wann sie auf ihrem gemeinsamen Weg gestrauchelt und auseinandergedriftet waren. Als Unternehmensanwalt war er darauf spezialisiert, komplizierte und verfilzte Rechtsstreitigkeiten zu entwirren. Warum gelang es ihm nicht, das in seinem eigenen Heim zustande zu bringen?
Er hatte es versucht. Bei Gott, das hatte er wirklich!
Aber Melanies Mauer, die sie irgendwann unbemerkt um sich herum errichtet hatte, war unüberwindbar, zumal sie peinlich darauf achtete, dass sich nicht der winzigste Riss zeigte.
Himmel, wie er sie vermisste! Jeden Morgen wachte er mit dem leeren Platz an seiner Seite in ihrem gemeinsamen Ehebett auf. Gegen den wütenden Schmerz in seiner Brust halfen keine Pillen und Salben.
Den Tag überstand er dank des Berges an Arbeit, den er sich freiwillig aufhalste, noch einigermaßen. Und abends leisteten ihm dann fremde Stimmen und Gesichter aus dem Fernseher Gesellschaft, anstatt Melanie, die ihn über die Geschehnisse des Tages unterrichtete, oder kleine, humorvolle Anekdoten von Emmie zum Besten gab.
Cade nahm an einem der Tische Platz, von wo aus er seine Frau beobachten konnte. Sie war noch genauso schön wie an jenem Tag, als er sie geheiratet hatte. Vielleicht ein wenig fraulicher, mit sanft gerundeten Hüften und vollerer Brust. Ihre herausfordernd weiblichen Kurven hatten ihn in heißen Liebesnächten betört und ihm nach harten Arbeitstagen einen geradezu magischen Trost geboten, den er seit einem Jahr schrecklich vermisste.
Seit ihrer gemeinsamen Schulzeit war Melanie immer für ihn da gewesen. Ohne sie hätte er sich nie bis auf den verantwortungsvollen Posten in der Anwaltskanzlei emporarbeiten können.
Cade tat zwei Löffel Zucker in seinen Kaffee und rührte um.
Bislang hatte er es immer wieder aufgeschoben, die von Melanie unterschriebenen und ihm zugestellten Scheidungspapiere ebenfalls zu unterzeichnen. So konnte er wenigstens in der Hoffnung leben, die traurige Angelegenheit vielleicht doch noch in Ordnung bringen zu können. Eine Einigung mit seiner Noch-Ehefrau zu erzielen, die es ihnen ermöglichte, zu ihrem gewohnten Leben zurückzukehren.
Etwas, das ihm vor Gericht zwischen streitenden Parteien Hunderte von Malen gelungen war.
Wann immer er zu Melanie hinüberschaute, sah er sie lächeln und locker mit ihren Gästen plaudern. Und der schmerzhafte Druck in seiner Brust nahm stetig zu. Die Sehnsucht nach ihr brachte ihn fast um, und dabei handelte es sich keineswegs ausschließlich um sexuelles Verlangen! Es war ein undefinierbares, überwältigendes Gefühl von drohendem Verlust und unstillbarem Hunger nach ihrer Nähe, der in seinem Körper und in seiner Seele brannte.
Am liebsten wäre er einfach zu Melanie hinübergegangen, hätte sie in seine Arme gerissen und das verdammte letzte Jahr mit einem verzehrenden Kuss ausgelöscht. Doch ganz tief drinnen wusste Cade, dass sie den Punkt, wo man ihre Beziehung noch durch einen Kuss hätte retten können, längst überschritten hatten.
„Dad?“
Emmie war unbemerkt an seinen Tisch getreten, und Cade spürte einen feinen Stich. Seine Tochter war ungefähr im gleichen Alter wie Melanie bei deren Geburt, und sie sah ihrer Mutter unglaublich ähnlich. Das gleiche herzförmige Gesicht, dieselben feinen Züge, nur das blonde Haar mit den pinkfarbenen Spitzen trug sie kurz und stachelig wie ein Igel, und die vollen Lippen waren scharlachrot angemalt.
„Setz dich doch an den Tresen. Das ist viel gemütlicher.“
Bevor er protestieren konnte, hatte sie seine Tasse in der Hand und stellte sie an der Bar auf der laminierten Oberfläche ab … keinen halben Meter von Melanie entfernt. Cade und seine Noch-Ehefrau wechselten einen schnellen Blick.
Offensichtlich hatte auch Melanie das Manöver durchschaut und wusste genauso gut wie er, dass Emmie ihre Eltern unbedingt wieder zusammenbringen wollte. Und warum sollte sie das auch nicht versuchen?
Schließlich hatte nicht Emmie die Scheidungspapiere eingereicht, sondern ihnen vielmehr gleich zu Beginn der Trennung klargemacht, wie wenig es ihr passte, zwischen den verschiedenen Wohnsitzen ihrer Eltern hin- und herzuspringen wie ein Pingpongball, wenn es um ein gelegentliches Dinner, ein freies Wochenende oder die Waschmaschinennutzung ging.
Und Cade dachte in diesem Punkt nicht anders als seine Tochter. Bedächtig erhob er sich von seinem Stuhl und schlenderte betont lässig zum Tresen hinüber. „Du hast hier ein nettes Plätzchen geschaffen.“
Zur Hölle! Was war denn mit ihm los? Da sah er seine Frau nach fast einem Jahr zum ersten Mal wieder, und ihm fiel nichts Besseres ein als so ein Schwachsinn?
„Danke“, sagte Melanie und wischte über den Tresen, wo sie zuvor leere Kaffeebecher abgeräumt hatte. Sie schien kurz zu zögern, dann verschwand sie mit dem Lappen in der Hand in der Küche. Dort feuerte sie das Tuch mit einer heftigen Bewegung in die Spüle, wusch sich die Hände und schnappte sich das letzte Tablett mit Schoko-Doughnuts.
Wieder zurück im Gastraum, arrangierte sie das Gebäck mit der gleichen Sorgfalt und Anmut in der gläsernen Vitrine, wie sie es früher bei ihnen zu Hause mit den Kissen auf der Wohnzimmercouch gemacht hatte.
„Wird das Café gut besucht? Soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, ist der Laden ungefähr so gefragt wie Santa Claus zu Weihnachten.“
Melanie lachte. „Ich muss zugeben, es läuft alles besser als erwartet.“
Cade kannte sie gut genug, um einen Unterton herauszuhören, der ihn an ihre letzten, bitteren Auseinandersetzungen erinnerte. Doch er war inzwischen klug und vorsichtig genug, nicht in die Falle zu tappen. „Das freut mich für dich, Melanie …“
Plötzlich spürte er ziemlich schmerzhaft den spitzen Ellenbogen seiner Tochter zwischen den Rippen. „Nun sag doch was, Dad!“, drängte Emmie ihn mit gedämpfter Stimme. Cade hob die Hände in einer hilflosen Geste und schaute Emmie flehend an, was ihm nur einen sprechenden Blick einbrachte, der das Gleiche besagte: Tu endlich was!
Ja, er war ein Erwachsener und ihr Vater, und deshalb wurde von ihm erwartet, dass er auf alles eine Antwort hatte. Und so war es eigentlich auch. Außer in diesem Fall.
Unruhig rutschte Cade auf dem Barstuhl hin und her. „Wirst du dir das Haar toupieren und für Freitagabend das alte T-Shirt vom Kiss-Konzert wieder ausgraben?“, fragte er Melanie schließlich.
Unwillkürlich musste diese lachen. „Du lieber Himmel! Das ist ja Ewigkeiten her! Ich glaube nicht, dass ich das überhaupt noch habe.“
„Oh doch, im Kleiderschrank, unterstes Fach rechts.“ Cade wusste es genau, weil er zufällig auf Gene Simmons’ abgetragenes Konterfei gestoßen war, als er nach Melanies Auszug etwas im Schlafzimmerschrank gesucht hatte. Für einen magischen Moment hatte er sich zurückversetzt gefühlt … in die dreißigste Reihe, wo er mit Melanie wie verrückt herumgerockt und während einer Ballade brennende Feuerzeuge hochgehalten und mitgesungen hatte, bis ihre Stimmen versagten.
„Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen Abend“, murmelte sie leise, dann schüttelte sie den Kopf und widmete sich wieder ihren Doughnuts. „Aber egal … ich habe nämlich gar nicht vor, zu diesem Klassentreffen zu gehen.“
„Hast du Jeannie nicht eben noch am Telefon versprochen zu kommen?“, fragte Cade irritiert. „Tut mir leid, ich wollte nicht lauschen, aber ihre Stimme ist so durchdringend wie ein Nebelhorn.“
„Ich habe nur Ja gesagt, weil …“
„Um sie von der Pelle zu haben?“ Cade lachte verständnisvoll und fühlte sich plötzlich eingehüllt von dem vertrauten Gefühl, Sätze gar nicht zu Ende sprechen oder hören zu müssen, um sich zu verstehen.
So war es immer zwischen ihnen gewesen. Zumindest bis vor einem Jahr …
„Ich kenne das Gefühl nur zu gut, und zwar deshalb, weil sie mich vor dir anrief, und ich ebenfalls zugesagt habe“, fügte er verschmitzt hinzu.
Emmie verschwand im Hintergrund des Cafés, und sobald sie außer Hörweite war, beugte sich Melanie über den Tresen und schaute Cade offen an. „Warum hast du Jeannie in dem Glauben gelassen, wir seien immer noch zusammen?“
„Weil ich fest daran glaube, dass es noch eine Chance für uns gibt“, entgegnete er ruhig. „Neunzehn gemeinsame Jahre tut man nicht einfach aus einer Laune heraus ab.“
„Eine Laune nennst du das?“ Melanie schüttelte fassungslos den Kopf und senkte ihre Stimme. „Was mich betrifft, war es die härteste Entscheidung, die ich je getroffen habe.“
Bei dem Gedanken, wie schnell sie bereit gewesen war zu gehen, machte sich ein dumpfer Schmerz in seiner Brust breit. „Das bezweifle ich.“
Melanie stieß einen frustrierten Laut aus und hätte am liebsten mit der flachen Hand auf den Tresen geschlagen, um sich Luft zu machen. „Unterschreib endlich die Papiere, Cade! Es ist vorbei.“
„Nein.“ Er glitt von dem hohen Hocker herunter und kam um den Tresen herum. „Nein, und jetzt ist endgültig Schluss mit diesem Herumschleichen um den heißen Brei. Ich dachte, du würdest nur eine gewisse Auszeit brauchen, um wieder zu dir zurückzufinden, doch offensichtlich habe ich mich getäuscht. Aber so leicht lasse ich mich nicht abwimmeln, Mel. Ich will Antworten. Ich suche nach einer Lösung für unser Problem …“
Mit jedem Wort war er näher an sie herangerückt, und jetzt stand er so dicht vor ihr, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. „Sag mir, was ich falsch gemacht habe, damit ich es ändern kann.“
Melanie trat einen Schritt zur Seite. „Unsere Ehe ist keine Uhr, die einfach stehen geblieben ist, und in der man nur ein Zahnrad austauschen muss, damit sie wieder so gut wie neu ist und weiterläuft, Cade.“
„Und wie sieht deine Lösung aus? Einfach das alte Uhrenmodell wegwerfen und durch ein neues ersetzen?“
„Deshalb bin ich nicht gegangen, das weißt du genau.“ Melanie holte unter dem Tresen Glasreiniger und ein weißes Baumwolltuch hervor. Dann sprühte sie die Scheibe der Kuchenvitrine an und begann verbissen, die Glasfläche auf Hochglanz zu polieren.
Im Hintergrund hörte man das leise Schnarchen des alten Mannes, der auf dem Plüschsofa eingeschlafen war. Mit jedem Atemzug hob und senkte sich die Zeitung, die aufgeschlagen über seiner Brust lag.
„Wir haben beide Fehler gemacht“, sagte Melanie gepresst. „Warum kannst du es nicht einfach dabei belassen?“
„Weil ich dich immer noch liebe …“ Es bedeutete eine große Überwindung und schmerzte ihn regelrecht, die Worte auszusprechen, die so lange in seinem Herzen verschlossen gewesen waren, genährt von einer Hoffnung, die mit jedem Tag schwächer wurde.
Wieder schüttelte Melanie abwehrend den Kopf, aber er sah Tränen in ihren Augen schimmern. „Du kennst mich ja nicht einmal …“, flüsterte sie kaum hörbar.
Es wäre anders, wenn du mir nur die Chance dazu gegeben hättest, wollte er am liebsten laut herausschreien. Lass es mich noch einmal versuchen. Zieh mir nicht den einzigen Grund weg, auf dem ich jemals fest gestanden habe.
Doch bevor er auch nur ein Wort herausbrachte, läutete die Türglocke, und eine junge Frau im Businesskostüm betrat das Café und ging zum Tresen hinüber. Wie von Zauberhand tauchte Emmie aus dem Hintergrund auf, um sie zu begrüßen und nach ihren Wünschen zu fragen. Doch Cade merkte sehr wohl, dass seine Tochter mit halbem Ohr verfolgte, was zwischen ihren Eltern vor sich ging.
Melanie wienerte immer noch die Glasvitrine, als ginge es um ihr Leben, und als sie die linke Hand hob, um erneut etwas von dem Reiniger aufzusprühen, weckte ein kurzes Aufblitzen Cades Interesse.
Ihr Ehering! Das schmale goldene Band, das er ihr vor knapp zwanzig Jahren vor dem Standesbeamten an den Finger gesteckt hatte. Es war immer noch dort.
Eine warme Welle frischer Hoffnung wallte in ihm auf, doch er drängte sie zurück. Denn im Grunde seines Herzens war er ein Pragmatiker. Selbst wenn Melanie ihren Ehering noch nicht abgelegt hatte, benutzte sie inzwischen wieder ihren Mädchennamen und hatte seit einem Jahr nicht mehr im gemeinsamen Ehebett geschlafen. So gesehen gab es keinen Grund zur Euphorie.
Trotzdem … ganz tief in seinem Innern hoffte Cade auf ein Wunder.
„Also … wie lautet dein Vorschlag?“ Melanies nüchterne Stimme riss Cade ziemlich unsanft aus seinen Tagträumen.
Er fasste sich kurz und schaute ihr dabei fest in die Augen. „Wenn du mit mir verheiratet bleibst … nur für eine Weile, kannst du sehr viel leichter an den Kredit kommen.“
Melanie wich förmlich vor ihm zurück. „Nein! Ich möchte es allein schaffen. Ohne deine Hilfe oder Geld von deiner Familie.“
Vor achtzehn Monaten hatten sie beide genau hier, in diesen Räumlichkeiten, gestanden, und Cade hatte sich zweifelnd die staubigen Antiquitäten und den heruntergekommenen Laden angeschaut. Damals sah er keinerlei Potenzial, sondern nur lange Reihen roter Zahlen vor seinem inneren Auge.
Trotzdem bot er Melanie seine Unterstützung in geschäftlichen Fragen an und sogar etwas von dem Geld seines Großvaters, das nur nutzlos auf einem Bankkonto lag. Doch sie hatte beides abgelehnt.