Glasperlenreihe - Gina Hofmann - E-Book

Glasperlenreihe E-Book

Gina Hofmann

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Beschreibung

Eileen wächst mit Energien und Kräften auf, von denen andere Menschen nur träumen können. Allerdings bringt ihre Gabe auch negative Begleiterscheinungen mit sich und sie begreift nicht, wie sie diese kontrollieren soll. Von ihren Eltern im Stich gelassen, unterstützen sie ihre Grandmas und bringen Eileen bei, wie sie ihre besonderen Fähigkeiten beherrschen und zum Positiven einsetzen kann. Als Erwachsene steht sie hingegen wieder alleine da und erst jetzt zeigt sich, wozu sie wirklich fähig ist. Als der CEO eines renommierten Flugambulanz-Unternehmens in New York ihr Talent aus nächster Nähe beobachtet, erfährt Eileens Leben eine überraschende Wende. Nun muss sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und entscheiden, welches Leben sie führen will …

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Seitenzahl: 369

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 3

1 - Eileen 4

2 - Der Flug 10

3 - Das Gespräch 19

4 - Die Entscheidung 26

5 - Abschied und Neuanfang 32

6 - Die Wohnung 41

7 - Erste Schritte 49

8 - Routine 55

9 - Jason 66

10 - Die Rutherfords 74

11 - Nachwehen 85

12 - Das Bohemian 90

13 - Mina und ihr Happy Place 98

14 - Unterricht 106

15 - Feiertag 111

16 - Die Musik der Natur 117

17 - Antworten 124

18 - Alltag 130

19 - Alptraum 135

20 - Hochbetrieb 143

21 - Verzweiflung 153

22 - Familienbande 160

23 - Pures Glück 171

24 - Herausforderungen 178

25 - Erfolge 185

26 - Vorahnung 190

27 - Böse Taten 197

28 - Krankenhausaufenthalt 208

29 - Pressekonferenz 220

30 - Epilog 232

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-116-5

ISBN e-book: 978-3-99130-117-2

Lektorat: Lucas Drebenstedt

Umschlagfoto: Maksim Shmeljov, Sergey Ishkov, Oleksandr Panchenko, Nicoleta Ionescu | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

1 - Eileen

Lachend lief Eileen mit einem Eichhörnchen barfuß über die Blumenwiese um die Wette. Das zierliche Tierchen war flink und gewitzt, versuchte sie Haken schlagend und immer wieder auf Bäume kletternd abzuhängen. Doch Eileen folgte ihm lachend und genoss den warmen Boden unter ihren Füßen, den lauen Wind, der sanft über ihren Körper strich, und das lebhafte Zwitschern der Vögel. Mit jedem Schritt tankte sie Energie und Wohlbefinden, sie war glücklich. Doch irgendetwas störte plötzlich die Idylle. Ein tiefes Brummen, das kam und ging. Immer lauter wurde es und langsam aber sicher verschwanden der blaue Himmel, das grüne Gras und ihr kleiner, tierischer Freund.

Eileen drehte sich im Bett um und griff tastend nach ihrem Handy, das auf dem Nachttisch sehr vehement und unnachgiebig vibrierte. Nach einigen Versuchen gelang es ihr, das Teufelsding zu besänftigen. Verwirrt öffnete sie die Augen, alles war dunkel und sie wusste nicht, wo sie sich befand, welcher Tag und welche Uhrzeit waren. Langsam klärte sich ihr Verstand, Havanna, ja, sie war in Havanna in einem Hotel und es war höchste Zeit, aufzustehen und den Tag zu begrüßen. Sie schwang die Beine aus dem Bett und zog die Vorhänge auf. Gerade konnte man das erste Morgengrauen wahrnehmen. Schnell ging sie auf die Toilette und zog sich ihre Laufklamotten an. Es gab nichts Schöneres für sie, als bei Sonnenaufgang zu joggen. Sie war schon in sehr vielen Städten dieser Erde gelaufen, das brachte ihr Beruf als Flugbegleiterin so mit sich und es gehörte zu ihrem Ritual, noch eine Stunde früher als nötig aufzustehen, um ihrem Hobby zu frönen.

Auch an diesem Tag war das nicht anders. Kurz darauf verließ sie das Hotel und machte sich auf den Weg zur Uferpromenade, wo sie eine halbe Stunde laufen wollte. Langsam erhob sich die Sonne über dem Meer. Mit einem unglaublichen Farbspektakel schob sie sich Zentimeter für Zentimeter in den Himmel. Was für ein erhebendes und unbegreiflich schönes Naturschauspiel. Tief in ihrem Inneren konnte Eileen die ungeheure Energie spüren, die von der Sonne ausging. Sie nahm sie auf und fühlte, wie sie in jede ihrer Zellen eindrang, sie belebte und ihr gesamtes Sein einnahm. Dieses Gefühl war unbeschreiblich und begleitete sie den ganzen Tag lang, egal wie schwierig der Job war oder was ihr sonst noch in die Quere kam. Ihre Kollegen nannten sie deswegen liebevoll „Sonnenscheinchen“ und damit konnte sie hervorragend leben.

Wieder zurück im Hotel ging sie unter die Dusche, zog sich ihre Uniform an und packte schnell ihren Koffer, aus dem sie sicher die Hälfte des Jahres lebte. Sie liebte ihren Beruf, den sie nun schon seit vier Jahren ausübte. Mit Menschen zu arbeiten, sie zu umsorgen, zu beruhigen und mit allen Kulturen dieser Welt Kontakt zu haben, erfüllte sie mit Freude. Eigentlich hatte sie nach dem College ein Medizinstudium begonnen, doch bald festgestellt, dass dies nicht ihr Weg ist. Es hatte sich einfach nicht richtig angefühlt, und Eileen traf alle ihre Entscheidungen nach ihrem Bauchgefühl. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Also hatte sie das Studium nach zwei Semestern beendet, aber eine Sanitäterausbildung abgeschlossen und anschließend für einige Zeit in einem Pflegeheim gejobbt. Die Bewohner hatten sie sehr schnell ins Herz geschlossen und eines Tages hatte ein äußerst liebenswürdiger Herr zu ihr gesagt: „Meine Liebe, so ein junges, hübsches Ding wie Sie sollte nicht den ganzen Tag mit alten, nörgelnden Menschen zu tun haben. Sie gehören hinaus in die weite Welt. Ich finde Sie sehen aus wie eine Stewardess oder wie das heutzutage heißt.“

Tja, und diese Idee hatte sie nicht mehr losgelassen. Wie immer, wenn es etwas Wichtiges zu entscheiden gab, hatte sie einen langen Spaziergang in ihrem Lieblingspark gemacht. Barfuß, denn sie wollte, nein, sie musste einfach das Gras unter ihren Fußsohlen spüren. Eileen hatte ihre Umwelt immer schon anders wahrgenommen als ihre Mitmenschen. Für sie war es wichtig, alles zu erfühlen, Blumen, Erde, Tiere, Bäume und alles, was ihr unterkam. Durch dieses „Fühlen“ konnte Eileen ihre Umgebung verstehen, fast so, als spreche die Natur mit ihr. Sie konnte Stimmungen von Pflanzen, Tieren und Menschen wahrnehmen, Energien aufsaugen, aber auch verteilen. Was sie in der Schule eher zu einer Außenseiterin gemacht hatte. Nur wenige hatten mit ihrer Art umgehen können. Von den meisten wurde sie für einen Freak gehalten, ähnlich wie Doktor Doolittle.

Auch ihren Eltern hatte es große Probleme bereitet, ihre Tochter so zu akzeptieren, besonders ihrer Mutter. Das hatte ihr sehr weh getan und doch spürte sie die Hilflosigkeit ihrer Mum, sobald sie diese berührte, was den Schmerz etwas linderte. Anders waren die Dinge hingegen bei ihren Großmüttern gelegen. Die hatten etwas Besonderes in ihr gesehen, vor allem Grandma Cathleen, ihre Oma mütterlicherseits. Von ihr hatte Eileen auch teilweise ihr Aussehen geerbt. Eine schlanke Figur, grüne, sehr ausdrucksstarke Augen und hohe Wangenknochen, nur die roten Haare hatten sich nicht ganz durchgesetzt, ihre waren rotbraun. Ja, sie konnte ihre irische Abstammung nicht verbergen. Großmutter Cathleen hatte dieselbe Begabung besessen, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt. Sie war Eileens Fels in der Brandung gewesen, hatte ihr geholfen ihre Einzigartigkeit zu verstehen, sie wegen ihrer Einsamkeit getröstet und sie motiviert ihre Kräfte zu erforschen und positiv zu nutzen. Grandma Mary war im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern aus Österreich geflohen, nachdem Hitler das Land besetzt hatte. Sie war die Güte in Person gewesen und hatte nach dem Leitsatz „Probleme sind da, um gelöst zu werden!“ gelebt.

Nachdem beide Frauen ihre Ehemänner früh verloren, sich ausgezeichnet verstanden und ergänzt hatten, bildeten sie eine Wohngemeinschaft. Gemeinsam hatten sie es sich zur Aufgabe gemacht, Eileen unter ihre Fittiche zu nehmen und ihr ein Zuhause zu geben, in dem sie sich geliebt und geborgen gefühlt hatte. Das war ihren Eltern, die beide als Archäologen oft Monate lang im Ausland arbeiteten, sehr entgegengekommen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Bei ihren Großmüttern war Eileen sehr behütet aufgewachsen und zu einer starken, selbstständigen, jungen Frau geworden. Dank Grandma Cathleen hatte sie gelernt, sich ihren Mitmenschen gegenüber zu öffnen und positive Energien fließen zu lassen, ohne ihre besonderen Fähigkeiten preiszugeben. Seither klappte die zwischenmenschliche Interaktion gut. Sie hatte es geschafft, Freunde zu gewinnen, und die Liebe kennen gelernt, wenn sich auch noch keine langfristige Beziehung ergeben hatte.

Tief in ihre Gedanken versunken war Eileen durch den Park geschlendert und hatte sich eine Entscheidungshilfe für den nächsten Schritt in ihrem Leben gewünscht. Ein jäher Schmerz in ihrem rechten Fuß hatte sie ausgebremst: „Au, verdammt, was soll das denn?“ Da war sie doch tatsächlich gegen einen Zeitungsständer gerannt. Sie hatte sich gebückt, um den Schaden zu begutachten, und sich selbst ein blindes Huhn gescholten. Mitten in der Bewegung war ihr Blick auf der Zeitung hängen geblieben und sie hatte beschlossen, ein Exemplar zu erstehen. Als sie das gute Stück vom Ständer genommen hatte, war ihr die Zahl 32 durch den Kopf gegangen und sie hatte ihrem Instinkt folgend diese Seite aufgeschlagen. Ihre Finger hatten zu kribbeln begonnen und das Herz hatte ihr bis zum Hals geschlagen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass gerade jetzt etwas Besonders vor sich ging. Sie war bei den Inseraten gelandet. Schnell hatten ihre Augen die Seite überflogen und die Anzeige einer Fluggesellschaft gefunden, die dringend Personal jeglicher Art suchte. Wie immer, wenn das Schicksal für sie die Weichen stellte, waren ihre Knie ganz weich geworden und nach einigen tiefen Atemzügen war die Entscheidung gefallen, sie würde sich dort bewerben und sehen, was es bringt.

Sie hatte eine der Stellen bekommen und nun war sie hier in Havanna auf dem Weg in den Frühstücksraum, wo sie ihre Kollegen größtenteils schon erwarteten. Tracy, eine blondes, quirliges Persönchen und mittlerweile eine gute Freundin, winkte ihr zu und deutete auf einen Tisch, den sie wohl reserviert hatte. Sie war eine der wenigen Menschen, die von Eileens Gabe wussten und gut damit umgehen konnte. „Guten Morgen, Sonnenscheinchen“, eilte sie auf Eileen zu und umarmte sie stürmisch. Dann schaute sie ihr tief in die Augen, schob sie ein Stück von sich weg und sagte theatralisch: „Du meine Güte, falls das überhaupt noch möglich ist, dann strahlst du heute noch mehr als sonst. Hattest wohl eine aufregende Nacht!“ Verschwörerisch blinzelte sie ihrer Freundin zu. Eileen stieß ihr spielerisch den Ellbogen gegen die Rippen: „Ich heiße ja nicht Tracy und werfe mich jedem Kerl an den Hals, der mich nett anlächelt.“ Das brachte ihr nur ein Schulterzucken von Tracy ein, die sich gerade einen Teller schnappte und auf das Frühstücksbuffet zustürmte: „Selber schuld, du weißt ja nicht, was du da versäumst. Nun sag schon, was ist denn los?“ „Weiß nicht genau, es kommt mir so vor, als ob das heute ein besonderer Tag wird.“ – „Ein besonderer Tag, wie heute lerne ich den Mann meines Leben kennen oder heute gewinne ich im Lotto?“ Eileen wollte etwas entgegnen, aber Tracy kam ihr zuvor: „Ist ja auch egal, komm, los, Essen fassen, die Zeit drängt und ich hab mächtig Kohldampf.“ Eileen schmunzelte vor sich hin, sie liebte diesen etwas chaotischen Zug an ihrer Freundin.

Kurz danach versammelte sich die Crew vor dem Hotel, wo bereits ein Flughafentaxi auf sie wartete. Allerdings waren sie noch nicht vollständig: „Wo ist denn Frank, der Pilot der Stunde?“, wollte Eileen wissen. „Du kennst ihn doch, einen schlimmeren Morgenmuffel als ihn gibt es nicht“, gab Tracy zurück. In dem Augenblick kam er aus dem Hotel geschlendert, als koste ihn jeder Schritt seine letzten Kräfte. Einen Coffee-to-go in der Hand, die Sonnenbrille auf und mit nach unten hängenden Mundwinkeln stieg er in das Auto und ließ sich neben Eileen in den Sitz fallen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz unter den Kollegen, Frank morgens niemals anzusprechen, wenn es nicht von äußerster Wichtigkeit war. Seine darauf folgenden Schimpftiraden waren berüchtigt und wer ihn nicht besser kannte, hätte wohl das Weite gesucht. Ebenso wurde ihm im Auto immer der Platz neben Eileen freigehalten, die in auf ihre ganz besondere Weise fit für den Arbeitstag machte. Also startete der Wagen und machte sich durch den irrwitzigen Verkehr in Havanna auf den Weg zum Flughafen. Was gut und gerne eine Stunde oder mehr dauern konnte und sie deswegen noch früher los mussten. Frank zog seine Kappe über die Augen und brummte: „Weckt mich, wenn wir beim Flughafen ankommen.“ Alle Augen richteten sich auf Eileen und sie reckte zwinkernd den Daumen hoch, was allen Anwesenden ein Schmunzeln entlockte.

Bald konnte Eileen Franks gleichmäßige Atemzüge vernehmen und sie passte sich seiner Atmung an. Sie öffnete all ihre Kanäle, sammelte Energien und bündelte sie. Als der Flughafen in Sichtweite war, legte sie ihre Fingerspitzen auf Franks linke Hand und ließ die Energien fließen. Sanfte Vibrationen glitten durch ihren Körper, fanden ihren Weg über ihren Arm und ihre Finger auf seine Haut. So konnte sie Kontakt mit seinem Körper aufnehmen und ein Seufzen seinerseits zeigte ihr, dass sie zu ihm durchgedrungen war. Seine tiefe Entspannung sprang auf sie über und sie begegnete ihr mit Freude. Langsam steigerte sie ihre und damit auch Franks Herzfrequenz und sendete ihm positive Energien. Sie dachte an den wunderschönen Sonnenaufgang, spürte förmlich, wie ihre Beine beim Joggen über den Asphalt flogen, ihr Herz gegen den Brustkorb hämmerte und das Gefühl von unbändiger Freiheit. Ihre Behandlung zeigte Wirkung. Frank begann sich zu regen, gähnte herzhaft, schob seine Kappe höher und blinzelte mit wachen Augen in die Runde, genau als der Wagen vor dem Flughafen stehen blieb. Eileen nahm ihre Finger von seiner Hand und atmete tief durch. Es kostete sie Kraft, mit anderen Menschen oder auch Tieren direkt in Kontakt zu treten. Dank ihres langen, intensiven Trainings mit Grandma Cathleen, inklusive so manchen „Unfällen“, hatte sie gelernt ihre Defizite wieder zu kompensieren. Durch gezielte Atemtechnik, ähnlich autogenem Training, gelang es ihr, sich sehr schnell wieder zu regenerieren, sofern sie es nicht ausufern ließ. Frank sah sie von der Seite lächelnd an, drückte ihr, wie jedes Mal, einen sanften Kuss auf die Wange und sagte: „Danke, Sonnenscheinchen. Nun denn, meine Lieben, lasst uns den Vogel in die Luft bringen!“ – „Und ihn der Sonne entgegenfliegen!“, antworteten alle lachend. Es war ihr Schlachtruf, wenn sie in dieser Konstellation miteinander flogen.

2 - Der Flug

An diesem Tag flogen sie von Havanna zurück nach Charlotte, North Carolina, ihrem Heimatflughafen. Tracy war diesmal in der First Class eingeteilt und Eileen in der Economy Class. Das machte ihr nichts aus, für sie waren alle Passagiere gleich. Es gab welche mit Flugangst, ständig nörgelnde, denen man nichts recht machen konnte, und freundliche, problemlose, mit denen man gerne länger Gelegenheit hätte zu plaudern, quengelnde Kinder mit überforderten, der Verzweiflung nahen Eltern, widerspenstige Teenager und noch viele andere. Der Kontostand spielte dabei keine Rolle. Im Gegenteil, Passagiere der First Class waren des Öfteren noch viel anstrengender, sie bezahlten viel und erwarteten einen dementsprechenden Service. Geduld war für die Meisten ein Fremdwort. Aber Tracy konnte gut mit ihnen umgehen und nahm so einiges in Kauf, glaubte sie doch fest daran, hier einmal ihrem Märchenprinzen zu begegnen.

Alles lief routinemäßig, das Boarding mit anschließender, mehr oder weniger erfolgreicher, Sitzplatzsuche und den damit verbundenen Querelen hatten sie heute gut überstanden. Das Handgepäck war verstaut, die Passagiere angeschnallt und die Startbahn vom Tower freigegeben worden. Das Flugzeug beschleunigte und erhob sich elegant gen Himmel. Für Eileen war es immer noch ein erhebendes Gefühl, der Schwerkraft zu trotzen und die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten zu können. Als sie ihre Flughöhe erreicht hatten, begann sie mit ihren Kollegen, die Passagiere mit Getränken zu versorgen, tröstete im Vorbeigehen Babys, beschenkte Kinder mit Malsets und aufblasbaren Flugzeugen und hatte für jeden Fluggast ein Lächeln übrig. Sie war in ihrem Element und diese gute Laune übertrug sich auf so manchen Gast. Gerade schob sie den Servierwagen zurück zur Bordküche, als Tracy, sich durch den Gang kämpfend, auf sie zukam. Ihr Gesicht wies hektische rote Flecken auf und Eileen konnte ihre Hauptschlagader am Hals pochen sehen, kurzum, sie war knapp vor dem Explodieren.

Eileen zog ihre Augenbrauen hoch, während sie ihrer Freundin zusah, wie sie ihr entgegenpreschte: „Das ist nicht gut, nein, gar nicht gut!“, dachte sie sich. „Was ist …“, weiter kam Eileen nicht. Tracy packte sie am Arm und flehte förmlich: „Eileen, du musst mitkommen. Irgend so ein Spaßvogel hat sich doch tatsächlich eine Zigarre in der First Class angezündet! Da vorne ist die Hölle los, die feinen Damen kreischen hysterisch herum und die Männer wollen ihm eine verpassen. Ehrlich, ich habe Angst, sie lynchen ihn noch. Alles Zureden hilft nichts, er lächelt nur leise vor sich hin und genießt dieses Luft verpestende Teufelszeug auch noch. Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank.“ Damit schleifte sie ihre Freundin auch schon hinter sich her, bevor diese noch irgendwie reagieren konnte. „Du bist die Einzige, die das in den Griff bekommt, Zeit für dein Voodoo-Dings!“ So bezeichnete Tracy Eileens besondere Art, mit Anderen umzugehen. Mit einem Augenaufschlag, der jeden Dackel neidisch machen könnte, blickte sie Eileen an und zog sie weiter mit sich. „Na gut, ich sehe mal, was ich tun kann“, gab Eileen gepresst von sich, es blieb ihr ja auch gar nichts anderes übrig.

Als sie beim Durchgang zur First Class ankamen, konnte sie schon die lautstarke Diskussion wahrnehmen, die dort in Gange war. Die Stimmung war sichtlich aufgeladen, Aggressionen und zum Zerreißen gespannte Nerven sprangen Eileen förmlich an. Sie seufzte laut, sprach sich in Gedanken selbst Mut zu und betrat die Höhle des Löwen. Tracy klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Du machst das schon, ich bin direkt hinter dir!“ Eileen schenkte ihr einen vernichtenden Blick und schritt entschlossen auf den Übeltäter zu. Steven, einer ihrer Kollegen, stand gestikulierend vor ihm und versuchte den Mann wohl schon zum wiederholten Male zur Vernunft zu bringen. Allerdings gingen seine Erklärungen in den Unmutsäußerungen der anderen Passagiere fast unter. Sie vernahm einzelne Wortfetzen wie: die Airline verklagen, die Zigarre ins Maul stopfen und Ähnliches. Ich möchte mein Geld zurück, war noch eine der netteren Reaktionen. Eileen trat an Steven heran, tippte ihm leicht auf den Arm, damit er sie wahrnahm. Er sah sie resigniert an und war sichtlich erfreut, sich aus dem Staub machen zu können. Beim Weggehen drückte er ihr noch ein leeres Whiskyglas in die Hand, das offensichtlich als provisorischer Aschenbecher diente. „Viel Glück“, raunte er ihr ins Ohr, als er erleichtert das Weite suchte.

Eileen betrachtete stumm den Passagier. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig mit auffällig blonden Haaren und sehr gepflegten Händen – ein Geschäftsmann durch und durch. Er hatte seine Augen geschlossen und paffte in aller Seelenruhe seine Zigarre, während ein Schmunzeln seine Lippen umspielte, als ob das hier das Normalste der Welt wäre. Die empörten Reaktionen der anderen Fluggäste prallten an ihm ab, ja, er schien sie nicht einmal richtig wahrzunehmen. Zuerst musste Eileen für Ruhe sorgen, so konnte sie keinen Kontakt mit ihm herstellen. Sie straffte ihre Schultern, sammelte sich und begann mit ruhiger, aber keinen Widerspruch duldender Stimme zu sprechen: „Ladies und Gentlemen, ich bitte sie um Ruhe!“ Nacheinander blickte sie allen Beteiligten eindringlich in die Augen. Ihr ganzer Körper strahlte Autorität aus und ihre stechend grünen Augen, die sie kurz auf jedem ruhen ließ, verliehen ihr eine gewisse Gefährlichkeit. Das zeigte Wirkung, denn ein Passagier nach dem anderen verstummte. Augenblicklich berührte der Zigarrenrauch ihre Sinne. Eileen roch Erde, holzige Noten von der Tabakpflanze und fühlte sogar noch die Energie der Sonne in ihr wirken. Gut so, jetzt war sie bereit für den nächsten Schritt.

Die plötzliche Stille veranlasste auch den Mann, seine Augen zu öffnen. Etwas belustigt musterte er sie: „Ah, aller guten Dinge sind drei. Sie können sich ihre Belehrungen sparen, Lady. Fast zwei Jahre habe ich praktisch Tag und Nacht an diesem Projekt gearbeitet und gerade eben erfahren, das der Deal geklappt hat. Das muss man doch feiern und bei diesen Preisen hier sollte dieser kleine Luxus auch noch drinnen sein.“ Sehr interessant, er hat es gerade eben erfahren? Auch darauf musste sie später noch eingehen. „Sie haben vollkommen Recht, Sir“, entgegnete sie ihm schmunzelnd. Ihre Kollegen hatten ihn bestimmt schon über Sicherheitsvorschriften und die potenziellen Gefahren genauestens informiert. Diese Litanei ein weiteres Mal zu wiederholen, wäre bestimmt vergebens gewesen. „Jetzt gibt sie ihm auch noch Recht!“, empörte sich eine Dame in der nächsten Reihe. Eileen ignorierte den Einwand und verlor sich im Grau der Augen des Rauchers, der sie überrascht anstarrte und in seinem Tun innehielt. „Natürlich gehören besondere Ereignisse auch gebührend gefeiert“, ihr Lächeln verstärkte sich und wie zufällig legte Eileen ihre Hand auf seinen Unterarm.

Glücksgefühle, Freude und Stolz durchfluteten ihren Körper, die Verbindung war hergestellt. „Ich freue mich sehr für Sie, allerdings tut es mir sehr leid für ihre Zigarre, die von ausgezeichneter Qualität zu sein scheint.“ „Es tut ihnen leid für meine … Zigarre?“, stammelte der Passagier verwirrt. Eileen nahm noch einen langen Atemzug und sog den Duft tief ein. Sie öffnete sich und ohne den Augenkontakt abzubrechen offenbarte sie dem Mann ihre Gefühle: „Natürlich, Sir. Bedenken Sie nur, wie viel Zeit so eine Tabakpflanze braucht zu wachsen, wie viel Sonnenlicht und Regen sie benötigt. Ganz abgesehen von der liebevollen Pflege der Bauern, die sie beobachten, vor Schädlingen schützen und genau den richtigen Zeitpunkt erkennen, um die Blätter zu ernten. Und die Arbeiter in den Fabriken, die in mühevoller Handarbeit die Zigarren drehen, sie vorsichtig verpacken und darauf achten, dass sie bei der richtigen Temperatur und Luftfeuchtigkeit gelagert und transportiert werden. So viele Mühe und Hingabe, damit sie eine Zigarre von dieser Qualität in den Händen halten und genießen dürfen. Allerdings sollte das auch in einer Umgebung geschehen, die ihrer würdig ist. Im Kreise ihrer Familie, die Sie die letzten Monate sicherlich oft entbehren mussten, und ihrer Freunde, von denen Sie so manche bestimmt schon länger nicht mehr gesehen haben. Das ist der richtige Rahmen für so ein edles Produkt.“

Die Augen des Mannes hatten einen verklärten Ausdruck angenommen und Eileen wusste, das auch er die Tabakfelder, in denen sich die Pflanzen im Wind wiegten und die Wassertröpfchen auf den Blättern in der Sonne funkelten, genauso wahrgenommen hatte wie sie. Sie verstummte, nahm ihre Hand weg und langsam klarten die Augen ihres Gegenübers auf. Für eine gefühlte Ewigkeit blickte er sie eingehend an. Dann zog er die Augenbrauen zusammen, seufzte und drückte die Zigarre im Whiskyglas aus, was ein erleichtertes Aufatmen unter den anderen Passagieren zur Folge hatte. „Vielen Dank, Sir“, lächelte Eileen ihn freudig an und hielt ihm dann den provisorischen Aschenbecher. Während er die Zigarre umständlich verpackte und verstaute, flüsterte der Mann etwas in einer anderen Sprache: „Von allen Flugbegleiterinnen der Welt muss ausgerechnet ich die grünäugige Hexe erwischen. Wahrscheinlich die Einzige, die es überhaupt gibt. Es ist doch nicht zu fassen!“ Doch Eileen verstand sehr genau. Ein Hoch auf Grandma Mary, die sich trotz des vehementen Widerstands ihrer Eltern durchgesetzt und ihr die deutsche Sprache beigebracht hatte. Also antwortete sie in ihrem liebenswürdigsten Tonfall in Deutsch. „Ich danke Ihnen für das Kompliment, Sir. Ach ja, wenn Sie jetzt auch noch ihr Handy auf den Flugmodus umstellen, werde ich Sie nicht weiter belästigen und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Flug.“ Ungläubig stierte der Mann sie an und eine Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ob vor Zorn oder Scham konnte Eileen nicht sagen, aber es bereitete ihr in jedem Fall Freude. Sie beobachtete noch, wie er sein Handy hervorholte, drehte sich um und machte sich wieder auf den Weg zurück in die Economy Class.

Aber sie kam nicht weit, bereits ein paar Schritte später wurde sie von einem anderen Passagier angesprochen: „Verzeihen Sie, Miss. Ich konnte nicht umhin ihrer netten, kleinen Unterhaltung zu folgen und bin sehr beeindruckt von ihrer speziellen Art der Problemlösung.“ „Vielen Dank, Sir“, erwiderte Eileen. Grau melierte Haare, perfekt rasiert, sehr edler Anzug, wahrscheinlich maßgeschneidert, vielleicht ein Selfmademillionär, überlegte sie und konnte ihre Neugier kaum unterdrücken. „Mein Name ist Greg Donovan und ich bin CEO in einem internationalen Flugambulanz-Unternehmen. Um es kurz zu machen, ich glaube, sie würden ganz hervorragend in unser Team passen.“ Mit diesen Worten hielt er ihr eine Visitenkarte hin, die Eileen automatisch entgegennahm. „Die nächsten beiden Tage habe ich geschäftlich in Charlotte zu tun. Wenn Sie nähere Informationen über uns haben möchten, rufen Sie mich an. Ach ja, eine Frage noch, war das Deutsch zum Ende ihrer Unterhaltung?“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen und entblößte strahlend weiße Zähne. „Das ist richtig, Mister Donovan, ich bin zweisprachig aufgewachsen“, entgegnete sie freundlich. Man konnte sich dem Charme dieses Mannes nur schwer entziehen. Er nickte wissend, als er antwortete: „Eine seltene Sprache in unseren Breiten und ein weiterer Grund, Sie zu uns an Bord zu holen. Ich freue mich, bald von Ihnen zu hören!“ – „Ich lasse es mir durch den Kopf gehen.“ Sie nickte zum Abschied und verließ eiligen Schrittes die First Class. Wow, was für ein Flug, zuerst Drachen zähmen und jetzt ein Jobangebot! In Eileens Kopf drehte sich alles.

Beim Durchgang zur Economy Class wartete Tracy schon auf sie: „Danke, danke, danke!“, fiel sie ihrer Freundin um den Hals. „Und was wollte dieser Kerl jetzt schon wieder von dir?“ Die beiden lösten sich voneinander. „Dieser Kerl, wie du ihn nennst, hat mir gerade einen Job angeboten“, dabei hielt sie ihrer Freundin die Visitenkarte unter die Nase. Tracy überflog sie und bekam große Augen. Vor Aufregung begann sie auf und ab zu hüpfen und unterdrückte gerade noch so einen Freudenschrei: „Eileen, wie kannst du nur so ruhig dastehen? Dieses Unternehmen ist wie ein Sechser im Lotto! Dort unterzukommen ist schier unmöglich. Du hattest recht mit deinem besonderen Tag!“ – „Du kennst die Firma?“ – „Ist das dein Ernst, jeder von uns kennt sie, außer dir offensichtlich? Ich werde dir alles erzählen, was ich weiß.“ – „Ja, aber das muss noch warten, wir haben hier noch einen Job zu erledigen.“ – „Klar, nach der Landung gehen wir einen heben, das muss doch gefeiert werden!“ Mit diesen Worten schwebte sie förmlich davon und Eileen ging kopfschüttelnd zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Die Visitenkarte verstaute sie in der Tasche ihres Gilets und verdrängte vorerst alle Gedanken daran. Der Rest des Fluges verlief ohne weitere Zwischenfälle.

Nach der Landung war Tracy derart hibbelig, dass sie keine Sekunde ruhig stehen oder sitzen konnte. Sie schleifte Eileen förmlich durch den Flughafen direkt in ihren Lieblingsdiner ganz in der Nähe. Dort gönnten sie sich öfters einen Snack und einen Cocktail nach getaner Arbeit.

Kaum hatten sie zwei freie Plätze entdeckt, bestellte Tracy auch schon Cosmopolitans. „Und bitte eine Portion Pommes!“, rief Eileen noch eilig hinterher. „Tracy! Wir haben seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und du weißt doch, wie schnell mir der Alkohol zu Kopf steigt.“ Diese machte eine wegwerfende Handbewegung. „Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Los, zeig mir noch mal die Karte des Schicksals.“ Eileen rollte mit den Augen und überreichte ihr das gute Stück. So war sie, ihre Freundin, wild, draufgängerisch und spontan, man musste sie einfach lieben. „Da fällt mir gerade ein, er hat doch tatsächlich gesagt, er freut sich von mir zu hören, nicht etwa, er würde sich freuen. Der Typ ist sich seiner Sache wirklich sehr sicher.“ – „Das kann er auch. Ich kenne einige Leute von anderen Airlines, die sich allesamt umsonst dort beworben haben, obwohl sie sicherlich qualifiziert wären. Diese Firma rekrutiert ihre Mitarbeiter einfach, so wie bei dir.“ Dabei malte sie Gänsefüßchen in die Luft. Tracy hypnotisierte die Visitenkarte förmlich, während sie sich Pommes in den Mund stopfte. „Na dann, stoßen wir an auf unseren besonderen Tag.“ Eileen hob ihr Glas und Tracy tat es ihr gleich. Sie nahmen beide einen kräftigen Schluck, was ihnen einen wohligen Seufzer entlockte. „Jetzt spann mich nicht so auf die Folter und erzähl mir, was du weißt!“

Das ließ sich Tracy nicht zweimal sagen und legte los: „SIFAG ist eines der oder vielleicht das renommierteste Flugambulanz-Unternehmen weltweit mit Sitz in New York. Sie besitzen eine ganze Flotte von Ambulanzjets, vom Standard- bis zum Luxusjet für nationale, aber auch Überseeflüge inklusive ausreichend und hervorragend geschultem Personal. Ihre Bezahlung ist überdurchschnittlich und auch sonst wird über allerlei Begünstigungen gemunkelt. Dort zu arbeiten ist ein Privileg, so eine Chance bekommt man nur einmal im Leben. Kurzum, du musst Mr. Donovan unbedingt kontaktieren, Eileen!“ Sie gab ihr die Karte zurück und sah sie eindringlich, ja, beinahe flehentlich, an. „Ich weiß noch nicht genau, was ich davon halten soll. Das hört sich alles viel zu schön an, um wahr zu sein. Außerdem hat das ganze einen bitteren Beigeschmack namens New York. Ich müsste hier alles aufgeben und was wird aus unserer Freundschaft? Die möchte ich auf keinen Fall aufs Spiel setzen!“ Tracy raufte sich ihre blonden Haare derart, dass sich ihr Knoten löste und ihre Locken wie Sprungfedern auf und ab hüpften. „Papperlapapp, nichts als faule Ausreden. Was hält dich hier denn noch? Deine Grandmas sind leider schon verstorben. Oder sind es vielleicht deine ach so tollen Eltern, die fast das ganze Jahr durch die Weltgeschichte reisen, um sich dabei einmal quer durch die Erdkugel zu graben? Wann hast du das letzte Mal von ihnen gehört? Und mich wirst du so oder so nicht los! New York ist nicht aus der Welt, ich kann meine Dienste so einteilen lassen, dass ich immer wieder ein paar Tage frei habe. Dann kann ich dich besuchen und komme so in den Genuss besonders günstiger New-York-Trips. Also alles im grünen Bereich.“

Eileen war noch immer unentschlossen. Tracy hatte ja mit allem recht, ihre Eltern waren der letzte Grund hierzubleiben und ihre Großmütter hätten sie wahrscheinlich aus Charlotte gescheucht, um sich der neuen Herausforderung zu stellen. Trotzdem, sie musste sich ihrer Gefühle erst so richtig klar werden. Tracy hatte mittlerweile ihren Drink geleert und war schier der Verzweiflung nahe. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um ihre Zweifel zu erkennen. Das machte sie so richtig wütend, ihre Augen verengten sich fast zu Schlitzen, während sie lospolterte: „Eileen Alison Hewett, wenn du morgen diesen Mann nicht anrufst und dich mit ihm triffst, werde ich dich höchstpersönlich mit einem gewaltigen Arschtritt zu ihm hinbefördern!“ Abwehrend hob Eileen ihre Hände: „Schon gut, ich gebe mich geschlagen und werde anrufen. Ist ja nur ein Informationsgespräch, was soll schon passieren, hm?“ – „Dem Himmel sei’s gedankt. Mann, das war ja richtige Schwerarbeit! Bedienung, wir brauchen noch zwei Drinks!“

3 - Das Gespräch

Es wurde noch eine lange Nacht, in der sie ausgiebig feierten, obwohl es ja eigentlich noch nichts zum Feiern gab. Am nächsten Tag wachte Eileen mit einem ordentlichen Brummschädel auf. Ein Blick auf ihr Handy verriet ihr, dass sie fast den ganzen Vormittag verschlafen hatte. „Zum Glück haben wir zwei Tage frei“, dachte sie und quälte sich mühsam aus dem Bett. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr die hochstehende Sonne und kein Wölkchen am Himmel. Also raus in den Park und ein paar Runden laufen. Nichts vertrieb die Nebelschwaden im Kopf besser und es brachte den Kreislauf wieder in Schwung. Für Ende März war es angenehm mild und Eileen sog die gute Luft gierig in ihre Lungen.

Als sie wieder zurück in ihre Wohnung kam, fiel ihr Blick auf Donovans Visitenkarte, die sie in der Nacht auf dem Couchtisch deponiert hatte. „Tja, da kommst du jetzt nicht mehr raus. Tracy wird keine Sekunde mehr Ruhe geben, bist du angerufen hast“, schalt sie sich selber. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie noch nichts von ihr gehört hatte: „Wahrscheinlich pennt sie noch, die Gute.“ Das hätte sie wohl nicht denken dürfen, denn wie aufs Stichwort poppte eine Nachricht von ihr am Handy auf: „Schon angerufen???“ Eileen lachte kurz auf und schrieb zurück: „War gerade joggen, gehe erst mal unter die Dusche.“ – „Das ist die letzte Ausrede, die ich gelten lasse, werde dich wieder erinnern!“ Oh ja, das würde sie. Tracy konnte einem mit ihrer Hartnäckigkeit den letzten Nerv rauben. Eileen ließ sich Zeit mit dem Duschen, trocknete ihre Haare und während sie sich in der Küche ein verspätetes Frühstück zubereitete, schrie das Handy schon wieder Alarm. Sie ignorierte es vorerst und begann zu essen, was sich als ziemlich schwierig herausstellte, weil Tracy alle zwei Minuten schrieb. Seufzend klingelte Eileen bei ihr durch: „Schluss jetzt, du Nervensäge, ich ergebe mich und rufe Donovan an!“ – „Na das hat ja gedauert!“, kam die entrüstete Antwort. „Okay, ich geb jetzt Ruhe, aber du musst mir sofort Bescheid geben, versprochen?“ – „Versprochen.“ Damit legte Eileen auf und setzte sich auf die Couch, die Karte in der Hand.

Sie war ungewöhnlich nervös und sprach sich selbst Mut zu: „Augen zu und durch, wird schon schiefgehen.“ Damit wählte sie die Nummer und bereits nach dem ersten Klingeln meldete sich der CEO. „Mister Donovan, hier spricht Eileen Hewett.“ – „Miss Hewett! Wie schön, dass Sie sich für mein Angebot erwärmen konnten. Wir sollten uns treffen, hätten Sie denn heute noch Zeit?“ – „Das ist kein Problem, mein nächster Dienst ist erst übermorgen.“ – „Ganz ausgezeichnet. Ich bin im Bellevue abgestiegen und werde einen Tisch auf der Sonnenterrasse reservieren. Sagen wir um 17 Uhr?“ – „Ich komme sehr gerne.“ – „Wunderbar, dann sehen wir uns später.“ Damit hatte er auch schon wieder aufgelegt. Ein Blick auf die Uhr zeigte 15.06 Uhr und Eileen sprang schlagartig auf. Nicht einmal mehr zwei Stunden, jetzt hieß es, einen Zahn zuzulegen. Hastig tippte sie eine Nachricht an Tracy und bekam klatschende Hände als Antwort. Sie stürmte ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank. Na toll, das Bellevue, ausgerechnet ein Fünf-Sterne-Hotel. Mit weniger gab sich der Mann wahrscheinlich nicht zufrieden. Andererseits hatte sie nur ein Kleid, das ihr für dieses Ambiente angemessen schien. Ein mintgrünes Etuikleid mit dreiviertellangen Ärmeln und kleinen aufgesetzten Taschen. Eine dunkelgrüne Handtasche und gleichfarbige Pumps rundeten das Outfit ab. Jetzt noch schnell ein dezentes Make-up auftragen, darin war sie schließlich geübt von Berufes wegen. Sie entschied sich die Haare offen zu tragen, bändigte sie nur mit einem schwarzen Haarreif, sodass sie in sanften Wellen auf ihre Schultern fielen. Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel, ja, so konnte sie gehen. Noch vierzig Minuten, das sollte reichen. Eileen bestellte sich ein Taxi, das erschien ihr unter dem Zeitdruck sicherer.

Erst als sie im Wagen saß, fiel ihr auf, dass sie keinerlei Bewerbungsunterlagen dabeihatte. Das ließ doch ziemlich ihre Nerven flattern, obwohl ja nichts Derartiges verlangt worden war. Einige Minuten vor 17 Uhr hielt das Taxi vor dem opulenten Eingang des Hotels. Wobei der Ausdruck Schloss weit passender gewesen wäre. Die Lobby war sehr weitläufig, überall Marmor, edles Holz und protzige Kristallleuchter. Doch zum Betrachten blieb keine Zeit mehr, Eileen fand ein passendes Hinweisschild und stand bald auf einer wunderschönen Sonnenterrasse mit Blick auf den angrenzenden Golfplatz. Ein Ober kam auf sie zu und nachdem er ihr Ansinnen erfragt hatte, führte er sie zu einem der Tische. Mister Donovan, gekleidet in einem dunkelgrauen Anzug, erhob sich galant, um Eileen zu begrüßen.

„Miss Hewett, wie schön Sie wiederzusehen. Es freut mich, dass dieser Termin so kurzfristig geklappt hat.“ Sein Händedruck war fest und angenehm. „Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Donovan.“ – „Bitte nehmen Sie doch Platz. Charles, würden sie freundlicherweise den Terrassenstrahler einschalten, es wird abends noch ziemlich kühl.“ – „Natürlich, gerne, Sir“, antwortete der Ober, während er Eileen den Stuhl zurechtrückte. „Bevorzugen sie Rot- oder Weißwein, Miss Hewett?“ – „Weißwein“, kam es ganz automatisch über ihre Lippen. Schon wieder Alkohol, wenn das nur gut ging. Während Donovan seine Bestellung aufgab, sah sie sich ein wenig um. Das satte Grün des Golfplatzes beruhigte ihre Nerven. Auf dem Tisch standen neben einem kleinen Blumenarrangement eine Glaskaraffe mit Wasser und zwei Gläser. Donovan blickte sie aufmerksam an und dann legte er los. „Wie ich gestern schon sagte, Miss Hewett, bin ich der festen Überzeugung, dass Sie ganz hervorragend in unser Team passen. Deshalb werde ich nichts unversucht lassen, Sie abzuwerben.“ Dieser Mann kam gleich zur Sache, eine Eigenschaft, der Eileen durchaus etwas abgewinnen konnte. „Ich muss gestehen, ich bin ziemlich neugierig, was Sie in dieser Hinsicht so sicher macht.“ – „Es ist Ihre Art, mit Menschen umzugehen“, antwortete er lächelnd. „Sie beobachten kurz, schätzen ihr Gegenüber ein, preschen nicht gleich los, sondern sind Anteil nehmend und doch bestimmt, das Ganze würzen Sie noch mit einer Prise Humor. Außerdem sind Sie, wie unser Treffen zeigt, spontan, pünktlich und passen sich der Situation an. Ich bin mir sicher, Ihre Airline hat keine Ahnung, welch ungeschliffenen Diamanten diese beschäftigt, aber ich kann Ihnen versprechen, bei uns werden Sie strahlen.“

Aha, dieser kurzfristig angesetzte Termin war also ein Test, den sie offenbar bestanden hatte. Trotzdem fühlte sich Eileen geschmeichelt und war etwas um Worte verlegen. Zum Glück kam genau jetzt der Ober zurück und servierte den Wein. Mr. Donovan erhob sein Glas: „Ich hoffe, meine Auswahl sagt Ihnen zu. Zum Wohl Miss Hewett.“ – „Zum Wohl, Mr. Donovan.“ Sie stießen an und Eileen nahm einen Schluck. „Der Wein schmeckt vorzüglich, sehr fruchtig“, freute sie sich ehrlich. „Ein gelber Muskateller von einem exzellenten österreichischen Weingut. Ich empfand ihn passend in Bezug auf ihre Herkunft.“ Hitze wallte in Eileen auf. Er wusste Bescheid über ihre österreichischen Vorfahren? Ihre Augen wurden groß und sie nahm einen wirklich kräftigen Schluck vom Wein. Das entlockte ihrem Gegenüber ein lautes Lachen. Es war ein ehrliches, von Herzen kommendes Lachen und Eileen musste sich eingestehen, sie fand den Mann sympathisch. „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, Miss Hewett. Ich pflege mich immer über meine Gesprächspartner zu informieren.“ Er lächelte immer noch verschmitzt, als er sein Wissen preisgab. „Eileen Alison Hewett, geboren am 16. Juni 1992, Eltern Shannon und Andrew Hewett, ihres Zeichens Archäologen. Aufgewachsen in Pineville bei den Großmüttern, Cathleen Chambers, geboren in Irland, und Mary Hewett, geboren in Österreich. Nach Abschluss der Highschool zwei Semester Medizinstudium, danach Ausbildung zur Sanitäterin und Pflegeassistentin. 18 Monate Dienst in einem Pflegeheim, seit Februar 2016 Flugbegleiterin bei American Airlines. Sollte sich ein Fehler eingeschlichen haben, so bitte ich Sie um Richtigstellung.“

Deswegen hatte er keine Bewerbungsunterlagen verlangt, dieser Mensch wusste schon alles. So viel zum Thema gläserner Mensch. Eileen war einigermaßen bestürzt und stammelte nur. „Woher wissen Sie das?“ – „Ich habe so meine Quellen, aber Sie können beruhigt sein, diese Daten sind alle öffentlich und legal zugänglich.“ Donovan nahm nun seinerseits einen Schluck Wein. „Doch nun zu den wirklich wichtigen Dingen, unsere Firma und unsere Philosophie. Wir sind ein internationales Flugambulanz-Unternehmen mit Hauptsitz in New York und 17 Niederlassungen weltweit. Wir organisieren Notfall-, Kranken-, Organ- und auch Sargtransporte. Dafür beschäftigen wir nur bestens ausgebildetes, qualifiziertes Personal, einschließlich fix angestellter Ärzte. Außerdem arbeiten wir in vielen Städten mit vor Ort niedergelassenen Ärzten zusammen. Unseren Mitarbeitern bieten wir ein überdurchschnittliches Einkommen, genauer gesagt um die 30 % mehr als üblich. Zusätzlich stehen günstige Dienstwohnungen zur Verfügung und es gibt verschiedene Begünstigungen bei Partnerfirmen wie Taxiunternehmen, Fitnesscentern und Ähnlichem. Natürlich sind Sie bei uns krankenversichert und erhalten eine Pensionsvorsorge. Der Erfolg eines Unternehmens steigt und fällt durch seine Mitarbeiter. Deswegen ist es uns sehr wichtig, die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies fördert die Motivation, was wiederum zu außergewöhnlichen Leistungen führt. Ein Gewinn für beide Seiten.“

Damit endete er und blickte Eileen erwartungsvoll an. Diese konnte kaum glauben, was sie gehört hatte. Ihre Beine begannen unter dem Tisch unkontrolliert zu zittern. Das passierte manchmal, wenn sie sehr aufgeregt war und ihre Gefühle Achterbahn fuhren. „Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Wo ist denn der Haken dabei?“, brachte sie mühevoll hervor, während sie versuchte, dass ihre Beine nicht gegen den Tisch schlugen. Donovan legte den Kopf etwas schief, taxierte sie einige Sekunden, bevor er antwortete: „Dieser Job ist sehr anspruchsvoll. Kranke, verletzte Menschen und vor allem besorgte oder gar trauernde Angehörige benötigen besonders viel Aufmerksamkeit, Empathie und Einfühlungsvermögen. Und nicht zu vergessen, auch der Tod ist immer wieder unser Begleiter. Das verlangt ihrerseits psychische Stabilität und in brenzligen Situationen Nervenstärke. Dann wären da noch die Dienstzeiten. Es gibt nicht nur Arbeits- und freie Tage, sondern auch Bereitschaftsdienst. In dieser Zeit müssen Sie immer erreichbar sein und haben nur ein kleines Zeitfenster, um den Dienst anzutreten. Sie unterliegen, ähnlich wie Ärzte, einer Schweigepflicht gegenüber unseren Passagieren. Außerdem erwarten wir von unseren Mitarbeitern, dass sie sich körperlich und mental fit halten.“

Donovan förderte plötzlich einen Aktenkoffer zu Tage, dem er eine dünne Mappe entnahm und sie Eileen überreichte. „Ich bin mir vollkommen bewusst, dass dies eine wichtige Entscheidung für den weiteren Verlauf ihres Lebens ist. Deswegen sollten Sie noch eine Nacht darüber schlafen. In dieser Mappe finden Sie noch weitere Informationen, inklusive der Telefonnummer meiner persönlichen Assistentin. Ich bin die nächsten Wochen im Ausland unterwegs, deswegen wird Sie Juliette weiter betreuen.“ Es war bereits dunkel geworden und Eileen begann zu frösteln. In ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft und ihre Beine zitterten immer noch. „Vielen Dank, ich habe noch nie ein verlockenderes Stellenangebot bekommen und werde es äußerst gründlich überdenken.“ – „Dann habe ich meine Sache ganz gut gemacht, perfekt wird es aber erst, wenn Sie zusagen. Ich persönlich bin felsenfest überzeugt, dass etwas ganz Besonderes in Ihnen steckt. Etwas, das Sie nicht leicht und vor allem nicht jedem preisgeben und Sie zu einer gewissen Herausforderung für mich macht. Deswegen würde es mich wirklich sehr freuen, Sie beim nächsten Wiedersehen als Mitarbeiterin begrüßen zu dürfen.“ Jetzt war es an Eileen zu lachen, sie erhoben sich beide und mit einem warmen Händedruck verabschiedeten sie sich.

Eileen ging auf wackeligen Beinen, die Mappe unter ihren Arm geklemmt, durch die Lobby und ließ sich vom Hotelpagen ein Taxi herbeiwinken. In ihrem Kopf ging es drunter und drüber. Was für eine Chance und trotzdem hielt sie noch irgendetwas zurück. Etwas, das sie noch nicht richtig zu fassen bekam. Und dann war da noch Donovan, der sie fast komplett durchschaut hatte, was nicht vielen Menschen gelang, und das verunsicherte sie, auch wenn sie ihn sympathisch fand. Sie holte ihr Handy heraus und ihre Finger wählten wie von selbst Tracys Nummer: „Sonnenscheinchen, na endlich. Wie ist es gelaufen, ich möchte jede noch so winzige Kleinigkeit erfahren!“ Wie gut es tat, die Stimme ihrer quirligen Freundin zu hören. „Es war toll, aber jetzt schwirrt mir der Kopf. Kannst du vorbeikommen und mir zu mehr Klarheit verhelfen?“ – „Dachte schon, du fragst nie. Bin in einer Stunde da, bis gleich!“

4 - Die Entscheidung

Eileen hatte sich gerade erst umgezogen, als es auch schon an der Türe energisch schellte. Sie öffnete und Tracy stürmte beladen mit einer großen Tüte ins Wohnzimmer. „Hab uns Sushi mitgebracht, dachte du könntest einen Happen vertragen nach der Aufregung!“ – „Super, du bist meine Rettung, was würde ich nur ohne dich machen?“, freute sich Eileen. Tracy deutete eine kleine Verbeugung an: „Stets zu Diensten. Und jetzt erzähl schon, was hat dieser erhabene Mr. Donovan denn alles erzählt?“ Das Stichwort war gefallen und Eileen plapperte drauf los. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, während sie sich immer wieder ein Stück Sushi in den Mund schob. Es war eine große Erleichterung, alles loszuwerden, und Tracy hörte aufmerksam zu, ohne sie groß zu unterbrechen. Ein tiefer Seufzer entrang sich Eileens Kehle, als sie endete: „Ich weiß, das alles hört sich fantastisch an, und trotzdem habe ich meine Zweifel.“ – „Wow, ich bin vollkommen geplättet. Was für ein Unternehmen, wenn nur die Hälfte der Versprechungen stimmt, ist es immer noch der Wahnsinn. Aber ich kann dich schon ein bisschen verstehen. Die Vorstellung, hier alles hinter sich zu lassen und in einer fremden Stadt wieder neu zu beginnen, kann einen schon ängstlich machen. Anderseits, hey Babe, das ist New York, die Stadt die niemals schläft …“

Typisch Tracy, kurz nachdenklich und im nächsten Moment wieder überschwänglich und voller Erwartung der wundervollen Dinge, die dort passieren könnten. „Vielleicht solltest du einmal die Unterlagen durchsehen, die er dir noch mitgegeben hat.“ Das hatte Eileen beinahe schon vergessen. Sie holte die Mappe aus ihrem Schlafzimmer. Gemeinsam machten es sich die Freundinnen auf der Couch bequem und begannen die Seiten durchzublättern. Darin fanden sie eine Auflistung aller Standorte des Unternehmens, Abbildungen von allen Jets, die zur Verfügung standen, und allen Leistungen, die angeboten wurden. Außerdem enthielt sie noch Bilder der Zentrale und ein Dossier für eine Wohnung. „Oh, wie hübsch“, entfuhr es Tracy. Die Fotos zeigten ein mehrstöckiges Backsteinhaus aus roten Ziegeln, typischer Baustil aus dem 19. Jahrhundert. Apartment, 45 m², zwei Zimmer, Bad, Kellerabteil, Bezirk Brooklyn, stand darunter. Es gab noch Aufnahmen von den Zimmern, die teilweise möbliert waren. Eine Wand im Wohnzimmer bestand ebenfalls aus Backsteinen, eine helle Couch und ein massiv wirkender Couchtisch aus dunklem Holz vervollständigten diesen Teil der Wohnung. Im Schlafzimmer gab es einen kleinen Erker und einen großen Wandschrank, sonst war dieser Raum leer. Eine cremefarbene Küchenzeile, mit einem hellblauen Kühlschrank im Retrostyle und einer kleinen Frühstücksbar, die als Raumteiler fungierte, rundete das Ganze ab. Eileens Herz machte einen Sprung. Diese Wohnung war einfach entzückend und passte hervorragend zu ihr.