Glück ist eine Gleichung mit 7 - Holly Goldberg Sloan - E-Book + Hörbuch

Glück ist eine Gleichung mit 7 E-Book und Hörbuch

Holly Goldberg Sloan

4,9

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Beschreibung

Willow ist ein Energiebündel, denkt immer positiv und interessiert sich für alles: Sie studiert das Verhalten von Fledermäusen, züchtet Zitrusfrüchte im Garten und begeistert sich für die Schönheit der Zahl 7. Ihr größter Wunsch ist es, gleichaltrige Freunde zu finden. Dafür lernt sie sogar Vietnamesisch. Doch dann verunglücken ihre Adoptiveltern bei einem Autounfall. Es ist wie ein Wunder, wie Willow mit ihrer Art zu denken – ihrer Hochbegabung – und ihrem ungebrochenen Charme ihre Welt zusammenhält. Dabei verändert sie das Leben aller, die sie trifft, und jeder Einzelne entdeckt, welche Kräfte in ihm stecken.

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Seitenzahl: 305

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Zeit:4 Std. 42 min

Veröffentlichungsjahr: 2015

Sprecher:Jodie AhlbornJörg Pohl

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Hanser E-Book

HOLLY GOLDBERG SLOAN

GLÜCKIST EINEGLEICHUNGMIT

7

Aus dem Englischenvon Wieland Freund

Carl Hanser Verlag

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel

Counting by 7s bei Dial Books for Young Readers,

an imprint of Penguin Group Inc., New York.

Published by arrangement with RED MAN PRODUCTIONS INC.

Die deutsche Übersetzung des Gedichts von William Carlos Williams stammt von Joachim Sartorius und Karin Graf und ist dem Band »Paterson« (Carl Hanser Verlag 1998) entnommen.

ISBN 978-3-446-25027-7

© Holly Goldberg Sloan 2013

Alle Rechte der deutschen Ausgabe:

© Carl Hanser Verlag München 2015

Schutzumschlag: Stefanie Schelleis, München, nach einer Idee von Theresa M. Evangelista, unter Verwendung zweier Fotografien © David Malan/Getty Images; © Kletr/Shutterstock

Satz: Greiner & Reichel, Köln

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen

finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/HanserLiteraturverlage oder folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/hanserliteratur

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Für Chuck Sloan & Lisa Gaiser Urick,

2 der 7 …

KAPITEL 1WILLOW CHANCE

Ein Genie schießt auf etwas,

das sonst niemand sehen kann, und trifft.

Wir sitzen draußen vor dem Fosters Freeze an einem meergrünen Picknicktisch aus Metall.

Wir alle vier.

Wir essen Softeis, das man in ein Behältnis aus flüssiger Schokolade gefüllt hat (die dann zu einer knusprigen Waffel aushärtet).

Ich verrate keinem, dass der Grund, warum das funktioniert, Wachs ist. Oder, um genauer zu sein: lebensmitteltaugliches Paraffin.

Sobald die Schokolade auskühlt, nimmt sie die edle Vanille gefangen.

Unser Job ist es, sie zu befreien.

Normalerweise esse ich keinerlei Eis in Waffeln. Und wenn doch, dann zwanghaft präzise, damit es keinen einzigen Tropfen Unordnung gibt.

Aber nicht heute.

Ich bin an einem öffentlichen Ort.

Mir fallen Dinge nicht mal auf.

Und meine Eiswaffel ist eine große, tropfende Sauerei.

Im Augenblick bin ich wohl eher jemand, der anderen Leuten auffällt.

Wieso?

Na ja, zunächst mal spreche ich gerade Vietnamesisch, was nicht meine »Muttersprache« ist.

Ich sitze hier, in der Nachmittagssonne, und gebrauche mein bisschen Vietnamesisch, wann immer ich kann, was, wie sich herausstellt, ziemlich oft ist.

Ich rede mit meiner neuen Freundin Mai, und sogar ihr immer-mürrischer und unheimlicher-weil-älterer großer Bruder Quang-ha sagt ein paar Worte in ihrer jetzt bloß noch halb geheimen Sprache zu mir.

Dell Duke, der uns in seinem Auto hergefahren hat, ist still.

Er spricht kein Vietnamesisch.

Ich schließe ungern Leute aus (sonst bin ich es, die immer ausgeschlossen wird, also weiß ich, wie sich das anfühlt), aber es ist okay, wenn für Mr. Duke nur die Beobachterrolle bleibt. Er ist Sozialbetreuer, und Zuhören spielt beim Sozialbetreuen eine große Rolle.

Sollte es jedenfalls.

Mai übernimmt den Löwenanteil beim Reden und Essen (ich gebe ihr meine Waffel, sobald ich nicht mehr kann), und trotz der Sonne auf unseren Gesichtern und der süßen Eiscreme, die unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt, ahne ich, dass dies ein Tag ist, den ich nie vergessen werde.

Siebzehn Minuten, nachdem wir angekommen sind, sitzen wir wieder in Dell Dukes Auto.

Mai möchte in Hagen Oaks vorbeifahren, das ist ein Park. Große Gänse leben da das ganze Jahr über. Sie findet, ich sollte sie sehen.

Weil sie zwei Jahre älter ist als ich, sitzt sie dem Irrtum auf, alle Kinder würden gern fette Gänse oder Enten anstarren und so.

Versteht mich nicht falsch. Ich weiß Wasservögel zu schätzen.

Aber im Fall des Hagen Oaks Parks interessiert mich der Beschluss der Stadt, einheimische Pflanzen dort anzupflanzen, weit mehr als die Vögel.

Aus Dells Gesichtsausdruck (ich kann seine Augen im Rückspiegel sehen) schließe ich, dass er weder das eine noch das andere sonderlich aufregend findet, aber beim Park fährt er trotzdem vorbei.

Quang-ha hat sich in den Sitz gefläzt und ist, vermute ich, bloß froh, nicht mit dem Bus fahren zu müssen.

Keiner von uns steigt aus in Hagen Oaks, weil Dell sagt, dass wir jetzt nach Hause müssen.

Als wir vorhin zum Fosters Freeze gefahren sind, habe ich meine Mom angerufen, um ihr zu sagen, dass ich später aus der Schule komme.

Als sie nicht abgehoben hat, habe ich ihr eine Nachricht hinterlassen.

Das Gleiche habe ich auf dem Handy von meinem Dad gemacht.

Komisch, dass ich nichts von beiden gehört habe.

Wenn sie mal nicht drangehen können, rufen sie immer gleich zurück.

Immer.

Als Dell Duke in meine Straße einbiegt, parkt ein Polizeiwagen in unserer Einfahrt.

Die Nachbarn auf der Südseite sind ausgezogen, und ihr Haus wird zwangsversteigert. Auf einem Schild im Vorgarten steht: IN BANKBESITZ.

Die Nachbarn auf der Nordseite wohnen zur Miete, ich habe sie in sieben Monaten und vier Tagen genau einmal gesehen, was genau an dem Tag war, an dem sie eingezogen sind.

Ich starre das Polizeiauto an und überlege, ob jemand in das leer stehende Haus eingebrochen ist.

Hat Mom nicht gesagt, ein leeres Haus in der Nachbarschaft schaffe Probleme?

Das würde allerdings nicht erklären, warum die Polizei in unserer Einfahrt steht.

Als wir näher kommen, kann ich zwei Beamte im Wagen sitzen sehen. Und so wie sie da sitzen, sieht es aus, als säßen sie schon eine ganze Weile da.

Ich spüre, wie sich mein ganzer Körper verspannt.

Auf dem Vordersitz sagt Quang-ha:

»Was machen die Cops da in eurer Einfahrt?«

Mais Blick schnellt von ihrem Bruder zurück zu mir. Das Gesicht, das sie macht, sieht aus wie ein Fragezeichen.

Ich schätze, sie fragt sich gerade, ob mein Dad Sachen klaut oder ob mein Cousin ein Schläger ist. Vielleicht komme ich ja aus einer kriminellen Familie.

Wir kennen uns nicht besonders gut, also wäre das alles durchaus möglich.

Ich bin still.

Ich komme zu spät nach Hause. Haben sich meine Mom oder mein Dad solche Sorgen gemacht, dass sie die Polizei gerufen haben?

Ich habe ihnen Nachrichten hinterlassen.

Ich habe ihnen gesagt, dass alles okay ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so was tun würden.

Dell Duke hat noch nicht mal richtig angehalten, als ich schon die Tür aufreiße, was natürlich gefährlich ist.

Ich springe raus und stürze auf das Haus zu, ohne auch nur an meinen roten Rollkoffer mit den Schulsachen zu denken.

Ich bin gerade mal zwei Schritte weit auf der Einfahrt gekommen, als sich die Tür des Polizeiwagens öffnet und eine Polizistin erscheint.

Die Frau hat einen dicken Pferdeschwanz aus orange gefärbtem Haar.

Sie sagt nicht Hallo. Sie schiebt bloß ihre Sonnenbrille ein Stück tiefer und sagt:

»Kennst du Roberta und James Chance?«

Ich versuche zu antworten, aber meine Stimme gibt nicht mehr her als ein Flüstern:

»Ja.«

Ich würde gern noch hinzufügen: »Es heißt Jimmy Chance. Kein Mensch nennt meinen Dad James.«

Aber ich kann nicht.

Die Beamtin fummelt an ihrer Sonnenbrille herum. Trotz ihrer Uniform ist sie drauf und dran, sämtliche Autorität einzubüßen.

Sie murmelt:

»Okay … Und du bist …?«

Ich schlucke, aber mein Mund ist plötzlich ganz trocken, und ich kann spüren, wie sich ein Kloß in meinem Hals breitmacht.

»Ich bin ihre Tochter …«

Dell Duke ist aus dem Auto gestiegen und zieht auf dem Bürgersteig meinen Rollkoffer hinter sich her. Mai ist ihm dicht auf den Fersen. Quang-ha bleibt, wo er ist.

Dann tritt der zweite Polizist, ein jüngerer Mann, heran und stellt sich neben seine Kollegin. Aber keiner von beiden spricht.

Bloß Stille.

Schreckliche Stille.

Und dann wenden sich die beiden Polizisten Dell zu. Sie sehen ängstlich aus. Der Beamtin gelingt es zu sagen:

»Und wie passen Sie ins Bild …?«

Dell räuspert sich. Auf einmal scheint er aus jeder Körperdrüse zu schwitzen. Er kann kaum sprechen:

»Ich bin D-D-Dell Duke. Ich bin So-So-Sozialbetreuer. Ich k-k-kümmere mich um zwei dieser Kinder. Ich ha-ha-hab sie bloß nach Hause gefahren.«

Ich bemerke die augenblickliche Erleichterung der beiden Beamten.

Die Polizistin nickt verständnisvoll und sagt:

»Betreuer? Sie weiß es also?«

Meine Stimme reicht gerade so, um zu fragen:

»Weiß was?«

Aber keiner der Polizisten will mich ansehen. Sie interessieren sich jetzt nur noch für Dell.

»Könnten wir einen Augenblick mit Ihnen reden, Sir?«

Ich sehe Dells schwitzige Hand den schwarzen Vinylgriff meines Rollkoffers loslassen, und er folgt den beiden Beamten, als sie sich von mir entfernen, auch vom Streifenwagen entfernen und auf den immer-noch-heißen Asphalt der Straße treten.

So wie sie sich dort zusammenrotten und mir im Licht der tief stehenden Der-Tag-geht-zu-Ende-Sonne den Rücken zukehren, sehen sie wie ein böses, dreiköpfiges Ungeheuer aus.

Und genau das sind sie auch, denn ihre Stimmen, obwohl gedämpft, lassen sich immer noch verstehen.

Fünf Wörter höre ich klar und deutlich.

»Es hat einen Unfall gegeben.«

Und dann im Flüsterton die Nachricht, dass die beiden Menschen, die ich auf der Welt am meisten liebe, für immer fortgegangen sind.

Nein.

Nein.

Nein.

Nein.

Nein.

Nein.

Nein.

Ich muss zurückspulen.

Ich will zurück.

Kommt irgendjemand mit?

KAPITEL 2VOR ZWEI MONATEN

Ich komme auf eine neue Schule.

Ich bin ein Einzelkind.

Ich bin adoptiert.

Und ich bin anders.

Anders im Sinne von »seltsam«.

Aber ich weiß es, und das macht es weniger schlimm. Für mich wenigstens.

Kann man zu sehr geliebt werden?

Meine

Beiden

Eltern

L-I-E-B-E-N

Mich

Wahrlich

Wirklich.

Ich glaube, wenn man richtig lange auf etwas wartet, wird es noch schöner.

Die Korrelation von Wunsch und Erfüllung ließe sich zweifellos mittels einer mathematischen Formel quantifizieren.

Aber ich schweife vom Thema ab – was eines meiner Probleme ist und der Grund dafür, dass ich, obwohl ein Denker, nie der Lehrerliebling bin.

Niemals je.

Jetzt halte ich mich aber an die Fakten.

7 Jahre lang hat meine Mutter versucht, schwanger zu werden.

Das ist eine sehr lange Zeit, um an etwas zu arbeiten, zumal die medizinische Definition von Unfruchtbarkeit »zwölf Monate termingerechte körperliche Vereinigung ohne Ergebnis« lautet.

Und obwohl ich mich brennend für alles Medizinische interessiere, wird mir bei der Vorstellung, wie sie es über einen so langen Zeitraum und mit einer gewissen Regelmäßigkeit tun, übel.

Zwei Mal während dieser Jahre pinkelte meine Mutter auf einen Plastikstab und färbte das Diagnoseinstrument auf diese Weise blau.

Aber beide Male konnte sie den Fötus nicht halten. (Wie befremdend klingt dieses Wort? Fötus. Wahnsinn.)

Ihr Kuchen backte nicht.

Und so kam ich ins Spiel.

Am 7ten Tag des 7ten Monats (ist es ein Wunder, dass ich diese Zahl liebe?) fuhren meine Eltern 257 Meilen weit nach Norden zu einem Krankenhaus, wo sie mich nach einem Kaltklima-Baum benannten und damit die Welt veränderten.

Oder doch wenigstens unsere Welt.

Kurze Unterbrechung: Wahrscheinlich waren es gar nicht 257 Meilen, aber für mich muss es so sein. (2+5=7. Und 257 ist eine Primzahl. Superspeziell. Es herrscht Ordnung in meinem Universum.)

Zurück zum Tag der Adoption. Wie mein Dad mir erzählt hat, habe ich kein einziges Mal geweint, meine Mutter aber den ganzen Weg über den Interstate Highway 5 nach Süden bis zur Ausfahrt 17B.

Meine Mutter weint, wenn sie glücklich ist. Ist sie traurig, ist sie bloß still.

Ich vermute, dass ihre emotionale Verdrahtung in diesem Bereich durcheinandergeraten ist. Wir kommen damit klar, weil sie ansonsten die meiste Zeit lächelt. Ziemlich breit.

Als meine Eltern es endlich bis zu unserem einstöckigen Stuckhaus in einem Neubaugebiet am Ende des San Joaquin Valley geschafft hatten, waren sie beide mit den Nerven am Ende.

Dabei hatte unser Familienabenteuer gerade erst begonnen.

Ich glaube, es ist wichtig, sich Bilder von den Dingen zu machen, die man im Kopf hat. Selbst wenn sie falsch sind. Und das sind sie fast jedes Mal.

Wenn ihr mich sehen könntet, würdet ihr sagen, dass ihr mich auf die Schnelle in keine ethnische Kategorie stopfen könnt.

Ich bin, was man einen »Menschen anderer Hautfarbe« nennt.

Und meine Eltern sind das nicht.

Sie sind zwei der weißesten Menschen der Welt (keine Übertreibung).

Sie sind so weiß, dass sie beinahe blau sind. Sie haben kein Durchblutungsproblem; sie haben bloß wenig Pigmente.

Meine Mutter hat feines rotes Haar und Augen, die blass-blass-blassblau sind. So blass, dass sie grau wirken. Was sie nicht sind.

Mein Dad ist groß und ziemlich kahl. Er hat Seborrhoische Dermatitis, weshalb seine Haut immer so aussieht, als hätte er Ausschlag.

Mich hat das zu jeder Menge interessierter Beobachtungen und Recherchen veranlasst, aber für ihn ist es kein Zuckerschlecken.

Wenn ihr euch jetzt dieses Trio ausmalt und euch uns zusammen vorstellt, dann solltet ihr wissen, dass wir, obwohl ich meinen Eltern in keinster Weise ähnele, irgendwie wie eine ganz natürliche Familie aussehen.

Wenigstens finde ich das.

Und das ist alles, worauf es ankommt.

Außer der Zahl 7 habe ich noch zwei andere Obsessionen. Medizinische Befunde. Und Pflanzen.

Mit medizinischen Befunden meine ich menschliche Krankheiten.

Ich studiere mich selbst, klar. Aber meine Krankheiten sind unbedeutend gewesen und nicht lebensbedrohlich.

Ich studiere und protokolliere meine Mom und meinen Dad, aber was medizinische Diagnosen zu ihrem eigenen Zustand angeht, lassen sie mich kaum zum Zug kommen.

Der einzige Grund, warum ich regelmäßig das Haus verlasse (die erzwungenen Wege in das Straflager namens Schule und meinen wöchentlichen Bibliotheksbesuch nicht mitgerechnet), ist die Beobachtung von Krankheiten in der Allgemeinbevölkerung.

Am liebsten würde ich zu diesem Zweck ein paar Stunden täglich im Krankenhaus verbringen, aber es hat sich herausgestellt, dass das Pflegepersonal damit ein Problem hat.

Sogar wenn man sein Lager bloß im Wartezimmer aufschlägt und so tut, als läse man ein Buch.

Also gehe ich ins nächstgelegene Einkaufszentrum, wo es zum Glück auch die ein oder andere Krankheit zu beobachten gibt.

Aber ich kaufe nichts.

Schon als ich klein war, habe ich Feldstudien betrieben und diagnostische Lernkarten hergestellt.

Insbesondere fühle ich mich zu Hauterkrankungen hingezogen, die ich aber nur dann fotografisch dokumentiere, wenn der Betroffene (und meine Eltern) nicht hinsehen.

Meine zweite Leidenschaft: Pflanzen.

Sie leben, wachsen, vermehren sich, winden und schieben sich durchs Erdreich, immer und überall um uns herum.

Wir nehmen das so hin, ohne es überhaupt zu bemerken.

Macht die Augen auf, Leute!

Es ist nämlich unglaublich.

Wenn Pflanzen Töne machen würden, wäre alles anders. Aber sie kommunizieren über Farben und Formen und Größe und Struktur.

Sie miauen oder bellen oder zwitschern nicht.

Wir glauben, sie hätten keine Augen, aber sie sehen den Winkel, in dem die Sonne steht, und den Mond, wie er aufgeht. Sie fühlen den Wind nicht nur; sie verändern ihre Position seinetwegen.

Bevor ihr mich für verrückt haltet (jederzeit eine Möglichkeit), schaut nach draußen.

Jetzt gleich.

Ich hoffe, dass ihr nicht gerade auf einen Parkplatz oder auf eine Häuserwand blickt.

Ich stelle mir vor, ihr seht einen hohen Baum mit zarten Blättern. Euer Blick fällt auf das sich wiegende Gras eines großen Felds. Irgendwo in der Ferne schiebt sich Unkraut durch die Ritzen im Bürgersteig. Wir sind umstellt.

Ich bitte euch, auf eine neue Art darauf zu achten und das alles als Lebendig zu betrachten.

Lebendig mit einem großen L.

Meine Heimatstadt hat, wie große Teile des Kalifornischen Längstals, ein Wüstenklima und ist flach und trocken, und mehr als die Hälfte des Jahres über ist es sehr heiß.

Da ich nie woanders gelebt habe, sind für mich ganze Monate mit Tagen über 35 Grad etwas völlig Normales.

Wir nennen das Sommer.

Trotz der Hitze ist es ein unumstößlicher Fakt, dass die viele Sonne und der gute Boden dem Wachstum von Pflanzen extrem förderlich sind, wenn man denn noch Wasser zur Gleichung hinzufügt.

Und das habe ich gemacht.

Wo es vor unserem Haus mal ein Rechteck aus Rasen gab, steht jetzt zwölf Meter hoher Bambus.

Ich habe Zitrusbäume (Orange, Grapefruit, Limone) gleich neben meinem ganzjährigen Gemüsegarten.

Ich baue Trauben an, eine Auswahl an Rebsorten, einjährige und immerwährende Blumen und, in einem kleinen gesonderten Bereich, tropische Pflanzen.

Meinen Garten zu kennen heißt, mich zu kennen.

Er ist mein Allerheiligstes.

Es ist irgendwie tragisch, dass wir uns nicht an die frühesten unserer frühen Jahre erinnern.

Ich habe den Eindruck, diese Erinnerungen könnten der Schlüssel zu diesem ganzen »Wer bin ich?«-Problem sein.

Wovon handelte mein erster Albtraum?

Wie haben sich die ersten Schritte eigentlich angefühlt?

Wie genau verlief die Entscheidungsfindung, als es an der Zeit war, die Windeln abzulegen?

Ich habe ein paar vage Kleinkind-Erinnerungen, aber die erste Szene, die ich lebhaft im Gedächtnis habe, stammt aus dem Kindergarten; ganz gleich, wie sehr ich mich auch anstrenge, sie zu vergessen.

Meine Eltern hatten gesagt, im Kindergarten würde ich jede Menge Spaß haben.

Aber so war’s nicht.

Der Kindergarten lag nur ein paar Blocks von unserem Haus entfernt, und dort habe ich zum ersten Mal das Verbrechen begangen, das System zu hinterfragen.

Die Erzieherin Mrs. King hatte sich gerade durch ein bekanntes Bilderbuch gepflügt. Es hatte die üblichen Kennzeichen von Büchern für Vorschulkinder: Wiederholungen, ein paar nervtötende Reime und verwegene wissenschaftliche Lügen.

Ich weiß noch, wie Mrs. King die Kinder fragte:

»Wie fühlt ihr euch nach diesem Buch?«

Die richtige Antwort wäre in Mrs. Kings Augen gewesen: »Müde!«, denn die aufgesetzt fröhliche Erzieherin nötigte uns, uns nach dem »Mittagsbilderbuch« zwanzig Minuten lang auf klebrige Gummimatten zu legen.

In der Regel fiel die Hälfte der Gruppe dabei in tiefen Schlaf.

Ich weiß noch genau, dass mit Ausnahme eines Jungen namens Garrison (der, ich bin mir sicher, an einer Form des Restless-Legs-Syndroms litt) jeder im Raum die Pause in der Horizontalen zu genießen schien.

Was dachten sich diese Kinder bloß?

In dieser ersten Woche, während meine Gruppe wegdöste, machte ich mir Sorgen über die Hygiene auf dem Linoleumboden.

Ich habe immer noch Mrs. King im Ohr, besenstielgerade und schrill:

»Wie fühlt ihr euch nach diesem Buch?«

Danach gähnte sie ein paarmal übertrieben.

Ich weiß noch, wie ich meine Mitinsassen ansah und dachte: Würde bitte jemand, irgendjemand, das Wort »müde« rufen?

Ich selbst hatte in meinen fünf Kindergartentagen noch keine Silbe verlauten lassen und auch nicht die Absicht, das zu tun.

Aber nach Tagen, an denen ich von einem Erwachsenen mehr Lügen über die Welt zu hören bekommen hatte als in meinem ganzen Leben davor – alles von nachts den Kindergarten putzenden Feen bis zu schwachsinnigen Anleitungen für Erdbeben-Selbsthilfe-Sets –, hatte ich eine Art Belastungsgrenze erreicht.

Als also die Erzieherin mich ansprach: »Willow, wie fühlst du dich nach diesem Buch?«, da musste ich einfach die Wahrheit sagen:

»Richtig schlecht. Der Mond kann nicht hören, wie jemand gute Nacht sagt; er ist zweihundertfünfunddreißigtausend Meilen weit weg. Und Häschen leben nicht in Häusern. Außerdem finde ich die Illustrationen nicht sonderlich ansprechend.«

Ich biss mir auf die Unterlippe und lernte den metallischen Geschmack von Blut kennen.

»Aber vor allem fühle ich mich schlecht, wenn Sie aus dem Buch vorlesen, weil ich weiß, dass das heißt, dass wir uns gleich auf den Fußboden legen müssen – und die Keime dort könnten uns krank machen. Es gibt da etwas, das heißt Salmonellen und ist sehr gefährlich. Besonders für Kinder.«

An diesem Nachmittag lernte ich das Wort »Spinner«, denn so nannten mich die anderen Kinder.

Als meine Mom kam, um mich abzuholen, fand sie mich weinend hinter dem Müllcontainer auf dem Spielplatz.

In diesem Herbst wurde ich zu einer Erziehungsberaterin gebracht und die Frau machte mit mir einen Test. Sie schrieb meinen Eltern einen Brief.

Ich las ihn.

Darin stand, ich sei »hochbegabt«.

Sind Menschen manchmal auch »tiefbegabt«?

Oder »mittelbegabt«?

Oder einfach bloß begabt? Es ist möglich, dass jedes Etikett ein Fluch ist. Es sei denn, es klebt auf Reinigungsmitteln.

Denn meiner Meinung nach ist es keine sonderlich gute Idee, Menschen festzulegen.

Wir sind alle bunt gemixte genetische Eintöpfe.

Jeder Mensch besteht aus jeder Menge Zutaten, die ihn zu etwas machen, was einzigartig ist.

Mrs. Grace V. Mirman zufolge, der Erziehungsberaterin, bestand die Herausforderung für Eltern »hochbegabter« Kinder darin, Wissensgebiete zu finden, auf denen ihr Kind angeregt und ausgelastet wird.

Aber ich glaube, sie hatte unrecht.

Mich interessiert nämlich nahezu alles.

Der Wasserbogen eines Rasensprengers kann mich anregen. Ich kann eine schockierend lange Zeit in ein Mikroskop gucken.

Die Herausforderung für meine Eltern bestand darin, Freunde zu finden, die es mit jemandem wie mir aushielten.

All das führt zu unserem Garten.

Mom und Dad behaupteten, sie wollten mit ihm mein Leben bereichern. So kam es ja auch. Doch eines, denke ich, war von Anfang an klar.

Pflanzen reden nicht mit dir.

KAPITEL 3

Als Familie haben wir uns regelrecht aufs Anpflanzen und Wachsenlassen gestürzt.

Ich habe viele Fotos von frühen Ausflügen, um Samen zu kaufen und junge Pflanzen auszusuchen. Ich sehe wahnsinnig aufgeregt aus.

Frühzeitig legte ich mein Garten-Outfit fest.

Ich habe es in all den Jahren nicht verändert.

Man könnte sagen, es war meine Uniform.

Ich trug fast immer ein Khaki-Shirt und einen roten Panamahut gegen die Sonne. (Rot ist meine Lieblingsfarbe, weil sie in der Welt der Pflanzen von großer Bedeutung ist.)

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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