Gottfried Wilhelm Leibniz - Die Theodicee - Gottfried Wilhelm Leibniz - E-Book

Gottfried Wilhelm Leibniz - Die Theodicee E-Book

Gottfried Wilhelm Leibniz

0,0

Beschreibung

In 'Gottfried Wilhelm Leibniz - Die Theodicee' präsentiert der renommierte Philosoph Leibniz seine Theorie über das Konzept des Bösen in der Welt und die Existenz eines allmächtigen und allgütigen Gottes. Mit präziser Argumentation und philosophischem Scharfsinn beleuchtet er die Frage nach dem Ursprung des Bösen und dessen Vereinbarkeit mit einem allwissenden Schöpfer. Leibniz' Schreibstil ist klar und logisch, geprägt von seinem umfassenden Wissen in den Bereichen Mathematik, Philosophie und Theologie. Dieses Werk bleibt ein Meilenstein in der theologischen und philosophischen Diskussion über das Problem des Bösen in der Welt und den Glauben an eine göttliche Ordnung. Die Theodicee ist ein grundlegendes Werk und ein Must-Read für alle, die sich mit den großen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Existenz Gottes auseinandersetzen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 812

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gottfried Wilhelm Leibniz

Gottfried Wilhelm Leibniz - Die Theodicee

Abhandlungen über die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Bösen
            Books
- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung [email protected]   2017 OK Publishing

Inhaltsverzeichnis

Abhandlung über die Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft
Abhandlung über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Uebels
Kurze Darstellung der Streitfrage, auf förmliche Schlüsse zurückgeführt
Betrachtungen über das Werk, welches Herr Hobbes im Englischen über die Freiheit, die Nothwendigkeit und den Zufall veröffentlicht hat
Bemerkungen zu der Schrift vom Ursprung des Uebels, welche vor kurzem in England erschienen ist
Die Sache Gottes vertheidigt durch die Versöhnung seiner Gerechtigkeit mit seinen übrigen Vollkommenheiten und mit all seinen Handlungen

Abhandlung über die Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft

Inhaltsverzeichnis

1. Ich beginne mit der Vorfrage in Betreff der Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft, und des Gebrauchs der Philosophie in der Theologie; denn diese Frage ist von grossem Einfluss auf den Gegenstand meiner Abhandlung und Herr Bayle geht überall auf dieselbe zurück. Ich nehme an, dass zwei Wahrheiten sich nicht widersprechen können, dass der Glaube es mit der Wahrheit zu thun, welche Gott auf eine ausserordentliche Weise offenbart hat und dass die Vernunft eine Verknüpfung von Wahrheiten ist und zwar in Vergleich mit dem Glauben, von solchen Wahrheiten, welche der menschliche Geist durch seine Natur ohne Unterstützung vom Licht des Glaubens erreichen konnte. Diese Definition der Vernunft (d.h. von der rechten und wahrhaften Vernunft) hat Manchen überrascht, der gewohnt ist, gegen die in einem unbestimmten Sinne genommene Vernunft zu eifern. Man hat mir entgegnet, dass man niemals eine solche Erklärung von derselben gehört habe; allein diese Gegner haben nie mit Männern verkehrt, welche sich über diese Dinge genau ausdrückten, und doch hat man eingeräumt, dass man die Vernunft in diesem von mir gegebenen Sinne nicht tadeln könne. Uebrigens wird die Vernunft in diesem Sinne auch mitunter der Erfahrung entgegengestellt, da sie in einer Verknüpfung der Wahrheiten besteht und daher berechtigt ist, sie anders als die Erfahrung gethan hat, zu verbinden, um daraus gemischte Schlussfolgerungen zu ziehen. Indess hat die reine und blose Vernunft es im Unterschied von der Erfahrung nur mit Wahrheiten zu thun, welche von den Sinnen unabhängig sind. Man kann auch den Glauben mit der Erfahrung vergleichen, weil der Glaube (rücksichtlich der Gründe, auf die sich seine Wahrheit stützt) von der Erfahrung derer abhängt, welche die Wunder, auf welche die Offenbarung gegründet wird, gesehen haben, so wie von den glaubwürdigen Ueberlieferungen, durch welche die Kenntniss dieser Wunder auf uns gelangt ist; sei es mittelst der Schriften oder mittelst des Berichts derer, die diese Schriften aufbewahrt haben; ohngefähr so wie man sich auf die Erfahrung derer stützt, welche China gesehen haben und auf die Glaubwürdigkeit ihrer Berichte, wenn man an die Wunder glaubt, die von diesem fernen Lande erzählt werden. Ich sehe dabei noch ganz von den Einwirkungen des heiligen Geistes auf unser Inneres ab, welcher die Seelen erfasst, sie überzeugt und zum Guten führt, d.h. zum Glauben und zur Liebe, ohne dass man immer Gründe dafür verlangt.

2. Nun zerfallen die Vernunft-Wahrheiten in zwei Arten. Die eine befasst die ewigen Wahrheiten, welche unbedingt der Art nothwendige sind, dass das Entgegengesetzte einen Widerspruch enthalten würde. Dieser Art sind die Wahrheiten, deren Nothwendigkeit eine logische, metaphysische oder mathematische ist, und die man nicht bestreiten kann, ohne in Widersinnigkeiten zu gerathen. Es giebt aber, als eine zweite Art, auch Wahrheiten, die man positive nennen kann, welcher Art die Gesetze sind, welche der Natur zu geben Gott gefallen hat, oder solche, welche von diesen abhängen. Wir lernen sie entweder durch die Erfahrung kennen, d.h. a posteriori, oder durch die Vernunft und a priori, d.h. durch die Erwägung der Angemessenheit, welche zu deren Wahl veranlasst hat. Diese Angemessenheit hat auch ihre Regeln und Gründe, indess ist es die freie Wahl Gottes und nicht eine geometrische Nothwendigkeit, welche das Angemessene vorziehen lässt und zur Wirklichkeit überführt. Man kann daher sagen, dass die physische Nothwendigkeit auf der moralischen Nothwendigkeit ruht, d.h. auf einer Auswahl des Weisen, welche seiner Weisheit würdig ist, und dass sowohl die eine, wie die andere von der geometrischen Nothwendigkeit unterschieden werden muss. Diese physische Nothwendigkeit bewirkt die Ordnung in der Natur; sie besteht in den Gesetzen der Bewegung und in einigen andern allgemeinen, die es Gott gefallen hat, den Dingen bei deren Erschaffung zu geben. Gott hat sie daher nicht ohne Grund gegeben; denn er thut nichts aus Eigensinn oder gleichsam zufällig, oder aus einer reinen Gleichgültigkeit. Indess können diese allgemeinen Gründe für das Wohl und die Ordnung, welche zu diesen Gesetzen geführt haben, mitunter durch die stärkeren Gründe einer höhern Ordnung durchbrochen werden.

3. Hieraus erhellt, dass Gott seine Geschöpfe von den ihnen vorgeschriebenen Gesetzen befreien und bei ihnen das hervorbringen kann, wozu ihre Natur nicht hinreicht, indem er ein Wunder thut. Wenn die Geschöpfe dadurch zu Vollkommenheiten und Kräften erhoben werden, welche vornehmer sind, als die, zu denen sie durch ihre eigene Natur gelangen können, so nennen die Scholastiker eine solche Kraft eine gehorchende, weil das Geschöpf sie durch den Gehorsam erlangt, welchen es dem Befehle dessen leistet, welcher ihm das verleihen kann, was es nicht hat. Indess geben die Scholastiker gewöhnlich solche Beispiele von dieser Kraft, welche ich für unmöglich halte, z.B. wenn sie behaupten, Gott könne den Geschöpfen eine erschaffende Kraft ertheilen. Es kann auch Wunder geben, welche Gott durch den Dienst von Engeln verrichtet; hier werden die Naturgesetze ebensowenig verletzt, wie wenn die Menschen der Natur durch die Kunst nachhelfen, da die Kunst der Engel nur dem höhern Grade nach von der unserigen verschieden ist. Indessen bleibt es immer wahr, dass der Gesetzgeber von den Naturgesetzen Ausnahmen gewähren kann, während die ewigen Wahrheiten, z.B. die geometrischen, durchaus keine Ausnahme gestatten und daher der Glaube ihnen nicht widersprechen kann. Deshalb ist ein unbesieglicher Einwand gegen die Wahrheit nicht möglich; denn wenn dieser Einwand in einem Schlusse gesteht, der sich auf die Prinzipien oder auf unbestreitbare Thatsachen stützt, und aus einer Verkettung ewiger Wahrheiten besteht, so ist der gefolgerte Schlusssatz gewiss und unabwendbar und das ihm Entgegengesetzte muss falsch sein, sonst könnten zwei sich widersprechende Sätze zugleich wahr sein. Ist aber der Einwand nicht so beweisbar, so führt er nur zu einem wahrscheinlichen Satz, welcher gegen den Glauben nichts vermag, da man anerkennt, dass die Geheimnisse der Religion den Erscheinungen widersprechen können. Nun erklärt Herr Bayle in der nach seinem Tode erschienenen Antwort an Herrn Le Clerc, wie er nicht behaupte, dass es Schlussfolgerungen gegen die Glaubenswahrheiten gebe und somit verschwinden alle jene unüberwindlichen Schwierigkeiten und jener angebliche Widerstreit der Vernunft mit dem Glauben.

Hi motus animorum atque haec discrimina tantaPulveris exigui jactu compressa quiescunt.

(All diese Bewegung der Geister und diese grossen Gegensätze Erlöschen und kommen durch den Wurf von ein wenig Staub zusammengedrückt zur Ruhe.)

4. Sowohl die protestantischen, wie die römisch-katholischen Theologen stimmen, wenn sie die Sache mit Sorgfalt behandeln, mit diesen von mir aufgestellten Sätzen überein; alles was man gegen die Vernunft sagen kann, trifft nur jene angebliche Vernunft, welche durch falschen Schein verdorben ist und gemissbraucht wird. Es ist ebenso, wie mit den Begriffen von der Gerechtigkeit und Güte Gottes. Man spricht manchmal von ihnen, als wenn man keine Vorstellung und keine Definition von ihnen hätte. Wäre dies wahr, so hätte man keinen Halt, weshalb man Gott solche Eigenschaften beilegen und ihn deren rühmen sollte. Seine Güte und seine Gerechtigkeit unterscheiden sich ebenso, wie seine Weisheit, von der unserigen nur durch ihre unbegrenzt höhere Vollkommenheit, deshalb können die einfachen Begriffe, die nothwendigen Wahrheiten und die beweisbaren Folgerungen der Philosophie der Religion nicht widersprechen. Wenn in der Theologie einige philosophische Grundsätze zurückgewiesen werden, so ist es nur der Fall, weil man ihnen nur eine physikalische, oder moralische Nothwendigkeit zuspricht, die nur das betrifft, was gewöhnlich eintritt und deshalb sich nur auf die Wahrscheinlichkeit stützt, die aber, sofern Gott es für gut findet, auch nicht zutreffen kann.

5. Aus dem Gesagten erhellt, dass die Ausdrücke Derer mitunter an Verwirrung leiden, welche die Philosophie mit der Theologie oder den Glauben mit der Vernunft in Streit bringen. Sie vermengen das Erklären, Begreifen, Beweisen, Behaupten mit einander. Selbst Herr Bayle ist, glaube ich trotz seines Scharfsinns, nicht immer frei von dieser Verwechselung. Die Mysterien können so weit erklärt werden, als zum Glauben an sie nöthig ist, aber man kann sie nicht begreifen noch verständlich machen, wie sie geschehen. Selbst in der Naturwissenschaft erklärt man mehrere wahrnehmbare Eigenschaften nur bis zu einem gewissen Punkte, aber doch nur in unvollkommener Weise, weil man sie nicht begreift. Ebensowenig können wir mittelst der Vernunft die Mysterien erklären, denn alles, was sich a priori oder durch die reine Vernunft beweisen lässt, kann begriffen werden. Wenn wir also an die Mysterien auf Grund der Beweise für die Wahrheit der Religion glauben (die man Beweggründe des Glaubens nennt), so bleibt uns nur die Fähigkeit übrig, dass wir sie gegen die Einwürfe aufrecht erhalten können. Ohnedem hätte unser Glaube an sie keinen festen Grund; denn alles, was auf eine ernste und schlussgerechte Weise widerlegt werden kann, muss falsch sein. Die Beweise für die Wahrheit der Religion, die nur eine moralische Gewissheit gewähren können, würden durch Einwürfe von einer unbedingten Gewissheit aufgewogen, ja selbst aufgehoben werden, wenn sie überzeugend und streng beweisend wären. Dies Wenige könnte mir genügen, um die Schwierigkeiten bei dem Gebrauch der Vernunft und der Philosophie in Bezug auf die Religion zu beseitigen, wenn man es nicht oft mit den Vorurtheilen mancher Personen zu thun hätte. Da jedoch der Gegenstand wichtig und mehrfach sehr verdunkelt worden ist, so dürfte es zweckmässig sein, wenn ich mehr in Einzelnes eingehe.

6. Die Frage nach der Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft ist von jeher ein grosses Problem gewesen. In den Anfängen der Kirche fügten die christlichen Schriftsteller sich den platonischen Gedanken, die ihnen am geläufigsten waren und damals die meiste Verbreitung hatten. Nach und nach nahm aber Aristoteles die Stelle von Plato ein, als sich der Geschmack an Systemen verbreitete und als selbst die Theologie in Folge der Beschlüsse der allgemeinen Concilien systematischer wurde, welche bestimmte und inhaltliche Formeln festgestellt hatten. Der heilige Augustin, Boethius und Cassiodorus im Abendlande, so wie Johannes von Damascus im Morgenlande haben am meisten dazu beigetragen, dass die Theologie die Gestalt einer Wissenschaft erhalten hat, abgesehen von Beda, Alcuin, dem heiligen Anselmus und einigen andern in der Philosophie bewanderten Theologen. Zuletzt traten die Scholastiker auf; die Menge der Klöster liess der Speculation freien Lauf und unterstützt von der Aristotelischen, aus dem Arabischen übersetzten Philosophie gelang es endlich eine Zusammenstellung der Theologie und Philosophie zu machen, in welcher die meisten zweifelhaften Fragen aus dem Eifer hervorgingen, mit dem man sich bemühte, den Glauben mit der Vernunft zu versöhnen. Indess geschah dies nicht überall mit dem wünschenswerthesten Erfolge, da die Theologie durch das Unglück der Zeiten, sowie durch Unwissenheit und Hartnäckigkeit sehr herabgekommen war, und weil die Philosophie neben ihren eigenen grossen Mängeln, noch mit den Mängeln der Theologie belastet war, die ihrerseits wieder von den Folgen ihrer Verbindung mit einer höchst dunkeln und unvollkommenen Philosophie zu leiden hatte. Indess muss man mit dem unvergleichlichen Grotius anerkennen, dass unter dem widerwärtigen Mönchslatein mitunter Gold verhüllt ist. Ich habe deshalb mehrmals gewünscht, dass ein Mann von Fähigkeit, der vermöge seines Amtes das Latein der Scholastiker zu lernen hat, daraus das Beste ausziehen möchte und dass ein zweiter Petavius oder Thomasius in Bezug auf die Scholastiker dasselbe gethan hätten, was diese beiden gelehrten Männer in Bezug auf die Kirchenväter geleistet haben. Dies wäre eine sehr interessante und wichtige Arbeit für die Kirchengeschichte; sie würde die Dogmengeschichte bis zur Herstellung der Wissenschaften befassen (durch welche die Dinge ein anderes Ansehen erhalten haben) und selbst noch darüber hinaus gehen, da selbst auch nach den Tridentinischen Concil viele Dogmen, wie z.B. das von der physischen Vorherbestimmung, von dem mittleren Wissen, von der philosophischen Sünde, von den gegenständlichen Vorbestimmtheiten und von anderen in der speculativen Theologie, so wie selbst Gewissensfälle in der praktischen Theologie lebhaft verhandelt worden sind.

7. Kurz vor diesen Veränderungen und vor der grossen Spaltung der abendländischen Kirche, welche noch jetzt fortdauert, gab es in Italien eine Anzahl Philosophen, welche diese Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft, die ich behaupte, bekämpften. Man nannte sie Averroisten, weil sie sich zu einem berühmten arabischen Schriftsteller hielten, welchen man vorzugsweise den Commentator nannte und welcher am meisten unter den Erklärern des Aristoteles von seiner Nation in dessen Sinn eingedrungen zu sein schien. Dieser Commentator behauptete, in Fortführung des von den griechischen Erklärern bereits Gelehrten, dass nach Aristoteles und selbst nach der Vernunft (was beides damals beinah für dasselbe galt) die Unsterblichkeit der Seele nicht bestehen könnte. Seine Gründe sind die folgenden: Nach Aristoteles vergeht das menschliche Geschlecht nicht; wenn also die Seele der Einzelnen nicht untergeht, muss man zur Seelenwanderung gelangen, die dieser Philosoph verworfen hat; oder wenn neue Seelen hinzukommen, so muss man eine unendliche Menge solcher in alle Ewigkeit beharrenden Seelen annehmen. Nun ist aber eine wirkliche Unendlichkeit unmöglich, wie derselbe Aristoteles lehrt; also muss man schliessen, dass die Seelen, d.h. die Formen der organischen Körper mit diesen Körpern untergehen müssen, oder dass dies wenigstens mit der leidenden Vernunft geschehen muss, welche dem Einzelnen eigenthümlich angehört. Es würde also dann nur die thätige Vernunft übrig bleiben, welche allen Menschen gemeinsam ist und welche nach Aristoteles von Aussen in den einzelnen Menschen eintritt und welche überall sich bethätigen muss, wo die Organe dazu geeignet sind, wie der Wind eine Art Musik hervorbringt, wenn er in die dazu eingerichteten Orgelpfeifen eingeblasen wird.

8. Allein es kann wohl nichts schwächeres geben, als diesen Beweis; Aristoteles hat nirgends die Seelenwanderung widerlegt, noch die Ewigkeit des Menschengeschlechts bewiesen und endlich ist es falsch, dass es kein wirkliches Unendliches geben könne. Dessen ungeachtet galt diese Beweisführung bei den Aristotelikern für unwiderleglich und liess sie glauben, dass es unter dem Monde eine gewisse Vernunft gebe und dass die Theilnahme an derselben den thätigen Theil unseres Verstandes bilde. Weniger strenge Anhänger des Aristoteles gingen indess weiter bis zur Annahme einer allgemeinen Seele, welche den Ozean für alle besonderen Seelenbilde; nur diese allgemeine Seele solle als eine selbständige bestehen, während die einzelnen besonderen Seelen entstehen und vergehen. Nach dieser Ansicht entstehen die Seelen der Thiere durch eine gleichsam tropfenweise Absonderung aus diesem Ozean, sobald sie einen Körper treffen, den sie beleben können und bei der Zerstörung des Körpers gehen sie unter, indem sie sich wieder mit dem Ozean der Seelen verbinden, so wie die Flüsse sich im Meere verlieren. Manche glaubten sogar, dass Gott diese allgemeine Seele sei, obgleich Andere annahmen, dass sie untergeordnet und geschaffen sei. Diese schlechte Lehre ist sehr alt und sehr dazu geeignet, die gewöhnliche Lehre zu verdunkeln. Sie ist in den schönen Versen Virgils (Aeneide. VI. Vers 724) ausgesprochen:

»Im Anfange ernährte ein innerer Geist den Himmel und die Erde und die glänzenden Gefilde und den leuchtenden Körper des Mondes und die Titanischen Gestirne; der durch alle Glieder ergossene Geist bewegte die ganze Masse und mischte sich mit dem grossen Körper.«

Und auch anderwärts (Georgica IV. Vers. 221):

»Denn die Gottheit schreitet durch alle Länder und Meere und den tiefen Himmel. Von daher entnimmt ein jedes der Hausthiere, der Heerden, der Männer, aller Arten der wilden Thiere und jedes Geborene sein schwächliches Leben und wenn sie sich auflösen, so muss es dahin zurückgegeben und zurückgebracht werden.«

9. Einige haben die Weltseele Plato's in diesem Sinne aufgefasst; aber die Stoiker haben wahrscheinlich diese gemeinsame Seele angenommen, welche alle andern aufzehrt. Die Anhänger dieser Meinung könnten Monophysiten heissen, weil nach ihnen nur eine Seele wahrhaft beharrt. Nach Herrn Bernier herrscht diese Meinung beinah allgemein unter den Gelehrten in Persien und in den Staaten des Gross-Mogul; selbst bei den Kabbalisten und Mystikern scheint sie Eingang gefunden zu haben. Ein Deutscher aus Schwaben, welcher vor einigen Jahren zum Judenthum übergetreten war und unter dem Namen »Der deutsche Moses« seine Lehre vortrug, hat, im Anhalt an die Lehre Spinoza's, angenommen, dass Spinoza die alte Kabbala der Hebräer erneuert habe; auch scheint ein Gelehrter, welcher diesen jüdischen Proselyten widerlegt hat, derselben Ansicht gewesen zu sein. Man weiss, dass Spinoza nur eine Substanz in der Welt anerkennt, von welcher die einzelnen Seelen nur vorübergehende Zustände bilden. Valentin Weigel, Pastor in Zschopau in Sachsen, ein Mann von Geist, vielleicht von etwas zu viel Geist, obgleich man ihn zu einem Enthusiasten hat machen wollen, war vielleicht auch einigermassen dieser Ansicht; ebenso der sogenannte Johann Angelus, ein Schlesier, welcher eine Anzahl kleiner deutscher, frommer und niedlicher Verse in Gestalt von Epigrammen verfasst hat, die kürzlich wieder aufgelegt worden sind; überhaupt könnte der von den Mystikern gestaltete Gott in diesem schlechten Sinne genommen werden. Schon Gerson hat gegen Ruysbroek, einen Mystiker geschrieben. Seine Absicht war anscheinend gut und seine Ausdrücke kann man entschuldigen, indessen thut man besser, wenn man in einer Weise schreibt, die keiner Entschuldigung bedarf, obgleich ich anerkenne, dass die übertriebene und gleichsam dichterische Ausdrucksweise mehr als die regelmässige zu rühren und zu überreden vermag.

10. Die Vernichtung von allem, was uns zu eigen angehört und die von den Quietisten sehr weit getrieben wird, dürfte bei Manchem auch nur eine verstellte Gottlosigkeit sein, wie das, was man von dem Quietismus des Foe berichtet, dem Gründer einer grossen Sekte in China. Nachdem er 40 Jahre seine Religion gepredigt hatte und sich dem Tode nahe fühlte, erklärte er seinen Schülern, dass er ihnen die Wahrheit unter dem Schleier von Bildern verhüllt habe, und dass alles auf Nichts zurückkomme, welches Nichts das oberste Prinzip der Dinge sei. Dies war, wie es scheint, noch schlimmer, als die Meinung der Averroisten. Beide Lehren können nicht aufrecht erhalten werden und überschreiten die wahren Grenzen. Dennoch haben einige Neuere ohne Bedenken diese allgemeine und eine Seele angenommen, welche die andern verschlingt, und sie hat unter den sogenannten starken Geistern nur zu viel Beifall gefunden. Herr von Preissac, ein Soldat und geistvoller Mann, der sich auch mit Philosophie abgegeben, hat sie in seinen Abhandlungen öffentlich aufgerichtet. Das System der im Voraus eingerichteten Harmonie kann dieses Uebel am besten heilen, da es zeigt, dass es nothwendige, einfache und unausgedehnte Substanzen giebt, welche durch die ganze Natur verbreitet sind. Diese Substanzen bestehen unabhängig von allen anderen, ausgenommen von Gott und sie sind niemals von jedwedem organischen Körper getrennt. Wenn man meint, dass die Seelen, welche nur Wahrnehmung und Empfindung, aber keine Vernunft haben, sterblich seien, oder dass nur vernünftige Seelen eine Empfindung haben können, so bietet dies den Monophysiten viele Angriffspunkte, da man die Menschen kaum dazu überreden wird, dass die Thiere keine Empfindung haben und, wenn man einmal zugiebt, dass der Empfindungsfähige untergehen könne, so kann die Unsterblichkeit der Seele kaum noch auf die Vernunft gestützt werden.

11. Ich habe dies hier beiläufig erwähnt, weil ich dies in einer Zeit für zweckmässig hielt, wo man nur zu sehr dahin neigt, die natürliche Religion bis auf ihre Fundamente umzustürzen. Ich komme nun zu den Averroisten zurück, welche meinten, ihre Lehre durch die Vernunft begründet zu haben. In Folge dessen erklärten sie die menschliche Seele nach der Philosophie für sterblich, aber dabei versicherten sie, dass sie sich der christlichen Theologie unterwürfen, welche die Seele für unsterblich erklärt. Indess galt diese Unterscheidung für verdächtig, und diese Trennung der Vernunft vom Glauben wurde laut durch die damaligen Prälaten und Doktoren verworfen und im letzten Lateranischen Concil unter Leo X. verdammt. Dabei wurden die Gelehrten ermahnt, an der Beseitigung der Schwierigkeiten zu arbeiten, welche sich zwischen der Theologie und Philosophie zu entspinnen schienen. Indess erhielt sich die Lehre von deren Unverträglichkeit gleichsam incognito; Pomponacius wurde derselben verdächtig, obgleich er sich anders erklärte und die Sekte der Averroisten erhielt sich durch mündliche Ueberlieferung und man glaubt, dass der zu seiner Zeit berüchtigte Philosoph Cesar Cremonin eine Hauptstütze derselben gewesen ist. Der Arzt Andreas Caesalpinus, ein verdienstlicher Schriftsteller, der nach Michael Servet der Entdeckung des Blutumlaufs sehr nahe war, wurde von Nicolaus Taurel (in einer Schrift: Die gefällten Alpen) beschuldigt, dass er zu diesen Peripatetikern, den Gegnern der Religion, gehöre. Spuren dieser Lehre finden sich auch in dem »Circulus Pisanus« des Claudius Berigard, eines Schriftstellers, der von Geburt Franzose, nach Italien ging und in Pisa Philosophie lehrte. Insbesondere ergeben aber die Schriften und Briefe von Gabriel Naudé, so wie die Naudaeana, dass zur Zeit, wo dieser gelehrte Arzt in Italien war, der Averroismus noch bestand. Die Corpuscular-Philosophie, die bald nachher eingeführt wurde, scheint diese übertriebene Peripatetische Sekte beseitigt oder mit ihr sich gemischt zu haben und manche Atomisten möchten wohl gerne Lehren, wie die der Averroisten aufstellen, wenn die Verhältnisse es gestatteten. Indess wird dieser Missbrauch dem Guten in der Corpuscular-Philosophie keinen Schaden thun, da sie sich sehr gut mit den gründlichen Sätzen Plato's und Aristoteles' verträgt und beide mit der wahren Theologie sich vereinigen lassen.

12. Die Reformatoren, namentlich Luther, haben, wie ich bereits bemerkt, mitunter sich so geäussert, als wenn sie die Philosophie verwürfen und sie als einen Feind des Glaubens betrachteten. Aber richtig aufgefasst, verstand Luther unter Philosophie nur das, was dem gemeinen Lauf der Natur entspricht oder vielleicht sogar das, was man davon in den Schulen lehrte. So sagt er, es sei in der Philosophie, d.h. in der Natur-Ordnung unmöglich, dass das Wort Fleisch werde und er geht zu der Behauptung fort, dass das, was in der Naturwissenschaft wahr sei, in der Moral falsch sein könne. Aristoteles war der Gegenstand seines Zornes und seit dem Jahre 1516, wo er vielleicht noch nicht an die Reform der Kirche dachte, hatte er den Plan, die Philosophie zu reinigen. Indess besänftigte er sich später und gestattete es, dass man in der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses über Aristoteles und dessen Moral sich günstig aussprach. Der gelehrte und gemässigte Melanchthon stellte kleine Systeme über einzelne Zweige der Philosophie auf, die sich mit den geoffenbarten Wahrheiten vertrugen und für das tägliche Leben von Nutzen sind, so dass sie noch heute des Lesens werth sind. Nach ihm erhob sich Peter von Ramée; seine Philosophie kam sehr in Aufnahme und die Sekte der Ramisten wurde in Deutschland mächtig. Die Protestanten folgten ihr und sie wurde selbst in der Theologie benutzt. Erst als die Corpuscular-Philosophie wieder erweckt wurde, vergass man die des Ramée und das Ansehen der Peripatetiker sank.

13. Trotzdem entfernten sich verschiedene protestantische Theologen so viel sie konnten, von der scholastischen Philosophie, welche bei ihren Gegnern herrschte, ja sie verachteten die Philosophie überhaupt, die ihnen verdächtig war. Zuletzt brach der Streit in Helmstädt durch die Bitterkeit des Daniel Hofmann, eines sonst gewandten Theologen, aus, der bei der Quedlinburger Zusammenkunft sich Ansehn verschafft hatte, wo er mit Tilemann Heschusius sich auf die Seite des Herzogs Julius von Braunschweig gestellt hatte, als dieser die Concordienformel nicht annehmen wollte. Ich weiss nicht, wie der Dr. Hofmann sich gegen die Philosophie ereiferte, anstatt sich auf den Tadel der Missbräuche zu beschränken, welchen die Philosophen mit ihr treiben; er hatte es aber auf den berühmten Johann Caselius abgesehen, welcher von den Fürsten und Gelehrten seiner Zeit geachtet wurde und der Herzog Heinrich Julius von Braunschweig (der Sohn des Herzogs Julius, des Gründers der Universität) unterzog sich selbst der Mühe, die Sache zu untersuchen und verdammte demnächst den Theologen. Seitdem sind noch einige ähnliche kleine Zwiste vorgekommen, es ergab sich aber immer, dass sie auf Missverständnissen beruhten. Der berühmte Professor Paul Slevogt in Jena in Thüringen, dessen Abhandlungen, so weit sie noch vorhanden sind, zeigen, wie sehr er in der scholastischen Philosophie und in der Hebräischen Literatur bewandert war, hatte in seiner Jugend unter dem Titel: Pervigilium (Die Nachtwachen), eine kleine Schrift über den Streit des Theologen und des Philosophen, welcher sich auf deren beiderseitige Prinzipien stützt, bei Gelegenheit der Frage veröffentlicht, ob Gott die accidentelle Ursache des Uebels sei. Man ersah indess bald, wie er nur zeigen wollte, dass die Theologen mitunter philosophische Ausdrücke missbrauchen.

14. Gehe ich auf meine Zeit über, so entsinne ich mich, dass als Luis Meyer, ein Arzt in Amsterdam, 1666 anonym die Schrift: Die Philosophie als Auslegerin der heiligen Schrift veröffentlichte (mit Unrecht haben Mehrere sie seinem Freunde Spinoza zugeschrieben), die holländischen Theologen sich erhoben und durch ihre Gegenschriften zu grossen Streitigkeiten unter sich Anlass gaben. Viele meinten, dass die Cartesianer in ihren Widerlegungen des anonymen Philosophen, der Philosophie zu viel zugestanden hätten. Johann von Labadie griff (noch vor seiner Trennung von der reformirten Kirche, die angeblich wegen einiger Missbräuche, die sich in die politische Praxis eingeschlichen hatten und die ihm unerträglich schienen, geschah), die Schrift des Herrn von Wollzogen an und that ihr viel Schaden; von der andern Seite bekämpften Herr Vogelsang, Herr von der Waeyen und einige andere Anti-Coccejaner das Buch ebenfalls mit vieler Bitterkeit; allein der Angeklagte gewann seine Sache auf einer Synode. Seitdem sprach man in Holland von theologischen Rationalisten und Nicht-Rationalisten, eine Partei-Unterscheidung, deren Herr Bayle oft erwähnt und wo er sich zuletzt gegen die ersteren entscheidet. Indess hat man wohl die Regeln noch nicht genau aufgestellt, in denen beide Parteien übereinstimmen und in denen es nicht der Fall für die Frage ist, wie weit von der Vernunft bei der Erklärung der heiligen Schrift Gebrauch zu machen ist.

15. Ein ähnlicher Streit scheint noch seit kurzem die Kirchen des Augsburgischen Bekenntnisses zu beunruhigen. Einige Magister auf der Universität Leipzig hielten bei sich Privatvorlesungen für die Studenten, welche angeblich die heilige Philologie lernen wollten, wie dies bei dieser und einigen andern Universitäten gebräuchlich ist, wo dieser Zweig des Studiums noch nicht der theologischen Facultät vorbehalten ist. Diese Magister nahmen das Studium der heiligen Schriften und die Uebung der Frömmigkeit strenger, als es ihre Collegen gewöhnt waren. Man sagt, sie hätten manche Dinge übertrieben und sie seien im Verdacht von mehreren Neuerungen in der Lehre gerathen. Man gab ihnen deshalb den Namen der Pietisten, als einer neuen Sekte. Dieser Name hat seitdem in Deutschland viel von sich reden gemacht, und ist wohl oder übel auf alle diejenigen angewandt worden, welche man im Verdacht hatte, oder bei denen man wenigstens so that, als hätte man sie im Verdacht des Fanatismus und selbst einer Heuchelei, die sich unter den Schein der Reform verhülle. Da nun einige Zuhörer dieser Magister sich durch ein sehr auffallendes Benehmen bemerklich gemacht hatten, unter andern durch eine Verachtung der Philosophie, von der sie die Lektionshefte verbrannt haben sollten, so glaubte man, dass ihre Lehrer die Philosophie verwürfen; indess rechtfertigten diese sich sehr gut und man konnte sie weder dieses Irrthums, noch der ihnen nachgesagten Ketzereien überführen.

16. Die Frage über den Gebrauch der Philosophie in der Theologie ist unter den Christen viel verhandelt worden und wenn man in das Einzelne einging, hatte man Mühe, sich über die Grenzen dieses Gebrauchs zu vereinigen. Die Mysterien der Dreieinigkeit, der Fleischwendung und des heiligen Abendmahls gaben am meisten Gelegenheit zum Streit. Die neuen Photinianer bekämpften die beiden ersten Mysterien und bedienten sich gewisser philosophischer Sätze, von denen Andreas Kessler, ein Theolog augsburgischen Bekenntnisses einen kurzen Abriss in den Abhandlungen gegeben hat, welche er über die Socinianische Philosophie veröffentlichte. Ueber ihre Metaphysik kann man sich indess besser durch die Socinianische Philosophie, welche der Socinianer Christoph Stegmann verfasst hat, unterrichten; sie ist noch nicht gedruckt, aber ich habe sie in meiner Jugend gesehen und man hat sie mir vor kurzen mitgetheilt.

17. Calovius und Scherzer, welche Schriftsteller beide mit der scholastischen Philosophie genau bekannt sind und einige andere geschickte Theologen haben den Socinianern weitläufig und oft mit Erfolg geantwortet. Man begnügte sich indess mit allgemeinen, etwas oberflächlichen Entgegnungen, wie sie ihnen meistens entgegengestellt wurden und die darauf hinauslaufen, dass ihre Lehren für die Philosophie, aber nicht für die Theologie passten und dass dies ein Fehler jener Gebietsverwechselung sei, welche metabasis eis allo genos (Uebergang in anderes Gebiet) heisst, wenn nämlich jemand die Philosophie in dem verwendet, was die Vernunft übersteigt; vielmehr müsse die Philosophie als die Magd und nicht als die Herrin der Theologie in Gemässheit des Titels von dem Buche des Schotten Robert Baronius, Philosophia Theologiae ancillans, behandelt werden. Sie sei eine Hagar neben der Sara, die mit ihrem Ismael aus dem Hause gejagt werden müsse, wenn sie die störrische spielen wolle. In diesen Antworten liegt etwas richtiges, allein man könnte einen falschen Gebrauch davon machen, in unpassender Weise die natürlichen Wahrheiten mit den geoffenbarten in Widerstreit bringen und deshalb haben die Gelehrten sich bemüht, das was in den natürlichen oder philosophischen Wahrheiten nothwendig und unbedingt ist von dem zu sondern, was dies nicht ist.

18. Die beiden protestantischen Parteien sind immer einig, wenn es sich um den Krieg gegen die Socinianer handelt und da die Philosophie dieser Sektirer nicht zu der streng begründeten gehört, so sind letztere oft gründlich geschlagen worden. Dagegen haben dieselben Protestanten sich unter einander über das Sakrament des Abendmahls veruneinigt, als die Partei der Reformirten (d.h. derer, welche hier mehr dem Zwingli als dem Calvin folgten) die Theilnahme an dem Körper von Jesus Christus auf eine blos figürliche Stellvertretung zurückzuführen schien, indem sie den Satz der Philosophie benutzten, wonach ein Körper nicht zugleich an zwei Orten sein kann, während die Evangelischen (die sich in einem engeren Sinn so nennen, um sich von den Reformirten zu unterscheiden) sich mehr an den Wortsinn halten und mit Luther annehmen, dass diese Theilnahme eine wirkliche sei und dass hier ein übernatürliches Mysterium bestehe. Sie verwerfen in Wahrheit die Lehre von der Umwandelung der Substanz und halten diese in den Schriftworten nicht für begründet, auch billigen sie eben so wenig die Lehre der Mitumwandelung, oder der Impanation (der Annahme, dass der Körper Jesu in dem Brote enthalten sei), was man ihnen nicht zur Last legen kann, da sie den Sinn dieser Auffassung nicht genug kennen; denn sie lassen den Einschluss des Körpers Jesu Christi in das Brot nicht zu und verlangen nicht einmal eine Verbindung des einen mit dem andern; sondern sie verlangen eine Mitbegleitung in der Art, dass beide Substanzen gleichzeitig genossen werden. Sie meinen, dass die gewöhnliche Bedeutung der Worte Jesu Christi bei einer so wichtigen Gelegenheit beibehalten werden müsse, wo es sich um den Ausspruch seines letzten Willens handle. Um diese Auffassung von aller Widersinnigkeit, die uns davon abwendig machen könnte, zu befreien, behaupten sie, dass der philosophische Satz, welcher das Dasein und die Theilnahme der Körper auf einen einzigen Ort beschränkt, nur eine Folge des gewöhnlichen Laufes in der Natur sei. Sie heben damit die Gegenwart des Körpers unseres Heilands im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes nicht als eine solche auf, da eine solche dem gefeiertsten Körper angemessen sein könne. Sie nehmen ihre Zuflucht noch nicht zu einer, ich weiss nicht, welcher Ausbreitung von Ubiquität, welche den Körper zerstreuen und nirgends bestehen lassen würde; auch lassen sie nicht die vielfache Verdoppelung einiger Scholastiker zu, als wenn derselbe Körper hier sitzen und dort aufrecht stehen könnte, sondern sie sprechen sich zuletzt so aus, dass es scheint, dass die Meinung Calvins, welche durch die Bekenntnisse mehrerer der Lehre dieses Mannes folgenden Kirchen bestätigt wird, und wonach er eine Theilnahme an der Substanz behauptet, nicht so weit von dem Augsburgischen Bekenntnisse abweicht, als man vielleicht meint. Die Abweichung von letzterem besteht wohl nur darin, dass Calvin für diese Theilnahme den wahren Glauben neben der Aufnahme der Symbole durch den Mund fordert und deshalb die Unwürdigen davon ausschliesst.

19. Hieraus erhellt, dass die Lehre von der wirklichen und substantiellen Theilnahme durch eine richtig aufgefasste Analogie zwischen der unmittelbaren Wirksamkeit und der Gegenwart sich aufrecht erhalten lässt (ohne dass man die sonderbaren Meinungen einiger Scholastiker zu Hülfe zu nehmen braucht), und da mehrere Philosophen der Ansicht sind, dass selbst innerhalb der natürlichen Ordnung ein Körper aus der Entfernung unmittelbar auf mehrere von ihm abstehende Körper gleichzeitig einwirken könne, so halten sie dafür, dass um so viel mehr die göttliche Allmacht es bewirken könne, dass ein Körper bei verschiedenen Körpern gleichzeitig gegenwärtig sein könne, da der Uebergang von der unmittelbaren Wirksamkeit zur Gegenwart nicht gross sei und vielleicht das eine von dem andern abhänge. Allerdings haben die neueren Philosophen seit einiger Zeit die unmittelbare natürliche Einwirkung eines Körpers auf einen andern von ihm entfernten verworfen und ich gestehe, dass ich auch dieser Ansicht bin; allein diese Wirkung in die Ferne ist kürzlich durch den ausgezeichneten Herrn Newton in England wieder aufgenommen worden, welcher es als eine natürliche Eigenschaft der Körper hinstellt, dass sie im Verhältniss ihrer Massen und der anziehenden Strahlen die sie erhalten, sich gegenseitig anziehen und zu einander streben. Der berühmte Herr Locke hat in seiner Antwort an den Herrn Erzbischof Stillingfleet erklärt, dass er selbst nach Einsicht des Briefes von Herrn Newton das, was er in seinem Versuch über den Verstand in Folge der neueren Ansichten gesagt, zurücknehme, nämlich dass ein Körper unmittelbar auf einander nur durch Berührung seiner Oberfläche und durch Stoss in Folge eigner Bewegung einwirken könne. Herr Locke erkennt an, dass Gott Eigenschaften in den Stoff verlegen könne, die denselben auch in die Ferne wirken lassen. In dieser Weise halten die Theologen des Augsburgischen Bekenntnisses fest, dass ein Körper je nachdem Gott es bestimme, nicht allein unmittelbar auf mehrere von einander entfernte Körper einwirken, sondern dass er auch selbst bei ihnen sein und in einer Weise von ihnen aufgenommen werden könne, ohne dass die örtlichen Abstände und die räumlichen Entfernungen ein Hinderniss abgäben. Wenn diese Wirkung auch über die Kräfte der Natur gehe, so könne man doch nicht zeigen, dass sie die Macht des Schöpfers der Natur übersteige, da dieser leicht die der Natur von ihm gegebenen Gesetze aufheben oder nach seinem Gutfinden in einzelnen Fällen davon befreien könne, wie er ja in derselben Weise das Eisen auf dem Wasser habe schwimmen lassen und die Wirkung des Feuers auf den menschlichen Körper gehemmt habe.

20. Bei Vergleichung des Rationale Theologicum von Nicolas Vedelius mit der Widerlegung von Johann Musäus habe ich gefunden, dass diese beiden Schriftsteller, deren einer als Professor in Franecker gestorben ist, nachdem er in Genf gelehrt hatte und der andere zuletzt der erste Theologe in Jena geworden ist, in den Hauptregeln über den Gebrauch der Vernunft sehr übereinstimmen und dass sie nur in der Anwendung dieser Regeln auseinandergehen. Sie sind einverstanden, dass die Offenbarung nicht denjenigen Wahrheiten widersprechen könne, deren Nothwendigkeit die Philosophen eine logische oder metaphysische nennen, d.h. deren Gegensätze einen Widerspruch enthalten würden, sie geben auch beide zu, dass die Offenbarung die Regeln überschreiten könne, deren Nothwendigkeit eine physische genannt werde, und welche ihren Grund nur in den Gesetzen haben, wel che der Wille Gottes der Natur vorgeschrieben hat. Deshalb bezieht sich die Frage, ob die Gegenwart eines Körpers in mehreren Orten nach der natürlichen Ordnung möglich sei, nur auf die Anwendung jener Regel und man müsste, um diese Frage durch Vernunftschlüsse streng zu entscheiden, genau erklären, worin das Wesen der Körper bestehe. Selbst die Reformirten sind darüber nicht einig; die Cartesianer beschränken sie auf die Ausdehnung, aber ihre Gegner widersprechen und ich glaube, dass selbst Gisbert Voetius, der berühmte Utrechter Theologe, die angebliche Unmöglichkeit des Seins an mehreren Orten bezweifelte.

21. Wenn nun auch die beiden protestantischen Parteien darin einig sind, dass man die erwähnten beiden Nothwendigkeiten, die metaphysische und die physische unterscheiden müsse und dass selbst bei den Mysterien von ersterer keine Ausnahme zugelassen werden könne, so sind sie doch noch nicht genügend über die Auslegungsregeln einig, welche bestimmen, in welchen Fällen man den Buchstaben verlassen könne, wenn man noch nicht sicher ist, ob die Worte den unerlässlichen Wahrheiten widersprechen. Denn sie sind einig, dass man in gewissen Fällen die wirkliche Auslegung verlassen müsse, wenn sie auch nicht zu unbedingt Unmöglichem führt, sofern sie nur im Uebrigen wenig passt. So sind z.B. alle Ausleger einverstanden, dass unser Herr es bildlich meinte, als er sagte, Herodes sei ein Fuchs; und man muss dies annehmen, anstatt mit einigen Fanatikern sich einzubilden, dass Herodes für die Zeit, während die Worte unseres Herrn andauerten, wahrhaft in einen Fuchs verwandelt worden sei. Dies gilt aber nicht auch für die fundamentalen Stellen über die Mysterien, wo man nach den Theologen des Augsburgischen Bekenntnisses sich an den Wortsinn halten müsse. Da nun diese Frage mehr der Auslegungskunst und nicht eigentlich der Logik angehört, so gehe ich hier um so weniger darauf ein, als sie mit den Streitigkeiten wenig zusammenhängt, welche sich seit kurzem über die Uebereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft erhoben haben.

22. Die Theologen aller Parteien, denke ich (die Fanatiker ausgenommen), sind wenigstens darin einig, dass kein Glaubensartikel einen Widerspruch enthalten, noch so genauen Beweisen, wie es die mathematischen sind, widersprechen darf, bei denen das Gegentheil ihres Schlusssatzes ad absurdum, d.h. zu einem Widerspruch geführt werden kann. Der heilige Athanasius hat mit Recht über das unverständliche Geschwätz einiger Schriftsteller seiner Zeit gespottet, welche behaupteten, Gott habe ohne Leiden gelitten. Passus est impassibiliter. Welche lächerliche Lehre, die zugleich aufbaut und niederreisst. Gewisse Schriftsteller haben daher zu schnell eingewendet, dass die heilige Dreieinigkeit dem wichtigen Grundsatz widerspreche, wonach zwei Dinge, welche dieselben mit einem dritten sind, auch unter einander dieselben sind; d.h. wenn A dasselbe ist wie B und wenn C dasselbe ist wie B, so müssen auch A und C unter sich dieselben sein. Denn dieser Grundsatz folgt unmittelbar aus dem Satz des Widerspruchs und ist die Grundlage der ganzen Logik; ohne ihn giebt es keine sicheren Begründungen. Wenn man also sagt, der Vater sei Gott und der Sohn sei Gott und der heilige Geist sei Gott und es dennoch nur einen Gott giebt, obgleich diese drei Personen verschieden sind, so muss das Wort Gott am Anfang dieses Satzes nicht die gleiche Bedeutung, wie am Schlusse haben. In Wahrheit bezeichnet es bald die göttliche Substanz, bald eine Person der Gottheit. Man muss also allgemein sich hüten, die nothwendigen und ewigen Wahrheiten um der Aufrechthaltung eines Mysteriums willen, Preis zu geben, weil man fürchtet, dass die Feinde der Religion daraus ein Recht hernehmen möchten, die Religion und die Mysterien überhaupt herabzuwürdigen.

23. Die Unterscheidung, die man gewöhnlich zwischen dem, was über die Vernunft geht und dem, was gegen die Vernunft geht zieht, passt gut auch zu der Unterscheidung der beiden Arten von Nothwendigkeit. Denn was gegen die Vernunft geht, geht auch gegen die unbedingt gewissen und ausnahmlosen Wahrheiten und das, was über die Vernunft geht, widerstreitet nur dem, was man zu erfahren oder zu begreifen gewöhnt ist. Ich wundere mich deshalb, dass Männer von Geist diese Unterscheidung nicht gelten lassen und dass auch Herr Bayle dazu gehört. Diese Unterscheidung hat sicherlich ihren guten Grund. Eine Wahrheit ist über unserer Vernunft, wenn unser Geist (und jeder erschaffene Geist) sie nicht zu verstehen vermag und der Art ist, nach meiner Ansicht, die heilige Dreieinigkeit. Der Art sind die Wunder, die Gott sich allein vorbehalten hat, wie z.B. die Schöpfung; der Art ist die gewählte Ordnung der Welt, welche von der allgemeinen Harmonie und von einer bestimmten gleichzeitigen Kenntniss unendlich vieler Dinge abhängt. Dagegen kann eine Wahrheit niemals gegen die Vernunft sein. Ein Glaubenssatz, der von der Vernunft bekämpft und widerlegt worden ist, kann durchaus nicht für unbegreiflich erklärt werden, vielmehr kann man sagen, dass nichts leichter zu verstehen und nichts offenbarer ist, als seine Widersinnigkeit. Denn ich habe gleich Anfangs gesagt, dass unter Vernunft ich hier nicht die Meinungen und das Gerede der Menschen befasse und auch nicht deren Gewohnheit über die Dinge nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur zu urtheilen, verstehe, sondern die unverletzliche Verknüpfung der Wahrheiten.

24. Ich muss nun zu der grossen Frage übergehen, welche Herr Bayle seit kurzem zur öffentlichen Diskussion gebracht hat, nämlich ob eine Wahrheit und insbesondere eine Glaubenswahrheit, unwiderleglichen Einwürfen ausgesetzt sein könne. Dieser ausgezeichnete Schriftsteller scheint diese Frage offen zu bejahen. Er citirt bedeutende Theologen seiner Partei und selbst solche von der römisch-katholischen Kirche, welche das von ihm Behauptete zu sagen scheinen und er nennt selbst Philosophen, nach denen sogar philosophische Wahrheiten von ihren Vertheidigern gegen die, wider sie erhobenen Einwürfe nicht würden vertheidigt werden können. Die Lehre von der Vorausbestimmung in der Theologie und die von der Bildung des Stetigen in der Philosophie soll von dieser Art sein. Sie sind allerdings die beiden Labyrinthe, welche zu allen Zeiten die Theologen und Philosophen in Athem erhalten haben. Libertus Fromond, ein Theolog von Löwen (ein grosser Freund der Jansenisten, von dem noch nach seinem Tode ein Buch unter dem Titel: Augustinus veröffentlicht worden ist, was sich viel mit der Gnade beschäftigt) der auch ein Buch geschrieben hat, was ausdrücklich lautet: Labyrinthus de compositione Continui (das Labyrinth in Zusammensetzung des Stetigen) hat die Schwierigkeiten in beiden Sätzen gut dargelegt und der bekannte Ochin hat das, was er »die Labyrinthe der Vorausbestimmung« nennt, sehr gut dargestellt.

25. Diese Schriftsteller haben aber nicht geleugnet, dass man einen Faden in diesem Labyrinthe finden könne; sie haben die Schwierigkeiten hierbei anerkannt, aber sie nicht bis zur Unmöglichkeit gesteigert. Ich für meinen Theil könnte denen nicht beitreten, welche behaupten, dass eine Wahrheit unwiderleglichen Einwürfen unterworfen sein könne; denn ist ein Einwurf etwas anderes, als eine Begründung, deren Schlusssatz unserem aufgestellten Satze widerspricht? und ist eine unwiderlegliche Begründung nicht ein voller Beweis? und wie kann man die Gewissheit der Beweisführungen anders erkennen, als dass man die Begründung im Einzelnen prüft, ihre Form und ihren Inhalt, um zu sehen, ob die Form gut ist und weiter, ob jeder Vordersatz entweder zugestanden ist oder durch einen andern Grund von gleicher Kraft bewiesen ist, bis man nur noch zugestandene Vordersätze hat? Giebt es also einen solchen Einwand gegen unsern aufgestellten Satz, so muss man sagen, dass die Falschheit unseres Satzes bewiesen ist und dass wir unmöglich noch genügende Gründe für seinen Beweis haben können; denn sonst gäbe es zugleich zwei gleich wahre sich widersprechende Sätze. Den Beweisen muss man immer weichen, mögen sie auf die Bejahung eines Satzes gerichtet, oder in Form von Einwürfen aufgestellt sein. Es ist unrecht und falsch, wenn man die Beweise der Gegner unter dem Vorwande nicht gelten lassen will, dass sie blos Einwürfe seien; denn der Gegner hat das gleiche Recht und er kann die Namen umstossen, indem er seine Begründung ehrend Beweise nennt und die unserigen durch den schimpflichen Namen von Einwürfen herabzudrücken sucht.

26. Eine andere Frage ist es, ob wir die Einwürfe, welche man uns machen kann, immer zu prüfen verpflichtet seien und so über unsere Ansicht immer so lange einigermassen zweifelhaft zu bleiben, bis diese Prüfung gemacht worden, ein Zustand, den man formidinem oppositi (die Furcht vor dem Entgegengesetzten) nennt. Ich möchte dies nicht annehmen, da man sonst nie zur Gewissheit gelangen könnte und unsere Schlüsse immer nur vorläufige wären. Ich glaube, dass die tüchtigen Geometer sich wenig Sorge um die Einwürfe Scaligers gegen Archimedes und um die von Hobbes gegen Euklid machen werden und zwar weil sie ihrer wohl begriffenen Beweisführungen ganz sicher sind. Indess ist es doch mitunter gut, dass man die Geneigtheit zeigt, gewisse Einwürfe zu prüfen; einmal hilft es die Leute von ihrem Irrthume befreien, ja wir können sogar selbst davon Nutzen ziehen; denn die versteckten Fehlschlüsse enthalten oft eine nützliche Aufklärung und veranlassen die Auflösung beträchtlicher Schwierigkeiten. Deshalb sind mir geistreiche Einwendungen gegen meine Ansichten immer willkommen gewesen, und ich habe sie nie ohne Nutzen geprüft. Zeugniss dessen sind die Einwürfe, welche Herr Bayle anderwärts gegen mein System der vorherbestimmten Harmonie gemacht hat, sowie die Einwürfe des Herrn Arnauld, des Herrn Abt Foucher und des Benedictiner Pater Lamy in Bezug auf denselben Gegenstand. Um indess auf die Hauptfrage zurückzukommen, so folgere ich aus den erwähnten Gründen, dass man auf jeden gegen eine Wahrheit erhobenen Einwurf immer so, wie es sich gehört, antworten kann.

27. Vielleicht nimmt auch Herr Bayle die unlösbaren Einwürfe nicht in dem von mir dargelegten Sinne; er wechselt wenigstens in seinen Ausdrücken, denn in der nach seinem Tode erschienenen Antwort an Herrn Le Clerc giebt er nicht zu, dass man gegen die Glaubenswahrheiten Beweise aufstellen könne. Er scheint deshalb die Einwürfe nur in Bezug auf unser gegenwärtiges Wissen für unwiderleglich zu halten und er verzweifelt selbst in dieser Antwort Seite 35 nicht, dass Jemand eines Tages eine bis jetzt unbekannte Auflösung finden könne. Ich werde später noch hierüber sprechen. Nach meiner Meinung, die vielleicht überraschen wird, ist indess diese Auflösung bereits vollständig gefunden. Sie gehört auch nicht zu den schwierigsten, und ein massiger Kopf kann unter genauer und aufmerksamer Benutzung der Regeln der gemeinen Logik auf die schwierigsten Einwürfe gegen die Wahrheit antworten, wenn der Einwurf nur der Vernunft entnommen ist und man ihn für einen Beweis ausgiebt. Wie sehr auch die grosse Menge der Neuern heutzutage die Aristotelische Logik verachtet, so bietet sie doch untrügliche Mittel, um dem Irrthume bei solchen Gelegenheiten zu begegnen; denn man braucht nur den Einwurf in seiner Begründung nach den Regeln zu prüfen und man wird dann immer bemerken können, ob er gegen die Form verstösst, oder ob er sich auf Vordersätze stützt, die noch nicht durch gute Gründe bewiesen sind.

28. Eine ganz andere Sache ist es, wenn es sich nur um Wahrscheinliches handelt. Die Kunst nach wahrscheinlichen Regeln zu urtheilen, ist noch nicht gehörig entwickelt und unsere Logik ist hier noch unvollkommen, da wir bis jetzt nur die Lehre über die Beurtheilung der Beweise besitzen. Indess reicht diese Lehre hier aus; denn wenn es sich um einen Einwurf der Vernunft gegen einen Glaubensartikel handelt, so macht man sich wegen Einwürfen, die nur bis zur Wahrscheinlichkeit führen, keine Mühe, da alle Welt zugiebt, dass die Mysterien den Schein gegen sich haben und nicht wahrscheinlich sind, sofern man sie nur mit der Vernunft betrachtet; es genügt, dass sie nichts unvernünftiges enthalten, und sie können deshalb nur durch Beweise widerlegt werden.

29. Offenbar muss man die heilige Schrift so verstehen, wenn sie uns sagt, dass die Weisheit Gottes eine Thorheit vor den Menschen sei und wenn der heilige Paulus bemerkt, dass das Evangelium Jesu Christi für die Griechen eine Thorheit und für die Juden ein Aergerniss sei; denn im Grunde kann keine Wahrheit einer andern widersprechen und das Licht der Vernunft ist nicht minder ein Geschenk Gottes, wie das Licht der Offenbarung. Deshalb gilt für die Theologen, die ihr Fach verstehen, es als ausgemacht, dass glaubwürdige Beweggründe ein für allemal das Ansehen der heiligen Schrift vor dem Richterstuhle der Vernunft rechtfertigen, damit sodann die Vernunft ihr, wie einem neuen Licht weiche und alle ihre Wahrscheinlichkeiten ihr opfere. Es ist ohngefähr so, als wenn ein neuer, von dem Fürsten abgesandter Vorgesetzter zuvor sein Bestallungs-Patent der Versammlung vorzeigen muss, in welcher er nachher den Vorsitz haben soll. Dahin zielen mehrere gute Bücher über die Wahrheit der Religion, wie z.B. die von Augustinus Steuchus, von Du Plessis-Mornay, oder von Grotius. Denn die christliche Religion muss allerdings Kennzeichen haben, welche den falschen Religionen fehlen; andernfalls würden Zoroaster, Brahma, Somonacodom und Mahomet ebenso glaubwürdig sein, wie Moses und Christus. Auch ist der göttliche Glaube selbst, wenn er einmal in der Seele angezündet ist, etwas mehr, als eine blosse Meinung; er hängt nicht von den Gelegenheiten oder Beweggründen ab, die ihn erweckt haben; er geht über den Verstand und bemächtigt sich des Willens und des Herzens, damit wir mit Eifer und Freuden handeln, wie das Gesetz Gottes es verlangt. Man braucht dann nicht mehr an die Gründe zu denken, und sich durch die Schwierigkeiten von Einwürfen aufhalten zu lassen, welche der Geist sich vorhalten kann.

30. In dieser Weise kann das, was ich von der menschlichen Vernunft gesagt, die man bald überhebt, bald erniedrigt, und zwar oft ohne Regel und Maass, zeigen, wie wenig genau wir verfahren und wie wir selbst an diesen Irrthümern mit schuld sind. Nichts könnte man leichter beenden, als jene Streitigkeiten über die Rechte des Glaubens und der Vernunft, sofern man sich nur der gewöhnlichen Regeln der Logik bedienen und nur mit einiger Aufmerksamkeit seine Begründungen machen will. Statt dessen verwickelt man sich durch scharfe und zweideutige Ausdrücke, die eine gute Gelegenheit zu Deklamationen bieten, um seinen Geist und seine Gelehrsamkeit zur Geltung zu bringen, so dass es scheint, man mag die nackte Wahrheit nicht sehen, weil man vielleicht fürchtet sie werde weniger angenehm als der Irrthum sein, und weil man die Schönheit des Schöpfers aller Dinge nicht kennt, welcher die Quelle der Wahrheit ist.

31. Diese Nachlässigkeit ist ein allgemeiner Fehler des menschlichen Geschlechts, den man dem Einzelnen nicht zur Last legen kann. Abundamus dulcibus vitiis (Wir haben Ueberfluss an süssen Lastern) wie Quintilian vom Style des Seneca sagte und wir lieben es, uns zu verirren; die Genauigkeit belästigt uns und die Regeln gelten uns nur für Kindereien. Deshalb weist man die gemeine Logik (obgleich sie ziemlich genügt, um Begründungen, die als gewiss gelten wollen, zu prüfen) den Schülern zu und man bekümmert sich nicht einmal um die Logik, welche den Grad der Wahrscheinlichkeit bestimmen soll und welche bei wichtigen Erwägungen so unentbehrlich ist. So wahr ist es, dass unsere meisten Fehler aus der Verachtung oder dem Mangel der Kunst zu Denken hervorgehen. Denn es giebt nichts unvollkommeneres, als unsere Logik, sobald man über die an sich nothwendigen Gründe hinausgeht; die vorzüglichsten Philosophen unserer Zeit, wie die Verfasser der Kunst zu Denken, der Ermittelung der Wahrheit, oder des Versuchs über den Verstand haben uns noch lange nicht die wahren Mittel gezeigt, welche jene Fähigkeit passend unterstützen, mittelst welcher man die Wahrscheinlichkeit der Gründe für das Wahre und Falsche gegen einan der abwägen kann. Dabei will ich gar nicht der Kunst zu erfinden erwähnen, bei welcher die Erreichung der Wahrheit noch schwerer ist und von der man nur sehr unvollkommene Proben in der Mathematik besitzt.

32. Hauptsächlich mag zu der Meinung des Herrn Bayle, wonach man die Bedenken der Vernunft gegen den Glauben nicht genügend beseitigen könne, beigetragen haben, dass er anscheinend verlangt, Gott müsse in derselben Weise gerechtfertigt werden, wie es geschieht, wenn man einen Angeklagten vor seinem Richter vertheidigt. Er hat nicht bedacht, dass man in den Gerichtshöfen, die oft nicht bis zur Wahrheit vordringen können, genöthigt ist, sich nach den Anzeigen und nach der Wahrscheinlichkeit zu entscheiden und noch mehr nach den Vermutungen und frühern Entscheidungen, obgleich man doch anerkennt, dass die Mysterien, wie schon bemerkt, die Wahrscheinlichkeit nicht für sich haben. So kann nach Herrn Bayle z.B. die Güte Gottes bei seiner Gestattung des Uebels nicht gerechtfertigt werden, weil die Wahrscheinlichkeit gegen denjenigen Menschen spräche, welcher sich in einem dieser Erlaubniss ähnlichen Falle befände. Gott sieht voraus, dass Eva durch die Schlange verführt werden wird, sofern er sie in die Lage bringt, in der sie sich später befunden hat; dennoch hat er sie in diese Lage gebracht. Wenn nun ein Vater oder Vormund so mit seinem Kinde oder seinem Mündel verführe oder ein Freund in Bezug auf eine junge Person, deren Aufführung ihm angeht, so würde der Richter sich nicht mit den Entschuldigungen eines Advokaten beschwichtigen lassen, welcher sagt, dass jener das Uebel nur gestattet, aber weder gethan noch gewollt habe; er würde vielmehr sogar dieses Gestatten für ein Zeichen von böser Absicht nehmen und es als eine Unterlassungssünde ansehen, welche den, welcher dessen überführt ist, zum Mitschuldigen der von einem Andern begangenen Sünde macht.

33. Man muss indess bedenken, dass wenn man das Uebel vorausgesehen, welches man nicht verhindert hat, obgleich man dies leicht hätte bewirken können und obgleich man selbst manches gethan, was es erleichtert hat, deshalb noch nicht nothwendig folgt, dass man ein Mitschuldiger sei. Allerdings besteht hier dafür eine starke Vermuthung, welche im gewöhnlichen Leben als Wahrheit gilt; aber bei einer genaueren Erwägung der Thatsachen würde sie zerfallen, wenn wir das Gleiche in Bezug auf Gott annehmen könnten; denn man nennt bei den Juristen dasjenige Vermuthung, was für die Wahrheit gilt, im Fall das Gegentheil nicht erwiesen wird; es sagt mehr als Vermuthung im gewöhnlichen Leben, obgleich das Wörterbuch der Akademie deren Verschiedenheit nicht entwickelt hat. Nun kann man unzweifelhaft an nehmen, dass man durch diese genaue Erwägung, wenn sie möglich wäre, einsehen würde, wie Gründe, welche gerechter und stärker als die anscheinend dagegen sprechenden, ein weiseres Wesen genöthigt haben können, das Uebel zuzulassen und selbst Dinge zu thun, welche es erleichtert haben. Ich werde später einige Beispiele dafür beibringen.

34. Ich gebe zu, dass nicht leicht ein Vater oder Vormund oder Freund in dem betreffenden Falle dergleichen Gründe haben wird, allein dies ist doch nicht unbedingt unmöglich und ein geschickter Romanschreiber würde vielleicht einen ausserordentlichen Fall auffinden, der selbst in der erwähnten Lage den Mann rechtfertigen würde; aber bei Gott braucht man keine besonderen Gründe sich zu erdenken oder festzustellen, die ihn zur Gestattung des Uebels bestimmt haben; es genügen dazu die allgemeinen Gründe. Man weiss, dass er für die ganze Welt Fürsorge trägt, deren sämmtliche Theile in Verbindung stehen und man muss daher schliessen, dass eine unendliche Menge von Rücksichten bestehen, die zusammen ihn zu dem Urtheil bestimmt haben, dass die Verhinderung gewisser Uebel nicht angemessen sei.

35. Ja man muss anerkennen, dass nothwendig solche wichtige, ja zwingende Gründe bestanden haben, welche die göttliche Weisheit zur Gestattung des Uebels, was uns auffällt, bestimmt haben, und zwar muss man dies gerade deshalb annehmen, weil sie es gestattet hat, da von Gott nur das ausgehen kann, was seiner Güte, Gerechtigkeit und Heiligkeit entspricht. So können wir also aus dem Erfolge (oder a posteriori) abnehmen, dass diese Gestattung unumgänglich war, obgleich wir die einzelnen Gründe, welche Gott dafür gehabt haben mag, nicht (a priori) darlegen können; so wie ja auch diese Darlegung zu deren Rechtfertigung nicht nöthig ist. Herr Bayle selbst spricht sich hierüber ganz richtig aus (man sehe Antwort auf die Fragen, etc. Kap. 165, Thl. 3, S. 1067). Die Sünde ist in die Welt gekommen, daher hat Gott dies ohne Verletzung seiner Vollkommenheiten gestatten können; ab actu ad potentiam valet consequentia (Von der Wirklichkeit gilt der Schluss auf die Möglichkeit). Bei Gott ist diese Schlussfolgerung richtig; er hat es gethan, also hat er wohl gethan, nicht etwa deshalb, weil wir keinen solchen Begriff von der Gerechtigkeit überhaupt haben, der mit dem der göttlichen übereinstimmen könnte; auch nicht deshalb, weil die Gerechtigkeit Gottes andere Regeln hätte, als die, welche die Menschen kennen; sondern weil der hier vorliegende Fall ganz verschieden von denen ist, welche unter den Menschen gewöhnlich vorkommen. Das Recht überhaupt ist dasselbe für Gott und die Menschen, aber die Thatfrage ist in dem Falle hier ganz verschieden.

36. Man kann selbst annehmen oder sich vorstellen (wie ich schon angegeben), dass unter den Menschen manches vorkommt, was dem hier bei Gott stattfindenden Fall ähnelt. Es könnte ja ein Mensch so grosse und starke Beweise von seiner Tugend und Heiligkeit gegeben haben, dass selbst die scheinbarsten Gründe, welche man gegen ihn geltend machen könnte, um ihm ein angebliches Verbrechen, z.B. einen Diebstahl, oder einen Mord zur Last zu legen, verworfen werden und als Verleumdungen falscher Zeugen oder als ein wunderbares Spiel des Zufalls gelten müssten, die mitunter selbst den Unschuldigsten in Verdacht bringen. Es würde also in diesem Falle, wo jeder Andere Gefahr liefe verurtheilt oder zur Tortur gebracht zu werden (je nach dem lokalen Rechte), dieser Mann von seinen Richtern einstimmig freigesprochen werden. Nun könnte man in einem solchen Falle, der zwar selten aber doch nicht unmöglich ist, gewissermassen sano sensu (mit gesunden Sinnen) sagen, dass hier ein Streit zwischen der Vernunft und dem Glauben vorliege und dass die Rechtsregeln für diese Person anders, als für die übrigen Menschenlauten. Allein richtig verstanden, würde dies nur erklären, dass alle scheinbaren Vernunftgründe hier dem Glauben weichen, welchen man den Worten und der Rechtlichkeit eines solchen grossen und heiligen Mannes schuldet und dass er hier ein Vorrecht vor den übrigen habe, nicht weil es für ihn ein anderes Recht giebt oder weil man noch nicht einsähe, was die Gerechtigkeit in Bezug auf ihn sei, sondern weil die allgemeinen Regeln der Gerechtigkeit hier nicht dieselbe Anwendung wie anderwärts finden, oder vielmehr, weil sie ihm zu statten kommen und nicht weil sie ihn belasten, indem dieser Mann so wundervolle Eigenschaften besitzt, dass man in Folge einer richtigen Wahrscheinlichkeitslogik seinen Worten mehr als denen vieler Anderer Glauben beimessen muss.

37. Da man sich hier mancherlei mögliche Fälle erdenken darf, könnte man sich da nicht vorstellen, dieser unvergleichliche Mann sei der Adept oder Inhaber des Steines der Weisen, der alle Könige der Erde reich machen kann und dass er in Folge dessen täglich ungeheuere Ausgaben mache, um eine Unzahl von Armen zu ernähren und vom Elend zu befreien? Wenn hier nun auch noch so viel Zeugen aufträten oder sonst scheinbare Anhalte, welche beweisen möchten, dass dieser grosse Wohlthäter des Menschengeschlechts einen Diebstahl begangen, würde da nicht doch alle Welt eine solche Anschuldigung belachen, wenn sie auch noch so scheinbar wäre? Nun ist aber Gott an Güte und Macht den Menschen unendlich überlegen und deshalb können selbst die scheinbarsten Gründe sich nicht gegen den Glauben geltend machen, d.h. gegen die Sicherheit oder gegen das Vertrauen auf Gott, mit welchem wir sagen können und sollen, dass Gott alles gemacht habe, wie es Recht ist. Somit sind die Einwürfe nicht unlöslich; sie enthalten nur Vorurtheile oder Wahrscheinlichkeiten, die aber durch unvergleichlich viel stärkere Gründe beseitigt werden. Auch muss man wissen, dass das, was wir Gerechtigkeit nennen, nichts ist in Bezug auf Gott; dass er der unbeschränkte Herr aller Dinge ist und selbst Unschuldige ohne Verletzung der Gerechtigkeit verdammen kann; oder dass die Gerechtigkeit in Bezug auf ihn etwas Willkürliches ist. Allerdings sind dies kühne und gefährliche Aussprüche, zu welchen Manche sich zum Schaden der Eigenschaften Gottes haben hinreissen lassen, da man dann seine Güte und Gerechtigkeit nicht loben könnte und es dann ebenso sein würde, als wenn der böseste Geist, der Fürst der schlechten Geister, das schlechte Prinzip der Manichäer der alleinige Herr der Welt wäre, wie ich schon früher bemerkt habe. Welches Mittel hätte man dann um den wahren Gott von dem falschen Gott des Zoroaster zu unterscheiden, wenn alles von den Einfällen einer willkührlichen Macht abhinge und es für Nichts eine Regel und eine Rücksicht gäbe?

38. Ich brauche also nicht für eine so sonderbare Lehre einzutreten; es genügt, dass wir den Thatbestand nicht genügend kennen, wenn wir auf Wahrscheinlichkeiten antworten sollen, welche die Gerechtigkeit und Güte Gottes in Zweifel zu stellen scheinen und die verschwinden würden, wenn der Thatbestand uns vollständig bekannt würde. Wir brauchen auch nicht der Vernunft zu entsagen um dem Glauben zu folgen; auch nicht die Augen uns auszukratzen, um klar zu sehen, wie die Königin Christine sagte; es genügt den gewöhnlichen Schein zu verwerfen, wenn er gegen die Mysterien geht und dies widerspricht nicht der Vernunft, weil man auch bei natürlichen Dingen sehr oft aus Erfahrung oder aus höheren Gründen von dem Schein zurückkommen muss. Alles dies ist indess nur vorgebracht worden, um den eigentlichen Fehler in diesen Einwürfen und den Missbrauch der Vernunft besser einzusehen; für den vorliegenden Fall, wo man behauptet, dass die Vernunft mit stärkerer Gewalt den Glauben bekämpfe, werde ich später genauer erörtern, wie es sich mit dem Ursprunge des Uebels und der Gestattung der Sünden mit ihren Folgen durch Gott verhält.

39. Für jetzt möchte ich in der Prüfung der wichtigen Frage über den Gebrauch der Vernunft in der Theologie fortfahren und dasjenige in Betracht nehmen, was Herr Bayle an verschiedenen Stellen seiner Schriften darüber gesagt hat. Er hatte sich in seinem historischen und kritischen Wörterbuch vorgesetzt, die Einwürfe der Manichäer und Pyrrhonisten klar zu legen und diese Absicht war von einigen religiösen Eiferern getadelt worden; deshalb fügte er der zweiten Ausgabe seines Wörterbuchs am Schluss eine Abhandlung bei, welche durch Beispiele, durch Autoritäten und mittelst Gründen das Unschuldige und Nützliche seines Verfahrens darlegen sollte. Nach meiner Ueberzeugung können (wie ich schon gesagt) scharfsinnige Einwürfe gegen die Wahrheit sehr nützlich sein; sie steigern das Vertrauen und die Klarheit und geben einsichtigen Männern Gelegenheit, neue Aufklärungen zu ertheilen und die alten mehr zur Geltung zu bringen. Herr Bayle sucht aber einen Nutzen, welcher dem Nutzen einer Darlegung der Macht des Glaubens ganz entgegengesetzt ist, indem er zeigt, dass die von ihm gelehrten Glaubens-Wahrheiten den Angriffen der Vernunft nicht Stand halten können und diese Wahrheiten sich doch in dem Herzen der Gläubigen aufrecht erhalten. Herr Nicolas scheint dies den Triumph der Autorität Gottes über die menschliche Vernunft