Gruselklassiker - Edgar Allan Poe - E-Book

Gruselklassiker E-Book

Edgar Allan Poe

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Beschreibung

Geschichten und Erzählungen zum Erschauern  Nicht zuletzt die erfolgreiche Netflix-Serie Wednesday hat das Interesse an klassischen Grusel- und Schauergeschichten verstärkt. Die Erzählungen von Poe, Gogol und zahlreichen anderen Schriftstellern gehören bis heute zu den Klassikern der Weltliteratur. Viele zeitgenössische Autorinnen und Autoren berufen sich auf die Werke von Rudyard Kipling, Frédérc Boutet oder Gustav Meyrink. Einige Kurzgeschichten wurden in neue Geschichten integriert und aus anderen Kurzgeschichten wurden Filme (Sleepy Hollow).    Diese einzigartige Zusammenstellung klassischer Grusel-Kurzgeschichten bietet interessierten Leserinnen und Lesern einen Einblick in die spannende Literaturwelt, die ein ganzes Genre begründete und damit zahlreiche Vorlagen für Filme und Serien bot. 

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EDGAR ALLAN POE, ALEXANDER PUSCHKIN U V M.

GRUSEL KLASSIKER

EDGAR ALLAN POE, ALEXANDER PUSCHKIN U V M.

GRUSEL KLASSIKER

ist ein Imprint der

HEEL Verlag GmbH

Gut Pottscheidt

53639 Königswinter

Tel.: 02223 9230-0

Fax: 02223 9230-13

E-Mail: [email protected]

www.petersberg-verlag.de

© 2023 HEEL Verlag GmbH

Petersberg Verlag ist ein Imprint der HEEL Verlag GmbH

Herausgeber: Johannes Rougnon

Umschlaggestaltung: HEEL Verlag GmbH, Christine Mertens

Umschlagmotiv: © Bridgeman Images Berlin, Ausschnitt aus „Die Jäger im Schnee“ von Pieter Bruegel der Ältere

Illustrationen: © Adobe Stock: LHF Graphics (Rabe, S. 8), robin_ph (Silhouette Aufkleber)

Satz: HEEL Verlag GmbH, Stefan Witterhold

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlags nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten. Ebenso untersagt ist die Erfassung und Nutzung auf Netzwerken, inklusive Internet, oder die Verbreitung des Werkes auf Portalen wie Google Books.

– Alle Rechte vorbehalten –

Printed in Czech Republic

ISBN: 978-3-7553-0056-4

eISBN: 978-3-96664-874-5

INHALT

Einleitung

Edgar Allan Poe – Der Rabe

Edgar Allan Poe

Morella

Die Maske des roten Todes

Das System des Dr. Pech und Prof. Feder

Metzengerstein

In der Tiefe des Malstroms

Alexander Puschkin – Pique Dame

Gustavo Adolfo Bécquer – Das Miserere

August Justus Mordtmann – Der Untergang der Carnatic

Rudyard Kipling – Meine selbsterlebte, wahre Geistergeschichte

Frédéric Boutet – Ein moderner Geist

Edward Bulwer-Lytton – Das Gespensterhaus

Pierre Mille – Das Totenschiff

Nikolai Gogol – Wij, der Fürst der Dämonen

Washington Irving – Sleepy Hollow

Wilhelm Hauff – Die Geschichte des Gespensterschiffs

Ludwig Tieck – Der blonde Eckbert

Auguste de Villiers de l’Isle-Adam – Die Unbekannte

VORWORT

Schon seit Jahrhunderten erfreuen sich Leserinnen und Leser nicht nur an einfachen Liebesromanen, sondern lassen sich ganz bewusst in Schrecken versetzen oder genießen den Blick in eine unbekannte, teils magische, teils beängstigend dunkle Welt. Die menschlichen Abgründe werden ebenso genüsslich seziert wie die Folgen unbedachten oder schändlichen Verhaltens.

Zu den großen Autoren mysteriöser Geschichten und dunkler Gedichte gehört Edgar Allan Poe, der das Genre in der Zeit der schwarzen Romantik mitprägte.

Aber auch andere Autoren finden sich in dieser einzigartigen Zusammenstellung wieder, namhafte Literaten wie Puschkin, Gogol oder Irving und Hauff sind ebenso vertreten wie unbekanntere Autoren.

EINLEITUNG

Klassische Horrorliteratur und Schauergeschichten sind ein Genre der Literatur, das sich auf die Erzeugung von Angst, Schrecken und Entsetzen konzentriert. Diese Art von Geschichten erstreckt sich oft auf übernatürliche oder fantastische Elemente wie Geister, Dämonen, Monster und andere unheimliche Phänomene.

Einige der bekanntesten Autoren der klassischen Horrorliteratur sind Edgar Allan Poe, H.P. Lovecraft, Mary Shelley und Bram Stoker. Zu den bekanntesten Werken innerhalb des Genres zählen die Romane „Frankenstein“ von Mary Shelley, „Dracula“ von Bram Stoker oder das Gedicht „Der Rabe“ von Edgar Allan Poe sowie Kurzgeschichten wie „Sleepy Hollow“ von Washington Irving.

Viele klassische Horror- und Schauergeschichten haben ihre Wurzeln in der Literatur der „schwarzen Romantik“, die im 18. Jahrhundert entstanden ist. Als Untergattung der Romantik grenzt sie sich vom Rationalen, Vernunftgetriebenen ab und öffnet sich den Emotionen, insbesondere den Abgründen der Seele und dem Unerklärlichen. Das Genre hat sich seitdem ständig weiterentwickelt und enthält heute eine breite Palette von Themen und Untergenres wie Geschichten über unheimliche Gemäuer und Spukhäuser, Vampir- und Zombie-Geschichten und viele andere, die vor allem den eindeutigen Gewaltexzess feiern.

In der klassischen Horrorliteratur und in den Schauergeschichten werden jedoch Symbolik und Elemente wie Dunkelheit, Stille und Isolation intensiv eingesetzt, um eine gruselige und bedrohliche Stimmung zu erzeugen. Im Gegensatz zum heutigen offensichtlichen Grauen, setzten viele Schriftsteller auch auf die menschliche Vorstellungskraft, um den Schrecken des Unbekannten zu betonen und um die Fantasie des Lesers anzuregen.

Die klassische Horrorliteratur hat seit jeher einen Einfluss auf andere Autoren ausgeübt, ebenso auf Medien wie Filme, Fernsehshows und Videospiele, wo das Genre nach wie vor erfolgreich ist.

Dieser Band versammelt 17 sehr unterschiedliche Kurzgeschichten verschiedenster Autoren, die mit ihren Werken die Anfänge des Genres mitbestimmt und nachfolgende Autoren maßgeblich beeinflusst haben.

Johannes Rougnon

EDGAR ALLAN POE DER RABE

Eines Nachts, aus gelben Blättern mit verblichnen Runenlettern

Tote Mären suchend, sammelnd von des Zeitenmeers Gestaden,

Müde in die Zeilen blickend und zuletzt im Schlafe nickend,

Hört’ ich plötzlich leise klopfen, leise, doch vernehmlich klopfen

Und fuhr auf, erschreckend stammelnd: »Einer von den Kameraden«,

»Einer von den Kameraden«.

In dem letzten Mond des Jahres, um die zwölfte Stunde war es,

Und ein wunderlich Rumoren klang mir fort und fort im Ohre,

Sehnlichst harrte ich des Tages, jedes neuen Glockenschlages;

In das Buch vor mir versenken wollt’ ich all mein Schmerzgedenken,

Meine Träume von Leonoren, meinen Gram um Leonore,

Um die tote Leonore.

Seltsame, fantastisch wilde, unerklärliche Gebilde,

Schwarz und dicht gleich undurchsicht’gen, nächtig dunklen Nebelschwaden

Huschten aus den Zimmerecken, füllten mich mit tausend Schrecken,

So dass ich nun bleich und schlotternd, immer wieder angstvoll stotternd,

Murmelte, mich zu beschwicht’gen: »Einer von den Kameraden«,

»Einer von den Kameraden!«

Alsbald aber mich ermannend, fragt’ ich, jede Scheu verbannend,

Wen der Weg noch zu mir führe: »Mit wem habe ich die Ehre?«

Hub ich an, weltmännisch höflich: »Sie verzeihen, ich bin sträflich,

Dass ich Sie nicht gleich vernommen; seien Sie mir hochwillkommen!«

Und ich öffnete die Türe – nichts als schaudervolle Leere,

Schwarze, schaudervolle Leere.

Lang in dieses Dunkel starrend, stand ich fürchtend, stand ich harrend,

Fürchtend, harrend, zweifelnd, staunend, meine Seele ganz im Ohre –

Doch die Nacht blieb ungelichtet, tiefes Schwarz auf Schwarz geschichtet,

Und das Schweigen ungebrochen, und nichts weiter wurde gesprochen,

Als das eine, flüsternd, raunend, das gehauchte Wort »Lenore«,

Das ich flüsterte: »Lenore!«

In mein Zimmer wiederkehrend und zum Sessel flüchtend, während

Schatten meinen Blick umflorten, hörte ich von neuem klopfen,

Diesmal aber etwas lauter, gleichsam kecker und vertrauter.

An dem Laden ist es, sagt’ ich, und mich zu erheben wagt’ ich,

Sprach mir Mut zu mit den Worten: »Sicher sind es Regentropfen,

Weiter nichts als Regentropfen«.

Und ich öffnete: Bedächtig schritt ein Rabe, groß und nächtig,

Mit verwildertem Gefieder ins Gemach und gravitätisch

Mit dem ernsten Kopfe nickend, flüchtig durch das Zimmer blickend,

Flog er auf das Türgerüste, und auf einer Pallasbüste

Ließ er sich gemächlich nieder, saß dort stolz und majestätisch,

Selbstbewusst und majestätisch.

Ob des herrischen Verfahrens und des würdige’n Gebarens

Dieses wunderlichen Gastes schier belustigt, sprach ich; »Grimmer

Unglücksbote des Gestades an dem Flussgebiet des Hades

Du bist sicher hochgeboren, kommst du gradwegs von den Toren

Des plutonischen Palastes? Sag, wie nennt man dich dort?« –

»Nimmer!«

Hört’ ich da vernehmlich: »Nimmer!«

Wahrlich, ich muss eingestehen, dass mich eigene Ideen

Bei dem dunklen Wort durchschwirrten, ja, dass mir Gedanken kamen,

Zweifel vom bizarrsten Schlage; und es ist auch keine Frage,

Dass dies seltsame Begebnis ein vereinzeltes Erlebnis:

Einen Raben zu bewirten mit solch ominösem Namen,

Solchem ominösen Namen.

Doch mein düsterer Gefährte sprach nichts weiter und gewährte

Mir kein Zeichen der Beachtung. Lautlos stille ward’s im Zimmer,

Bis ich traumhaft, abgebrochen (halb gedacht und halb gesprochen)

Raunte: »Andre Freunde gingen, morgen hebt auch er die Schwingen,

Lässt dich wieder in Umnachtung.« Da vernahm ich deutlich

»Nimmer.«

Deutlich und verständlich: »Nimmer.«

Stutzig über die Repliken, maß ich ihn mit scheuen Blicken,

Sprechend: Dies ist zweifelsohne sein gesamter Schatz an Worten,

Einem Herren abgefangen, dem das Unglück nachgegangen,

Nachgegangen, nachgelaufen, bis er auf dem Trümmerhaufen

Seines Glücks dies monotone »Nimmer« seufzte allerorten,

Jederzeit und allerorten.

Doch der Rabe lieb possierlich würdevoll, und unwillkürlich

Musst’ ich lächeln ob des Wichtes: Alsdann mitten in das Zimmer

Einen samtnen Sessel rückend und mich in die Polster drückend,

Sann ich angesichts des grimmen, dürren, ominösen, schlimmen

Künders göttlichen Gerichtes, über dieses dunkle »Nimmer«,

Dieses rätselhafte »Nimmer.«

Dies und anderes erwog ich, in die Traumeslande flog ich,

Losgelöst von jeder Fessel. Von der Lampe fiel ein Schimmer

Auf die violetten Stühle, und auf meinem samtnen Pfühle

Lag ich lange, traumverloren, schwang mich auf zu Leonoren,

Die in diesen samtnen Sessel nimmermehr sich lehnet, nimmer,

Nimmer, nimmer, nimmer, nimmer.

Plötzlich wurde es in mir lichter und die Luft im Zimmer dichter,

Als ob Weihrauch sie durchwehte. Und an diesem Hoffnungsschimmer

Mich erwärmend, rief ich: »Manna, Manna, schickst du Gott,

Hosianna;

Lob ihm, der die Gnade spendet, der dir seine Engel sendet!

Trink, o trink aus dieser Lethe und vergiss Lenore! –»Nimmer!«

Krächzte da der Rabe. »Nimmer!«

»Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel,

Triumphierend ob der Sünder Zähneklappern und Gewimmer

Hier, aus dieser dürren Wüste, dieser Stätte geiler Lüste,

Hoffnungslos, doch ungebrochen, und noch rein und unbestochen,

Frag’ ich dich, du Schicksalskünder: Ist in Gilead Balsam?« –

»Nimmer«,

Krächzte da der Rabe, »nimmer!«

»Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel –

Bei dem göttlichen Erbarmen, lösch nicht diesen letzten Schimmer!

Sag’ mir, find ich nach dem trüben Erdenwallen einst dort drüben

Sie, die von dem Engelschore wird geheißen Leonore?

Werd’ ich sie dort einst umarmen, meine Leonore?« – »Nimmer«,

Krächzte da der Rabe, »nimmer!«

»Feind, du lügst, heb› dich von hinnen«, schrie ich auf, beinah von Sinnen,

»Dorthin zieh, wo Schatten wallen unter Winseln und Gewimmer,

Kehr’ zurück zum dunklen Strande, lass kein Federchen zum Pfande

Dessen, was du prophezeitest, dass du diesen Ort entweihtest,

Nimm aus meiner Brust die Krallen, hebe dich von hinnen«! –

»Nimmer«,

Krächzte da der Rabe, »nimmer!«

Und auf meinem Türgerüste, auf der bleichen Pallasbüste,

Unverdrossen, ohn’ Ermatten, sitzt mein dunkler Gast noch immer.

Sein Dämonenauge funkelt und sein Schattenriss verdunkelt

Das Gemach, schwillt immer mächt’ger und wird immer grabesnächt’ger –

Und aus diesen schweren Schatten hebt sich meine Seele nimmer,

Nimmer, nimmer, nimmer, nimmer –.

EDGAR ALLAN POE MORELLA

Αυτο καϑ, αυτο μεϑ, αυτου, μονο ειδες αιει ον.

Platon, Symposion

Ein Gefühl tiefer, jedoch höchst seltsamer Zuneigung verband mich mit meiner Freundin Morella. Ein Zufall war’s, der mich vor vielen Jahren mit ihr zusammenführte, aber seit unserer ersten Begegnung brannte meine Seele in fremder, entfesselter Glut. Das war nicht die Flamme des Eros, das war ein seltsam wilder Seelenbrand, und bitter und qualvoll war meinem Geist die wachsende Überzeugung, dass ich das rätselhafte Wesen dieser Gluten auf keine Weise zu ergründen noch ihr Aufflammen und Niedersinken zu beherrschen vermochte.

Und das Schicksal, das uns zueinander geführt hatte, band uns am Altar zusammen. Doch sprach ich nie ein Wort, das Leidenschaft gewesen wäre, dachte nie einen Gedanken, der Liebe bedeutet hätte. Morella aber entfloh jeder Geselligkeit und schloss sich innig an mich an und machte mich glücklich - denn Staunen und Träumen ist Glück.

Morellas Gelehrsamkeit war unergründlich. Bei meinem Leben! Ihre vielseitige Begabung war geradezu übernatürlich - ihre Verstandeskräfte waren gigantisch! Ich wusste das und wurde in vielen Dingen ihr Schüler. Es begann damit, dass sie mir eine Anzahl jener mystischen Schriften vorlegte, die man gemeinhin nur als den Abschaum der frühen deutschen Literatur ansieht. Das Studium dieser Werke - aus mir unverständlichen Gründen - bildete ihre liebste und andauerndste Beschäftigung, und dass es auch die meine wurde, ist einfach dem unwiderstehlichen Einfluss von Beispiel und Gewohnheit zuzuschreiben.

Mit alledem hatte, wenn ich nicht irre, mein Verstand wenig zu schaffen. Soviel ich weiß, stimmte meine Weltanschauung durchaus nicht mit den Idealen dieser Leute überein, und auch in meinem Tun und Denken war keine Spur von ihrem Mystizismus zu entdecken. Ich wenigstens hatte diese Überzeugung und überließ mich daher ruhig und blindlings der Führung meiner Frau, der ich unerschrocken in allen ihren Studien folgte. Und dann - dann, wenn ich, über geächtete, verderbliche Blätter gebeugt, fühlte, wie ein verderblicher Geist sein Feuer in mir entzündete, kam Morella und legte ihre kalte Hand auf meine heiße Hand und entfachte aus der Asche einer toten Philosophie irgendwelche fast bedeutungslosen, doch eigentümlichen Worte, deren seltsamer Sinn sich flammend in mein Gedächtnis grub. Und dann - dann ging ich Stunde um Stunde nicht von ihrer Seite und berauschte mich am Wohlklang ihrer Stimme, bis diese mir zum Überdruss und schließlich zum Entsetzen wurde und sich schwarze Schatten auf meine Seele lagerten und bis ich erbleichte und tief im Innern vor den fast überirdischen Lauten schauderte. Und so wurden plötzlich Glück und Freude zu Entsetzen und namenloser Abscheu, und Schönheit weckte Grauen, so wie einst aus dem Tal Hinnom das Gehenna geworden war.

Es ist unnötig, über die einzelnen Probleme, die jene alten Bücher in uns anregten und die lange, lange Zeit fast das einzige Thema unserer Gespräche bildeten, viel zu sagen. Alle die, die etwas von »theologischer Moral« verstehen, kennen diese Fragen sehr gut, und jene, die darin unerfahren sind, würden mich sicherlich kaum verstehen. Der wilde Pantheismus Fichtes, die gemäßigtere Lehre der Pythagoräer von der Wiederkunft und vor allem die Identitätsdoktrinen, wie Schelling sie aufstellte, bildeten den hauptsächlichen Stoff für unsere Diskussionen und schienen die fantasievolle Morella am tiefsten und schönsten anzuregen. Jene sogenannte persönliche Identität definiert Locke, wie ich glaube, als das dauernde Bestehen eines jeden vernunftbegabten Daseins. Und da wir unter »Person« ein intelligenz- und vernunftbegabtes Wesen verstehen und da alles Denken stets von Bewusstsein begleitet ist, so formt dieses beides gemeinsam unser »Ich« und unterscheidet uns durch Verleihung unserer »persönlichen Identität« von anderen denkenden Wesen. Doch das »principium individuationis«, der Begriff dieser Identität, die mit dem Tode verloren oder nicht verloren geht, war mir stets ein Problem von außerordentlicher Bedeutung, nicht allein wegen seiner verwirrenden und aufregenden Konsequenzen, sondern auch wegen der sonderbaren und eifrigen Art und Weise, in der Morella es behandelte.

Doch die Zeit war gekommen, in der das Geheimnisvolle im Wesen meines Weibes mich wie ein Alp, ein Zauber bedrückte. Ich konnte die Berührung ihrer bleichen Finger nicht ertragen, ich konnte den sanften Klang ihrer tönenden Sprache, den Glanz ihrer melancholischen Augen nicht ertragen. Und sie wusste all dies und hielt es mir doch niemals vor. Sie schien meine Schwäche, meine Manie zu kennen und nannte es lächelnd »Schicksal«. Selbst die mir unbekannte Ursache für meine sich steigernde Abneigung schien sie zu kennen, doch machte sie nie eine Andeutung, die mir auf die Spur geholfen hätte. Aber sie war Weib und härmte sich und schwand hin und welkte von Tag zu Tag. Mit der Zeit erschien und blieb auf ihren Wangen eine bedeutungsvolle Röte, und die blauen Adern auf ihrer bleichen hohen Stirn schwollen an. Und wenn mein Wesen für einen Augenblick in Mitleid schmolz, so traf mich im nächsten das Aufleuchten ihrer bedeutsamen Augen - und meine Seele entsetzte sich und wurde von einem Schwindel ergriffen, wie er uns befällt, wenn wir hinab in einen grausig düsteren, unergründlichen Abgrund spähen.

Muss ich noch sagen, dass ich mit tiefem, aufreibendem Verlangen die Stunde von Morellas Ableben herbeiwünschte? Ich tat es. Aber der schwache Geist klammerte sich noch Tage, Wochen, Monate an seine zerbrechliche Hülle; und es kam so weit, dass meine gemarterten Nerven Herrschaft über mich gewannen. Dies Hinzögern machte mich rasend, und mein teuflisches Herz verfluchte die Tage und die Stunden und die bitteren Minuten, die länger und länger zu werden schienen, je mehr ihr zartes Leben dahinschmolz, wie Schatten länger und länger werden im sterbenden Tag.

Aber eines Herbstabends, als alle Winde im Himmelsraum schliefen, rief mich Morella an ihr Bett. Ein trüber Nebel lagerte über der Erde und ein warmer Glanz auf den Wassern, und die Farben des herbstlichen Waldes glühten so bunt, als sei ein Regenbogen vom Firmament herabgefallen und in Millionen bunte Scherben zersplittert.

»Dies ist der Tag der Tage«, sagte sie, als ich zu ihr trat. »Der Tag der Tage - sei es zum Leben oder Sterben. Ein schöner Tag für die Söhne der Erde und des Lebens - ah, schöner noch für die Töchter des Himmels und des Todes!«

Ich küsste sie auf die Stirn, und sie fuhr fort:

»Ich sterbe, dennoch werde ich leben!«

»Morella!«

»Die Tage, da du mich lieben konntest, sind nie gekommen - doch sie, die du im Leben verabscheutest - im Tode sollst du sie anbeten.« »Morella!«

»Ich wiederhole es: - ich sterbe. Doch in mir lebt ein Unterpfand der Neigung, die du - ach wie gering! - für mich, Morella, fühltest. Und wenn mein Geist entflieht, wird das Kind leben - dein Kind und meines, Morellas! Doch deine Tage werden Tage der Sorge sein - der Sorge, die beständiger ist als alles andere, gleichwie die Zypresse ausdauernder ist als alle anderen Bäume. Denn die Stunden deines Glückes sind vorüber, und Freude erblüht nicht zweimal im Leben, nicht zweimal, wie die Rosen von Paestum zweimal blühen im Jahr. Rebe und Myrte werden dir unbekannt sein, und du wirst, gleich den Muslimen in Mekka, auf Erden schon dein Leichentuch mit dir herumtragen.«

»Morella!« schrie ich auf, »Morella! Wie kannst du das wissen?«

Aber sie wendete das Gesicht ab, und ein leises Zittern überlief ihre Glieder. Sie starb, und ihre herrliche, ihre entsetzliche Stimme war tot. Doch wie sie es vorausgesagt hatte, geschah es. Ihr Kind, das sie sterbend geboren hatte und das den ersten Atemzug tat, als seine Mutter den letzten tat, dies Kind, ein Mädchen, lebte. Und es entwickelte sich geistig und körperlich außerordentlich schnell, war das vollkommene Ebenbild von ihr, die jetzt dahingeschieden war, und ich liebte es mit einer Liebe, deren Glut und Innigkeit mir oft wie eine Kraft aus einer anderen Welt erschien.

Doch nicht lange, da verdunkelte sich der Himmel dieser reinen Zuneigung, denn Grausen und Kummer jagten wie ungeheure verderbenbringende Wolken darüber hin. Ich sagte schon, das Kind entwickelte sich außerordentlich früh an Körper und Geist. Und in der Tat, sein schnelles leibliches Wachstum war geradezu befremdend. Aber schrecklich, o schrecklich waren die tobenden Gedanken, die mich überstürzten, wenn ich des Kindes geistiger Entwicklung folgte. Wie konnte es anders sein? Entdeckte ich doch täglich in den Vorstellungen der kindlichen Seele die abnorme Begabung und das ausgereifte Wissen des Weibes, vernahm aus dem kindlichen Mund die genialsten Erfahrungssätze, die Menschen jemals aufgestellt haben, und sah im Auge des Kindes die Weisheit und Leidenschaftlichkeit vollkommener Reife glühen.

Als alle diese Erscheinungen meinen erschreckten Sinnen offenbar wurden, als meine Seele sie in sich aufgenommen hatte - war es da verwunderlich, dass ein entsetzlicher Argwohn mich befiel in der quälenden Erinnerung an die grausigen Fantasien und unerhörten Theorien der verstorbenen Morella?

Und ich verbarg dies junge Wesen, das ich anbetete, vor den Blicken und Einflüssen der Welt, und in der vollständigen Abgeschlossenheit meines Heims wachte ich mit aufreibender Sorge über alles, was dieses geliebte Wesen betraf.

Und wie die Jahre dahinflossen und ich Tag um Tag in ihr heiliges und mildes und beredtes Antlitz spähte und Tag um Tag ihr Wachsen und Reifen bemerkte, geschah es, dass ich Tag um Tag neue Dinge fand, in denen die Tochter vollständig ihrer Mutter - der schwermütigen und toten - glich. Und stündlich verdichteten sich diese Schatten einer unnatürlichen Ähnlichkeit und wurden immer tiefer und immer bestimmter und immer beängstigender - und immer grauenvoller anzusehen. Dass ihr Lächeln dem Lächeln ihrer Mutter vollkommen glich, das hätte ich ertragen können; aber dann, plötzlich, schauderte ich, denn ihr Lächeln war nicht nur dem Morellas gleich - es war mit ihm identisch! Dass ihre Augen den Augen Morellas glichen, konnte ich hinnehmen, aber manchmal, oft, drang der Tochter Blick in die Tiefen meiner Seele mit einer verwirrenden Eindringlichkeit, wie sie eben nur Morella eigen sein konnte. Und in den Umrissen der hohen Stirn und in den seidigen Locken ihres Haares, in den bleichen Fingern, die mit diesen Locken spielten, und in der klagenden Musik ihrer Stimme und vor allem - O! Vor allem in den Redewendungen der Toten, die von den Lippen der Lebenden und Geliebten flossen, fand ich Nahrung für die aufreibendste Gedankenarbeit und für das rastloseste Entsetzen - für den Wurm, der niemals sterben wollte!

So vergingen die ersten zehn Jahre ihres Lebens, und noch immer hatte meine Tochter keinen Taufnamen. »Mein Kind« und »mein Liebling« sind ja übliche Benennungen, wie Vaterliebe sie findet, und die strenge Abgeschlossenheit, in der sie lebte, schloss jeden weiteren Verkehr aus und machte daher einen anderen Namen überflüssig. Morellas Name war mit ihr gestorben. Ich hatte mit der Tochter niemals über die Mutter gesprochen; es war unmöglich, von ihr zu sprechen. Tatsächlich hatte also das Kind in seinem jungen Leben keine anderen Eindrücke empfangen als diejenigen, die sich ihm in den engen Grenzen unserer Zurückgezogenheit bieten konnten.

Doch schließlich vermeinte mein abgehetzter Geist durch die Zeremonie der Taufe Erlösung zu finden. So führte ich also das Kind zur Taufe. Und als ich vor dem Taufbecken stand, suchte ich nach einem Namen. Viele Namen voll Weisheit und Schönheit, aus alter und neuer Zeit, aus meiner Heimat und aus fremden Ländern, drängten sich mir auf die Lippen, und viele, viele Namen für Sanftes und Frohes und Gutes. Was trieb mich nur dazu an, die Ruhe der Toten und Begrabenen zu stören? Welcher Dämon veranlasste mich, jenen Namen zu flüstern, bei dessen Erinnerung schon das Blut mir stürmend zum Herzen schoss? Welcher Unhold sprach aus den Tiefen meiner Seele, als ich in schweigender Nacht mitten im düsteren Kreuzgang in das Ohr des heiligen Mannes die Silben flüsterte: »Morella!« Und wer anders als Satan selbst veranlasste mein Kind, bei diesem kaum vernehmbaren Laut zusammenzuschrecken, die verglasten Blicke gen Himmel zu heben und mit zuckendem Gesicht, auf dem die Schatten des Todes kämpften, auf die schwarze Marmorplatte unserer Familiengruft niederzusinken und zu antworten: »Hier bin ich!«

Klar, kalt und vollkommen deutlich trafen diese einfachen Worte mein Ohr und rollten von da wie geschmolzenes Blei zischend in mein Gehirn. Jahr um Jahr kann dahingehen, doch niemals die Erinnerung an diesen Augenblick! Wahrlich, noch wusste ich nichts von Blumen und Reben - doch Zypresse und Schierling bedrohten mich Tag und Nacht. Und ich wusste nichts mehr vom Wandel der Zeit, und der Stern meines Schicksals losch aus am Firmament, und die Erde verlor ihr Licht, und die Gestalten, die sie belebten, glitten an mir vorbei wie Schatten, und mitten unter ihnen sah ich nur - Morella! Die himmlischen Winde atmeten nur einen Laut, und die rieselnden Wellen der ewigen Wasser murmelten immerfort - Morella! Aber sie starb; und mit meinen eigenen Händen trug ich sie zu Grab. Und ich lachte ein langes, bitteres Lachen, als in der Gruft, in die ich die zweite bettete, nicht eine Spur zu finden war von der ersten - Morella.

EDGAR ALLAN POE DIE MASKE DES ROTEN TODES

Der rote Tod hatte schon lange Zeit das Land verwüstet. Noch nie war eine Seuche so verhängnisvoll oder so entsetzlich gewesen. Blut war ihre Essenz und ihr Siegel - rotes und schreckliches Blut. Die Krankheit begann mit scharfen Schmerzen und plötzlichem Schwindel, dann folgte eine Blutung aus allen Poren und schließlich der Tod. Die roten Flecken auf dem Körper und besonders auf dem Gesicht des Opfers waren das Pestbanner, das die Befallenen von jeder Hilfe und sogar vom Mitgefühl ihrer Mitmenschen ausschloss. Und der ganze Verlauf von den ersten Symptomen bis zum Ende dauerte nicht mehr als eine halbe Stunde.

Aber der Fürst Prospero war eine glückliche, furchtlose und lebenskluge Natur. Als seine Gebiete schon halb entvölkert waren, lud er tausend gesunde und lustige Edelleute und Hofdamen ein und zog mit ihnen in die tiefe Abgeschlossenheit eines seiner burgartigen Herrensitze. Es war ein riesiges und prächtiges Gebäude, das der Fürst ganz nach seinem eigenen, etwas seltsamen, aber großartigen Geschmack errichtet hatte. Ringsherum lief eine feste und hohe Mauer mit eisernen Toren. Als die Hofgesellschaft eingezogen war, brachte man Schmelzöfen und schwere Hämmer und schweißte die Riegel zu. Auf diese Weise wollte man sowohl das plötzliche Eindringen Verzweifelter wie das Hinausdrängen Übermütiger verhindern. Das Schloss war reichlich mit Vorräten versehen, und die Hofgesellschaft brauchte so vorbereitet keine Ansteckung zu fürchten. Mochte draußen die Welt für sich selbst sorgen, inzwischen war es töricht, sich trübe Gedanken zu machen. Der Fürst hatte für alle Mittel zerstreuender Vergnügungen gesorgt. Es gab Komödianten und Bänkelsänger, es gab Tänzer und Musiker, es gab Schönheit und Wein. Alles dieses und völlige Sicherheit herrschten im Schloss. Draußen aber herrschte der rote Tod.

Eines Tages, gegen Ende des fünften oder sechsten Monats seiner Abschottung, während im Lande die Pest noch aufs heftigste wütete, lud Fürst Prospero seine tausend Freunde zu einem Maskenball von unerhörtem Glanz ein.

Ein wundervolles Bild bot diese Maskerade, aber am seltsamsten wirkten doch die Räume, in denen sie abgehalten wurde. Es waren ihrer sieben - eine Zimmerflucht von kaiserlicher Pracht. In vielen Palästen formen solche Saalreihen eine lange gerade Linie, und die Schiebetüren gleiten rechts und links fast bis an die Wände zurück, so dass man ungehindert durch die ganze Länge hindurchblicken kann. Hier aber war alles anders, wie man es auch bei der Vorliebe des Herzogs für das Ungewöhnliche erwarten konnte. Die Räume standen so unregelmäßig gegeneinander, dass man auf einmal kaum mehr als einen überblicken konnte. Alle zwanzig oder dreißig Meter kam eine scharfe Ecke und damit ein ganz neuer Effekt. Aus jedem Zimmer sah man rechts und links in der Wand durch ein hohes und schmales gotisches Fenster auf einen engen Korridor, der den Biegungen der Zimmerflucht folgte. Diese Fenster waren aus buntem Glas, und ihre Farben passten sich der Ausstattung der zugehörigen Zimmer an. Das am weitesten nach Osten gelegene Zimmer war zum Beispiel in Blau gehalten, und in lebhaftem Blau schimmerten die Fenster. Das zweite Zimmer hatte purpurne Vorhänge und Tapeten, und hier waren die Scheiben purpurfarben. Das dritte glänzte ganz in Grün, ebenso die Fenster. Das vierte war in Orange ausgestattet und beleuchtet, das fünfte in Weiß, das sechste in Violett. Der siebente Raum war vollständig in schwarzem Samt ausgeschlagen, der die Decke verhüllte und in schweren Falten von den Wänden auf einen ebenfalls schwarzen Samtteppich herabhing. Dieses Zimmer war das einzige, in dem die Farbe der Fenster nicht mit der Ausstattung übereinstimmte. Die Scheiben glühten hier in einem tiefen, blutroten Scharlach. Nun befand sich in keinem der sieben Zimmer inmitten der Überfülle goldener Ornamente, die alle Winkel schmückten und von den Decken herabhingen, irgendeine Lampe oder ein Kandelaber. Nirgendwo gab es Lampen- oder Kerzenlicht. Aber in den Korridoren zur Seite der Zimmer stand hinter jedem Fenster ein schwerer Dreifuß mit loderndem Holzkohlenfeuer, das seinen Glanz durch das gefärbte Glas sandte und so die Zimmer blendend erleuchtete. Die buntesten und fantastischsten Effekte wurden auf diese Weise hervorgebracht, aber in dem nach Westen gelegenen schwarzen Saal wirkte das aus den blutroten Scheiben auf die dunklen Vorhänge strömende Licht einfach gespenstig. Die Gesichtszüge der Eingetretenen erhielten einen so unheimlichen Ausdruck, dass nur wenige aus der Gesellschaft die Kühnheit besaßen, ihren Fuß über diese Schwelle zu setzen.

In diesem Gemach befand sich auch an der westlichen Wand eine riesengroße Standuhr aus Ebenholz. Ihr Pendel schwang mit dumpfem, schwerem und gleichförmigem Klang hin und her, und wenn der Minutenzeiger seinen Kreis vollendet hatte, und die Stunde schlug, dann kam aus dem metallenen Räderwerk der Uhr ein Klang, so klar und laut und tief, so wundervoll musikalisch und doch von so seltsamem Ausdruck, dass die Musiker des Orchesters jedes Mal mitten in ihrem Spiel einen Augenblick innehielten und gezwungen waren, diesem Ton zu lauschen. Natürlich machten auch die Tänzer eine kurze Pause, und die ganze fröhliche Gesellschaft geriet in Verwirrung. Man bemerkte, dass während der Glockenschläge selbst die Ausgelassensten erbleichten, und dass die Älteren und Ruhigeren sich mit der Hand über die Stirn fuhren, als seien sie von einem Traum befangen. Sobald aber der letzte Nachklang verweht war, ging ein leichtes Lachen mit einem Male durch die Gesellschaft. Die Musiker sahen sich gegenseitig an, als begriffen sie ihre vorherige Nervosität und Torheit nicht, und sie gelobten einander mit flüsternder Stimme, beim nächsten Glockenschlag nicht wieder einer solchen Schwäche nachzugeben. Aber sechzig Minuten später (dreitausendsechshundert Sekunden der fliehenden Zeit) schlug die Glocke von neuem, und wieder kam die gleiche Verwirrung, das gleiche Erzittern und Nachdenken wie vorher.

Trotzdem aber war es eine fröhliche und prächtige Lustbarkeit. Der Herzog besaß einen einzigartigen Geschmack. Er hatte ein Auge für Farben und Farbenwirkungen und verachtete das Herkömmliche und Gewohnte. Was er ersann, war kühn und glänzend, und seine Ideen grenzten manchmal an das Barbarische. Man hätte ihn mitunter sogar für wahnsinnig halten können, aber sein Gefolge wusste, dass er es nicht war. Man musste schon in unmittelbaren Kontakt mit ihm treten, um sicher zu sein, dass er geistig normal war.

Er hatte zum großen Teil selbst die Ausschmückung der sieben Zimmer für dieses Prunkfest geleitet und auch der Art der Maskierung seinen Geschmack gegeben. Diese Masken waren sicherlich grotesk. Alles war an ihnen ein Blitzen und Flittern, alles war pikant und fantastisch und erinnerte an das, was man später in der Oper »Hernani« gesehen hat. Es gab seltsame Figuren mit unmöglichen Gliedern und Verkleidungen - wirre Fantasien, wie sie ein Wahnsinniger träumt. Viel Schönes sah man, viel Lustiges und Tolles, aber auch manches Schreckliche und einiges, das direkt Widerwillen erzeugen konnte. Wie ein Gewirr von tollen Träumen, so wandelte das hin und her durch die sieben Zimmer. Und diese verkörperten Traumbilder glitten von einem Raum in den anderen, nahmen jedes Mal eine andere Farbe an, und es war, als ob die ausgelassene Musik des Orchesters nur ein Echo ihrer Fußtritte sei. Bis dann plötzlich wieder einmal in dem samtüberzogenen Zimmer die Ebenholzuhr schlug, und alles stillstand, und nichts zu hören war, außer dem Glockenschlag. Dann blieben die Traummasken wie angefroren auf ihren Plätzen. Aber nur einen Augenblick währte diese Stille, der Nachklang der Uhr starb hinweg und ein leichtes, halbunterdrücktes Lachen folgte ihm nach. Und wieder schwoll die Musik, die Träume wurden lebendig und glitten so lustig wie je von einem Zimmer zum anderen, um durch die bunten Scheiben immer wieder mit anderem Licht überflutet zu werden. Aber in das Zimmer, das von den sieben am meisten westwärts lag, wagte sich allmählich keine Maske mehr hinein. Denn das schwarze Dunkel dort schien langsam zu schwinden, und ein immer roteres Licht strömte durch die buntgefärbten Scheiben. Die Schwärze des schwarzen Teppichs verblich, und wer es wagte, seinen Fuß daraufzusetzen, dem drang aus der Ebenholzglocke ein dumpfes Gedröhne ans Ohr, das viel schauerlicher war als alles, was die Ohren der in anderen Zimmern Herumtollenden erreichte.

Diese anderen Räume waren dicht von einem wogenden Menschenschwarm erfüllt, und ein heißes, fiebriges Leben herrschte hier. Immer toller wirbelte das festliche Treiben, bis schließlich auf der Uhr die Mitternacht zu schlagen begann. Und wie es vorher geschehen war, hielt die Musik mit Spielen an, die Tänzer standen bewegungslos da, und eine unbehagliche Erstarrung breitete sich über alle Dinge. Aber da diesmal zwölf Glockenschläge tönten, so geschah es vielleicht durch das Mehr an Zeit, dass jetzt ernsthaftere Gedanken in die Herzen auch der Lustigsten eindrangen. Und ehe der leise Nachklang des letzten Schlages in tiefes Schweigen versunken war, bemerkten einige in der Menge die Anwesenheit einer maskierten Figur, die bisher keinem Menschen aufgefallen war. Als sich das Gerücht von dieser neuen Erscheinung im Flüsterton verbreitet hatte, erhob sich in der ganzen Gesellschaft ein Tuscheln und Murmeln, das Missbilligung und Erstaunen ausdrückte und zu Worten der Angst, des Entsetzens und Abscheus anschwoll.

Unter den vielen fantastischen Verkleidungen hätte natürlich eine Erscheinung von mehr gewöhnlicher Art nicht eine solche Erregung hervorrufen können. Die Maskenfreiheit war tatsächlich fast unbegrenzt, aber diese Gestalt hatte sich weit über alle Grenzen, die des Fürsten Toleranz gezogen hatte, hinweggesetzt. Doch es gibt Stellen selbst in den Herzen der Gleichgültigsten, die sich nicht ohne Schmerzen berühren lassen, und auch die ganz Verdorbenen, denen Leben und Sterben nie Spott sind, haben Dinge, über die sie keinen Spott hören wollen. In der ganzen Gesellschaft schien nur ein einziges Gefühl über das Witzlose und Unschickliche im Kostüm des Unbekannten zu herrschen. Die Figur war schlank und sehr groß und vom Kopf bis zum Fuß in Leichentücher gehüllt. Die Maske, die das Gesicht verbarg, glich so genau den starren Zügen eines Toten, dass man auch beim schärfsten Hinsehen nicht die Täuschung erkennen konnte. Und doch hätten die tollen Festteilnehmer dies alles, wenn auch nicht gebilligt, so doch ertragen. Aber der Maskenträger war so weit gegangen, dass er das Bild des roten Todes darstellte. Die Leichentücher waren mit Blut bespritzt, und die breite Stirn zeigte wie das ganze Gesicht die entsetzlichen Scharlachflecke.

Langsam und feierlich, wie um die Rolle möglichst natürlich zu gestalten, schritt die geisterhafte Erscheinung zwischen den Tänzern auf und ab. Nun aber fielen die Augen des Fürsten Prospero darauf, und wenn er im ersten Augenblick, sei es vor Schreck oder vor Abscheu, stark zusammengezuckt war, so stieg ihm im nächsten der helle Zorn in die Stirn. »Wer wagt es«, fragte er grimmig die in der Nähe befindlichen Höflinge, »uns mit diesem lästerlichen Spott zu beschimpfen? Ergreift ihn und reißt ihm die Maske vom Gesicht, damit wir wissen, wen wir morgen früh an den Festungszinnen aufzuhängen haben!«

Fürst Prospero stand in dem östlichen oder blauen Zimmer, als er diese Worte ausstieß. Er war ein starker und stolzer Mann, seine Stimme klang laut und klar durch alle sieben Räume, während er die Musik mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht hatte.

Inmitten einer Gruppe von bleichen Höflingen stand der Fürst in dem blauen Zimmer. Auf seine Worte hin machten auch einige von ihnen eine leichte Bewegung, um sich auf den Eindringling zu stürzen, der in diesem Augenblick gar nicht weit entfernt war und nun dem Sprecher mit ruhigem, festem Schritt noch nähertrat. Aber infolge eines namenlosen Grauens, das die wahnsinnige Anmaßung des Maskierten der ganzen Gesellschaft eingeflößt hatte, fand nicht einer den Mut, die Hand auszustrecken und ihn zu ergreifen, so dass er unbelästigt in kaum einem Meter Entfernung an dem Prinzen vorbeischritt. Und während die ganze Gesellschaft wie auf einen Impuls aus der Mitte des Zimmers zu den Wänden zurückwich, wandelte er mit dem gleichen feierlichen und abgemessenen Schritt, der ihn vom ersten Augenblick an ausgezeichnet hatte, seinen Weg durch das blaue Zimmer zu dem purpurnen, durch das purpurne zu dem grünen, durch das grüne zu dem orangefarbenen und durch dieses dann zu dem weißen, so dass er schließlich bis zum violetten Zimmer kam, ehe eine entschiedene Bewegung gemacht wurde, ihn festzuhalten. Jetzt aber stürzte Fürst Prospero, wahnsinnig vor Wut und Scham über seine eigene vorübergehende Feigheit, durch alle sechs Zimmer, während die anderen von einer tödlichen Angst befallen waren, so dass ihm keiner zu folgen wagte. Er hielt seinen gezückten Dolch in der Hand und hatte sich in wuchtiger Schnelligkeit bis auf drei oder vier Fuß der zurückweichenden Gestalt genähert, die inzwischen am Ende des schwarzen Zimmers angelangt war und sich plötzlich zu ihrem Verfolger umwandte. Man hörte einen scharfen Schrei, und der Dolch fiel blitzend auf den samtenen Teppich, auf den gleich darauf auch Fürst Prospero tot zu Boden sank. Nun aber ergriff der wilde Mut der Verzweiflung eine Schar von Festteilnehmern. Gemeinsam stürzten sie in das schwarze Gemach, aber als sie die Maske ergriffen, die mit ihrer hohen Gestalt steif und bewegungslos im Schatten der Ebenholzglocke stand, da erstarrten sie in unaussprechbarem Grauen, denn hinter den Leichengewändern und der Totenmaske, nach denen sie so schnell und gewaltsam gegriffen hatten, fanden sie ein absolutes, leeres Nichts.

Und nun erkannten sie die Gegenwart des roten Todes. Wie der Dieb in der Nacht war er gekommen, und einer nach dem anderen sanken die Genossen des Maskenfestes in den blutbetauten Hallen nieder und starben verzweifelt, wo sie zu Boden gefallen waren. Mit dem Erlöschen des letzten Lebens blieb auch die Ebenholzuhr stehen. Die Flammen auf den Dreifüßen erloschen, und Dunkel, Verfall und der rote Tod herrschten über allem.

EDGAR ALLAN POE DAS SYSTEM DES DR. PECH UND PROF. FEDER

Im Herbst des Jahres 18— führte mich eine Reise durch die südlichen Provinzen Frankreichs auch in die Nähe eines Maison de Santé, einer Privat-Irrenanstalt, von der einige mir bekannte Mediziner in Paris mir viel erzählt hatten. Da ich eine derartige Anstalt noch nie besichtigt hatte, wollte ich die günstige Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen; ich machte daher meinem Reisegefährten - einem Herrn, den ich kurz vorher kennen gelernt hatte - den Vorschlag, einen Abstecher von wenigen Stunden zu machen, um die Anstalt zu besichtigen. Er lehnte aber ab: erstens habe er Eile, weiterzukommen, und zweitens habe er ein ganz erklärliches Grauen vor dem Anblick Wahnsinniger. Indessen bat er mich, nicht etwa aus Rücksicht auf ihn, von meinem Vorhaben abzusehen. Er werde langsam weiterreiten, so dass ich ihn im Laufe des Tages, spätestens aber des darauffolgenden, einholen könne. Als er sich verabschiedete, fiel mir ein, man werde mir möglicherweise gar nicht die Erlaubnis zur Besichtigung der Anstalt erteilen, und ich machte eine diesbezügliche Bemerkung. Er erwiderte, falls ich keine persönlichen Beziehungen zu dem Direktor, Herrn Maillard, noch irgendeinen Ausweis, etwa ein Empfehlungsschreiben habe, so könne ich allerdings auf Schwierigkeiten stoßen, da bei solchen Privatanstalten der Zutritt nicht so leicht zu erlangen sei wie bei öffentlichen Instituten dieser Art. Er selbst, fügte er hinzu, habe vor einigen Jahren die Bekanntschaft Maillards gemacht und wolle mir gern den Gefallen tun, mich bis ans Tor zu begleiten und einzuführen, wenngleich seine Antipathie gegen den Anblick Wahnsinniger ihm den Eintritt in das Haus selbst unmöglich mache.

Ich dankte ihm, und wir verließen also die Landstraße und schlugen einen grasbewachsenen Seitenpfad ein, der sich nach einer halben Stunde in einem dichten Wald am Fuße eines Berges fast verlor. Durch diesen düsteren Wald waren wir an die zwei Meilen geritten, als wir das Maison de Santé vor uns sahen. Es war ein fantastisches, halb verfallenes Schloss, das durch Alter und Verwahrlosung kaum mehr bewohnbar schien. Sein Anblick erfüllte mich geradezu mit Grausen, ich hielt mein Pferd an und wollte umkehren. Dann schämte ich mich jedoch meiner Schwäche und ritt weiter.

Als wir ans Tor kamen, sah ich, dass es ein wenig offenstand und ein Mann durch den Spalt spähte. Einen Augenblick später trat er heraus, nannte meinen Begleiter bei Namen, schüttelte ihm freundschaftlich die Hand und bat ihn abzusteigen. Es war Herr Maillard selbst, ein würdiger, vornehmer älterer Herr mit ernster, überlegener Miene, die Eindruck auf mich machte.

Mein Freund stellte mich vor, sprach von meinem Wunsch, die Anstalt zu besichtigen, und erhielt von Herrn Maillard die Versicherung, dass er meinem Verlangen bereitwillig Rechnung tragen werde. Hierauf verabschiedete er sich und ritt davon.

Als er fort war, nötigte mich der Direktor in ein kleines, sehr hübsches Empfangszimmer, das neben anderen Zeichen eines vornehmen Geschmacks viele Bücher, Zeichnungen, blumengefüllte Vasen und Musikinstrumente aufwies. Ein behagliches Feuer brannte im Kamin. Am Klavier saß eine schöne, junge Dame und sang eine Arie von Bellini; bei meinem Eintritt hielt sie inne und begrüßte mich mit anmutiger Höflichkeit. Sie hatte eine sanfte Stimme, und ihr ganzes Wesen war weich und schwermütig. Ich glaubte auch in ihrem Antlitz, das ungewöhnlich bleich war, einen Zug von Trauer zu finden. Sie war tiefschwarz gekleidet und erregte in meinem Herzen ein Gefühl von Respekt, Teilnahme und Bewunderung.

Ich hatte in Paris davon gehört, in dem Institut des Herrn Maillard werde das sogenannte »Besänftigungs-System« angewendet, d.h. Strafen wurden vermieden, und selbst Einzelhaft wurde nur selten verhängt - vielmehr ließ man den Patienten, die nur heimlich überwacht wurden, möglichst viel Freiheit; die meisten durften in Haus und Garten frei umhergehen, als seien sie bei voller Vernunft.

Dieser Information erinnerte ich mich jetzt und nahm mich daher in meinem Gespräch mit der jungen Dame in Acht; ich wusste nicht, ob sie nicht zu den Kranken zählte; und tatsächlich hatte ihr glänzendes Auge etwas Rastloses, Flackerndes, das mir verdächtig vorkam. Ich beschränkte meine Bemerkungen daher auf gleichgültige Dinge, von denen ich dachte, dass sie einem Irren weder missfallen noch ihn aufregen könnten. Sie antwortete auf alles, was ich sagte, vollkommen vernünftig, und sogar ihre selbständigen Äußerungen trugen den Stempel klarer Vernunft. Indessen hatte mich eingehende Kenntnis der Geisteskrankheiten und ihrer Wandlungen gelehrt, diesen scheinbaren Beweisen von Gesundheit nicht zu trauen, und ich setzte die Unterhaltung ebenso vorsichtig fort, wie ich sie begonnen hatte.

Ein Diener in hübscher Livree trat ein und brachte ein Tablett mit Obst, Wein und sonstigen Erfrischungen, die ich mir schmecken ließ; bald darauf verließ die Dame das Zimmer. Als sie gegangen war, blickte ich meinen Gastgeber fragend an.

»Nein,« sagte er, »o nein - die Dame ist ein Mitglied meiner Familie - meine Nichte, eine höchst gebildete Dame.«

»Ich bitte tausendmal um Verzeihung für den Verdacht,« erwiderte ich, »Sie werden aber gewiss eine Entschuldigung für mich finden. Das ausgezeichnete System, mit dem Sie Ihre Anstalt leiten, ist in Paris bekannt, und ich hielt es daher gut für möglich - Sie verstehen ...«

»Ja, ja - es bedarf keiner Worte - oder vielmehr sollte ich Ihnen danken für die liebenswürdige Klugheit, mit der Sie vorgingen. Wir finden selten so viel Verständnis bei jungen Leuten, und mehr als einmal kam es infolge der Gedankenlosigkeit unserer Besucher zu unerquicklichen Szenen. Als mein früheres System noch ausgeübt wurde und meine Patienten die Erlaubnis hatten, frei umherzugehen, wurden sie oft durch unvernünftige Leute, die das Haus besichtigen wollten, zu gefährlicher Wut gereizt. Seitdem habe ich mich genötigt gesehen, für strenge Abgeschlossenheit zu sorgen, und keiner erhielt Einlass, auf dessen Bedachtsamkeit ich mich nicht verlassen konnte.«

»Als Ihr früheres System angewandt wurde?« wiederholte ich seine Worte. »Soll ich das dahingehend verstehen, dass das ›Besänftigungssystem‹, von dem ich schon so viel gehört habe, jetzt nicht mehr zur Anwendung kommt?«

»Seit einigen Wochen«, erwiderte er, »haben wir beschlossen, es endgültig aufzugeben.«

»In der Tat? - Sie setzen mich in Erstaunen!«

Er seufzte. »Es erwies sich leider als dringend nötig, mein Herr, zu den alten Gebräuchen zurückzukehren. Die Gefahren des Besänftigungs-Systems waren immer sehr große, und seine Vorteile sind entschieden überschätzt worden. Wenn je - so ist es gerade in diesem Hause reichlich zur Anwendung gekommen; wir haben alles getan, was vernunftgemäße Rücksichtnahme tun konnte. Es tut mir leid, dass Sie uns nicht schon früher einmal besucht haben, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Ich vermute aber, Sie kennen das Besänftigungs-System - seine praktische Anwendung?«

»Nicht ganz. Was ich davon weiß, habe ich aus dritter, vierter Hand.« »Das System lässt sich also gemeinhin als eines bezeichnen, das den Patienten rücksichtsvoll behandelt. Wir widersprachen den Einbildungen der Irren nicht. Im Gegenteil: wir duldeten sie nicht nur, sondern unterstützten sie sogar, und wir haben auf diese Weise unsere erfolgreichsten Kuren zustande gebracht. Kein Argument wirkt so nachhaltig auf die schwache Vernunft des Irren, wie das Ad-absurdum-geführt-werden. Zum Beispiel hatten wir Leute, die sich für Hühner hielten. Die Kur bestand nun darin, dies als Tatsache zu nehmen, den Patienten, der diese Tatsache nicht genügend anerkannte, für dumm zu erklären und ihm eine Woche lang jede andere Nahrung als die den Hühnern angemessene zu verweigern. Auf diese Weise konnte ein wenig Korn und Sand Wunder vollbringen.«

»Doch war diese Nachgiebigkeit alles?«

»Keineswegs. Wir hielten viel auf harmlose Zerstreuungen, wie Musik, Tanz, gemeinsame gymnastische Übungen, Kartenspiel, Lektüre usw. Wir behandelten einen jeden auf irgendein physisches Leiden hin, und das Wort ›Irrsinn‹ wurde nie gebraucht. Ein Hauptpunkt bestand darin, dass man jeden Irren anhielt, das Tun der anderen zu überwachen. Dies Vertrauen in das Verständnis und die Diskretion eines Wahnsinnigen ist es, womit man ihn ganz gewinnen kann. Auf diese Weise konnten wir das kostspielige Wächterpersonal beschränken.«

»Und Sie hatten keinerlei Strafen?«

»Keine.«

»Und Sie haben die Patienten nie isoliert?«

»Sehr selten. Hie und da, wenn es bei irgendeinem zu einer Unsicherheit oder einem Wutanfall kam, sperrten wir ihn in eine abgelegene Zelle, damit er die anderen nicht mitreiße, und hielten ihn dort so lange, bis wir ihn den anderen wieder zuführen konnten. Mit eigentlichen Tobsüchtigen haben wir nämlich nicht zu tun; die werden gewöhnlich den staatlichen Irrenanstalten zugeführt.«

»Und alles dies haben Sie nun geändert - und wie Sie meinen, zum Guten geändert?«

»Ganz entschieden. Das frühere System hatte seine Nachteile, ja sogar Gefahren. Man hat es nun glücklicherweise in allen Maisons de Santé Frankreichs fallen lassen.«

»Ich bin außerordentlich erstaunt über Ihre Mitteilung,« sagte ich, »da man mir versichert hat, dass es heutzutage im ganzen Land keine andere Methode der Behandlung Geisteskranker gebe.«

»Sie sind noch jung, mein Freund,« erwiderte mein Wirt, »Und die Zeit wird kommen, da Sie sich über das, was in der Welt vorgeht, ein eigenes Urteil bilden und das Gerede anderer nicht beachten werden. - Glauben Sie nichts von dem, was Sie hören, und nur die Hälfte von dem, was Sie sehen. Was unsere Irrenanstalten anbelangt, so ist es klar, dass irgendein Unwissender Ihnen etwas eingeredet hat. Ich werde mich aber freuen, Sie nach Tisch, wenn Sie sich genügend von Ihrem ermüdenden Ritt erholt haben werden, durch das Haus zu führen und Ihnen ein System zu weisen, das sowohl mir selbst als einem jeden, der es angewendet sah, als das bei weitem erfolgreichste erschienen ist.«

»Ihr eigenes System?« fragte ich - »Ihre eigene Erfindung?«

»Ich bin stolz,« erwiderte er, »Ihre Frage bejahen zu können - wenigstens in gewissem Maße.«

In dieser Weise unterhielt ich mich mit Herrn Maillard ein bis zwei Stunden, während er mich in Hof und Garten herumführte.

»Ich kann Ihnen gegenwärtig nicht meine Patienten zeigen«, sagte er. »Ein empfindliches Gemüt wird von solchem Anblick stets etwas erschüttert; und ich möchte Ihnen den Appetit vor Tisch nicht verderben. Lassen Sie uns zuerst speisen. Ich kann Ihnen Kalb à la Sainte Ménéhould mit Blumenkohl in Sauce velouté vorsetzen - dann ein Glas Clos Vougeot - das wird Ihre Nerven genügend stärken.«

Um sechs Uhr rief man zu Tisch, und mein Gastgeber führte mich in einen langen Speisesaal, wo ich eine große Gesellschaft versammelt fand - etwa fünfundzwanzig bis dreißig Personen. Es schienen Leute von Rang - wenigstens von guter Herkunft - wenngleich ihre Kleidung mir etwas überladen schien; sie hatte die aufdringliche Eleganz der Bourbonenzeit. Ich bemerkte, dass mindestens zwei Drittel der Gäste Damen waren, von denen einige sich keineswegs so betrugen, wie es heutigen Tages in Paris zum guten Ton gehört. Manche z. B., deren Alter kaum unter siebzig sein konnte, waren mit Juwelen, Ringen, Armbändern und Ohrschmuck geradezu überladen, und ihr Taillenausschnitt war von bedenklicher Tiefe. Ich sah ferner, dass nur wenige der Kleider einen guten Schnitt hatten - wenigstens kleideten sie ihre Trägerinnen nicht gut. Während ich mich umschaute, entdeckte ich das interessante junge Mädchen, mit dem Herr Maillard mich zuvor bekannt gemacht hatte; doch mein Erstaunen war groß, sie nun in Reifrock und Stöckelschuhen und einer Haube aus Brüsseler Spitzen zu sehen, einer Haube, die nicht nur unsauber, sondern so übertrieben groß war, dass sie das Gesicht lächerlich klein erscheinen ließ. Als ich die Dame zuerst gesehen hatte, trug sie ein geschmackvolles Trauerkleid. Kurzum, die Kleidung der ganzen Gesellschaft hatte etwas so Wunderliches, dass mir das »Besänftigungs-System« wieder einfiel und gleichzeitig der Gedanke kam, Herr Maillard habe mich bis nach Tisch im Unklaren lassen wollen, damit mich bei der Mahlzeit nicht etwa die Vorstellung störe, mit Geisteskranken zu speisen. Ich erinnerte mich aber auch, dass in Paris die Rede ging, welch ein exzentrisches Völkchen die Bewohner der südlichen Provinzen seien und welch veraltete Anschauungen sie hätten. Nachdem ich mit einigen aus der Gesellschaft nur eine kurze Weile geplaudert hatte, schwanden bald meine Zweifel gänzlich.

Das Speisezimmer war, obschon geräumig und praktisch eingerichtet, keineswegs elegant; so gab es z. B. keinen Teppich, was allerdings in Frankreich nicht selten ist. Die Fenster waren ohne Vorhänge. Die Schalter waren geschlossen und mit diagonalen Eisenstangen verriegelt, wie es bei uns die Kaufläden sind. Der ganze Raum bildete, wie ich nun sah, einen besonderen Flügel des Schlosses und hatte daher an drei Seiten Fenster, nicht weniger als zehn; an der vierten war die Tür.

Der Tisch war prächtig gedeckt. Er war mit Schüsseln überladen und mehr als überladen mit Delikatessen. Der Überfluss war geradezu geschmacklos. Nie in meinem Leben sah ich eine solche Verschwendung, ja Missachtung der köstlichsten Dinge. Die Anordnung des Ganzen war übrigens sehr wenig anmutig. Meine an sanftes Licht gewöhnten Augen mussten nun den Glanz zahlloser Wachskerzen ertragen, die in silbernen Armleuchtern überall im Zimmer verteilt waren. Mehrere Diener warteten auf; und auf einem großen Tisch in einer entfernten Ecke des Saals saßen sieben bis acht Leute mit Geigen, Pfeifen, Blasinstrumenten und einer Trommel. Diese Burschen quälten mich während der ganzen Mahlzeit mit ihrem andauernden Lärm, der wohl Musik sein sollte und alle Anwesenden mit Ausnahme von mir sehr zu unterhalten schien.

Alles in allem konnte ich nicht umhin, vieles von dem, was ich sah, recht bizarr zu finden - aber es gibt so vielerlei Menschen, mit so vielerlei Gedanken und so vielerlei Gewohnheiten! Auch war ich weit genug in der Welt herumgekommen, dass mir das »nil admirari« zur Selbstverständlichkeit geworden war. Ich nahm also gelassen an der rechten Seite meines Wirtes Platz und sprach mit viel Appetit den guten Speisen zu, die man mir reichte.

Die Unterhaltung war allgemein und angeregt; wie immer, sprachen besonders die Damen viel. Ich fand bald, dass fast alle Versammelten eine gute Erziehung genossen hatten; und mein Wirt selbst erzählte einen launigen Witz nach dem anderen. Er schien geneigt, von seiner Stellung als Leiter der Irrenanstalt zu reden, und überhaupt war das Thema »Wahnsinn« zu meiner Überraschung ein beliebter Gesprächsstoff. Man erzählte eine Menge lustiger Stückchen von der Tollheit einzelner Patienten.

»Wir hatten mal einen Menschen hier,« sagte ein dicker, kleiner Herr an meiner rechten Seite - »einen Menschen, der sich für einen Teekessel hielt. Nebenbei bemerkt, ist es nicht sonderbar, wie oft gerade diese Vorstellung bei Wahnsinnigen herrscht? Gibt es doch kaum eine Irrenanstalt in Frankreich, die nicht einen menschlichen Teekessel aufzuweisen hätte. Unser Mann war ein Teekessel aus Britannia-Metall und war eifrig bemüht, sich jeden Morgen mit Putzkreide und einem Lederlappen zu polieren.«

»Und dann«, sagte ein langer Mensch mir gegenüber, »hatten wir vor einiger Zeit einen Mann hier, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Esel zu sein - was, wie Sie sagen werden, wohl seine Richtigkeit hatte. Er war ein beschwerlicher Kranker, und wir hatten viel zu tun, ihn zu überwachen. Lange Zeit wollte er nichts als Disteln essen; von diesem Gedanken brachten wir ihn aber dadurch ab, dass wir ihm auch keine andere Nahrung mehr gaben. Ferner schlug er immer mit den Füßen aus - so - so -«

»Herr de Kock! Bitte, benehmen Sie sich anständig!« unterbrach ihn hier eine alte Dame, die an seiner Seite saß. »Behalten Sie Ihre Füße, bitte, bei sich! Sie haben mir meinen Brokat beschmutzt. Ist es denn nötig, eine Bemerkung gleich auf solche Weise zu illustrieren? Unser Freund hier kann Sie sicher auch so begreifen. Mein Wort, Sie sind entschieden geradeso ein Esel, wie der arme Kranke zu sein wähnte. Sie benehmen sich durchaus unangemessen.«

»Mille pardons! Mamselle!« erwiderte Herr de Kock - »ich bitte tausendmal um Verzeihung! Ich wollte Sie nicht verletzen. Mamselle Laplace - Herr de Kock gibt sich die Ehre, mit Ihnen anzustoßen.«

Herr de Kock verbeugte sich tief, küsste der Dame zeremoniös die Hand und stieß mit ihr an.

»Erlauben Sie mir, mein Freund,« wandte sich jetzt Herr Maillard an mich - »erlauben Sie mir, Ihnen ein Stück Kalbsbraten à la St. Ménéhould anzubieten - Sie werden es sehr schmackhaft finden.«

Gerade war es drei kräftigen Dienern gelungen, eine ungeheure Platte auf den Tisch niederzustellen, die nach meiner Ansicht ein »monstrum horrendum, informe, ingens, cui lumen ademptum« enthielt. Näheres Zusehen zeigte mir allerdings, dass es nur ein im ganzen gebratenes kleines Kalb war, das man auf die Knie gesetzt und dem man einen Apfel ins Maul gesteckt hatte, ähnlich wie man in England einen Hasen serviert. »Danke, nein,« erwiderte ich; »ich muss gestehen, ich bin eigentlich kein Liebhaber von Kalb à la Sainte - wie war’s doch gleich? - Es ist nicht so recht nach meinem Geschmack. Ich möchte aber den Teller wechseln und ein Stück von dem Kaninchen dort versuchen.«

Einige kleinere Platten, die auf dem Tische standen, schienen mir nämlich Kaninchenbraten zu enthalten - ein ganz prächtiges Fleisch, das ich nur empfehlen kann.

»Pierre,« rief der Wirt, »gib dem Herrn einen anderen Teller und ein Mittelstück dieses Kaninchens au-chat.«

»Dieses was?«

»Dieses Kaninchens au-chat.«

»Ach, nein, danke - ich habe es mir überlegt. Ich will mir doch lieber etwas Schinken nehmen.«

Man weiß doch, nie, was man von diesen Provinzlern vorgesetzt bekommt, dachte ich bei mir selbst. Ich mag nichts von ihrem Kaninchen au-chat und ebenso wenig von ihrem Katzen-Kaninchen.

»Und dann,« nahm am unteren Ende der Tafel ein leichenblasser Mensch den Faden der Unterhaltung wieder auf, - »und dann hatten wir neben anderen Tollheiten auch einen Patienten, der eigensinnig dabei blieb, er sei ein Cordoba-Käse, und der mit einem Messer in der Hand herumlief und die anderen bat, eine schöne Scheibe aus der Mitte seines Beins zu versuchen.«

»Er war unbedingt ein großer Narr,« fiel irgendeiner ein, »immerhin aber nicht zu vergleichen mit einem gewissen Jemand, den wir alle kennen - mit Ausnahme dieses fremden Herrn natürlich. Ich meine den Mann, der sich für eine Sektflasche hielt und immer knallte und sprudelte, nämlich so ...«

Hier steckte der Sprecher höchst unziemlich den Daumen in den Mund, klemmte ihn gegen die rechte Backe und machte damit ein knallendes Geräusch, ähnlich dem eines springenden Pfropfens, dann ließ er die Zunge zwischen den Zähnen vibrieren, was einen zischenden, sprudelnden Laut hervorbrachte, wie eine aufschäumende Sektflasche.

Ich sah, dass dies Benehmen Herrn Maillard nicht sehr gefiel; er sagte aber nichts, und die Unterhaltung wurde durch ein kümmerliches Männchen mit einer großen Perücke weitergeführt.

»Da war auch ein Dummkopf,« sagte er, »der hielt sich für einen Frosch, dem er übrigens gar nicht so unähnlich war. Ich wollte, Sie hätten ihn sehen können, Herr,« - wandte sich der Sprecher an mich - »es hätte Sie wirklich erquickt, zu sehen, wie natürlich er sich benahm. Herr, wenn der Mensch kein Frosch war, so kann ich nur sagen, dass es zu bedauern ist, dass er keiner war. Sein Gequake - so: kroax ... kroax! - war das schönste von der Welt - B-Moll! Und wenn er ein oder zwei Glas Wein getrunken hatte und dann die Ellbogen auf den Tisch stützte - so - und den Mund aufriss - so - und mit den Augen rollte - so - und ganz schnell mit den Lidern zwinkerte - so - nun, mein Herr, ich stehe dafür ein, Sie wären voller Bewunderung für diesen Mann gewesen.«

»Ich zweifle nicht daran«, sagte ich.

»Und dann,« sagte jemand anders, »dann war da Petit Gaillard, der sich für eine Prise Schnupftabak hielt und ganz verzweifelt war, weil er sich nicht selbst zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen konnte.«

»Und da war auch Jules Desoulières, wirklich ein eigenartiger Geist, der den verrückten Gedanken hatte, ein Kürbis zu sein. Er verfolgte den Koch mit dem Anliegen, einen Pudding aus ihm zu machen - was der Koch entrüstet ablehnte. Ich für meinen Teil zweifle keineswegs, dass ein Kürbispudding à la Desoulières ein vorzügliches Gericht gewesen wäre!«

»Sie setzen mich in Erstaunen!« sagte ich; und ich blickte fragend auf Herrn Maillard.

»Ha, ha, ha!« lachte dieser - »He, he, he! - Hi, hi, hi! - Ho, ho, ho! - Hu, hu, hu! - Sehr gut, sehr gut! Sie dürfen nicht erstaunt sein, mon ami! Unser Freund hier ist ein Witzbold - ein Spaßmacher - Sie dürfen ihn nicht wörtlich nehmen.«

»Und dann«, sagte ein anderer aus dem Kreis, »hatten wir Bouffon le Grand - in seiner Weise auch ein sehr origineller Mensch. Er war aus unglücklicher Liebe verrückt geworden und bildete sich nun ein, zwei Köpfe zu haben. Einen davon hielt er für den Kopf des Cicero; der andere war zusammengesetzt: von der Stirn bis zum Mund Demosthenes und vom Mund bis zum Kinn Lord Brougham. Vielleicht irrte er sich, aber er hätte Sie davon überzeugt, dass er im Recht sei; denn er war ein Mann von großer Rednergabe. Er hatte eine Leidenschaft für das Reden und stellte sich gern zur Schau. Er sprang zum Beispiel auf den Speisetisch - so - und ...«

Hier legte einer, der an seiner Seite saß, ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er ganz plötzlich schwieg und in seinen Stuhl zurücksank.

»Ferner,« sagte der, der geflüstert hatte, »war da Boullard, der Kreisel. Ich sage Kreisel, weil er die seltsame, aber gar nicht so unvernünftige Grille hatte, in einen Kreisel verwandelt worden zu sein. Sie hätten gebrüllt vor Lachen, wenn Sie ihm zugesehen hätten. Er drehte sich wohl eine Stunde lang auf einem Bein, in dieser Weise - so -«

Hier fiel ihm der, den er vorhin zurechtgewiesen hatte, im gleichen Flüsterton in die Rede.

»Ach,« kreischte eine alte Dame, »Ihr Herr Boullard war eben verrückt - dumm und verrückt! Denn bitte, wer hätte jemals von einem menschlichen Kreisel gehört? Das ist absurd. Da war Frau Joyeuse, wie Sie wissen, eine vernünftigere Person. Sie hatte auch ihre Grille, aber es war eine sinnvolle Grille und unterhaltend für alle, die die Ehre hatten, mit ihr bekannt zu sein. Sie fand nach reiflicher Überlegung, dass sie durch irgendeinen Unfall in einen Hahn verwandelt worden war; und als solcher benahm sie sich mit Anstand. Es war bewunderungswürdig, wie sie mit den Flügeln schlug - so - so - so -, und ihr Krähen war einfach entzückend! Ki-ke-riki! - Ki-ke-ri-kiii! - Ki-ke-ri-ki-i-i-i-i!«

»Frau Joyeuse,« fiel unser Wirt hier ärgerlich ein, »benehmen Sie sich anständig, wie es einer Dame zukommt, oder Sie müssen vom Tisch fernbleiben. - Wählen Sie!«

Die Dame (wie erstaunte ich, dass sie anscheinend selbst die so launig beschriebene Frau Joyeuse war) errötete bis zu den Haarwurzeln und schien von der Zurechtweisung empfindlich getroffen. Sie ließ den Kopf hängen und entgegnete kein Wort. Aber eine andere, jüngere Dame setzte die Unterhaltung fort. Es war mein schönes Mädchen aus dem Sprechzimmer.

»Frau Joyeuse war wirklich eine Närrin,« rief sie aus; »da hatte der Spleen von Eugénie Salsafette mehr Sinn. Sie war ein sehr hübsches und zurückhaltendes junges Mädchen, dem die übliche Kleidertracht anstößig erschien; sie versuchte deshalb, statt in die Kleider hineinzuschlüpfen, aus ihnen herauszukommen. Das geht übrigens ganz leicht. Man braucht nur so - zu machen - und dann so - so - so - und dann so - und so - und so - und dann -«

»Mein Gott! Fräulein Salsafette!« riefen ein Dutzend Stimmen. »Was fällt Ihnen ein! - Gott bewahre! Genug, genug! - Wir sehen deutlich genug, wie es gemeint ist! - Halt, halt!« Und einige sprangen schon von ihren Sitzen, um Fräulein Salsafette davon abzuhalten, sich in das Kostüm der Mediceischen Venus zu werfen.