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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2015
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 305
Textanalyse und Interpretation zu
Uwe Timm
HALBSCHATTEN
Sabine Hasenbach
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Timm, Uwe: Halbschatten. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 2. Auflage 2011.
Über die Autorin dieser Erläuterung: Sabine Hasenbach hat Mineralogie (mit den Nebenfächern Mathematik, Physik und Chemie) an den Universitäten Köln und Bonn sowie Literaturwissenschaft (mit den Nebenfächern Psychologie und Soziologie) an der FernUniversität in Hagen studiert, wo sie mit einer Arbeit über Katherine Mansfield graduiert worden ist. Sie wohnt in Düsseldorf und arbeitet an der dortigen Heinrich-Heine-Universität. In ihrer Freizeit läuft sie Langstrecke.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
1. Auflage 2015
ISBN 978-3-8044-7021-7
© 2015 by C. Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Marga von Etzdorf 1933 © ullstein bild – ullstein bild
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Uwe Timm: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Der 1. Weltkrieg (1914–1918)
Vertrag von Versailles und die Weimarer Republik
Nationalsozialismus (1933–1939)
Der 2. Weltkrieg (1939–1945)
Nachkriegszeit und Wiedervereinigung (1945–1990)
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Der Friedhofsbesucher
Der Graue
Marga von Etzdorf
Christian von Dahlem
Anton Miller
Reinhard Heydrich
Fräulein Erpenbeck
Ernst Udet
Ernst Heymann
Weitere Nebenfiguren
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Figurensprache
Erzähltextanalyse
Zeit
Modus
Stimme
Themen und Motive
Intertextualität
Historischer Kontext
Biografischer/autobiografischer Kontext
Literarisch-philosophischer Kontext
Stilmittel
3.7 Interpretationsansätze
Halbschatten als Roman über das Erinnern
Konflikt zwischen Individuum und Ideologie
4. Rezeptionsgeschichte
Halbschatten im Spiegel der Rezensionen
Halbschatten in der Literaturwissenschaft
5. Materialien
Fliegerinnen der 1920er- und 1930er-Jahre
Der historische Roman
Äußerungen Uwe Timms
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 ***
Literatur
Zitierte Ausgabe
Biografisches: Uwe Timm
Über Halbschatten
Übergreifende Darstellungen: (Kultur-)Geschichte
Internetquellen
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel beschreiben wir Uwe Timms bisherigesLeben und stellen den zeitgeschichtlichen Hintergrund dar:
Uwe Timm wurde 1940 in Hamburg geboren.
Der für den Roman relevante zeitgeschichtliche Hintergrund ist die Zeit vom 1. Weltkrieg bis in die 1990er-Jahre. Literaturgeschichtlich ist das Werk der Postmoderne und gattungsspezifisch dem historischen Roman zuzuordnen.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation:
Halbschatten – Entstehung und Quellen:
Halbschatten erschien 2008 im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch. Inspiriert wurde Timm durch das Grab der Fliegerin Marga von Etzdorf auf dem Berliner Invalidenfriedhof.
Inhalt:
Ein historisch interessierter Ich-Erzähler lässt sich von einem Stadtführer den Invalidenfriedhof in Berlin zeigen und auch das Grab der Pilotin Marga von Etzdorf. Der Graue kennt Margas Lebensgeschichte und die vieler dort Bestatteter und berichtet darüber. Korrespondierend dazu berichten die Toten selbst.
Binnenerzählung: Marga von Etzdorf ist eine ausgezeichnete Pilotin und 1931 gelingt ihr als erster Frau ein Alleinflug von Europa nach Japan. In Hiroshima lernt sie Christian von Dahlem und den Schauspieler Anton Miller kennen. Von Etzdorf übernachtet mit Dahlem in dessen Zimmer und beide erzählen sich ihr Leben. Marga verliebt sich in Dahlem, der ihre Gefühle nicht erwidert. 1932 stürzt von Etzdorf beim Start in Bangkok ab, wobei ihr Flugzeug zerstört und auch ihr Ruf als Pilotin beschädigt wird. Dahlem vermittelt den Kontakt zur Waffenfirma Schmeisser und von Etzdorf wird Waffenschmugglerin und Spionin für das NS-Regime im Gegenzug für ein Flugzeug, um einen Flug nach Australien zu wagen. Im Mai 1933 geht die Maschine im Anflug auf Aleppo nach einem Flugfehler zu Bruch, von Etzdorf bleibt unverletzt. Kurz nach der Havarie erschießt sie sich. Ihre Leiche wird nach Berlin überführt und auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt.
Chronologie und Schauplätze:
Der Roman umfasst einen Zeitraum von über 300 Jahren (18. Jhd.– Anfang 21. Jhd.). Die in diesem Zeitraum stattfindenden Ereignisse werden anachronisch, mit großen Zeitsprüngen erzählt. Mit den Ereignissen wechseln die Schauplätze. Darunter sind Tokio, Hiroshima, Berlin, Sizilien, Belchite/Spanien, Cabo Juby/Marokko.
Personen:
Der Friedhofsbesucher (Ich-Erzähler)
Interesse an Marga von Etzdorf
Autobiografische Übereinstimmungen mit Autor Timm
Der Graue
Führer über den Invalidenfriedhof
Kenner der Geschichte(n)
Marga von Etzdorf
Obsessive Fliegerin
Lässt sich korrumpieren
Christian von Dahlem
Zerrissener Charakter
Erwidert Margas Gefühle nicht
Anton Miller
Schauspieler und schillernder Charakter
Freund von Etzdorf und Dahlem
Reinhard Heydrich
Nazi, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes
Organisator von Massentötungen.
Auch auf wichtige Nebenfiguren gehen wir ein.
Stil und Sprache Uwe Timms:
Timm setzt eine individuell geprägte Figurensprache ein und wechselndes Erzählverhalten. Die zeitliche Reihenfolge der erzählten Ereignisse ist anachronisch unter Verwendung von Analepsen (dominierend) und Prolepsen.
Der Autor arbeitet mit zahlreichen Motiven und deren Wiederholungen mit verknüpfender Funktion.
Zudem setzt Timm Intertextualität ein.
Auf folgende Interpretationsansätze gehen wir näher ein:
Halbschatten als Roman über das Erinnern
Konflikt zwischen Individuum und Ideologie
Uwe Timm (*1940) © ullstein bild – ddp
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
1940
Hamburg
Uwe Hans Heinz Timm wird am 30. März als jüngstes Kind des Kürschners Hans Timm und seiner Frau Anna geboren.
1943
Ukraine
Der Bruder Karl-Heinz, Mitglied der SS, stirbt.
3
1945–61
Hamburg
Nach der Volksschule Ausbildung zum Kürschner in der Fa. Levermann. Timm übernimmt nach dem Tod des Vaters die väterliche Kürschnerei und saniert sie.
5–21
1961–63
Braunschweig
Besuch des Braunschweig-Kollegs und Abitur. Freundschaft mit Benno Ohnesorg. Erste literarische Versuche.
21–23
1963–66
München
Beziehung mit Jutta Kosjek. Studium der Fächer Philosophie/Germanistik.
23–26
1964
Geburt von Tochter Katharina.
24
1966/67
Paris
Stipendiat an der Sorbonne.
26/27
1967
Paris München Hamburg
Publikation von Gedichten. Rückkehr nach München. Bis 1969 für den SDS politisch aktiv. Verfasst Agitprop[2]-Gedichte und unterstützt Studentenbewegung.
27
1969
Heirat mit Dagmar Ploetz.
29
1970
München
Timm beginnt Studium (Volkswirtschaftslehre/Soziologie), das er wieder abbricht. Gründung des Münchner Theaterkollektivs.
30
1971
München
Promotion zum Dr. phil. mit Das Problem der Absurdität bei Albert Camus. Freiberuflicher Schriftsteller.
31
1972
München
Hörspiele und Gedichte. Mitherausgeber AutorenEdition.
32
1973
Beitritt zur DKP. Reise in die DDR.
33
1974/1975
Publikation des Debüt-Romans Heißer Sommer (1974). Geburt von Sohn Tobias (1975).
34/35
1976
Namibia/Afrika
Recherchereise für Morenga.
36
1977
Geburt von Tochter Bettina.
37
1978
Publikation von Morenga.
38
1980
Roman Kerbels Flucht.
40
1981
Warwick/Großbritannien
„Writer in Residence“. Jugendbuch Die Zugmaus. Beitritt zum PEN.
41
1981–83
Rom
Austritt aus der DKP. 1982: Geburt von Tochter Johanna
41–43
1983
München
Rückkehr nach München, später nach Herrsching am Ammersee.
43
1986–89
München
Der Schlangenbaum. Drehbuch zu Der Flieger. Jugendbuch RennschweinRudi Rüssel.
46–49
1991
Paderborn
Poetikvorlesungen.Kopfjäger. Bericht aus dem Innern des Landes.
51
Berlin
Umzug nach Berlin-Friedenau.
1992/93
München
Rückkehr nach München.Die Entdeckung der Currywurst.
52/53
1996
Johannisnacht.
56
1997
St. Louis, Missouri (USA)
„Writer in Residence“. Drehbuch: Die Bubi Scholz Story.
57
1999
Nicht morgen, nicht gestern.
59
2001
München
Veröffentlichung von Rot.
61
2002
Bergen-Enkheim
Timm wirkt als Stadtschreiber.
62
2003
Am Beispielmeines Bruders.
63
2004
Leeds/Großbritannien
Symposium In Perspective: Uwe Timm.
64
2005
Bamberg
Poetik-Vorlesungen.Der Freund und der Fremde Uwe Timm Lesebuch. Die Stimme beim Schreiben.
65
2006
Rom
Ehrengast in der Villa Massimo.[3]
66
2008
Publikation vonHalbschatten.
68
2009
Frankfurt Lüneburg Köln
Poetik-Vorlesungen. Erste Heinrich-Heine-Dozentur. Heinrich-Böll-Preis.
69
2011
Publikation der Novelle Freitisch.
71
2012
Carl-Zuckmayer-Medaille
72
2013
Publikation von Vogelweide.
73
2015
Herrsching/Bayern
Essayband Montaignes Turm.
75
ZUSAMMENFASSUNG
Timms Roman Halbschatten besteht aus einer Rahmenerzählung und einer Binnenerzählung, die eng miteinander verwoben sind. Der zeitgeschichtliche Hintergrund umfasst dabei hauptsächlich die Jahre ab dem 1. Weltkrieg bis nach der Wiedervereinigung.
Die Rahmenerzählung von Timms Roman Halbschatten findet in den ausgehenden 1990er-Jahren, die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung, statt. Dies kann im Text aus folgendem Zitat abgeleitet werden: „Hören Sie das Stampfen? Ja, sagt der Graue, dort drüben werden Stahlpfeiler in den Boden gerammt, dort wird der Hauptbahnhof gebaut.“ (S. 37) Dieser Hauptbahnhof ist der von Meinhard von Gerkan entworfene Berliner Hauptbahnhof, mit dessen Bau 1998 begonnen und der 2006 fertiggestellt wurde.
Für die Binnenerzählung relevant sind der Verlauf des 1. Weltkriegs an der Westfront, die Weimarer Republik und deren Ende sowie der Aufstieg des Nationalsozialismus, der 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit.
Der 1. Weltkrieg (1914–1918)
Die Ursachen des 1. Weltkriegs lagen in den vielschichtigen machtpolitischen Gegensätzen des europäischen Staatensystems zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die angespannte Lage kulminierte schließlich in der Julikrise 1914, nachdem am 28.6.1914 im serbischen Sarajevo der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau erschossen wurde. Überstürzte Mobilmachungen und Ultimaten gipfelten schließlich in der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien (28.7.1914), der Kriegserklärung Deutschlands an Russland (1.8.1914) und zwei Tage später an Frankreich.
Die Strategie der deutschen Militärs zur Eroberung Frankreichs beruhte auf einer Denkschrift von Alfred von Schlieffen (Schlieffen-Plan). Modell war ein Zwei-Fronten-Krieg mit einer defensiven Kriegsführung im Osten und einem aggressiven Vorgehen im Westen. Realisiert werden sollte dies durch eine Umfassung der französischen Armee mit einem starken „rechten Flügel“. Timm rekurriert darauf, indem er den toten Schlieffen sprechen lässt: „Macht mir den rechten Flügel stark!“ (S. 203) Helmuth von Moltke d. J. modifizierte den Schlieffen-Plan. Anfang August 1914 überfielen deutsche Truppen das neutrale Belgien. Daraufhin erklärte England Deutschland den Krieg. Mit seiner Schilderung des Luftkampfes zwischen Dahlem und einem englischen Jagdflieger verweist Timm auf diese Gegnerschaft (vgl. S. 160 ff.).
Die erfolgreiche deutsche Armee wandte sich gegen Paris. In der Marne-Schlacht Anfang September 1914 gelang es den Franzosen mit Unterstützung britischer Truppen jedoch, den deutschen Vormarsch zu stoppen. Von Moltkes Adjutant Richard Hentsch riet zum Rückzug, der auf Befehl von Moltke schließlich erfolgte. Ob von Moltke mit seinem Rückzugsbefehl dem Heer ein Desaster ersparte oder den erstrebten schnellen Sieg verspielte, ist bis heute umstritten: Man spricht vom „Verrat an der Marne“ (S. 203).
Im Oktober/November 1914 starteten britische und französische Truppen ihrerseits einen Umfassungsversuch der deutschen Armee, allerdings blieb der Angriff vor Ypern stecken. Aus einem Bewegungskrieg wurde ein Stellungskrieg. Die Stellungen selbst wurden durchzogen von Grabensystemen und Unterständen, in denen die Soldaten unter extremen Bedingungen vegetierten. In Halbschatten schildert Dahlem die Verhältnisse so: „…es war der Dreck, es waren die Ratten, der weiße Schlamm, Kalkschlamm, die Läuse.“ (S. 24)
In der Folge ging es bei den Kämpfen um bloßen Raumgewinn. Der um eine Entscheidung bemühte von Falkenhayn befahl den Angriff auf Verdun. Die Schlacht („Hackepeter“; S. 108) wurde großer Verluste wegen schließlich abgebrochen. Erst Ende 1916 gelang den Franzosen schließlich die Eroberung der Festungen von Verdun.
Im Frühjahr 1917 wurde der Rückzug des deutschen Heeres in die bei Arras gelegene „Siegfriedstellung“ befohlen. Am 6. April 1917 erfolgte die Kriegserklärung der USA an Deutschland. Während deutsche Truppen nur geringe Geländegewinne erreichen konnten, gelang alliierten Truppen Anfang August 1918 im Tankangriff von Amiens der Durchbruch der deutschen Linien. Ludendorff/Hindenburg konstatierten die Aussichtslosigkeit weiterer Kriegshandlungen und richteten ein Waffenstillstandsangebot an die USA auf der Grundlage der „14 Punkte“ Wilsons.[4]
Wilson akzeptierte unter der Bedingung der Räumung der besetzten Gebiete und der Etablierung demokratischer Strukturen. Im Oktober 1918 berief Reichskanzler Prinz Max von Baden Abgeordnete der sozialdemokratischen MSPD, des Zentrums[5] und der Fortschrittlichen Volkspartei[6] zur Gründung einer ersten parlamentarischen Regierung. Die Marineführung akzeptierte dieses Vorgehen nicht und wollte die Kampfhandlungen fortführen. Mit der Schilderung der Vertreibung des Herzogs von Coburg und seiner Frau durch aufständische Matrosen verweist Timm auf diese innenpolitischen Umbrüche (S. 83 f.). Die Revolution erreichte Berlin und am 9.11.1918 trat Max von Baden zugunsten von Friedrich Ebert zurück. Es konstituierte sich eine provisorische Revolutionsregierung. Am 9. November 1918 wurde die Republik ausgerufen, einen Tag später ging Wilhelm II. ins Exil. Am 11.11.1918 unterzeichnete Matthias Erzberger das Waffenstillstandsabkommen.
Vertrag von Versailles und die Weimarer Republik
Die Konstituierung der Weimarer Republik begann am 19.1.1919 mit den Wahlen zur Nationalversammlung, die dem neuen Staatsgebilde eine demokratisch geprägte Verfassung geben sollte. Kommunistische Gruppen wollten kein demokratisch legitimiertes Parlament und schlossen sich zur KPD unter dem Vorsitz Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts zusammen. Die KPD rief zum Wahlboykott auf und inszenierte im Januar 1919 den Berliner Spartakusaufstand. Reichswehr und Freikorps schlugen den Aufstand nieder, Luxemburg und Liebknecht wurden ermordet. Wessen Geistes Kind die Freikorpsler waren, zeigt Timm am Beispiel der von Rudolf Berthold angeführten „Eisernen Schar“, die 1918 im Baltikum wütete (S. 131).
Die in den Wahlen zur Nationalversammlung gewählten Delegierten kamen am 6.2.1919 zur Nationalversammlung in Weimar zusammen, in der die Weimarer Koalition aus MSPD, Zentrum und Deutsch-Demokratischer Partei eine Dreiviertelmehrheit hatte. Diese Koalition wählte Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten, der im August 1919 die inzwischen ausgearbeitete Weimarer Verfassung unterzeichnete. Dass Friedrich Ebert „nur“ Polsterer war, brachte ihm die Verachtung des Establishments ein (S. 132).
Ebenfalls im Januar 1919 begann in Paris die Friedenskonferenz, die geprägt war durch die Interessen der USA, Großbritanniens und Frankreichs und so wurde der Vertrag von Versailles ein Strafkatalog. Trotz vehementer Kritik an diesem Vertrag, der als „Schanddiktat“ oder „Schmachvertrag“ bezeichnet wurde, erfolgte am 28. Juni 1919 die Unterzeichnung durch die deutsche Delegation. Stellvertretend für die allgemein vorherrschende Meinung lässt Timm den SA-Sturmführer Maikowski den Vertrag einen „Schandvertrag“ nennen (S. 29).
Das national gesinnte Bürgertum und die Reichswehr unter dem Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt standen der Weimarer Republik ebenso ablehnend gegenüber wie die extreme Linke und Rechte. Der Radikalismus enttäuschter Rechtsextremisten, die sich auf die „Dolchstoßlegende“[7] beriefen, führte zu Aufständen und politischen Morden. Im März 1920 kam es in Berlin zum Kapp-Putsch. Dieser wurde durch einen von den Gewerkschaften und der Reichsregierung initiierten Generalstreik niedergeschlagen. Hier begegnet dem Leser Rudolf Berthold wieder, der sich mit seiner Schlägertruppe nach Berlin aufgemacht hatte, um Kapp zu unterstützen und schon in Harburg von Arbeitern ermordet wurde (S. 131 f.).
Im Zuge der Inflation, die 1922/23 ihren Höhepunkt erreichte, kam es im Januar 1923 zum Einmarsch französischer und belgischer Truppen ins Ruhrgebiet. Der inzwischen amtierende Reichskanzler Wilhelm Cuno rief zum passiven Widerstand auf (Ruhrkampf), was den Widerwillen der rechten Opposition gegen die Republik verstärkte. Am 9. November 1923 putschte der Führer der NSDAP, Adolf Hitler, mit nationalsozialistischen Gesinnungsgenossen erfolglos in München gegen die Republik (Hitler-Putsch).[8]
Konsolidiert wurde die Weimarer Republik durch eine Währungsstabilisierung Ende 1923 und die Neuregelung der Reparationszahlungen durch den Dawes-Plan von 1924. Es folgte eine Zeit der relativen Stabilität mit außenpolitischen Erfolgen. Als Reaktion auf die Stabilisierung vollzog sich innenpolitisch eine konservative Wende, so wurde Paul von Hindenburg nach dem Tod Friedrich Eberts im Februar 1925 zum Reichspräsidenten gewählt. Die Zeit der Stabilisierung endete am 24. Oktober 1929 mit dem Kurssturz an der New Yorker Börse („Schwarzer Donnerstag“).
Der Depression in den USA folgte im Sommer 1930 eine schwere Weltwirtschaftskrise. Reichskanzler Heinrich Brüning versuchte mit Notverordnungen in Deutschland den öffentlichen Haushalt zu sanieren. Die Republikfeinde witterten Morgenluft. 1932 trat Brüning mit seinem Kabinett zurück.
Hindenburg ernannte daraufhin Franz von Papen zum Kanzler, aber auch der war den innenpolitischen Zuständen nicht gewachsen. Die frustrierten Menschen wandten sich radikalen Parteien zu: so der NSDAP, die im November 1932 bei der Reichstagswahl 196 von 584 Mandaten erhielt. Nach dem Scheitern der Regierung von Papen 1932 und der Regierung Kurt von Schleicher im selben Jahr ernannte Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler.
Nationalsozialismus (1933–1939)
Adolf Hitler war 1933 bei seiner Ernennung zum Reichskanzler Vorsitzender der NSDAP. Ihre wichtigste Aufgabe sah die Partei im Kampf gegen den Versailler Vertrag und das „internationale Judentum“.
Trotz aller Agitation und Propaganda sowie bester Vernetzung mit rechten Kreisen aus Reichswehr, Politik und Wirtschaft war die NSDAP[9] mit ihrem ambitionierten Vorsitzenden Anfang der 20er-Jahre nur eine lokale Größe. Im Zuge der Inflation 1923, die die Menschen verarmen ließ, witterte er seine Gelegenheit. Offiziell noch gültige, aber im Grunde wertlose Geldscheine ließen die Nationalsozialisten auf der Rückseite mit antijüdischen Karikaturen bedrucken und demonstrierten so, wen sie für diese Katastrophe verantwortlich machten. Dies fiel auf fruchtbaren Boden, denn viele Menschen in Deutschland verachteten zutiefst die „verjudete“ Weimarer Republik, deren Repräsentanten den Versailler Vertrag unterzeichnet hatten.
Vor diesem Hintergrund initiierte Hitler am 9. November 1923 in München nach Vorbild Mussolinis den „Marsch auf Berlin“. Dieser endete allerdings schon an der Feldherrenhalle in einer Schießerei mit zahlreichen Toten[10] und der Arretierung Hitlers, der im April 1924 wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt wurde. In dieser Zeit verfasste er sein programmatisches Buch Mein Kampf. Die NSDAP wurde verboten.
Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung konstituierte Hitler die NSDAP neu und beschloss, die parlamentarischen Spielregeln für sich und seine Partei zu nutzen. Zwischen 1925 und 1930 stieg die Mitgliederzahl der Partei von 27.000 auf rund 130.000. Unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Massenverelendung wurde die NSDAP bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 mit 18,3% zweitstärkste Partei. Im Oktober 1931 schlossen sich auf Betreiben Hitlers und Alfred Hugenbergs die NSDAP und die DNVP mit einer Reihe nationalistischer Verbände zur „Harzburger Front“ zusammen. Sie fiel in alte Muster zurück, indem sie sich wieder verstärkt der SA und ihrer Schlägertrupps bediente und ihre Gegner, vornehmlich die kommunistischen Verbände, zusammenprügeln und auch töten ließ. Bis Januar 1933 erhöhte sich die Mitgliederstärke der NSDAP auf rund 850.000 Menschen. Die Menschen projizierten ihre Hoffnungen auf Hitler, dessen NSDAP schließlich bei den Reichstagswahlen vom Juli 1932 mit 37,4% stärkste Partei wurde. Folgerichtig erwartete Hitler von Reichspräsident Hindenburg das Amt des Reichskanzlers, der allerdings vergab das Amt an Franz von Papen. 1933 bot von Papen Hitler in einem Geheimtreffen die Kanzlerschaft in einem national-konservativen Kabinett an.
Hitler wird zum Reichskanzler berufen. Der Ausbreitung der nationalsozialistischen Ideologie