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Die Shakespeare-Tragödie, auf Deutsch übersetzt von Christoph Martin Wieland. Laut Wikipedia: "Die Tragödie von Hamlet, Prinz von Dänemark ist eine Tragödie von William Shakespeare. Im Königreich Dänemark dramatisiert das Stück die Rache, die Prinz Hamlet an seinen Onkel Claudius wegen Mordes an König Hamlet, Claudius 'Bruder und Prinz Hamlets Vater richtet Danach tritt er als Thronfolger in Erscheinung und nimmt Gertrude, die Witwe des alten Königs und die Mutter von Prinz Hamlet, mit, die den wahren und vorgetäuschten Wahnsinn - von überwältigender Trauer bis zu brodelndem Zorn - anschaulich darstellt und Themen wie Verrat, Rache, Inzest, und moralische Korruption.
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Seitenzahl: 171
published by Samizdat Express, Orange, CT, USA
established in 1974, offering over 14,000 books
Shakespeare tragedies in German translation:
Coriolanus (Tieck)
Hamlet (Wieland)
Julius Caesar (Schlegel)
Lear (Wieland)
Macbeth (Wieland)
Othello (Wieland)
Romeo und Juliette (Wieland)
Timon Von Athen (Wieland)
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Personen.
Erster Aufzug.
Erste Scene. (Eine Terrasse vor dem Palast.) (Bernardo und Francisco, zween Schildwachen, treten auf.)
Zweyte Scene. (Verwandelt sich in den Palast.) (Claudius, König von Dännemark, Gertrude die Königin, Hamlet, Polonius, Laertes, Voltimand, Cornelius, und andre Herren vom Hofe, nebst Trabanten und Gefolge treten auf.)
Dritte Scene. Hamlet (bleibt allein.)
Vierte Scene. (Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.)
Fünfte Scene. (Verwandelt sich in ein Zimmer in Polonius Hause.) (Laertes und Ophelia treten auf.)
Sechste Scene. (Polonius zu den Vorigen.)
Siebende Scene. (Verwandelt sich in die Terrasse vor dem Palast.) (Hamlet, Horatio und Marcellus treten auf.)
Achte Scene. (Verwandelt sich in einen entferntern Theil der Terrasse.) (Der Geist und Hamlet treten wieder auf.)
Neunte Scene. (Horatio und Marcellus treten auf.)
Zweyter Aufzug.
Erste Scene. (Ein Zimmer in Polonius Hause.) (Polonius und Reinoldo treten auf.)
Zweyte Scene. (Ophelia tritt auf.)
Dritte Scene. (Verwandelt sich in den Palast.) (Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern, Edle und andre vom Königlichen Gefolge.)
Vierte Scene. (Polonius kommt mit Voltimand und Cornelius zurük.)
Fünfte Scene. (Hamlet, in einem Buche lesend, tritt auf.)
Sechste Scene. (Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Siebende Scene. (Polonius zu den Vorigen.)
Achte Scene. Hamlet (allein).
Dritter Aufzug.
Erste Scene. (Der Pallast.) (Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern, und Herren vom Hofe treten auf.)
Zweyte Scene. (Hamlet tritt auf, mit sich selbst redend.)
Dritte Scene. (Der König und Polonius treten auf.)
Vierte Scene. (Polonius, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Fünfte Scene. (Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern, und andere Herren von Hofe, mit Bedienten, welche Fakeln vortragen. Ein dänischer Marsch, mit Trompeten.)
Sechste Scene. (Musik von Hautbois. Die Pantomime tritt auf.)
Achte Scene. (Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Neunte Scene. (Hamlet tritt auf.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene. (Das Königliche Zimmer.) (Der König, die Königin, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Zweyte Scene. (Hamlet tritt auf.)
Dritte Scene. (Der König tritt auf.)
Vierte Scene. Oßrik des Königs Hofnarr, kommt dem Hamlet zu melden, der König habe eine Wette mit Laertes angestellt, daß ihm Hamlet im Fechten überlegen sey
Fünfte Scene. (Der König, die Königin, Laertes und eine Anzahl Herren vom Hofe, Oßrik und einige Bedienten mit Rappieren und Fecht-Handschuhen. Ein Tisch und Flaschen mit Wein darauf.)
Sechste Scene. (Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.)
Siebende Scene. (Ophelia, auf eine phantastische Art mit Stroh und Blumen geschmükt, tritt auf.)
Achte Scene. (Horatio mit einem Bedienten tritt auf.)
Neunte Scene. (Der König und Laertes treten auf.)
Zehnte Scene. (Die Königin zu den Vorigen.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene. (Ein Kirch-Hof.) (Zween Todtengräber mit Grabscheitern und Spaten treten auf.)
Zweyte Scene. (Der König, die Königin, Laertes, und ein Sarg mit einem Trauer- Gefolge von Hofleuten, Priestern, u.s.w.)
Dritte Scene. (Verwandelt sich in eine Halle im Palast.) (Hamlet und Horatio treten auf.)
Vierte Scene. Oßrik des Königs Hofnarr, kommt dem Hamlet zu melden, der König habe eine Wette mit Laertes angestellt, daß ihm Hamlet im Fechten überlegen sey
Fünfte Scene. (Der König, die Königin, Laertes und eine Anzahl Herren vom Hofe, Oßrik und einige Bedienten mit Rappieren und Fecht-Handschuhen. Ein Tisch und Flaschen mit Wein darauf.)
Claudius, König in Dännemark.
Fortinbras, Prinz von Norwegen.
Hamlet, Sohn des vorigen, und Neffe des gegenwärtigen Königs.
Polonius, Ober-Kämmerer.
Horatio, Freund von Hamlet.
Laertes, Sohn des Polonius.
Voltimand, Cornelius, Rosenkranz und Güldenstern, Hofleute.
Oßrich, ein Hofnarr.
Marcellus, ein Officier.
Bernardo und Francisco, zween Soldaten.
Reinoldo, ein Bedienter des Polonius.
Der Geist von Hamlets Vater.
Gertrude, Königin von Dännemark, und Hamlets Mutter.
Ophelia, Tochter des Polonius, von Hamlet geliebt.
Verschiedene Damen, welche der Königin aufwarten.
Comödianten, Todtengräber, Schiffleute, Boten, und andre stumme
Personen.
Der Schau-Plaz ist Elsinoor.
Die Geschichte ist aus der Dänischen Historie des Saxo Grammaticus genommen.
Bernardo. Wer da?
Francisco. Nein, gebt Antwort: Halt, und sagt wer ihr seyd.
Bernardo. Lang lebe der König!
Francisco. Seyd ihr Bernardo?
Bernardo. Er selbst.
Francisco. Ihr kommt recht pünktlich auf eure Stunde.
Bernardo. Es hat eben zwölfe geschlagen; geh du zu Bette, Francisco.
Francisco. Ich danke euch recht sehr, daß ihr mich so zeitig ablöset: Es ist bitterlich kalt, und mir ist gar nicht wohl.
Bernardo. Habt ihr eine ruhige Wache gehabt?
Francisco. Es hat sich keine Maus gerührt.
Bernardo. Wohl; gute Nacht. Wenn ihr den Horatio und Marcellus antreffet, welche die Wache mit mir bezogen haben, so saget ihnen, daß sie sich nicht säumen sollen. (Horatio und Marcellus treten auf.)
Francisco. Mich däucht, ich höre sie. halt! he! Wer da?
Horatio. Freunde von diesem Lande.
Marcellus. Und Vasallen des Königs der Dähnen.
Francisco. Ich wünsche euch eine gute Nacht.
Marcellus. Ich euch desgleichen, wakerer Kriegs-Mann; wer hat euch abgelößt?
Francisco. Bernardo hat meinen Plaz; gute Nacht.
(Er geht ab.)
Marcellus. Holla, Bernardo!--
Bernardo. He, wie, ist das Horatio?
Horatio. (Indem er ihm die Hand reicht) Ein Stük von ihm.
Bernardo. Willkommen, Horatio; willkommen, wakrer Marcellus.
Marcellus. Sagt, hat sich dieses Ding diese Nacht wieder sehen lassen?
Bernardo. Ich sah nichts.
Marcellus. Horatio sagt, es sey nur eine Einbildung von uns, und will nicht glauben, daß etwas wirkliches an diesem furchtbaren Gesichte sey, das wir zweymal gesehen haben; ich habe ihn deßwegen ersucht, diese Nacht mit uns zu wachen, damit er, wenn die Erscheinung wieder kömmt, unsern Augen ihr Recht wiederfahren lasse; und mit dem Gespenste rede, wenn er Lust dazu hat.
Horatio. Gut, gut; es wird nicht wiederkommen.
Bernardo. Sezt euch ein wenig, wir wollen noch einmal einen Angriff auf eure Ohren wagen, welche so stark gegen unsre Erzählung befestigt sind, deren Inhalt wir doch zwo Nächte nach einander mit unsern Augen gesehen haben.
Horatio. Gut, wir wollen uns sezen, und hören was uns Bernardo davon sagen wird.
Bernardo. In der leztverwichnen Nacht, da jener nemliche Stern, der westwärts dem Polar-Stern der nächste ist, den nemlichen Theil des Himmels wo er izt steht, erleuchtete, sahen Marcellus und ich--die Gloke hatte eben eins geschlagen--
Marcellus. Stille, brecht ab--Seht, da kommt es wieder. (Der Geist tritt auf.)
Bernardo. In der nemlichen Gestalt, dem verstorbnen König ähnlich.
Marcellus. Du bist ein Gelehrter, Horatio, rede mit ihm.
Bernardo. Sieht es nicht dem Könige gleich? Betrachte es recht, Horatio.
Horatio. Vollkommen gleich; ich schauere vor Schreken und Erstaunung.
Marcellus. Red' es an, Horatio.
Horatio. Wer bist du, der du dieser nächtlichen Stunde, zugleich mit dieser schönen Helden-Gestalt, worinn die Majestät des begrabnen Dähnen- Königs einst einhergieng, dich anmassest? Beym Himmel beschwör' ich dich, rede!
Marcellus. Es ist unwillig.
Bernardo. Seht! es schreitet hinweg.
Horatio. Steh; rede; ich beschwöre dich, rede!
(Der Geist geht ab.)
Marcellus. Es ist weg, und will nicht antworten.
Bernardo. Was sagt ihr nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich aus. Ist das nicht mehr als Einbildung? Was haltet ihr davon?
Horatio. So wahr Gott lebt, ich würde es nicht glauben, wenn ich dem fühlbaren Zeugniß meiner eignen Augen nicht glauben müßte.
Marcellus. Gleicht es nicht dem Könige?
Horatio. Wie du dir selbst. So war die nemliche Rüstung die er anhatte, als er den ehrsüchtigen Norweger schlug; so faltete er die Augbraunen, als er in grimmigem Zweykampf den Prinzen von Pohlen aufs Eis hinschleuderte. Es ist seltsam--
Marcellus. So ist es schon zweymal, und in dieser nemlichen Stunde, mit kriegerischem Schritt, bey unsrer Wache vorbey gegangen.
Horatio. Was ich mir für einen bestimmten Begriff davon machen soll, weiß ich nicht; aber so viel ich mir überhaupt einbilde, bedeutet es irgend eine ausserordentliche Veränderung in unserm Staat.
Marcellus. Nun, Freunde, sezt euch nieder, und saget mir, wer von euch beyden es weißt, warum eine so scharfe nächtliche Wache den Unterthanen dieser ganzen Insel geboten ist? Wozu diese Menge von Geschüz und Kriegs-Bedürfnissen, welche täglich aus fremden Landen anlangen? Wozu diese Gedränge von Schiffs-Bauleuten, deren rastloser Fleiß den Sonntag nicht vom Werk-Tag unterscheidet? Was mag bevorstehen, daß die schwizende Eilfertigkeit die Nacht zum Tage nehmen muß, um bald genug fertig zu werden? Wer kan mir hierüber Auskunft geben?
Horatio. Das kan ich; wenigstens kan ich dir sagen, was man sich davon in die Ohren flüstert. Unser verstorbner König, dessen Gestalt uns nur eben erschienen ist, wurde, wie ihr wisset, von Fortinbras, dem König der Norwegen, seinem Nebenbuhler um Macht und Ruhm, zum Zweykampf herausgefodert: Unser tapfrer Hamlet (denn dafür hielt ihn dieser Theil der bekannten Welt) erschlug seinen Gegner in diesem Kampf, und dieser verlohr dadurch vermög eines vorher besiegelten und nach Kriegs-Recht förmlich bekräftigten Vertrages, alle seine Länder, als welche nun dem Sieger verfallen waren; eben so wie ein gleichmässiger Theil von den Landen unsers Königs dem Fortinbras und seinen Erben zugefallen seyn würde, wenn der Sieg sich für ihn erklärt hätte. Nunmehro vernimmt man, daß sein Sohn, der junge Fortinbras, in der gährenden Hize eines noch ungebändigten Muthes, hier und da, an den Küsten von Norwegen einen Hauffen heimathloser Wage-Hälse zusammengebracht, und um Speise und Sold, zur Ausführung irgend eines kühnen Werkes gedungen habe: Welches dann, wie unser Hof gar wol einsieht, nichts anders ist, als die besagten von seinem Vater verwürkten Länder uns durch Gewalt der Waffen wieder abzunehmen: Und dieses, denke ich, ist die Ursach unsrer Zurüstungen, dieser unsrer Wache, und dieses hastigen Gewühls im ganzen Lande.
Bernardo. Vermuthlich ist es keine andre; und es mag wol seyn, daß eben darum dieses schrekliche Gespenst, in Waffen, und in der Gestalt des Königs, der an diesen Kriegen Ursach war und ist, durch unsre Wache geht.
Horatio. Es ist ein Zufall, welchem es schwer ist auf den Grund zu sehen. In dem höchsten und siegreichesten Zeit-Punkt der Römischen Republik, kurz zuvor eh der grosse Julius fiel, thaten die Gräber sich auf; die eingeschleyerten Todten schrien in gräßlichen ungeheuren Tönen durch die Strassen von Rom; Sterne zogen Schweiffe von Feuer nach sich; es fiel blutiger Thau; der allgemeine Unstern hüllte die Sonne ein, und der feuchte Stern, unter dessen Einflüssen das Reich des Meer-Gottes steht, verfinsterte sich wie zum Tage des Welt-Gerichts. Ähnliche Vorboten schrekenvoller Ereignisse, Wunder-Zeichen, welche die gewöhnliche Vorredner bevorstehender trauriger Auftritte sind, haben an Himmel und Erde sich vereiniget, dieses Land in furchtsam Erwartung irgend eines allgemeinen Unglüks zu sezen. (Der Geist tritt wieder auf.)
Aber stille, seht! Hier kommt es wieder zurük! Ich will ihm in den Weg stehen, wenn es mir gleich alle meine Haare kosten sollte. Steh, Blendwerk!
(Er breitet die Arme gegen den Geist aus.)
Wenn du fähig bist, einen vernehmlichen Ton von dir zu geben, so rede mit mir. Wenn irgend etwas gutes gethan werden kan, das dir Erleichterung und Ruhe, und mir das Verdienst eines guten Werkes geben mag, so rede! Wenn du Wissenschaft von dem Schiksal deines Landes hast, und es vielleicht, durch deine Vorhersagung noch abgewendet werden könnte, o so rede!--Oder wenn du, in deinem Leben unrechtmässig erworbene Schäze in den Mutterleib der Erde aufgehäuft hast, um derentwillen, wie man glaubt, die Geister oft nach dem Tode umgehen müssen, so entdek es.
(Ein Hahn kräht.)
Steh, und rede--Halt es auf, Marcellus--
Marcellus. Soll ich mit meiner Partisane darnach schlagen?
Horatio. Thu es, wenn es nicht stehen will.
Bernardo. Hier ist es--
Horatio. Izt ists hier--
Marcellus. Weg ist's.
(Der Geist geht ab.)
Wir beleidigen die Majestätische Gestalt, die es trägt, wenn wir Mine machen, als ob wir Gewalt dagegen brauchen wollen; und da es nichts als Luft ist, so ist es ja ohnehin unverwundbar, und unsre eiteln Streiche beweisen ihm nur unsern bösen Willen, ohne ihm würklich etwas anzuhaben.
Bernardo. Es war im Begriff zu reden, als der Hahn krähete.
Horatio. Und da zitterte es hinweg, wie einer der sich eines Verbrechens bewußt ist, bey einer fürchterlichen Aufforderung. Ich habe sagen gehört, der Hahn, der die Trompete des Morgens ist, weke mit seiner schmetternden, scharftönenden Gurgel den Gott des Tages auf, und, auf sein Warnen, entfliehe in Wasser oder Feuer, Luft oder Erde, jeder herumwandernde Geist in sein Bezirk zurük: Und daß dieses wahr sey, beweiset was wir eben erfahren haben.
Marcellus. Er verschwand sobald der Hahn krähete. Einige sagen, allemal um die Zeit, wenn die Geburt unsers Erlösers gefeyert wird, krähe der Vogel des Morgens die ganze Nacht durch: Und dann, sagen sie, gehe kein Geist um; die Nächte seyen gesund, und die Planeten ohne schädliche Influenzen; keine Fee könne einem beykommen, keine Hexe habe Gewalt zu Zauber-Wirkungen; so heilig und segensvoll sey diese Zeit.
Horatio. Das hab ich auch gehört, und glaub es auch zum Theil. Aber seht, der Morgen, in einen rothen Mantel eingehüllt, wandelt über jenen emporragenden östlichen Hügel durch den Thau; wir wollen von unsrer Wache abziehen; und wenn ihr meiner Meynung seyd, so laßt uns dem jungen Hamlet entdeken, was wir diese Nacht gesehen haben. Ich wollte mein Leben dran sezen, dieser Geist, so stumm er für uns ist, wird für ihn eine Sprache bekommen. Seyd ihrs zufrieden, daß wir ihm, aus Antrieb unsrer Liebe und Pflicht gegen ihn, Nachricht davon geben?
Marcellus. Thut es, ich bitte euch: Wir werden diesen Morgen schon erfahren, wo wir ihn zur gelegensten Zeit sprechen können.
(Sie gehen ab.)
König. Ungeachtet, bey dem noch frischen Andenken von Hamlets, unsers theuren Bruders, Tode, sichs geziemen will, daß wir unsre Herzen in Trauer hüllen, und das Antliz unsers ganzen Königreichs in allgemeinen Schmerz zusammengezogen sey: So haben wir doch der Klugheit so viel über die Natur verstattet, daß wir, unter dem gerechten Schmerz über seinen Verlust, nicht gänzlich unsrer selbst vergessen. Wir haben also unsre vormalige Schwester, nunmehr unsre Königin, als die gebietende Mitregentin dieses kriegerischen Reiches, wiewol mit niedergeschlagner Freude, das eine Auge von hochzeitlicher Freude glänzend, das andere von Thränen überfliessend, und mit einer in gleichen Waag-Schalen gegen unsern Schmerz abgewognen Lust, zur Gemahlin erkießt. Auch haben wir nicht unterlassen, uns hierinn euers guten Raths zu bedienen, und erkennen mit gebührendem Danke, daß ihr uns in diesem ganzen Geschäfte durch eure einsichtsvollen Rathschläge so frey und gutwillig unterstüzt habt. Nun ist noch übrig euch zu eröffnen, daß der junge Fortinbras, aus einer allzuleichtsinnigen Berechnung unsrer Kräfte, oder weil er sich vielleicht einbildet, daß der Tod unsers abgelebten Bruders unsern Staat verrenkt und aus seiner Fassung gesezt habe, ohne einen andern Beystand als diesen Traum eines eingebildeten Vortheils über uns, sich hat zu Sinne kommen lassen, uns durch eine Abschikung zu behelligen, welche nichts geringers als die Zurükgabe aller der Länder fordert, die sein Vater, nach allen Gesezen des Kriegs-Rechts, an unsern heldenmüthigen Bruder verlohren hatte. So viel von ihm--Nunmehr zu uns selbst, und dem besondern Zwek der gegenwärtigen Versammlung!-- Wir haben hier an den alten Prinzen von Norwegen, den Oheim des jungen Fortinbras (welcher, unvermögend und bettlägerig wie er ist, nichts von diesem Vorhaben seines Neffen weiß) zu dem Ende geschrieben, damit er dessen weitern Fortgang hintertreiben möge: Es sind alle Umstände, die Anzahl seiner angeworbnen Truppen, die Namen der angesehensten Theilnehmer seines Vorhabens, und seine ganze Stärke hierinn enthalten: Und nunmehr ernennen wir euch, Voltimand, und euch, wakrer Cornelius, dem alten Norwegen diesen unsern Gruß zu überbringen. Die persönliche Vollmacht die wir euch ertheilen, mit diesem Prinzen zu handeln, erstrekt sich nicht weiter, als die besondern Artikel dieser schriftlichen Instruction euch anweisen werden. Gehabt euch also wol, und beweiset uns eure Treue durch eine schleunige Ausrichtung.
Voltimand. Hierinn, so wie bey allen andern Gelegenheiten, werden wir unsre Schuldigkeit thun.
König. Wir zweifeln nicht daran; gehabt euch wol.
(Voltimand und Cornelius gehen ab.)
Und nun, Laertes, was bringt ihr uns neues? Ihr sagtet uns was von einer Bitte. Was ist es, Laertes? Ihr könnet nichts billiges von euerm Könige begehren, das euch versagt werden sollte. Was kanst du verlangen, Laertes, das ich dir nicht schon bewilligen sollte, eh du es begehrt hast? Das Haupt ist dem Herzen nicht unentbehrlicher, noch dem Mund der Dienst der Hand, als es dein Vater dem Throne von Dännemark ist. Was willst du haben, Laertes?
Laertes. Mein gebietender Herr, eure gnädige Bewilligung nach Frankreich zurükkehren zu dürfen, von wannen ich zwar aus eigner Bewegung nach Dännemark gekommen bin, um bey Eurer Krönung meine Schuldigkeit zu beweisen; nun aber, ich gesteh es, da diese Pflicht erstattet ist, drehen sich alle meine Gedanken und Wünsche wieder nach Frankreich um, und beugen sich, um Eurer Majestät Gnädigste Erlaubniß und Vergebung zu erhalten.
König. Habt ihr euers Vaters Einwilligung? Was sagt Polonius dazu?
Polonius. Gnädigster Herr, er hat mir durch unablässiges Bitten meine Erlaubniß abgedrungen; und, weil ich nicht anders konnte, so drükte ich seinem Willen endlich das Siegel meiner Einwilligung auf. Ich bitte euch, ihm auch die eurige zu ertheilen.
König. Reise in einer glüklichen Stunde ab, Laertes, und bestimme die Zeit deiner Abwesenheit nach deinem Willen, und der Erforderniß deiner lobenswürdigen Absichten--Und nun ein Wort mit euch, Vetter Hamlet-- Mein geliebter Sohn--
Hamlet (vor sich.) Lieber nicht so nah befreundt, und weniger geliebt.
König. Woher kommt es, daß immer solche Wolken über euch hangen?
Hamlet. Es ist nicht das, Gnädigster Herr; ich bin zuviel in der Sonne.
Königin. Lieber Hamlet, leg einmal diese nächtliche Farbe ab, und sieh aus, wie ein Freund von Dännemark. Geh nicht immer so mit gesenkten halbgeschlossnen Augen, als ob du deinen edeln Vater im Staube suchest. Du weissest ja, es ist das allgemeine Schiksal; alle, welche leben, müssen sterben--
Hamlet. Ja, Madame, es ist das allgemeine Schiksal.
Königin. Wenn es denn so ist, warum scheint es dir denn so ausserordentlich?
Hamlet. Scheint, Madame? Nein, es ist; bey mir scheint nichts. Es ist nicht bloß dieser schwarze Rok, meine liebe Mutter, nicht das Gepränge einer Gewohnheits-mässigen Trauer, noch das windichte Zischen erkünstelter Seufzer, nicht das immer-thränende Auge, noch das niedergeschlagene Gesicht, noch irgend ein anders äusserliches Zeichen der Traurigkeit, was den wahren Zustand meines Herzens sichtbar macht. Diese Dinge scheinen, in der That; denn es sind Handlungen, die man durch Kunst nachmachen kan; aber was ich innerlich fühle, ist über allen Ausdruk; jenes sind nur die Kleider und Verzierungen des Schmerzens.
König. Es ist ein rühmlicher Beweis eurer guten Gemüths-Art, Hamlet, daß ihr euern abgelebten Vater so beweinet: Aber ihr müsset nicht vergessen, daß euer Vater auch einen Vater verlohr, und dieser Vater den seinigen; den überlebenden verband die kindliche Pflicht, mit Ziel und Maaß um seinen verstorbnen zu trauern: Aber in hartnäkiger Betrübniß immerfort zu beharren, ist unmännliche Schwachheit oder gottlose Unzufriedenheit mit den Fügungen des Himmels; ein Zeichen eines ungeduldigen, feigen Gemüths, oder eines schwachen und ungebildeten Verstandes. Denn warum sollen wir etwas, wovon wir wissen daß es seyn muß, und daß es so gemein ist als irgend eine von den alltäglichen Sachen die immer vor unsern Sinnen schweben, aus verkehrtem kindischem Eigensinn, zu Herzen nehmen? Fy! Es ist ein Vergehen gegen den Himmel, ein Vergehen gegen den Gestorbnen, ein Vergehen gegen die Natur; höchst ungereimt in den Augen der Vernunft, welche kein gemeineres Thema kennt, als den Tod von Vätern, und von der ersten Leiche bis zu dem der eben izt gestorben ist, uns immer zugeruffen hat, es müsse so seyn. Wir bitten euch also, werfet diese zu nichts dienende Traurigkeit in sein Grab, und sehet künftig uns als euern Vater an; denn die Welt soll es wissen, daß ihr unserm Thron der nächste seyd, und daß die Liebe, die der zärtlichste Vater zu seinem Sohne tragen kan, nicht grösser ist als diejenige, welche wir euch gewiedmet haben. Was euer Vorhaben, nach der Schule zu Wittenberg zurük zu gehen betrift, so stimmt es gar nicht mit unsern Wünschen ein, und wir bitten euch davon abzustehen, und unter unsern liebesvollen Augen hier zu bleiben, unser erster Höfling, unser Neffe, und unser Sohn.