Hamlet - William Shakespeare - E-Book + Hörbuch

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William Shakespeare

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Beschreibung

»Hamlet« gehört zu den großen Dramen der Weltliteratur. Wenn die Vielfalt der Deutungen, zu denen eine Bühnenschöpfung herausfordert, als Maßstab ihrer künstlerischen Vitalität gelten kann, dann ist dieses Stück gewiß ein lebender Klassiker geblieben.

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Dänenprinz Hamlet muß vom Geist seines toten Vaters erfahren, daß dieser durch die Hand seines eigenen Bruders Claudius vergiftet wurde. Der Mörder hat inzwischen den Thron bestiegen und Hamlets Mutter Gertrude geheiratet. Schockiert täuscht Hamlet geistige Verwirrung vor, woraufhin seine Angebetete Ophelia Selbstmord begeht. Um den neuen König zu überführen, läßt Hamlet vor Gertrude und Claudius ein Stück aufführen, das unverhüllte Hinweise auf den Meuchelmord an seinem Vater enthält. Er löst damit eine Tragödie aus …

Hamlet gehört zu den großen und meistgespielten Dramen der Weltliteratur. Es ist zweifellos das bekannteste aller Shakespeare-Stücke und fasziniert seit seiner Entstehung um 1600 Leser, Theaterbesucher und Schriftsteller gleichermaßen.

William Shakespeare wurde vermutlich am 23. April 1564 in Stratford-upon-Avon geboren. Seine schöpferische Sprachkraft und die meisterhafte psychologische Gestaltung seiner Charaktere begründen seine Bedeutung und seinen Ruhm als Dramatiker und Dichter. Werke wie König Johann, Ein Sommernachtstraum, Der Kaufmann von Venedig oder seine Tragödien Hamlet, Romeo und Julia, Othello oder König Lear markieren Höhepunkte der Weltliteratur und sind von den großen internationalen Bühnen nicht mehr wegzudenken. William Shakespeare starb am 23. April 1616 in Stratford-upon-Avon.

WILLIAM SHAKESPEARE

HAMLET

PRINZ VON DÄNEMARK

Aus dem Englischen vonAugust Wilhelm von Schlegel

eBook Insel Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4514.

© Insel Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Die Übersetzung wurde durchgesehen und behutsam bearbeitet von Levin L. Schücking.

Umschlag: hißmann, heilmann, hamburg

Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

eISBN 978-3-458-75760-3

HAMLET

PRINZ VON DÄNEMARK

PERSONEN DES DRAMAS

CLAUDIUS König von Dänemark

HAMLET Sohn des vorigen und Neffe des gegenwärtigen Königs

POLONIUS Oberkämmerer

LAERTES Sohn des Polonius

HORATIO Hamlets Freund

ROSENKRANZ

Hamlets ehemalige Schulfreunde

GÜLDENSTERN

VOLTIMAND

Gesandte, nach Norwegen beauftragt

CORNELIUS

OSRIC ein Höfling

MARCELLUS

Edelleute der Wache

BERNARDO

FRANCISCO

FORTINBRAS Prinz von Norwegen

DER GEIST von Hamlets Vater

REINHOLD Diener des Polonius

MEHRERE SCHAUSPIELER

ZWEI TOTENGRÄBER

EIN NORWEGISCHER HAUPTMANN

EIN EDELMANN

EIN PRIESTER

ENGLISCHE GESANDTE

GERTRUD Königin von Dänemark, Hamlets Mutter

OPHELIA Tochter des Polonius

Räte, Herren und Damen vom Hofe, Soldaten, Matrosen, Boten und anderes Gefolge.

Die Szene ist in Helsingör; nur in der vierten Szene des vierten Aktes eine Ebene in Dänemark.

ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE

Helsingör. Eine Terrasse vor dem Schlosse

Francisco auf Wache. Bernardo tritt auf

BERNARDO Wer da?

FRANCISCO Nein, mir antwortet; steht und gebt Euch kund!

BERNARDO Lange lebe der König!

FRANCISCO Bernardo?

BERNARDO Er selbst.

FRANCISCO Ihr kommt gewissenhaft auf Eure Stunde.

BERNARDO Es schlug schon zwölf, mach' dich zu Bett, Francisco.

FRANCISCO Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt,

Und mir ist schlimm zumut.

BERNARDO War Eure Wache ruhig?

FRANCISCO Alles mausestill.

BERNARDO Nun, gute Nacht!

Wenn Ihr auf meine Wachtgefährten stoßt,

Horatio und Marcellus: heißt sie eilen!

Horatio und Marcellus treten auf

FRANCISCO Ich denk', ich höre sie. – He! halt! wer da?

HORATIO Freund dieses Bodens.

MARCELLUS Und Vasall des Dänen.

FRANCISCO Habt gute Nacht!

MARCELLUS O grüß' dich, wackrer Krieger!

Wer hat dich abgelöst?

FRANCISCO Bernardo hat den Posten.

Habt gute Nacht!

Ab

MARCELLUS Holla, Bernardo!

BERNARDO Sprecht!

He, ist Horatio da?

HORATIO Ein Stück von ihm.

BERNARDO Willkommen Euch! Willkommen,

Freund Marcellus!

HORATIO Nun, ist das Ding heut wiederum erschienen?

BERNARDO Ich habe nichts gesehn.

MARCELLUS Horatio sagt, es sei nur Einbildung,

Und will dem Glauben keinen Raum gestatten

An dieses Schreckbild, das wir zweimal sahn;

Deswegen hab' ich ihn hieher geladen,

Mit uns die Stunden dieser Nacht zu wachen,

Damit, wenn wieder die Erscheinung kommt,

Er unsern Augen zeug' und mit ihr spreche.

HORATIO Pah, pah! Sie wird nicht kommen.

BERNARDO Setzt Euch denn

Und laßt uns nochmals Euer Ohr bestürmen,

Das so verschanzt ist gegen den Bericht,

Was wir zwei Nächte sahn.

HORATIO Gut, sitzen wir,

Und laßt Bernardo uns hievon erzählen.

BERNARDO Die allerletzte Nacht,

Als eben jener Stern, vom Pol gen Westen,

In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte,

Wo jetzt er glüht; da sahn Marcell und ich,

Indem die Glocke eins schlug –

Der Geist kommt

MARCELLUS O still! halt ein! Sieh, wie's da wieder kommt!

BERNARDO Ganz die Gestalt wie der verstorbne König.

MARCELLUS Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio.

BERNARDO Sieht's nicht dem König gleich!

Schau's an, Horatio!

HORATIO Ganz gleich; es macht mich starr vor Furcht und

Staunen.

BERNARDO Es möchte angeredet sein.

MARCELLUS Horatio, sprich mit ihm!

HORATIO Wer bist du, der sich dieser Nachtzeit anmaßt

Und dieser edlen kriegrichen Gestalt,

Worin die Hoheit des begrabnen Dänemark

Weiland einherging? Ich beschwöre dich

Beim Himmel, sprich!

MARCELLUS Es ist beleidigt.

BERNARDO Seht, es schreitet weg.

HORATIO Bleib, sprich! Sprich, ich beschwör' dich: sprich!

Geist ab

MARCELLUS Fort ist's und will nicht reden.

BERNARDO Wie nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich:

Ist dies nicht etwas mehr als Einbildung?

Was haltet Ihr davon?

HORATIO Bei meinem Gott, ich könnte dies nicht glauben,

Hätt' ich die sichre, fühlbare Gewähr

Der eignen Augen nicht.

MARCELLUS Sieht's nicht dem König gleich?

HORATIO Wie du dir selbst.

Genau so war die Rüstung, die er trug,

Als er sich mit dem stolzen Norweg maß;

So dräut' er einst, als er in hartem Zweisprach

Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken.

's ist seltsam.

MARCELLUS So schritt er, grad' um diese dumpfe Stunde,

Schon zweimal kriegrisch unsre Wacht vorbei.

HORATIO Wie dies bestimmt zu deuten, weiß ich nicht;

Allein soviel ich insgesamt erachte,

Verkündet's unserm Staat besondre Gärung.

MARCELLUS Nun setzt euch, Freunde; sagt mir, wer es weiß,

Warum dies aufmerksame, strenge Wachen

Den Untertan des Landes nächtlich plagt?

Warum wird Tag für Tag Geschütz gegossen

Und in der Fremde Kriegsgerät gekauft?

Warum gepreßt für Werfte, wo das Volk

Den Sonntag nicht vom sauren Werktag trennt?

Was gibt's, daß diese schweißbetriefte Eil'

Die Nacht dem Tage zur Gehilfin macht?

Kann jemand mich belehren?

HORATIO Ja, ich kann's;

Zum mindsten heißt es so. Der letzte König,

Er, dessen Bild uns eben jetzt erschienen,

Ward, wie ihr wißt, durch Fortinbras von Norweg,

Den eifersücht'ger Stolz dazu gespornt,

Zum Kampf gefordert; unser tapfrer Hamlet

(Denn diese Seite der bekannten Welt

Hielt ihn dafür) schlug diesen Fortinbras,

Der laut dem untersiegelten Vertrag,

Bekräftiget durch Recht und Rittersitte,

Mit seinem Leben alle Länderein,

So er besaß, verwirkte an den Sieger;

Wogegen auch ein angemeßnes Teil

Von unserm König ward zum Pfand gesetzt,

Das Fortinbras anheimgefallen wäre,

Hätt' er gesiegt; wie durch denselben Handel

Und Inhalt der besprochnen Punkte seins

An Hamlet fiel. Der junge Fortinbras

Hat nun, von wildem Feuer heiß und voll,

An Norwegs Ecken hier und da ein Heer

Unsteter Abenteurer aufgerafft,

Für Brot und Kost, zu einem Unternehmen,

Das Herz hat; welches denn kein andres ist

(Wie unser Staat das auch gar wohl erkennt),

Als durch die starke Hand und Zwang der Waffen

Die vorbesagten Land' uns abzunehmen,

Die so sein Vater eingebüßt: und dies

Scheint mir der Antrieb unsrer Zurüstungen,

Die Quelle unsrer Wachen und der Grund

Von diesem Treiben und Gewühl im Lande.

BERNARDO Nichts anders, denk' ich, ist's, als eben dies.

Wohl trifft es zu, daß diese Schreckgestalt

In Waffen unsre Wacht besucht, so ähnlich

Dem König, der der Anlaß dieses Kriegs.

HORATIO Ein Stäubchen ist's, des Geistes Aug' zu trüben.

Im höchsten palmenreichsten Stande Roms,

Kurz vor dem Fall des großen Julius, standen

Die Gräber leer, verhüllte Tote schrien

Und wimmerten die röm'schen Gassen durch.

Dann feu'rgeschweifte Sterne, blut'ger Tau,

Die Sonne fleckig; und der feuchte Stern,

Des Einfluß waltet in Neptunus' Reich,

Krankt' an Verfinstrung wie zum Jüngsten Tag.

Und eben solche Zeichen grauser Dinge

(Als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn,

Und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht)

Hat Erd' und Himmel insgemein gesandt

An unsern Himmelsstrich und Landsgenossen.

Der Geist kommt wieder

Doch still! Schaut, wie's da wieder kommt. Ich kreuz' es,

Und sollt' es mich verderben. –

Er breitet die Arme aus

Steh, Phantom!

Hast du Gebrauch der Stimm' und einen Laut:

Sprich zu mir!

Ist irgendeine gute Tat zu tun,

Die Ruh' dir bringen kann und Ehre mir:

Sprich zu mir!

Bist du vertraut mit deines Landes Schicksal,

Das etwa noch Voraussicht wenden kann:

O sprich!

Und hast du aufgehäuft in deinem Leben

Erpreßte Schätze in der Erde Schoß,

Wofür ihr Geister, sagt man, oft im Tode

Umhergeht: sprich davon! verweil' und sprich!

Der Hahn kräht

Halt es doch auf, Marcellus!

MARCELLUS Soll ich nach ihm mit der Hellbarde schlagen?

HORATIO Tu's wenn's nicht stehen will.

BERNARDO 's ist hier.

HORATIO 's ist hier.

Geist ab

MARCELLUS 's ist fort.

Wir tun ihm Schmach, da es so majestätisch,

Wenn wir den Anschein der Gewalt ihm bieten;

Denn es ist unverwundbar wie die Luft

Und unsre Streiche nur boshafter Hohn.

BERNARDO Es war am Reden, als der Hahn just krähte.

HORATIO Und da fuhr's auf gleich einem sünd'gen Wesen

Auf einen Schreckensruf. Ich hab' gehört,

Der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen,

Erweckt mit schmetternder und heller Kehle

Den Gott des Tages, und auf seine Mahnung,

Sei's in der See, im Feu'r, Erd' oder Luft,

Eilt jeder schweifende und irre Geist

In sein Revier; und von der Wahrheit dessen

Gab dieser Gegenstand uns den Beweis.

MARCELLUS Es schwand erblassend mit des Hahnen Krähn.

Sie sagen, immer, wann die Jahrszeit naht,

Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe

Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel;

Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,

Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,

Kein Elfe faht, noch mögen Hexen zaubern:

So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.

HORATIO So hört' auch ich und glaube dran zum Teil.

Doch seht, der Morgen, angetan mit Purpur,

Betritt den Tau des hohen Hügels dort:

Laßt uns die Wacht aufbrechen, und ich rate,

Vertraun wir, was wir diese Nacht gesehn,

Dem jungen Hamlet; denn, bei meinem Leben,

Der Geist, so stumm für uns, ihm wird er reden.

Ihr willigt drein, daß wir ihm dieses melden,

Wie Lieb' uns nötigt und der Pflicht geziemt?

MARCELLUS Ich bitt' Euch, tun wir das; ich weiß, wo wir Ihn am bequemsten heute finden werden.

Ab

ZWEITE SZENE

Ein Staatszimmer im Schlosse

Trompetenfanfare, der König Claudius, Gertrud,

die Königin, Räte, Polonius, Laertes, Voltimand, Cornelius,

schließlich unter den Letzten Hamlet

KÖNIG Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders,

Noch das Gedächtnis frisch; und ob es unserm Herzen

Zu trauern ziemte und dem ganzen Reich,

In eine Stirn des Grames sich zu falten:

So weit hat Urteil die Natur bekämpft,

Daß wir mit weisem Kummer sein gedenken,

Zugleich mit der Erinnrung an uns selbst.

Wir haben also unsre weiland Schwester,

Jetzt unsre Königin, die hohe Witwe

Und Erbin dieses kriegerischen Staats,

Mit unterdrückter Freude, sozusagen,

Mit einem heitern, einem nassen Aug',

Mit Leichenjubel und mit Hochzeitklage,

In gleichen Schalen wägend Leid und Lust,

Zur Eh' genommen; haben auch hierin

Nicht eurer bessern Weisheit widerstrebt,

Die frei uns beigestimmt. – Für alles Dank!

Nun wißt ihr, hat der junge Fortinbras,

Aus Minderschätzung unsers Werts und denkend,

Durch unsers teuren sel'gen Bruders Tod

Sei unser Staat verrenkt und aus den Fugen:

Gestützt auf diesen Traum von seinem Vorteil,

Mit Botschaft uns zu plagen nicht ermangelt

Um Wiedergabe jener Länderein,

Rechtskräftig eingebüßt von seinem Vater

An unsern tapfern Bruder. – So viel von ihm;

Nun von uns selbst und eurer Herberufung.

So lautet das Geschäft: Wir schreiben hier

An Norweg, Ohm des jungen Fortinbras,

Der schwach, bettlägrig, kaum von diesem Anschlag

Des Neffen hört, desselben fernern Gang

Hierin zu hemmen; sintemal die Werbung,

Bestand und Zahl der Truppen, alles doch

Aus seinem Volk geschieht; und senden nun,

Euch, wackrer Voltimand, und Euch, Cornelius,

Mit diesem Gruß zum alten Norweg hin;

Euch keine weitre Vollmacht übergebend,

Zu handeln mit dem König, als das Maß

Der hier erörterten Artikel zuläßt.

Lebt wohl, und Eil' empfehle euren Eifer.

CORNELIUS und VOLTIMAND Hier, wie in allem, wollen wir ihn zeigen.

KÖNIG Wir zweifeln nicht daran. Lebt herzlich wohl!

Voltimand und Cornelius ab

Und nun, Laertes, sagt, was bringt Ihr uns?

Ihr nanntet ein Gesuch: was ist's, Laertes?

Ihr könnt nicht von Vernunft dem Dänen reden

Und Euer Wort verlieren. Kannst du bitten,

Was ich nicht gern gewährt', eh' du's verlangt?

Der Kopf ist nicht dem Herzen mehr verwandt,

Die Hand dem Munde dienstgefäll'ger nicht,

Als Dänmarks Thron es deinem Vater ist.

Was wünschest du, Laertes?

LAERTES Hoher Herr,

Vergünstigung, nach Frankreich rückzukehren,

Woher ich zwar nach Dänmark willig kam,

Bei Eurer Krönung meine Pflicht zu leisten;

Doch nun, gesteh' ich, da die Pflicht erfüllt,

Strebt mein Gedank' und Wunsch nach Frankreich hin

Und neigt sich Eurer gnädigen Erlaubnis.

KÖNIG Erlaubt's der Vater Euch? Was sagt Polonius?

POLONIUS Er hat, mein Fürst, die zögernde Erlaubnis

Mir durch beharrlich Bitten abgedrungen,

Daß ich zuletzt auf seinen Wunsch das Siegel

Der schwierigen Bewilligung gedrückt.

Ich bitt' Euch, gebt Erlaubnis ihm zu gehn.

KÖNIG Nimm deine günst'ge Stunde: Zeit sei dein

Und eigne Zierde; nutze sie nach Lust.

Doch nun, mein Vetter Hamlet und mein Sohn –

HAMLETbeiseite Mehr als befreundet, weniger als Freund.

KÖNIG Wie, hängen stets noch Wolken über Euch?

HAMLET Nicht doch, mein Fürst, ich habe zu viel Sonne.

KÖNIGIN Wirf, guter Hamlet, ab die nächt'ge Farbe,

Und laß dein Aug' als Freund auf Dänmark sehn.

Such' nicht beständig mit gesenkten Wimpern

Nach deinem edlen Vater in dem Staub.

Du weißt, es ist gemein: was lebt, muß sterben

Und Ew'ges nach der Zeitlichkeit erwerben.

HAMLET Ja, gnäd'ge Frau, es ist gemein.

KÖNIGIN Nun wohl,

Weswegen scheint es so besonders dir?

HAMLET Scheint, gnäd'ge Frau? Nein, ist; mir gilt kein scheint.

Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter,

Noch die gewohnte Tracht von ernstem Schwarz,

Noch stürmisches Geseufz beklemmten Odems,

Noch auch im Auge der ergieb'ge Strom,

Noch die gebeugte Haltung des Gesichts,

Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames

Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich:

Es sind Gebärden, die man spielen könnte.

Was über allen Schein, trag' ich in mir;

All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.

KÖNIG Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,

Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.

Doch wißt, auch Eurem Vater starb ein Vater;

Dem seiner, und der Nachgelaßne soll,

Nach kindlicher Verpflichtung, ein'ge Zeit

Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren

In eigenwill'gen Klagen, ist das Tun

Gottlosen Starrsinns; ist unmännlich Leid;

Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt.

Ein unverschanztes Herz und wild Gemüt

Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand,

Wovon man weiß, es muß sein; was gewöhnlich

Wie das Gemeinste, das die Sinne rührt:

Weswegen das in mürr'schem Widerstande

Zu Herzen nehmen? Pfui! es ist Vergehn

Am Himmel; ist Vergehn an dem Toten,

Vergehn an der Natur; vor der Vernunft

Höchst töricht, deren allgemeine Predigt

Der Väter Tod ist, und die immer rief

Vom ersten Leichnam bis zum heut verstorbnen:

»Dies muß so sein.« Wir bitten, werft zu Boden

Dies unfruchtbare Leid, und denkt von uns

Als einem Vater; denn wissen soll die Welt,

Daß Ihr an unserm Thron der Nächste seid,

Und mit nicht minder Überschwang der Liebe,

Als seinem Sohn der liebste Vater widmet,

Bin ich Euch zugetan. Was Eure Rückkehr

Zur hohen Schul' in Wittenberg betrifft,

So widerspricht sie höchlich unserm Wunsch,

Und wir ersuchen Euch, beliebt zu bleiben

Hier in dem milden Scheine unsers Augs,

Als unser erster Hofmann, Vetter, Sohn.

KÖNIGIN Laß deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet:

Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg.

HAMLET Ich will Euch gern gehorchen, gnäd'ge Frau.

KÖNIG Wohl, das ist eine liebe, schöne Antwort.

Seid wie wir selbst in Dänmark – Kommt, Gemahlin!

Dies will'ge freundliche Nachgeben Hamlets

Lacht meinem Herzen zu; und dem zu Ehren

Soll das Geschütz heut jeden frohen Trunk,

Den Dänmark ausbringt, an die Wolken tragen,

Und wenn der König anklingt, soll der Himmel

Nachdröhnen ird'schem Donner. – Kommt mit mir!

König, Königin, Laertes und Gefolge ab

HAMLET O schmölze doch dies allzu feste Fleisch,

Zerging' und löst' in einen Tau sich auf!

Oder hätte nicht der Ew'ge sein Gebot

Gerichtet gegen Selbstmord! – O Gott! o Gott!

Wie ekel, schal und flach und unersprießlich

Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!

Pfui! pfui darüber! 's ist ein wüster Garten,

Der auf in Samen schießt; verworfnes Unkraut

Erfüllt ihn gänzlich. Dazu mußt' es kommen!

Zwei Mond' erst tot! – nein, nicht so viel, nicht zwei;

Solch trefflicher Monarch! der neben diesem

Apoll bei einem Satyr; so meine Mutter liebend,

Daß er des Himmels Winde nicht zu rauh

Ihr Antlitz ließ berühren. Himmel und Erde!

Muß ich gedenken? Hing sie doch an ihm,

Als stieg' das Wachstum ihrer Lust mit dem,

Was ihre Kost war. Und doch, in einem Mond –

Laßt mich's nicht denken! – Schwachheit, dein Nam' ist Weib!

Ein kurzer Mond; bevor die Schuh' verbraucht,

Womit sie meines Vaters Leiche folgte,

Wie Niobe, ganz Tränen – sie, ja sie;

O Himmel! würd' ein Tier, das nicht Vernunft hat,

Doch länger trauern. – Meinem Ohm vermählt,

Dem Bruder meines Vaters, doch ihm ähnlich,

Wie ich dem Herkules: in einem Mond!

Bevor das Salz höchst frevelhafter Tränen

Der wunden Augen Röte noch verließ,

War sie vermählt! – O schnöde Hast, so rasch

In ein blutschänderisches Bett zu stürzen!

Es ist nicht, und es wird auch nimmer gut.

Doch brich, mein Herz! denn schweigen muß mein Mund.

Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf

HORATIO Heil Eurer Hoheit!

HAMLET Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehn,

Horatio – wenn ich nicht mich selbst vergesse?

HORATIO Ja, Prinz, und Euer armer Diener stets.

HAMLET Mein guter Freund; vertauscht mir jenen Namen.

Was macht Ihr hier von Wittenberg, Horatio?

Marcellus?

MARCELLUS Gnäd'ger Herr –

HAMLET Es freut mich, Euch zu sehn. Habt guten Abend!

Im Ernst, was führt Euch weg von Wittenberg?

HORATIO Ein müßiggängerischer Hang, mein Prinz.

HAMLET Das möcht' ich Euren Feind nicht sagen hören;

Noch sollt Ihr meinem Ohr den Zwang antun,

Daß Euer eignes Zeugnis gegen Euch

Ihm gültig wär'. Ich weiß, Ihr geht nicht müßig.

Doch was ist Eu'r Geschäft in Helsingör?

Ihr sollt noch trinken lernen, eh' Ihr reist.

HORATIO Ich kam zu Eures Vaters Leichenfeier.

HAMLET Ich bitte, spotte meiner nicht, mein Schulfreund;

Du kamst gewiß zu meiner Mutter Hochzeit.

HORATIO Fürwahr, mein Prinz, sie folgte schnell darauf.

HAMLET Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft! Das Gebackne

Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.

Hätt' ich den ärgsten Feind im Himmel lieber

Getroffen, als den Tag erlebt, Horatio!