Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dänemark ist in Aufruhr: der König wurde von seinem machthungrigen Bruder Claudius ermordet, der nun zu Unrecht auf dem Thron sitzt. Der junge Prinz Hamlet steht vor der schweren Entscheidung, ob er seinen Vater rächen soll – doch das ist nicht sein einziges Problem. Auch die komplizierte Beziehung zu seiner Freundin Ophelia bereitet ihm Sorgen, da Ophelias Familie ihrer Liebe kritisch gegenübersteht. Zu allem Überfluss droht der norwegische Prinz Fortinbras Dänemark mit einem Krieg – Hamlet ist von Feinden umgeben. Seine Familie und sein Reich sehen einer ungewissen Zukunft entgegen... -
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 155
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
William Shakespeare
Übersezt von August Wilhelm von Schlegel
Prinz vom Dänemark
Saga
Hamlet
Übersezt von August Wilhelm von Schlegel
Titel der Originalausgabe: Hamlet
Originalsprache: dem Englischen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1798, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726886061
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
KÖNIG CLAUDIUS von Dänemark
HAMLET, Sohn des vorigen und Neffe des gegenwärtigen Königs
POLONIUS, Oberkämmerer
HORATIO, Hamlets Freund
LAERTES, Sohn des Polonius
VOLTIMAND
CORNELIUS
ROSENKRANZ
GÜLDENSTERN
OSRICK
Ein EDELMANN} Hofleute
[Zwei EDELLEUTE ]
Ein PRIESTER
MARCELLUS , Offizier
BERNARDO , Offizier
FRANCISCO , ein Soldat [} Edelleute auf Wache ]
REINHOLD, Diener des Polonius
SCHAUSPIELER
Ein [norwegischer ] HAUPTMANN
Zwei Spaßmacher, TOTENGRÄBER
[Ein GESANDTER ] Englische GESANDTE
Der GEIST von Hamlets Vater
FORTINBRAS, Prinz von Norwegen
KÖNIGIN GERTRUD von Dänemark, Hamlets Mutter
OPHELIA, Tochter des Polonius
Herren und Frauen vom Hofe, Offiziere und Soldaten, Matrosen, [ein Diener, ein Bote. Gefolge ] Boten und anderes Gefolge.
Die Szene ist in Helsingör, [nur in der vierten Szene des vierten Aktes eine Ebene in Dänemark ]
Helsingör. Eine Terrasse vor dem Schlosse
Francisco auf dem Posten, Bernardo tritt auf.
BERNARDO
Wer da?
FRANCISCO
Nein, mir antwortet; steht und gebt Euch kund!
BERNARDO
Lang lebe der König!
FRANCISCO
Bernardo?
BERNARDO
Er selbst.
FRANCISCO
Ihr kommt gewissenhaft auf Eure Stunde.
BERNARDO
Es schlug schon zwölf, mach dich zu Bett, Francisco.
FRANCISCO
Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt,
Und mir ist schlimm zumut.
BERNARDO
War Eure Wache ruhig?
FRANCISCO
Alles mausestill.
BERNARDO
Nun, gute Nacht!
Wenn Ihr auf meine Wachtgefährten stoßt,
Horatio und Marcellus, heißt sie eilen.
[Horatio und Marcellus treten auf. ]
FRANCISCO
Ich denk, ich höre sie. - He, halt! Wer da?
Horatio und Marcellus treten auf.
HORATIO
Freund dieses Bodens.
MARCELLUS
Und Vasall des Dänen.
FRANCISCO
Hab gute Nacht!
MARCELLUS
O grüß dich, wackrer Krieger.
Wer hat dich abgelöst?
FRANCISCO
Bernardo hat den Posten.
Habt gute Nacht.
Ab.
MARCELLUS
Holla, Bernardo!
BERNARDO
Sprecht!
He, ist Horatio da?
HORATIO
Ein Stück von ihm.
BERNARDO
Willkommen Euch! Willkommen, Freund Marcellus!
HORATIO
Nun, ist das Ding heut wiederum erschienen?
BERNARDO
Ich habe nichts gesehn.
MARCELLUS
Horatio sagt, es sei nur Einbildung,
Und will dem Glauben keinen Raum gestatten
An dieses Schreckbild, das wir zweimal sahn;
Deswegen hab ich ihn hieher geladen,
Mit uns die Stunden dieser Nacht zu wachen,
Damit, wenn wieder die Erscheinung kommt,
Er unsern Augen zeug und mit ihr spreche.
HORATIO
Pah, pah! Sie wird nicht kommen.
BERNARDO
Setzt Euch denn
Und laßt uns nochmals Euer Ohr bestürmen,
Das so verschanzt ist gegen den Bericht,
Was wir zwei Nächte sahn.
HORATIO
Gut, sitzen wir,
Und laßt Bernardo uns hievon erzählen.
BERNARDO
Die allerletzte Nacht,
Als eben jener Stern, vom Pol gen Westen,
In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte,
Wo jetzt er glüht, da sahn Marcell und ich,
Indem die Glocke eins schlug -
MARCELLUS
O still! Halt ein! Sieh, wie's da wieder kommt!
Der Geist kommt , in Waffen.
BERNARDO
Ganz die Gestalt wie der verstorbne König.
MARCELLUS
Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio!
BERNARDO
Siehts nicht dem König gleich? Schau's an, Horatio!
HORATIO
Ganz gleich; es macht mich starr vor Furcht und Staunen.
BERNARDO
Es möchte angeredet sein.
MARCELLUS
Horatio, sprich mit ihm.
HORATIO
Wer bist du, der sich dieser Nachtzeit anmaßt,
Und dieser edlen, kriegrischen Gestalt,
Worin die Hoheit des begrabnen Dänmark
Weiland einherging? Ich beschwöre dich
Beim Himmel, sprich!
MARCELLUS
Es ist beleidigt.
BERNARDO
Seht, es schreitet weg.
HORATIO
Bleib, sprich! Sprich, ich beschwör dich, sprich!
Geist ab.
MARCELLUS
Fort ists und will nicht reden.
BERNARDO
Wie nun, Horatio? Ihr zittert und seht bleich:
Ist dies nicht etwas mehr als Einbildung?
Was haltet Ihr davon?
HORATIO
Bei meinem Gott, ich dürfte dies nicht glauben,
Hätt ich die sichre, fühlbare Gewähr
Der eignen Augen nicht.
MARCELLUS
Siehts nicht dem König gleich?
HORATIO
Wie du dir selbst.
Genau so war die Rüstung, die er trug,
Als er sich mit dem stolzen Norweg maß;
So droht' er einst, als er in harter Zwiesprach
Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken.
's ist seltsam.
MARCELLUS
So schritt er, grad um diese dumpfe Stunde,
Schon zweimal kriegrisch unsre Wacht vorbei.
HORATIO
Wie dies bestimmt zu deuten, weiß ich nicht;
Allein soviel ich insgesamt erachte,
Verkündets unserm Staat besondre Gärung.
MARCELLUS
Nun setzt euch, Freunde; sagt mir, wer es weiß,
Warum dies aufmerksame, strenge Wachen
Den Untertan des Landes nächtlich plagt?
Warum wird Tag für Tag Geschütz gegossen
Und in der Fremde Kriegsgerät gekauft?
Warum gepreßt für Werften, wo das Volk
Den Sonntag nicht vom sauren Werktag trennt?
Was gibts, daß diese schweißbetriefte Eil
Die Nacht dem Tage zur Gehülfin macht?
Kann jemand mich belehren?
HORATIO
Ja, ich kanns;
Zum mindsten heißt es so. Der letzte König
Ward, wie Ihr wißt, durch Fortinbras von Norweg,
Den eifersüchtger Stolz dazu gespornt,
Zum Kampf gefordert; unser tapfrer Hamlet
- Denn diese Seite der bekannten Welt
Hielt ihn dafür - schlug diesen Fortinbras,
Der laut dem untersiegelten Vertrag,
Durch Recht und Rittersitte wohl bekräftigt,
Mit seinem Leben alle Länderein,
So er besaß, verwirkte an den Sieger;
Wogegen auch ein angemeßnes Teil
Von unserm König ward zum Pfand gesetzt,
Das Fortinbras anheimgefallen wäre,
Hätt er gesiegt, wie durch denselben Handel
Und Inhalt der besprochnen Punkte seins
An Hamlet fiel. Nun hat Jung Fortinbras
Von unerprobtem Feuer heiß und voll,
An Norwegs Ecken hier und da ein Heer
Landloser Abenteurer aufgerafft,
Für Brot und Kost zu einem Unternehmen,
Das Herz hat; welches denn kein andres ist,
Wie unser Staat das auch gar wohl erkennt,
Als durch die starke Hand und Zwang der Waffen
Die vorbesagten Land' uns abzunehmen,
Die so sein Vater eingebüßt; und dies
Scheint mir der Antrieb unsrer Zurüstungen,
Die Quelle unsrer Wachen und der Grund
Von diesem Treiben und Gewühl im Lande.
BERNARDO
Nichts anders, denk ich, ists als eben dies.
Wohl trifft es zu, daß diese Schreckgestalt
In Waffen unsre Wacht besucht, so ähnlich
Dem König, der der Anlaß dieses Kriegs.
HORATIO
Ein Stäubchen ists, des Geistes Aug zu trüben.
Im höchsten palmenreichsten Stande Roms,
Kurz vor dem Fall des großen Julius, standen
Die Gräber leer, verhüllte Tote schrien
Und wimmerten durch alle römschen Gassen;
Und ebensolche Zeichen grauser Dinge,
Als Boten, die dem Schicksal stets vorangehn,
Und Vorspiel der Entscheidung, die sich naht,
Hat Erd und Himmel insgemein gesandt
An unsern Himmelsstrich und Landsgenossen,
Wie feuergeschweifte Sterne, blutger Tau,
Die Sonne fleckig; und der feuchte Stern,
Des Einfluß waltet in Neptunus' Reich,
Krankt an Verfinstrung wie zum Jüngsten Tag.
[Der Geist kommt wieder. ]
Doch still! Schaut, wie's da wieder kommt.
Der Geist kommt wieder.
Ich kreuz es
Und sollt es mich verderben. -
[Er breitet die Arme aus. ]
Steh, Phantom,
Hast du Gebrauch der Stimm und einen Laut:
Sprich zu mir!
Ist irgendeine gute Tat zu tun,
Die Ruh dir bringen kann und Ehre mir:
Sprich zu mir!
Bist du vertraut mit deines Landes Schicksal,
Das etwa noch Voraussicht wenden kann:
O sprich!
Und hast du aufgehäuft in deinem Leben
Erpreßte Schätze in der Erde Schoß,
Wofür ihr Geister, sagt man, oft im Tode
Umhergeht,
Der Hahn kräht.
sprich davon! Verweil und sprich!
[Der Hahn kräht. ]
Halt es doch auf, Marcellus!
MARCELLUS
Soll ich nach ihm mit der Hellbarde schlagen?
HORATIO
Tu's, wenns nicht stehen will!
BERNARDO
's ist hier!
HORATIO
's ist hier!
MARCELLUS
's ist fort!
Geist ab.
Wir tun ihm Schmach, da es so majestätisch,
Wenn wir den Anschein der Gewalt ihm bieten;
Denn es ist unverwundbar wie die Luft,
Und unsre leeren Streiche foppen uns.
BERNARDO
Es war am Reden, als der Hahn just krähte.
HORATIO
Und da fuhrs auf gleich einem sündgen Wesen
Beim Aufruf zum Gericht. Ich hab gehört,
Der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen,
Erweckt mit schmetternder und heller Kehle
Den Gott des Tages, und auf seine Mahnung,
Sei's in der See, im Feur, Erd oder Luft,
Eilt jeder schweifende und irre Geist
In sein Revier; und von der Wahrheit dessen
Gab dieser Gegenstand uns den Beweis.
MARCELLUS
Es schwand erblassend mit des Hahnes Krähn.
Sie sagen, immer, wann die Jahrszeit naht,
Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe
Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel;
Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,
Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,
Kein Kobold schweift, noch können Hexen zaubern:
So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.
HORATIO
So hört auch ich und glaube dran zum Teil.
Doch seht, der Morgen, angetan mit Purpur,
Betritt den Tau des hohen Hügels dort;
Laßt uns die Wacht abbrechen, und ich rate,
Vertraun wir, was wir diese Nacht gesehn,
Dem jungen Hamlet; denn, bei meinem Leben,
Der Geist, so stumm für uns, ihm wird er reden.
Ihr willigt drein, daß wir ihm dieses melden,
Wie Lieb uns nötigt und der Pflicht geziemt?
MARCELLUS
Ich bitt Euch, tun wir das; ich weiß, wo wir
Ihn am bequemsten heute finden werden.
Alle ab.
Helsingör. Ein Staatszimmer im Schlosse
Der König, die Königin, Hamlet, Polonius, Laertes, Voltimand, Cornelius, Herren vom Hofe und Gefolge.
KÖNIG
Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders,
Noch das Gedächtnis frisch, und ob es Unserm Herzen
Zu trauern ziemte und dem ganzen Reich,
In eine Stirn des Grames sich zu falten:
So weit hat Urteil die Natur bekämpft,
Daß Wir mit weisem Kummer sein gedenken,
Zugleich mit der Erinnrung an Uns selbst.
Wir haben also Unsre weiland Schwester,
Jetzt Unsre Königin, die hohe Witwe
Und Erbin dieses kriegerischen Staats,
Mit unterdrückter Freude sozusagen,
Mit einem heitern, einem nassen Auge,
Mit Leichenjubel und mit Hochzeitklage,
In gleichen Schalen wägend Leid und Lust,
Zur Eh genommen; haben auch hierin
Nicht Eurer bessern Weisheit widerstrebt,
Die frei Uns beigestimmt. Für alles Dank! -
Nun wißt Ihr, hat der junge Fortinbras
Aus Minderschätzung Unsers Werts und denkend,
Durch Unsers teuren selgen Bruders Tod
Sei Unser Staat verrenkt und aus den Fugen,
Gestützt auf diesen Traum von seinem Vorteil,
Mit Botschaft Uns zu plagen nicht ermangelt
Um Wiedergabe jener Länderein,
Rechtskräftig eingebüßt von seinem Vater
An Unsern tapfern Bruder. - So viel von ihm;
Nun von Uns selbst und Eurer Herberufung.
So lautet das Geschäft: Wir schreiben hier
An Norweg, Ohm des jungen Fortinbras,
Der schwach, bettlägrig, kaum von diesem Anschlag
Des Neffen hört, daß er den fernern Gang
Hierin mög hemmen, da ja doch die Werbung,
Bestand und Zahl der Truppen, alles nur
Aus seinem Volk geschieht; und senden nun
Euch, wackrer Voltimand, und Euch, Cornelius,
Mit diesem Gruß zum alten Norweg hin,
Euch keine weitre Vollmacht übergebend,
Zu handeln mit dem König, als das Maß
Der hier erörterten Artikel zuläßt.
Lebt wohl, und Eil empfehle Euren Eifer!
CORNELIUS und VOLTIMAND
Hier, wie in allem, wollen wir ihn zeigen.
KÖNIG
Wir zweifeln nicht daran. Lebt herzlich wohl! -
Voltimand und Cornelius ab.
Und nun, Laertes, sagt, was bringt Ihr Uns?
Ihr nanntet ein Gesuch; was ists, Laertes?
Ihr könnt nicht von Vernunft dem Dänen reden,
Und Euer Wort verlieren. Kannst du bitten,
Was ich nicht gern gewährt, eh du's verlangt?
Der Kopf ist nicht dem Herzen mehr verwandt,
Die Hand dem Munde dienstgefällger nicht,
Als Dänmarks Thron es deinem Vater ist.
Was wünschest du, Laertes?
LAERTES
Hoher Herr,
Vergünstigung nach Frankreich rückzukehren,
Woher ich zwar nach Dänmark willig kam,
Bei Eurer Krönung meine Pflicht zu leisten;
Doch nun gesteh ich, da die Pflicht erfüllt,
Strebt mein Gedank und Wunsch nach Frankreich hin
Und neigt sich Eurer gnädigen Erlaubnis.
KÖNIG
Erlaubts der Vater Euch? Was sagt Polonius?
POLONIUS
Er hat, mein Fürst, die zögernde Erlaubnis
Mir durch beharrlich Bitten abgedrungen,
Daß ich zuletzt auf seinen Wunsch das Siegel
Der schwierigen Bewilligung gedrückt.
Ich bitt Euch, gebt Erlaubnis ihm zu gehn.
KÖNIG
Nimm deine günstge Stunde: Zeit sei dein,
Mit deinen Gaben nutze sie nach Lust. -
Doch nun, mein Vetter Hamlet und mein Sohn -
HAMLET
beiseit.
Mehr als befreundet, weniger als Freund.
KÖNIG
Wie, hängen stets noch Wolken über Euch?
HAMLET
Nicht doch, mein Fürst, ich habe zuviel Sonne.
KÖNIGIN
Wirf, guter Hamlet, ab die nächtge Farbe
Und laß dein Aug als Freund auf Dänmark sehn.
Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern
Nach deinem edlen Vater in dem Staub.
Du weißt, 's ist aller Los: was lebt, muß sterben
Und Ewges nach der Zeitlichkeit erwerben.
HAMLET
Ja, gnädge Frau, 's ist aller Los.
KÖNIGIN
Nun wohl,
Weswegen scheint es so besonders dir?
HAMLET
Scheint, gnädge Frau? Nein, ist; mir gilt kein »scheint«.
Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter,
Noch diese Tracht, nach Brauch von ernstem Schwarz,
Noch stürmisches Geseufz beklemmten Atems,
Noch auch im Auge der ergiebige Strom,
Noch die gebeugte Haltung des Gesichts
Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames
Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich;
Es sind Gebärden, die man spielen könnte.
Was über allen Schein, trag ich in mir;
All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.
KÖNIG
Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,
Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.
Doch wißt, auch Eurem Vater starb ein Vater,
Dem seiner, und der Nachgelaßne soll
Nach kindlicher Verpflichtung einige Zeit
Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren
In eigenwillgen Klagen ist das Tun
Gottlosen Starrsinns, ist unmännlich Leid,
Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt,
Ein unverschanztes Herz, störrisch Gemüt,
Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand.
Wovon man weiß, es muß sein; was gewöhnlich
Wie das Gemeinste, das die Sinne rührt:
Weswegen das in mürrischem Widerstande
Zu Herzen nehmen? Pfui! Es ist Vergehn
Am Himmel; ist Vergehen an dem Toten,
Vergehn an der Natur, vor der Vernunft
Höchst töricht, deren allgemeine Predigt
Der Väter Tod ist und die immer rief
Vom ersten Leichnam bis zum heut verstorbnen:
Dies muß so sein! - Wir bitten, werft zu Boden
Dies unfruchtbare Leid und denkt von Uns
Als einem Vater; denn wissen soll die Welt,
Daß Ihr an Unserm Thron der Nächste seid,
Und mit nicht minder Überschwang der Liebe,
Als seinem Sohn der liebste Vater widmet,
Bin ich Euch zugetan. Was Eure Rückkehr
Zur hohen Schul in Wittenberg betrifft,
So widerspricht sie höchlich Unserm Wunsch,
Und Wir ersuchen Euch: Beliebt zu bleiben
Hier in dem milden Scheine Unsers Auges,
Als Unser erster Hofmann, Vetter, Sohn!
KÖNIGIN
Laß deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet;
Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg!
HAMLET
Ich will Euch gern gehorchen, gnädge Frau.
KÖNIG
Wohl, das ist eine liebe, schöne Antwort.
Seid wie Wir selbst in Dänmark. - Kommt, Gemahlin!
Dies willge, freundliche Nachgeben Hamlets
Lächelt das Herz mir an, und dem zu Ehren
Soll das Geschütz heut jeden frohen Trunk,
Den Dänmark ausbringt, an die Wolken tragen,
Und wenn der König anklingt, soll der Himmel
Nachdröhnen irdschem Donner. - Kommt mit mir!
[König, Königin, Laertes und Gefolge ab. ] Alle außer Hamlet ab.
HAMLET
O schmölze doch dies allzu feste Fleisch,
Zerging' und löst' in einen Tau sich auf!
Oder hätte nicht der Ewge sein Gebot
Gerichtet gegen Selbstmord! O Gott! O Gott!
Wie ekel, schal und flach und unersprießlich
Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!
Pfui, pfui darüber! 's ist ein wüster Garten,
Der auf in Samen schießt; verworfnes Unkraut
Erfüllt ihn gänzlich. Dazu mußt es kommen!
Zwei Mond erst tot! - Nein, nicht soviel, nicht zwei!
Solch trefflicher Monarch, verglichen diesem,
Apoll bei einem Satyr! So meine Mutter liebend,
Daß er des Himmels Winde nicht zu rauh
Ihr Antlitz ließ berühren. Himmel und Erde!
Muß ich gedenken? Hing sie doch an ihm,
Als stieg das Wachstum ihrer Lust mit dem,
Was ihre Kost war. Und doch, in einem Mond -
Laßt michs nicht denken! - Schwachheit, dein Nam ist Weib! -
Ein kurzer Mond; bevor die Schuh verbraucht,
Womit sie meines Vaters Leiche folgte,
Wie Niobe, ganz Tränen - sie, ja sie -
O Himmel, würd ein Tier, das nicht Vernunft hat,
Doch länger trauern! - meinem Ohm vermählt,
Dem Bruder meines Vaters, doch ihm ähnlich,
Wie ich dem Herkules! In einem Mond,
Bevor das Salz höchst frevelhafter Tränen
Der wunden Augen Röte noch verließ,
War sie vermählt! - O schnöde Hast, so rasch
In ein blutschänderisches Bett zu stürzen!
Es ist nicht, und es wird auch nimmer gut.
Doch brich, mein Herz, denn schweigen muß mein Mund!
Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.
HORATIO
Heil Eurer Hoheit!
HAMLET
Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehn;
Horatio - wenn ich nicht mich selbst vergesse?
HORATIO
Ja, Prinz, und Euer armer Diener stets.
HAMLET
Mein guter Freund; vertauscht mir jenen Namen.
Was macht Ihr hier von Wittenberg, Horatio? -
Marcellus?
MARCELLUS
Gnädger Herr -
HAMLET
Es freut mich, Euch zu sehn. Habt guten Abend! -
Im Ernst, was führt Euch weg von Wittenberg?
HORATIO
Ein müßiggängerischer Hang, mein Prinz.
HAMLET
Das möcht ich Euren Feind nicht sagen hören,
Noch sollt Ihr meinem Ohr den Zwang antun,
Daß Euer eignes Zeugnis gegen Euch
Ihm gültig wär. Ich weiß, Ihr geht nicht müßig.
Doch was ist Eur Geschäft in Helsingör?
Ihr sollt noch trinken lernen, eh Ihr reist.
HORATIO
Ich kam zu Eures Vaters Leichenfeier.
HAMLET
Ich bitte, spotte meiner nicht, mein Schulfreund,
Du kamst gewiß zu meiner Mutter Hochzeit!
HORATIO
Fürwahr, mein Prinz, sie folgte schnell darauf.
HAMLET
Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft! Das Gebackne
Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.
Hätt ich den ärgsten Feind im Himmel lieber
Getroffen, als den Tag erlebt, Horatio!
Mein Vater - mich dünkt, ich sehe meinen Vater.
HORATIO
Wo, mein Prinz?
HAMLET
In meines Geistes Aug, Horatio.
HORATIO
Ich sah ihn einst, er war ein wackrer König.
HAMLET
Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem;
Ich werde nimmer seinesgleichen sehn.
HORATIO
Mein Prinz, ich denk, ich sah ihn vorge Nacht.
HAMLET
Sah? Wen?
HORATIO
Mein Prinz, den König, Euren Vater.
HAMLET
Den König, meinen Vater?
HORATIO
Beruhigt das Erstaunen eine Weil
Durch ein aufmerksam Ohr, bis ich dies Wunder,
Auf die Bekräftigung der Männer hier,
Euch kann berichten.
HAMLET
Um Gottes willen, laßt mich hören!
HORATIO
Zwei Nächte nacheinander wars den beiden,
Marcellus und Bernardo, auf der Wache
In toter Stille tiefer Mitternacht
So widerfahren. Ein Schatten wie Eur Vater,
Geharnischt, ganz in Wehr, von Kopf zu Fuß,
Erscheint vor ihnen, geht mit ernstem Tritt
Langsam vorbei und stattlich; schreitet dreimal
Vor ihren starren, furchtergriffnen Augen,
So daß sein Stab sie abreicht, während sie,
Geronnen fast zu Gallert durch die Furcht,
Stumm stehn und reden nicht mit ihm. Dies nun
In banger Heimlichkeit vertraun sie mir.
Ich hielt die dritte Nacht mit ihnen Wache;
Und da, wie sie's berichtet, in der Zeit
Und der Gestalt buchstäblich alles wahr,
Kommt das Gespenst. Ich kannte Euren Vater:
Hier diese Hände gleichen sich nicht mehr.
HAMLET
Wo ging dies aber vor?
MARCELLUS