8,99 €
Hier duftet es nach Ferien und frischem Heu: Wiedersehen mit Mississippi! Emma kann es kaum fassen: Ein echtes Pferd ganz für sie allein. Es heißt "Mississippi" und ist die treue Stute vom verstorbenen Klipperbusch. So ein supertolles Geschenk kann nur von Emmas Großmutter Dolly kommen. Merkwürdig nur, dass Klipperbuschs Neffe, den alle den "Alligator" nennen, das Tier plötzlich unbedingt zurück will. Hängt das etwa mit Klipperbuschs geheimnisvollem Testament zusammen? Als auch noch Dollys Hunde spurlos verschwinden und ein Erpresserbrief auftaucht, beginnt ein spannender Wettlauf gegen die Zeit. Cornelia Funkes berühmtes Pferdeabenteuer mit neuem Cover und neuen Illustrationen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2020
Emma kann es kaum fassen: Ein echtes Pferd ganz für sie allein. Es heißt »Mississippi« und ist die treue Stute vom verstorbenen Klipperbusch. So ein supertolles Geschenk kann nur von Emmas Großmutter Dolly kommen. Merkwürdig nur, dass Klipperbuschs Neffe, den alle den »Alligator« nennen, das Tier plötzlich unbedingt zurück will. Als auch noch Dollys Hunde spurlos verschwinden und ein Erpresserbrief auftaucht, beginnt ein spannender Wettlauf gegen die Zeit.
Cornelia Funkes berühmtes Pferdeabenteuer mit Bildern von Ina Hattenhauer
Für Tina, Lena und Inga
Als Emma aus dem Bus stieg, schloss sie erst mal die Augen und holte tief Luft.
Ja. So musste es riechen. Nach Mist, Benzin und feuchter Erde.
Nach Sommerferien bei Dolly.
Emma schwang sich ihren Rucksack auf den Rücken und hüpfte über die Straße. Sie spuckte in den Dorfteich, sprang in zwei Pfützen und stand vor dem Gartentor ihrer Großmutter. Alles war wie immer.
Von dem alten Haus blätterte die Farbe ab und in Dollys Blumenkästen wuchsen keine Geranien, sondern Salatköpfe. Das Auto hatte eine Beule mehr und die schwarze Katze auf dem Mülleimer kannte Emma noch nicht. Aber der wackelige Gartentisch unterm Walnussbaum war wie immer zu ihrem Empfang gedeckt. Im Gras staksten Hühner herum und Tom und Jerry, Dollys alte Hunde, lagen schlafend vor der offenen Haustür. Sie hoben nicht mal die Schnauzen, als Emma das Tor aufstieß und aufs Haus zulief. Erst als sie direkt vor ihnen stand, wedelten sie verschlafen mit den Schwänzen und legten ihr die schlammigen Pfoten auf die Schuhe.
»Na, ihr Superwachhunde.« Emma kraulte den beiden die Ohren und gab ihnen ein paar Hundebrekkies. Mit den Dingern stopfte sie sich immer die Taschen voll, wenn sie zu ihrer Großmutter fuhr.
Aus dem Haus roch es angebrannt.
Emma grinste. Dolly hatte wohl wieder versucht zu backen. Wahrscheinlich war sie die einzige Großmutter auf der Welt, die keinen Kuchen zustande bekam. Kochen konnte sie auch nicht besonders gut. Sie tat nichts von dem, was die Großmütter von Emmas Freundinnen gern machten. Dolly häkelte nicht, sie strickte nicht, las keine Geschichten vor, und Emmas Geburtstag vergaß sie jedes Jahr. Ihre grauen Haare waren kurz wie Streichhölzer, sie trug meistens Männersachen und ihr Auto reparierte sie selber.
Emma hätte sie gegen keine andere Großmutter eingetauscht. »Hallo!«, rief sie in die verqualmte Küche hinein. »Ich bin wieder da.«
Ein riesiger Hund schoss bellend unterm Küchentisch hervor, sprang an Emma hoch und leckte ihr das Gesicht.
»Hallo, Süße.« Dolly hockte vorm Backofen und sah ziemlich unglücklich aus. Sie holte ihren Kuchen heraus und knallte ihn auf den Küchentisch. »Nun guck dir das an. Wieder zu braun. Ich versteh das nicht. Dabei hab ich mir sogar so eine dusselige Backuhr besorgt.«
Der Riesenhund ließ Emma in Ruhe und beschnupperte den verbrannten Kuchen.
»Ein Glück, dass ich vorsichtshalber noch ein bisschen Kuchen gekauft habe.« Dolly wischte sich die mehlverschmierten Hände an der Hose ab und gab Emma einen Kuss. »Schön, dass du wieder da bist. Ich hoffe, du hast mich vermisst!«
»Hab ich.« Emma nahm ihren Rucksack ab und hielt dem fremden Hund ein paar Brekkies vor die Schnauze. »Wo kommt der denn schon wieder her?«
»Zottel?« Dolly holte ein großes Kuchenpaket aus dem Schrank und zog Emma mit sich nach draußen. »Den hat Knapps, unser Tierarzt, draußen an der Autobahnauffahrt gefunden. Du weißt ja, so einer landet immer bei mir.«
Emma lächelte.
Und ob sie das wusste! Hühner, die keine Eier legten, Katzen, die trächtig waren, Hunde, die Teppiche zerbissen – ihre Großmutter nahm sie alle auf. Sogar einen alten Wallach hatte sie hinten auf der Koppel stehen. Aldo hieß er. Dolly hatte ihn vor vier Jahren vorm Pferdeschlachter bewahrt und Emma auf seinem Rücken das Reiten beigebracht. »Wie geht’s Aldo?«, fragte Emma.
Dolly setzte sich auf die Gartenbank, die Emmas Opa vor vielen Jahren gebaut hatte, und goss ihr einen Becher Kakao ein. »Aldo? Dem geht’s gut. Er hat ein bisschen Ärger mit den Zähnen, aber die Haare frisst er mir trotzdem vom Kopf.«
»Und sonst?« Emma nahm sich ein Stück Kuchen. Ein Huhn verschwand unterm Tisch und zupfte an ihrem Schuhband.
»Na ja, du hörst es ja.«
In Proskes Autowerkstatt nebenan soff ein Motor ab und Dollys Nachbarin zur Linken, Elsbeth Dockenfuß, fegte mit Radiobegleitung den Weg vor ihrer Gartenmauer.
»He, Elsbeth!«, rief Dolly. »Kannst du dein Radio mal etwas leiser drehen? Mein Kaffee schwappt schon aus der Tasse von dem Lärm.«
Elsbeth schlurfte murrend zur Mauer, drehte das Radio ab und kam auf Dollys Zaun zu.
»Da!« Sie warf eine leere Zigarettenschachtel und zwei Eisstiele hinüber. »Das hab ich vor deinem Zaun gefunden.«
»Oh, das kannst du gern behalten«, sagte Dolly. »Willst du einen Kaffee, Elsbeth?«
»Nein danke.« Elsbeth Dockenfuß nickte Emma zu. »Hallo, Emma, ich dachte, du wärst nach Hause gefahren?«
»War ich auch.« Emma verkniff sich ein Kichern. »Ist aber schon drei Monate her, Frau Dockenfuß. Jetzt hab ich Sommerferien.«
»Ah, ja?« Elsbeth Dockenfuß bückte sich und rupfte ein paar Pflänzchen aus, die vor Dollys Zaun wuchsen. »Löwenzahn. Pfui Teufel. Ja, dann esst ihr mal Kuchen, ich hab zu tun.«
Mit mürrischem Gesicht nahm sie wieder ihren Besen, drehte ihr Radio laut und fegte weiter.
Dolly seufzte. Aber Emma musste grinsen. »Es ist alles wie immer«, sagte sie. »Das ist wunderbar.«
Zu Hause änderte sich gerade mal wieder alles. Während Emma bei Dolly war, richteten ihre Eltern die neue Wohnung ein. Neue Wohnung, neue Stadt, neue Schule. Emma durfte gar nicht dran denken.
»Alles wie immer?« Dolly schüttelte den Kopf. »Nicht ganz, Süße. Der alte Klipperbusch ist letzte Woche gestorben.« »Oh!« Erschrocken guckte Emma ihre Großmutter an. »Der war doch noch gar nicht so alt.«
Dolly schüttelte den Kopf. »Nicht viel älter als ich. Aber«, sie zeigte zum Tor, »das wirst du bestimmt gleich alles ganz genau erfahren. Guck mal, wer da kommt. Hat sich schnell rumgesprochen, dass du da bist.«
Zwei Jungen liefen um den Dorfteich, Leo und Max, die Söhne vom Bäcker gegenüber. Um die Wette rannten sie auf Dollys Tor zu. Max schwang sich als Erster rüber – wie immer. Er streckte seinem Bruder die Zunge raus und spurtete zu dem freien Stuhl neben Emma. Leo kam zerknirscht hinterher. »Du hast mich geschubst«, fuhr er seinen Bruder an. »Bloß um vor Emma anzugeben.«
»He, ihr beiden!« Dolly hob ihre Tasse hoch. »Jetzt habt ihr mit eurem Gerempel fast meinen Kaffee verschüttet. Wollt ihr auch was trinken? Oder ein Stück Kuchen essen?«
»Hast du den gebacken?«, fragte Max misstrauisch.
»Was soll das denn heißen?«
»Na, wenn nicht, dann gerne.«
»Frechheit«, sagte Dolly und stand auf. »Aber ich hol euch trotzdem was zu trinken.«
Gefolgt von Zottel verschwand sie im Haus.
»Na, Emma«, murmelte Leo.
»Weißt du, was passiert ist?« Max schob seinen Bruder zur Seite. »Der alte Klipperbusch ist vor unserem Laden tot umgefallen. Einfach so. Bums, da lag er. Du erinnerst dich doch an Klipperbusch, oder?«
Emma nickte. Sie erinnerte sich sehr gut. Jeden Sonntag war er durchs Dorf geritten, auf seiner Stute Mississippi. Er hatte ihr bunte Bänder in die Mähne geflochten, mit kleinen Glöckchen dran. Klipperbusch selbst trug immer einen Cowboyhut auf dem Kopf, und jedes Mal wenn er bei Dolly vorbeiritt, hatte er ihn gezogen und ihr damit zugewinkt.
»Tot wie ’ne Henne ohne Kopf war er«, sagte Max.
Leo nahm sich ein Stück Kuchen, setzte sich auf Dollys Platz und trank einen Schluck von ihrem Milchkaffee.
»Habt ihr, ich mein«, Emma guckte die beiden unbehaglich an, »habt ihr ihn gesehen?«
»Klar«, sagte Max. »Ich schon. Der hier«, er stieß seinen Bruder an, »der ist gleich hinterm Haus verschwunden und hat gekotzt.«
»Hab ich gar nicht«, sagte Leo.
»Hast du wohl.« Max rempelte seinen Bruder fast vom Stuhl. »Ich wollte Klipperbusch ’n Spiegel vor den Mund halten, wie die das im Film immer machen, aber Mama hat mich nicht gelassen. Sein Pferd hat sich furchtbar aufgeregt. Als ob es wusste, was los war. Nur Doktor Knapps konnte es beruhigen.«
Emma kannte Doktor Knapps auch. Er war Dauergast bei Dolly. Irgendeinem von ihren Tieren fehlte immer was.
»Na?« Dolly kam mit einer Flasche Saft zurück. »Haben die zwei dir alles von Klipperbuschs Ableben erzählt?«
Leo rutschte zur Seite.
»Na und?«, brummte Max. »Passiert ja nicht jeden Tag, dass einer tot umfällt, oder?«
»Zum Glück«, sagte Dolly. »Ich werde Klipperbusch vermissen. Aber er hat einen schönen Tod gehabt.«
»Papa sagt, er war verrückt«, meinte Max.
»Ach was!« Dolly nahm ihre Untertasse und legte ihm ein Stück Kuchen drauf. »Dein Vater hält die Hälfte des Dorfes für verrückt. Mich bestimmt auch.«
»Was ist mit seiner Stute passiert?«, fragte Emma.
Die Jungs zuckten die Achseln.
»Also, die ist auf jeden Fall verrückt«, stellte Max mit vollem Mund fest.
Dolly strich nachdenklich die Tischdecke glatt. »Im Moment kümmert sich Knapps drum. Aber Klipperbuschs Neffe wird wohl alles erben und der verkauft die Stute bestimmt.«
»Schade«, murmelte Emma.
Klipperbusch hatte Mississippi vor jedem Ausritt auf etwas andere Weise schön gemacht. Sie und Dolly hatten manchmal gewettet, ob die Stute Blumen hinterm Ohr haben würde oder an den Zügeln kleine Glöckchen. Jeden Sonntag hatten sie gespannt unterm Walnussbaum gesessen und gewartet.
Wenn Klipperbusch dann kam, schwenkte er seinen Hut und rief: »Schönen guten Morgen, die Damen.«
Ja, Emma würde ihn auch vermissen.
Ganz bestimmt.
Als Emmas Wecker am nächsten Morgen um sechs klingelte, war Dolly schon weg. Fünf Tage in der Woche fuhr sie morgens mit dem Fahrrad die Zeitung aus, in ihrem Ort und in zwei benachbarten Dörfern.
Emma spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, aß im Stehen ein Marmeladenbrot – und ging an die Arbeit.
Sieben Katzen strichen ihr um die Beine und die Hunde rumorten ungeduldig mit ihren Näpfen auf den Steinfliesen herum. Wenn Dolly allein war, fütterte sie die ganze Bande schon, bevor sie Zeitungen austrug.
»Tja, Pech«, sagte Emma, während sie in der Besteckschublade nach dem Dosenöffner suchte, »die nächsten sechs Wochen kriegt ihr erst was, wenn ich aus dem Bett falle.«
Als sie alle Katzenfutterdosen geöffnet hatte, taten ihr die Finger so weh, als hätte jemand darauf rumgekaut. Zum Glück fraßen die Hunde Trockenfutter.
Nun kam das Federvieh dran, drei Wellensittiche im Wohnzimmer und die Hühner brauchten frisches Wasser und Körner. Dann fütterte Emma die zwei Ziegen. Und zum Schluss versorgte sie Aldo. Das Schönste hob sie sich bis zuletzt auf.
Jeden Morgen freute sie sich darauf, dass Aldo sie mit seiner Schnauze anstupste und ihre Jackentaschen nach Möhren durchsuchte. Dann träumte Emma davon, dass Aldo ihr Pferd wäre. Ein verrückter Traum! Die neue Wohnung, die ihre Eltern gerade einrichteten, lag wieder im vierten Stock, weil Emmas Mutter so hoch oben weniger Angst vor Einbrechern hatte. Nicht mal ein Meerschweinchen würde Emma sich da halten dürfen. Ja, es war wirklich albern, von einem eigenen Pferd zu träumen. Aber trotzdem erwischte Emma sich immer wieder dabei. Vor allem, wenn sie Aldos weiche Nase streichelte.
Bei jedem Besuch fragte Emma sich, ob der alte Wallach sie vergessen hatte. Sie verbrachte zwar so viel Zeit wie möglich bei Dolly, aber trotzdem lagen jedes Mal viele Wochen zwischen den Ferien.
»Na, Aldo«, sagte sie, als sie in den Pferdestall ging. »Hast du schon Hunger?«
Der Wallach hob den Kopf und schnaubte. Emma streichelte ihm zärtlich die Nase und blies ihm ganz sacht in die Nüstern. So begrüßten sich auch Pferde, das hatte sie mal in einem Pferdebuch gelesen. Emma las viele Pferdebücher. Viel zu viele, fand ihre Mutter.
Aldo schnaubte zurück. So heftig, dass Emma kichernd nach Luft schnappte. Ganz schwindlig wurde ihr von dem Pferdeatem. Sie füllte Aldos Futterkrippe und holte ihm frisches Wasser. Dolly impfte ihr immer wieder ein, dass das wichtiger als alles andere war. Pferde mochten kein abgestandenes oder schmutziges Wasser. Da tranken sie lieber gar nichts, und das konnte sehr gefährlich werden, weil sie davon Koliken bekamen. Als Aldo gefressen und getrunken hatte, brachte Emma den Wallach auf die Koppel. Die Ziegen hatte sie schon draußen angepflockt. Wenn die zwei nicht angebunden waren, sprangen sie über jeden Zaun. Sie waren zwar nicht gerade die beste Gesellschaft für ein Pferd, aber besser als gar keine.
»Pferde werden komisch, wenn sie viel allein sind«, sagte Dolly immer. »Genau wie Menschen.«
Als Emma auch noch im Pferdestall gefegt und die Eier aus den Hühnernestern geholt hatte, war sie so müde, dass sie sich am liebsten gleich wieder ins Bett gelegt hätte.
So war das immer am ersten Tag bei Dolly.
Aber Emma legte sich natürlich nicht hin. Sie ging gähnend in die Küche und machte Frühstück. Dabei fiel ihr ein, dass sie wieder mal die Fische vergessen hatte. Die vergaß sie meistens, weil sie Fische nicht besonders mochte. Dolly mochte sie auch nicht, aber sie sagte immer, dass die Fische dafür ja nichts konnten, und da hatte sie natürlich recht.
Als Dolly zurückkam, lag Emma schlafend auf dem Küchensofa. Aber das Frühstück war fertig – weich gekochte Eier, eine Thermoskanne voll starkem Kaffee und frische Brötchen. Die hatte Emma beim Vater von Leo und Max gekauft, drüben hinterm Dorfteich.
Dolly brauchte ziemlich lange, um sie wach zu kitzeln. »Na?«, sagte sie. »Landluft macht müde, was?«
»Furchtbar!«, murmelte Emma und setzte sich verschlafen auf. »Wie du bloß um diese Zeit schon so munter sein kannst.«
»Ach, weißt du«, Dolly seufzte, als sie sich an den Küchentisch setzte, »das frühe Aufstehen macht mir nichts aus. In meinem Alter schläft man sowieso weniger, aber dieses Fahrradfahren … scheußlich. Neuerdings muss ich in drei Nachbardörfer. Manchmal bin ich schwer in Versuchung, das Auto zu nehmen.«
»Soll ich für dich die Zeitungen ausfahren?«, fragte Emma. »Macht mir überhaupt nichts.«
»Nein, lass mal«, Dolly lachte. »Dann komm ich, wenn du wieder weg bist, gar nicht mehr aufs Rad.«
»Kannst du es dann nicht einfach lassen?«, fragte Emma. »Du hast doch deine Rente und ein bisschen was Geerbtes von Opa.«
»Tja, weißt du«, Dolly trank einen Schluck Kaffee, »Aldo wird nicht jünger, die Hunde müssen gegen Tollwut geimpft werden, und irgendeine von den Katzen kriegt immer Junge. Das ergibt eine Menge Tierarztrechnungen. Da kann ich jeden Euro gebrauchen.«
Emma nickte.
In dem Moment klopfte es an der Haustür.
Tom und Jerry blieben liegen, aber Zottel schoss so wild unterm Tisch hervor, dass Emma sich den Kakao über die Jeans goss.
Bevor Dolly an der Tür war, hatte Zottel die Klinke schon runtergedrückt.
»Geh zur Seite, du Verrückter«, sagte Dolly und schob sich mühsam an dem schwanzwedelnden Riesen vorbei.
Vor der Tür stand Aaron Knapps, der Tierarzt.
Als Zottel ihn sah, verschwand er schnell wieder unterm Tisch.
»Na, sieh mal an, wenn man vom Teufel spricht«, sagte Dolly. »Was machst du denn hier? Hab ich dich angerufen?«
»Nein!«, sagte der Doktor. »Verflixt, Dolly, ich bin so wütend, dass ich platzen könnte.«
Knapps musste den Kopf einziehen, um sich nicht an Dollys Haustür zu stoßen. Ärgerlich stapfte er an ihr vorbei in die Küche. Als er Emma sah, brachte er ein kleines Lächeln zuwege. »Oh, hallo, Emma, auch wieder im Lande?«
»Du meine Güte!« Dolly schob ihm einen Stuhl hin. »Du hast ja einen knallroten Kopf. Was ist denn passiert?«
Doktor Knapps stellte die Arzttasche ab und versuchte, seine ellenlangen Beine unterm Tisch unterzubringen. Aber da war einfach kein Platz zwischen all den Hundeschnauzen.
»Möchten Sie vielleicht Kaffee?«, fragte Emma.
»Was? Ja, gern.« Der Tierarzt nahm seine Brille ab und putzte sie.
»Also, schieß los!« Dolly scheuchte eine Katze von ihrem Stuhl und setzte sich. »Wer hat dich so geärgert?«
Knapps strich sich über das zerzauste Haar. »Du weißt doch, dass ich jeden Morgen zu Klipperbuschs Hof rausfahr«, erzählte der Doktor, »weil ich Klipperbuschs Stute, die mutterseelenallein in ihrem Stall steht, versorge. Ich warte seit Tagen darauf, dass sein Neffe sich endlich auf dem Hof blicken lässt und entscheidet, was aus dem Tier werden soll. Einen anderen Erben gibt es ja wohl nicht, wenn er der einzige lebende Verwandte ist.«