Happily Inc - der perfekte Ort zum Heiraten (5in1) - Susan Mallery - E-Book
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Happily Inc - der perfekte Ort zum Heiraten (5in1) E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

WEIHNACHTSLIEBE UND LAMETTAZAUBER Als ihr Vater, der König von El Bahar, seinen edelsten Zuchthengst verkauft, kann Prinzessin Bethany nicht anders. Sie muss sicher sein, dass ihr Lieblingspferd ein gutes Zuhause bekommt, und reist unter falschem Namen nach Happily Inc. Der neue Besitzer des Tiers macht auf sie einen guten Eindruck − einen sehr guten sogar. Cade Saunders ist überaus charmant, und seine Küsse unterm Weihnachtsbaum sind himmlisch. Aber er hält nichts von Reichtum und Etikette. Deshalb darf er nie erfahren, wer sie wirklich ist! PLANST DU NOCH ODER LIEBST DU SCHON? Happily Inc, so heißt die Kleinstadt am Rande der kalifornischen Wüste, in der der Legende nach seit dem 19. Jahrhundert jeder die wahre Liebe findet. Hier wird fast täglich geheiratet, und Weddingplanerin Pallas Saunders übertrifft sich selbst bei den ausgefallensten Hochzeiten. Aber ihr eigenes Liebesglück? Das muss warten, der Job geht vor - das denkt Pallas zumindest, bis sie dem Künstler Nick Mitchell begegnet und der Zauber von Happily Inc auch sie für immer umfängt. DIE LIEBE TRÄGT GIRAFFENPULLI In ihren Träumen wird die Wildhüterin Carol Lund von ihrem sexy Nachbarn leidenschaftlich geküsst. Aber leider sieht der Künstler Mathias Mitchell in ihr nur eine gute Freundin. Kein Wunder, denn sie passt nicht in sein Beuteschema. Sie will sich verlieben, bevor sie jemanden küsst. Und doch kommt sie Mathias sehr viel näher, als sie ihm mit einem eigensinnigen Beagle hilft. Im Gegenzug unterstützt er sie dabei, für ihre Giraffe Millie eine Gefährtin zu finden. Ob für Carol doch alle Träume wahr werden? FAMILIE IST, WENN MAN TROTZDEM LIEBT Man nennt ihn den Drachen, aber Natalie Kaleta traut sich in seine Höhle. Die junge Galerie-Assistentin sollte eigentlich nur einige Kunstwerke bei Ronan Mitchell abholen. Nun verbringt sie jedoch das Wochenende bei dem für seine Launen bekannten, attraktiven Künstler, da ihr Wagen einen Abhang hinuntergerutscht ist. Tatsächlich ein Glück für beide, denn sie verbringen sehr genussvolle Nächte … Aber Natalie träumt von einem Mann und eigenen Kindern. Ronan dagegen zuckt schon bei dem Wort »Familie« zurück. Ob Natalie den Drachen zähmen kann? EINMAL FÜR IMMER, BITTE Silver ist eine Frau der Tat. Beherzt verfolgt sie ihren Lebenstraum, in ihrer mobilen Bar die perfekten Cocktails für jede Hochzeit zu mixen. Nachdem die Bank den Kredit abgelehnt hat, bietet ausgerechnet ihr Ex Drew Hilfe an. Er gibt ihr das nötige Geld allerdings nur gegen eine geschäftliche Partnerschaft. Sagt Silver Ja, muss sie eng mit ihm zusammenarbeiten und darf seinem immer noch sehr sinnlichen Lächeln nicht verfallen. Denn sonst lässt sich das Geheimnis nicht länger verbergen, das sie seit ihrer Trennung mit sich herumträgt.

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Seitenzahl: 2103

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Susan Mallery

Happily Inc - der perfekte Ort zum Heiraten (5in1)

MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2018 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der Originalausgabe: „A Very Merry Princess“ Copyright © 2017 by Susan Mallery, Inc. erschienen bei: HQN Books, Toronto

Lektorat: Daniela Peter Übersetzung: Ivonne Senn Covergestaltung: bürosüd, München Coverabbildung: www.buerosued.de

ISBN E-Book 9783955768904

www.harpercollins.de Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

WIDMUNG

Für Hazel, die immer nach Bethanys Geschichte gefragt hat. Hier ist sie endlich!

1. KAPITEL

Sein Leben zu entprinzessinen war gar nicht so leicht. Zum einen gab es da Dinge, die man logischerweise zurücklassen musste: Tiaras, Zepter, Kammerzofen. Aber mal abgesehen von diesen Kleinigkeiten, gab es auch einige größere Probleme. Für Bethany Archer, ebenfalls bekannt als Prinzessin Bethany von El Bahar, gehörte dazu ihr Reisepass. Beziehungsweise die Frage, welchen sie mitnehmen sollte.

Sie besaß einen amerikanischen Pass, weil sie in Kalifornien geboren war und die ersten neun Jahre dort verbracht hatte. Aber dann waren sie und ihre Mom nach El Bahar gezogen. Dort hatte Liana, ihre Mom, Kronprinz Malik kennengelernt und ihn geheiratet. Vor zwei Jahren war Malik dann König geworden. Und das bedeutete, dass Bethany neben ihrem kalifornischen auch einen Pass aus El Bahar hatte. Einen Pass, in dem als Berufsbezeichnung doch tatsächlich Prinzessin stand.

Sie betrachtete die beiden offiziell aussehenden Büchlein auf ihrem Bett, dann stöhnte sie und schob beide in ihren Rucksack. Sie würde die USA mit ihrem amerikanischen Pass betreten und verlassen, aber für den Notfall auch den anderen mitnehmen. Denn eines wusste Bethany genau: Wo auch immer sie hinging, die Komplikationen folgten ihr.

Hätte ihre Mutter sich doch nur in einen normalen Mann verliebt! In jemanden, der genauso klug und liebevoll war wie König Malik, aber weniger … königlich. Es war nicht so, dass Bethany das Leben in dem berühmten rosafarbenen Palast von El Bahar hasste. Oder ihren Job in den königlichen Stallungen. Oder das Zusammenleben mit ihren drei jüngeren Brüdern und ihrer Mutter, Königin Liana. Ihren Adoptivvater, den König, hatte Bethany sofort ins Herz geschlossen, als sie ihn damals, im Alter von neun Jahren, zum ersten Mal gesehen hatte. Doch diese ganze Monarchie war wirklich ätzend.

Bethanys leiblicher Vater hatte vor seinem Tod den Lebensunterhalt mit Autorennen bestritten. Rückblickend hatte Bethany keine Ahnung, wie ihre Eltern je hatten glauben können, diese Ehe würde funktionieren. Nach der Scheidung war Chuck wesentlich mehr daran interessiert gewesen, seine Autos in Schuss zu halten, als Unterhalt für seine Tochter zu bezahlen, und er hatte auch vergessen, Zeit mit Bethany zu verbringen.

Um ihrer Tochter ein Zuhause zu geben und etwas Geld zur Seite zu legen, damit Bethany später aufs College gehen konnte, hatte Liana sich entschieden, eine Stelle als Mathelehrerin an der amerikanischen Schule in El Bahar anzunehmen. Die gut bezahlte Position sollte nur vorübergehend sein – nur so lange, bis sie ein finanzielles Polster angespart hatte. Doch Liana hatte die Aufmerksamkeit des damaligen Kronprinzen erregt, und innerhalb weniger Wochen war das Paar verheiratet gewesen und Bethany eine Prinzessin geworden.

Sie packte ihren E-Book-Reader und ein paar Müsliriegel in ihren Rucksack. Der Flug von El Bahar zu dem kleinen Flughafen in der Nähe der kalifornischen Stadt Happily Inc würde beinahe siebzehn Stunden dauern. Auch wenn es an Bord etwas zu essen gäbe, wusste sie nicht, ob sie den hinteren Bereich des Flugzeugs für mehr als kurze Toilettenpausen verlassen konnte. Das hing alles von Rida ab – und davon, wie er die Reise wegsteckte.

Ihre beiden Taschen hatte Bethany bereits gepackt. Sie reiste nicht in den Urlaub oder in offizieller Mission, also brauchte sie nicht viel: Jeans, T-Shirts und Stiefel. Ihre Hautpflege bestand sowieso nur aus Seife, Wasser und Sonnencreme. Als Make-up genügten ihr etwas Lipgloss und Wimperntusche. Ihre zweite Tasche enthielt den Schlafsack und ein Kissen.

„Bist du fertig?“

Als sie sich zur Tür umdrehte, sah sie ihre Mutter eintreten. Königin Liana von El Bahar war eine wunderschöne Frau Mitte vierzig, die sich stets stilsicher kleidete und immer perfekt gestylt war. Wobei es sicher ganz hilfreich war, dass im Palast oft berühmte Designer vorbeischauten, um ihrer Mutter neue Kleider zum Anprobieren vorbeizubringen.

Ihre Mutter vergaß jedoch nie ihre Herkunft. Eine ihrer liebsten Wohltätigkeitsorganisationen half Frauen, Bildung zu erlangen, damit sie sich aus der Armut befreien und ihren Familien helfen konnten. Neben ihrer Arbeit im Vorstand dieser Organisation ging die Königin einmal im Jahr ihren Kleiderschrank durch und verkaufte einen Großteil ihrer Garderobe für einen guten Zweck.

Eines Tages, versprach Bethany sich. Eines Tages würde sie so klug, so elegant und selbstsicher sein wie ihre Mutter. Doch noch war dieser Tag nicht gekommen.

„Ich sehe, du hast schon gepackt“, sagte Liana und umarmte ihre Tochter. „Ich wünschte, du müsstest nicht gehen.“

„Ich auch, aber Rida kann den Flug auf keinen Fall allein überstehen. Er braucht mich.“

„Du wirst das Thanksgiving-Dinner verpassen. Und ich werde dich vermissen.“

Bethany versuchte, nicht zu lächeln. „Ich werde dich auch vermissen, Mom. Aber das Thanksgiving-Dinner? Wirklich? Soll ich dich an letztes Jahr erinnern?“

Die Mundwinkel ihrer Mutter begannen, leicht zu zucken. „Lieber nicht. Aber es war nicht meine Schuld.“

„Ja, ja, diese gemeinen Kalender-Leute haben dich reingelegt.“

El Bahar, in diplomatischen Kreisen auch als die Schweiz des Nahen Ostens bekannt, war ein multikulturelles Land, in dem viele verschiedene Glaubensrichtungen gelebt wurden. Es gab immer irgendeinen Feiertag zu begehen, und die königliche Familie genoss sie alle, einschließlich Thanksgiving.

Weil es beinahe zwanzig Jahre her war, dass sie Kalifornien verlassen hatte, und es im Palast weder Truthähne noch Pilger gab, die sie an den Tag erinnerten, geriet Thanksgiving manchmal zugunsten anderer Ereignisse in den Hintergrund. Im letzten Jahr hatte Liana den Feiertag komplett vergessen. Als es ihr an dem Tag gegen Mittag einfiel, war sie ganz aufgeregt durch den Palast geeilt und hatte förmlich darum gefleht, man möge einen Truthahn mit Füllung und Soße und dazu einen Kürbiskuchen auftreiben, und zwar wenn möglich noch rechtzeitig zum Abendessen um sieben Uhr.

Diese Aufgabe war unmöglich zu erfüllen gewesen, und so war die Familie übereingekommen, das Festmahl am nächsten Tag nachzuholen. Bethanys drei jüngere Brüder hatten die ganze Aufregung nicht verstanden. Wie auch, sie waren in El Bahar geboren und aufgewachsen. Ihr Wissen über die USA begrenzte sich auf das, was sie bei ein paar kurzen Besuchen und aus den Erzählungen ihrer Mutter gelernt hatten. Außerdem waren sie alle drei keine großen Freunde von Truthahn.

„Inzwischen habe ich den Feiertag in meinen Kalender eingetragen.“ Liana seufzte. „Ich hatte ein großes Festessen geplant. Was wirst du machen? Immerhin bist du in den Staaten, da vergisst den Feiertag garantiert niemand. Alle werden gemeinsam mit Familie und Freunden feiern. Ich möchte nicht, dass du dich einsam fühlst.“

„Ich komme schon klar“, versprach Bethany. „Rida und ich werden uns damit beschäftigen, die Regeln für Football zu lernen. Du weißt, was für ein großer Fan er ist.“

„Sehr lustig.“ Ihre Mutter schaute sich in dem Zimmer um und lächelte. „Mir gefällt es, dass du noch immer in dieser Suite lebst.“

Es war das Apartment, das man Liana und ihrer Tochter überlassen hatte, als sie vor so vielen Jahren hierhergekommen waren. Die Möbel waren inzwischen ausgetauscht worden, aber der Blick über das Meer war immer noch derselbe, genau wie das große Wandgemälde mit den Araber-Pferden, die durch die Wüste galoppierten.

Dieses Wandgemälde war das Erste, was Bethanys Interesse an ihrem neuen Zuhause geweckt hatte. Dann hatte sie das Gestüt des Kronprinzen mit den wunderschönen Pferden besucht und ihr Herz endgültig verloren.

Nach der Hochzeit waren Bethany und ihre Mutter bei Malik eingezogen. Und an ihrem achtzehnten Geburtstag hatte Malik ihr diese Suite als Geschenk übergeben.

„Ja, hier schließt sich der Kreis“, sagte sie gedankenverloren und schüttelte den Kopf. „Mom, ich komme schon klar.“

„Ich weiß. Du bist sehr gut in der Lage, dich um dich selbst zu kümmern.“

Bethany wusste, dass ihre Mutter noch mehr sagen wollte. „Aber?“, hakte sie deshalb nach.

„Ich will nur, dass du glücklich bist.“

„Ich bin glücklich.“

„Gut. Dann werde ich deutlicher: Ich will, dass du dich Hals über Kopf verliebst. Und ich will Enkelkinder. So, nun habe ich es gesagt, und du kannst mich bis in alle Ewigkeit hassen.“

Mit ihren sechsundzwanzig Jahren wollte Bethany das auch. Gut, nicht die Enkelkinder, aber einen Mann, der sie liebte, und ein paar Babys wären schon schön.

„Ich will dich natürlich nicht unter Druck setzen“, fügte ihre Mutter hinzu. „Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen.“

Bethany lachte. „Genau, Mom. Kein Druck.“ Was eigene Entscheidungen anging, hatte sie es bis zum heutigen Tag geschafft, stets die falschen zu treffen. Vor allem, was Männer anging.

„Ich werde immer meinen Beruf haben.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, damit ihre Mutter sich keine Sorgen machte.

„Dein Beruf hält dich aber nachts nicht warm.“

„Wenn ich im Stall schlafe, schon.“

„Du liebst es, deine wunderschöne Mutter zu quälen, oder?“, fragte König Malik, der in diesem Moment den Raum betrat. „Ich werde dir keine Vorhaltungen machen, weil du die Tochter meines Herzens bist. Aber du sollst wissen, dass sie sich um dich sorgt.“

König Malik – der diesen Titel erst trug, seit sein Vater vor fünf Jahren zurückgetreten war – war groß und attraktiv und hatte dunkle Augen und dunkles Haar. Er trug einen stylishen Anzug mit Hemd und Krawatte. Das traditionelle Gewand von El Bahar sparte er sich für seine regelmäßigen Ausflüge in die Wüste auf. Das Land war zwar modern und finanziell erfolgreich, doch genau wie der König vergaß es nie seine Wurzeln als Wüstenvolk.

„Du verlässt uns also schon wieder.“ Malik gab Bethany einen Kuss auf die Wange. „Das bricht uns das Herz.“

„Mein Herz ist auch gebrochen“, erwiderte sie nur halb im Scherz. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du Rida verkauft hast. Deine Hengste verkaufst du doch eigentlich nie, und technisch gesehen ist er noch ein Fohlen. Er ist erst vier. Und dann ist sein neuer Besitzer auch noch irgendein Typ in Kalifornien, von dem ich noch nie gehört habe. Wie kommt das?“

Malik schüttelte den Kopf. „Du wagst es, die Entscheidung deines Königs zu hinterfragen? Da habe ich als Vater wohl versagt.“

Bethany stöhnte. „Dad, ich meine das ernst.“

Maliks Augen funkelten amüsiert. „Ich auch. Ich bin der große und mächtige König des Landes, und du sprichst so aufmüpfig mit mir. Da ist eine angemessene Strafe fällig.“

„Sie verpasst Thanksgiving“, sagte Liana seufzend. „Das ist Strafe genug.“

„Ah, also werden wir uns dieses Jahr daran erinnern, meine Liebe?“ Er nahm Lianas Hand und gab ihr einen Kuss auf die Fingerknöchel. „Ich bin überaus erfreut.“

„Ihr beide seid komisch.“ Bethany nahm ihren Rucksack. „Ich muss zu Rida, damit wir uns auf den Weg zum Flugzeug machen können.“ Sie sah ihren Vater an. „Wenn wir den Spaß einmal beiseitelassen, Dad: Ich bin nicht glücklich darüber, dass du das getan hast.“

„Ich weiß, mein Kind. Ich denke, Rida wird es in Amerika gut gehen. Aber wenn du mit den Gegebenheiten vor Ort nicht einverstanden bist, hast du meine Erlaubnis, ihn wieder nach Hause zu bringen. Ich werde deine Entscheidung nicht infrage stellen.“

„Danke.“ Sie wusste, dass sie seinem Wort vertrauen konnte. Malik hatte sie noch nie angelogen.

Ihr Vater sah erst ihre Mutter und dann wieder sie an. „Wie von dir gewünscht, wurde der Stallmanager in Happily Inc darüber informiert, dass Rida auf seiner Reise von einer Beth Smith begleitet wird, die bei ihm bleibt, bis er sich eingelebt hat.“

„Vielen Dank.“

Sie wusste, dass ihre Eltern nicht verstanden, warum sie es manchmal vorzog, ihre Rolle als Prinzessin abzustreifen und als ganz normaler Mensch aufzutreten. Trotzdem respektierten die beiden ihre Wünsche. Da ihr Vater sein Leben lang auf die Rolle als Herrscher vorbereitet worden war, kannte er es nicht anders, doch sie schon. Obwohl sie ab und zu in Klatschmagazinen auftauchte, war sie relativ unbekannt, und das wollte sie auch bleiben. Statt ihren alten bürgerlichen Nachnamen zu nutzen, hatte sie sich für einen erfundenen Namen entschieden, damit niemand sie im Internet finden konnte. Die einfache Beth Smith konnte sich ungestört durchs Leben bewegen. Prinzessin Bethany von El Bahar nahm auf der Bühne wesentlich mehr Platz ein.

Das war wie mit ihrem Job in den königlichen Stallungen. Hätte sie auch nur die kleinste Spur von Interesse angedeutet, hätte ihr Vater ihr sofort irgendeine hohe Position gegeben, einfach nur, weil sie seine Tochter war. Doch Bethany zog es vor, sich ihren Platz zu verdienen. Also war sie nun eine schlichte Pferdewirtin, deren Aufgabe darin bestand, sich um ein bestimmtes Pferd zu kümmern, bis es verkauft wurde. Rida war eines dieser Pferde.

„Bist du zu Weihnachten zurück?“, fragte ihre Mutter sichtlich angespannt.

„Ich verspreche es, Mom. Rida wird nur ein paar Wochen brauchen, um sich einzugewöhnen. Ich werde weit vor Weihnachten wissen, ob ich ihn dort lassen kann oder nicht. Aber egal, wie, ich werde rechtzeitig wieder zu Hause sein.“

Ihre Eltern umarmten sie. Obwohl Bethany sechsundzwanzig Jahre alt war, kam sie sich plötzlich wieder wie ein kleines Kind vor. Ein Kind, das zum ersten Mal sein Zuhause verließ. So ist es immer, dachte sie. Der Palast war ihr sicherer Hafen geworden, und aus seinen schützenden Mauern herauszutreten bedeutete, viel zu viel zu riskieren. Aber Rida brauchte sie, und sie würde ihn nicht im Stich lassen.

Es gab einige Dinge, die Bethany an ihrem Prinzessinnen-Dasein störten, aber die Art, wie sie für geschäftliche Anlässe reiste, gehörte ganz bestimmt nicht dazu. Sie kam vor Rida auf dem Privatflughafen an und inspizierte die große Box, die in der Boeing 757 ihres Vaters eingerichtet worden war. Eine luxuriöse Sitzecke und private Kabinen nahmen den vorderen Teil des Flugzeugs ein. Der hintere war zu einem Pferdestall umgebaut worden.

Weiche Matten und eine dicke Lage Holzspäne sorgten für einen gedämpften und doch sicheren Stand des Pferdes. Der Wassertrog war so angebracht, dass er sich den Bewegungen des Flugzeugs anpasste, ohne seinen Inhalt zu verschütten. Es standen ein paar Eimer mit Deckeln bereit und die nötige Ausrüstung, damit sie sich um Ridas andere Geschäfte kümmern konnte.

Auch wenn die 757 jeden nur erdenklichen Komfort bot, würde Bethany im hinteren Bereich bei dem Hengst bleiben. Sie hatte dort einen bequemen Stuhl und ihren E-Reader. Mehr brauchte sie nicht. Rida war schon ein paarmal kürzere Strecken geflogen, damit er sich an die Erfahrung gewöhnte, doch mehrere Stunden war er noch nie in der Luft gewesen. Bethanys Aufgabe bestand darin, ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben und ihn bei Bedarf zu beruhigen. Da sie ihn seit seiner Geburt betreute, wirkte alleine ihre Anwesenheit besänftigend auf ihn.

Sie ging die lange Rampe hinunter und wartete auf die Entourage, die Ridas Ankunft verkündete. Alles Notwendige für seinen Umzug in die Staaten befand sich bereits an Bord. Sie nahmen ihr eigenes Heu, Pellets und Decken mit. Die Liste war endlos. Sein neues Zuhause würde anfangs fremd für ihn sein, deshalb sollte er wenigstens ein paar vertraute Dinge vorfinden. Bethany hatte sogar arrangiert, dass zweihundert Liter Wasser aus El Bahar mitgenommen wurden, damit Rida sich langsam an das kalifornische Wasser gewöhnen konnte.

Manche Menschen hätten einen derartigen Aufwand vermutlich lächerlich gefunden. Immerhin war Rida nur ein Pferd und würde schon klarkommen. Doch für Bethany war er mehr. Es war nicht nur ihr Job, sich um ihn zu kümmern, sondern sie liebte den Hengst und würde ihn schrecklich vermissen.

Ein Truck mit Pferdeanhänger fuhr vor dem Flugzeug vor. Dahinter hielt ein glänzender schwarzer Rolls Royce mit der königlichen Standarte. Bethany liebte ihren Pferdeschützling zwar heiß und innig, aber sie kannte auch die korrekten Umgangsformen. Statt sofort zu Rida zu laufen, ging sie daher zu dem Wagen hinüber und wartete, bis ihr Vater ausgestiegen war.

„Ich dachte, wir hätten uns im Palast voneinander verabschiedet“, sagte sie. „Was nicht heißen soll, dass ich mich nicht freue, dich hier zu sehen.“

König Malik lächelte. „Ich habe es nicht ertragen, dass die Tochter meines Herzens geht, ohne dass wir noch ein paar Minuten zusammen haben.“

„Und?“

„Ich gucke nach dir. Ich spüre, dass irgendetwas nicht stimmt. Sag mir, was es ist.“

Ab und zu überraschte ihr Vater sie mit seiner emotionalen Feinfühligkeit. Das war kein typischer Charakterzug für einen regierenden Monarchen. Autoritär – ja. Entschieden – sicher. Aber ein so genaues Empfinden für die Gefühlsschwankungen seiner Tochter? Interessant, dass Malik das gerade jetzt zeigte.

„Dad, mir geht es gut.“

„Natürlich geht es dir gut. Wäre es dir lieber, wenn jemand anderes Rida begleiten würde?“

„Wie bitte? Ich soll sein Wohlergehen einem Fremden überlassen? Kommt nicht infrage!“

„Unsere eigenen Pferdepfleger würde ich nicht als Fremde bezeichnen. Rida kennt sie und fühlt sich wohl mit ihnen“, erwiderte er sanft. „Bist du bedrückt, weil du deine Brüder vermissen wirst?“

Natürlich würde sie ihre Brüder vermissen. Sie waren sechzehn, vierzehn und zwölf, und sie betete sie an. Ihre Rolle als ältere Schwester machte viel mehr Spaß, als Bethany je gedacht hatte.

„Ich werde meine gesamte Familie vermissen“, murmelte sie und warf einen Blick zu dem Pferdeanhänger. „Dad, wir müssen wirklich los.“

Ihr Vater blieb, wo er war. „Sie werden warten.“

Richtig. Weil es ja schließlich sein Flugzeug war.

„Tochter meines Herzens, ich weiß, es hat auf deinem Weg ins Erwachsenenleben Schwierigkeiten gegeben“, setzte König Malik an. „Unerwartete Stolperfallen.“

Bethany unterdrückte ein Stöhnen. Diese Unterhaltung wollte sie auf keinen Fall führen. Nicht jetzt. Und überhaupt niemals.

Bei diesen ‚unerwarteten Stolperfallen‘, die ihr Stiefvater gerade erwähnt hatte, handelte es sich um eine Serie von schrecklichen Ereignissen, nach denen Bethany sich gedemütigt und fürchterlich hintergangen gefühlt hatte.

Mit vierzehn war sie auf ein Schweizer Internat geschickt worden, auf das die Töchter von Präsidenten, Premierministern und Adelsfamilien gingen. Bethany hatte die Schule geliebt und viele Freundschaften geschlossen. Ihre Familie hatte ihr natürlich gefehlt, aber sie war damit zurechtgekommen. Alles hatte perfekt gewirkt, bis dann plötzlich die ganze Sache schiefgegangen war.

Bei einem gemeinsamen Tanzabend mit einer nahegelegenen Jungenschule hatte Bethany einen Jungen kennengelernt. Es war nur ein unschuldiger, ihrem Alter angemessener Flirt gewesen, und der Abend hatte mit ihrem ersten Kuss geendet. Doch eine Freindin, wie Bethany ihre ehemalige Freundin nun nannte, hatte davon erfahren und in ihrem Blog darüber geschrieben. Irgendjemand hatte diesen Artikel an die europäische Presse durchsickern lassen, und aus der harmlosen Geschichte war ein Skandal über Sexpartys und Drogen geworden.

Bethany war zu Tode gedemütigt gewesen. Ihre Eltern hatten ihr angeboten, nach El Bahar zurückzukehren, und sie hatte die Gelegenheit sofort ergriffen. Eine Reihe von Privatlehrern und die Liebe zum Lernen hatten dafür gesorgt, dass sie nur zwei Jahre später trotzdem ihren Highschoolabschluss machen konnte. Danach war sie in Tennessee aufs College gegangen. Dort hatte sie – nachdem sie inzwischen älter und weiser war – beim Ausgehen besondere Vorsicht walten lassen.

Aber dann hatte sie sich in einen süßen Jungen verguckt – einen etwas nerdigen Ingenieurstudenten. Alles schien gut zu laufen. Sie beide waren die Sache langsam angegangen, doch mit der Zeit waren sie sich immer näher gekommen. Bis sie schließlich Liebende wurden. Denn dann hatte der Ingenieurstudent heimlich Fotos von ihr gemacht und sie an ein Boulevardblatt verkauft. Es gab zwar keine nackten Frontalaufnahmen, dennoch war nicht zu verkennen gewesen, wer auf den Bildern zu sehen war. Die Schlagzeile „Ich entjungferte eine Prinzessin“ hatte auch die letzten Zweifel ausgeräumt.

Bethany war erneut am Boden zerstört gewesen. Und sie war wieder zurück in die Sicherheit des königlichen Palasts geflüchtet. Ihr Vater hatte gedroht, den jungen Mann aufzuspüren und ihn in den Kerker werfen zu lassen. Ihre normalerweise sehr ausgeglichene Mutter hatte diesem Plan zugestimmt. Doch als Bethany selbst aus dem Tal der Schande wieder aufgetaucht war, hatte sie sich mehr Gedanken darüber gemacht, warum es bei ihr immer schiefging.

Andere schafften es doch auch, im Scheinwerferlicht aufzuwachsen, ohne ständig ins Fettnäpfchen zu treten. Lag es daran, dass sie nur ein Kind aus Riverside, Kalifornien war? Fehlte ihr das, was man von Anfang an mitbekam, wenn man in adlige Kreise hineingeboren wurde? Was auch immer der Grund war, sie akzeptierte, dass sie in Zukunft noch vorsichtiger sein musste, und zog sich von dem, was die Welt als normales Leben bezeichnete, noch mehr zurück. Ihrer Familie und den Menschen im Palast konnte sie vertrauen. Genauso ihren Pferden. Allen anderen eher nicht.

Deshalb würde sie als Beth Smith reisen und niemandem in Happily Inc verraten, wer sie wirklich war. Während sie Rida half, sich einzugewöhnen, würde sie einfach mal eine Weile das Leben einer ganz normalen jungen Frau führen, bevor sie dann in die Sicherheit des Palasts zurückkehrte.

Jetzt sah sie ihren Vater an. „Dad, es liegt nicht an dem, was damals passiert ist. Es liegt daran, dass du Rida verkauft hast. Er ist wundervoll. Schnell, klug und in perfekter Form. Er wäre eine tolle Ergänzung unseres Zuchtprogramms.“

„Ja, das wäre er. Doch in meinem Stall ist jedes Pferd perfekt. Rida wäre nur einer von vielen gewesen, und ich glaube, er hat mehr verdient. Er hat es verdient, etwas Besonderes zu sein. In Amerika bekommt er die Chance, sein volles Potenzial auszuschöpfen und herauszufinden, was er alles sein kann.“

Sie verengte die Augen ein wenig. „Wir reden immer noch über das Pferd, oder?“

Ihr Vater lächelte. „Natürlich. Worüber sonst?“

Richtig. Es war ja nicht so, dass sie für immer in Happily Inc bleiben würde. Sobald Rida sich eingelebt hatte, würde sie nach Hause zurückkehren. Rechtzeitig zu Weihnachten, wie sie es ihrer Mutter versprochen hatte.

Sie umarmte ihren Vater. „Ich komme zurecht, Dad.“

Eine Sekunde lang hielt er sie ganz fest, bevor er sie losließ. „Du weißt, wie du mich erreichen kannst, solltest du irgendetwas brauchen. Wenn nötig, steht dir die Flugzeugflotte von El Bahar sofort zur Verfügung.“

„Ich tue jetzt mal so, als hättest du das nicht gesagt.“

Ihr Vater lachte leise, stieg dann in seinen Wagen und wurde davongefahren.

Nachdem die königliche Ablenkung nun fort war, richtete Bethany ihre Aufmerksamkeit auf den Pferdeanhänger. Sie half, die Riegel zu lösen und die Klappe zu öffnen, dann sprach sie besänftigend auf den großen schwarzen Hengst ein.

„Hey, mein Großer. Wie geht es dir? Bereit für ein Abenteuer? Ich glaube, wir sollten uns mal diese kleine Stadt namens Happily Inc anschauen. Um diese Jahreszeit soll es da wirklich hübsch sein. Was meinst du?“

Sie ging in den Anhänger hinein und band Rida los, dann führte sie ihn die Rampe hinunter. Nachdem sie ihm ein paar Minuten Zeit gelassen hatte, sich an die Umgebung zu gewöhnen, führte sie ihn in das Flugzeug.

Er ging selbstbewusst an ihrer Seite und trat ohne zu zögern in seine Box.

Normalerweise wurde er im Stall nicht angebunden, aber für den Flug sicherte sie ihn lieber. Wenn sie unterwegs die Box betreten musste, wollte sie wissen, bis wohin seine Hufe reichten. Rida hatte den Ruf, stur und schwierig zu sein – zumindest bei anderen Menschen. Bei Bethany war er süß und fügsam. Dennoch war er ein kräftiges Tier, das sich erschrecken und panisch reagieren konnte.

Mit der Hand strich sie über sein glänzendes schwarzes Fell und erhielt als Dank einen sanften Stups mit der Nase. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass mein Vater dich verkauft hat“, murmelte sie an seinem Hals. „Ich schwöre dir, wenn dir es dort nicht gefällt, bringe ich dich sofort wieder nach Hause. Großes Pfadfinderehrenwort.“

Rida lehnte seinen Kopf an ihren, als wolle er ihr sagen, dass er ihr komplett vertraute. Sie blieb noch einen Moment so stehen, dann verließ sie die Box und griff nach dem Telefonhörer, der neben der Tür an der Wand hing, die ihren Bereich von dem Hauptbereich des Flugzeugs trennte.

„Wir sind bereit“, sagte sie zu der Flugbegleiterin, die den Anruf entgegennahm. „Wann auch immer der Kapitän so weit ist, können wir los.“

„Ja, Hoheit … äh, Ms. Smith“, erwiderte die Frau. „Ich sage ihm Bescheid.“

„Danke.“

Bethany überlegte, ob sie das Personal noch einmal daran erinnern sollte, dass sie ab jetzt einfach nur Beth Smith war, eine unauffällige Pferdepflegerin, die ein außergewöhnliches Pferde auf seiner Reise begleitet. Dann beschloss sie, es zu lassen. Die Chancen, dass irgendjemand sie bei ihrem echten Namen nannte, sobald sie Happily Inc erreicht hatten, waren gering. Nachdem sie Rida und seine Sachen aus dem Flugzeug geholt hatte, würde die Crew sofort nach El Bahar zurückkehren.

„Bitte lassen Sie mich wissen, wann ich Ihr Essen servieren soll und wenn ich in irgendeiner Weise behilflich sein kann.“

„Vielen Dank.“

Bethany legte auf und sah noch einmal nach Rida. Der Hengst wirkte entspannt und schläfrig. Also schnallte sie sich an und machte es sich auf ihrem Sitz bequem, bevor sie die Augen schloss und sich wünschte, die dumme Reise bereits hinter sich zu haben. Wobei zu Hause zu sein auch nicht wirklich besser war.

Sie war sechsundzwanzig Jahre alt und arbeitete als Pferdepflegerin auf dem Gestüt ihres Vaters. Wie jämmerlich war das denn bitte? Mit all den Möglichkeiten, die sie hatte, sollte sie etwas Wichtiges mit ihrem Leben anfangen. Geld für einen guten Zweck sammeln, Medizin studieren und ein Heilmittel für eine Krankheit finden. Stattdessen versteckte sie sich – hatte Angst, in die Welt hinauszugehen, weil jemand so tun könnte, als wäre er ihr Freund, nur um etwas über sie in Erfahrung zu bringen, das er an die Presse verkaufen oder im Internet veröffentlichen konnte.

Es wäre so schön, sich nützlich zu fühlen. Oder herauszufinden, was ihr wichtig war. Sie wollte ihr Leben leben, sich verlieben und eine Familie gründen. Sich im Palast zu verstecken führte zu gar nichts. Es war an der Zeit, erwachsen zu werden und ihr Glück in die eigenen Hände zu nehmen.

Ich werde meine Zeit in Happily Inc nutzen, um einen Plan zu entwickeln, versprach Bethany sich. Alle Möglichkeiten kamen in Betracht – sie konnte zurück aufs College gehen und ihren Abschluss nachmachen, sie konnte für einen Wohltätigkeitsverein arbeiten oder sich bei einem Online-Datingportal anmelden. Das Wichtigste war, endlich überhaupt etwas zu unternehmen.

Also erst ein Plan, dann die Umsetzung. Sie wusste, dass ihre Eltern sie liebten. Jetzt wollte sie, dass die beiden auch stolz auf sie waren. Und noch wichtiger: Sie wollte selber stolz auf sich sein.

2. KAPITEL

Cade Saunders versuchte, sich cool zu geben, aber das war beinahe unmöglich. Er fühlte sich wie ein Kind am Weihnachtsmorgen. Nein, das war nicht richtig. Er fühlte sich wie ein Kind an fünf Weihnachtsmorgen und sechs Geburtstagen zusammen. Er konnte weder schlafen noch essen, und er ertappte sich immer wieder dabei, grundlos vor sich hin zu pfeifen.

Ich bin einfach ein Trottel, dachte er fröhlich, als er auf seiner Veranda stand. Aber das war okay – Trottel hatten bekanntlich besonders viel Glück.

Das Sicherheitssystem seiner Ranch hatte ihn alarmiert, dass ein autorisierter Code eingegeben worden war, um das Haupttor zu öffnen. Und so dauerte es auch nicht lange, bis er ein vertrautes Auto vorfahren sah. Er wartete, bis seine Schwester ausgestiegen war, dann winkte er fröhlich und sprang die Treppe in einem Satz hinunter.

Seine Zwillingsschwester starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte sie. „Du siehst …“ Sie musterte ihn eindringlich. „Ich weiß nicht, aber irgendwie machst du mir Angst.“

„Es ist alles in Ordnung“, erwiderte er und bemühte sich, lässig und männlich zu wirken.

Pallas stöhnte. „Es ist das Pferd, oder? Du vibrierst ja förmlich vor Aufregung. Was bei einem Siebenjährigen charmant wäre, aber bei einem Mann, der auf die Dreißig zugeht, ist es höchst verstörend.“

Er rannte auf sie zu, packte sie an der Taille und wirbelte seine Schwester im Kreis herum. „Ich kann nicht anders“, rief er, bevor er sie lachend absetzte. „Ist dir klar, was das bedeutet? Wir haben einen Hengst aus dem königlichen Gestüt von El Bahar. Hier, in Happily Inc. Das ist unglaublich. Es ist mehr als unglaublich – es ist ein Wunder. Weißt du, wie selten der König eines seiner Pferde verkauft? Das passiert beinahe nie, und wenn doch, dann handelt es sich meistens um eine Stute. Aber wir bekommen einen Hengst.“

Seine Schwester schüttelte den Kopf. „So sehr freust du dich darüber, dass deine Pferde bald Sex haben werden? Sorry, dass ich das sagen muss, aber du solltest mal öfter aus dem Haus gehen.“

Wieder wirbelte er sie herum. „Ich arbeite an unserem Zuchtprogramm, aber Rida verändert alles. Er wird uns einen Platz auf der Landkarte sichern.“

„Technisch gesehen gibt es Happily Inc schon auf der Landkarte“, erwiderte Pallas. „Du solltest uns mal auf Google Maps suchen. Wir sind ganz leicht zu finden.“

„Ach, Schwesterherz, es ist ein großartiger Tag.“

„Dann freue ich mich für dich. Und ich habe alles mitgebracht, worum du mich gebeten hast. Allerdings frage ich mich, warum du nicht einfach deiner Haushälterin gesagt hast, dass sie sich um das Gästezimmer kümmern soll.“

„Das hier ist wichtig. Es muss genau richtig sein.“ Er zuckte mit den Schultern. „Du hast einen fabelhaften Geschmack, Pallas, und ich vertraue dir.“

Sie stöhnte. „Sei nicht so ernst. Das macht es mir schwer, dich aufzuziehen.“ Sie ging um ihren Wagen herum und öffnete den Kofferraum. „Okay. Bringen wir das Zeug hinein.“

Das „Zeug“ bestand aus mehreren Kartons und Einkaufstüten. Der Kofferraum war voll, genau wie die Rückbank und der Beifahrersitz. Gemeinsam trugen sie alles ins Haus. Pallas sortierte die Sachen und erklärte ihrem Bruder dann, was wohin gehörte.

Als Cade erfahren hatte, dass König Malik bereit war, ihm Rida zu verkaufen, hatte er nicht viel weiter gedacht als daran, den Stall fertigzumachen. Vor drei Tagen hatte der königliche Stallmeister ihn dann darüber informiert, dass Rida von einer der Pferdepflegerinnen begleitet werden würde, die mit dem Hengst vertraut war. Das war nicht ungewöhnlich. Cade hatte gewusst, dass jemand mitkommen würde, um sicherzugehen, dass es dem Pferd gut ging und die Umstände akzeptabel waren, denn so hatte es in seinem Vertrag mit dem König gestanden. Damit, dass die Begleitung weiblich war, hatte er allerdings nicht gerechnet, und er war sofort in Panik ausgebrochen.

Das Farmhaus auf der Ranch war beinahe hundert Jahre alt. Es war ein paar Mal renoviert worden, aber die Küche hatte sich seit den 1950er-Jahren kaum verändert, und die Badezimmer waren auch nicht viel besser. Er bezweifelte, dass es einen Kerl stören würde, aber bei einer Frau konnte das anders sein. Frauen neigten dazu, ihrer Umgebung mehr Aufmerksamkeit zu schenken und höhere Erwartungen zu haben. Da er nicht gewusst hatte, was er tun sollte, hatte er seine Schwester um Hilfe gebeten. Und Pallas hatte ihn nicht enttäuscht.

Gemeinsam trugen sie einige Kisten und ein halbes Dutzend Einkaufstüten ins Gästezimmer. Pallas betrachtete einen Moment die violett-grüne Tapete und seufzte.

„Du hast keine Witze gemacht, als du mich daran erinnert hast, wie schlimm es ist“, sagte sie. „Das ist ernsthaft hässlich.“

„Es bleibt keine Zeit, neu zu tapezieren, weil sie heute schon kommen.“ Würde die Tapete die Pferdepflegerin irritieren? Würde sie deswegen das Pferd wieder mit nach Hause nehmen?

„Keine Sorge. Ich habe das Problem zwar nicht gelöst, aber gemanagt.“

Er musste das große Doppelbett abziehen und die Bettwäsche nach unten bringen. Gemeinsam bezogen sie das Bett neu mit frisch gewaschenen Laken in einem blassen Salbeiton. Darauf kamen eine dicke Baumwolldecke und ein cremefarbener Überwurf.

Dann holte Pallas zwei dekorative Wolldecken heraus, die Cade zusammengefaltet ans Fußende des Bettes legen sollte. Getoppt wurde das Ganze mit gefühlten einhundert Kissen. Während Pallas sich im Bad zu schaffen machte, schraubte Cade eine Nachttischlampe zusammen. Eine halbe Stunde später waren sie fertig.

Das angrenzende Badezimmer war groß, aber altmodisch. Der Boden war mit achteckigen weißen Fliesen belegt, die sich auch die halbe Wand hochzogen. Die Badewanne mit den Klauenfüßen stand an einem Ende des Raumes. Der Putzservice hatte sie zwar geschrubbt, aber sie sah trotzdem noch nach dem aus, was sie war – eine Badewanne aus einer anderen Ära.

Pallas ersetzte den alten Duschvorhang durch einen neuen in Salbei und Beige. Ein kleines weißes Regal wurde mit gerollten Handtüchern in verschiedenen Grüntönen gefüllt. Auf das obere Regal legte sie einen Föhn und ein Körbchen mit verschiedenen Tuben und Tiegeln und Cremes. In die Ecke kam noch ein mobiles Heizgerät – eine kleine Aufmerksamkeit, die jemand, der aus wärmeren Gefilden kam, sicher zu schätzen wusste. Happily Inc lag zwar in der kalifornischen Wüste, aber im Gegensatz zu El Bahar konnte es hier im November ganz schön frisch werden.

Unten im Wohnzimmer erklärte Pallas ihrem Bruder, welche Überwürfe er über die Sofas legen sollte. Dann tauschte sie die Sets auf dem Küchentisch aus und stellte ein paar Truthähne aus Keramik auf den Tresen.

Als sie fertig waren, zog Cade sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.

„Du hast was bei mir gut“, sagte er.

„Richtig. Ich freue mich auf den Tag, an dem du dich revanchieren musst.“ Sie grinste ihn an. „Ehrlich, das hat Spaß gemacht. War mal eine nette Abwechslung von der Arbeit als Hochzeitplanerin. Und wenn ich mit dem Geld anderer Leute shoppen gehen kann, ist das überhaupt das Beste.“

„Ohne dich hätte ich das nicht geschafft. Vielen, vielen Dank.“

Sie drehte sich um, sodass sie direkt vor ihm stand. „So habe ich dich noch nie gesehen“, erklärte sie. „Du bist immer so entspannt und selbstsicher. Dieses Pferd scheint dir wirklich sehr wichtig zu sein.“

Denn mehr ist Rida für Pallas nicht, dachte er lächelnd. Ein Pferd. Ein austauschbares Huftier.

„Ja, das ist es.“

„Dann hoffe ich, dass meine Maßnahmen helfen.“

Sie schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Durch die Bewegung funkelte der Brillant an ihrem Verlobungsring im hellen Sonnenlicht auf. Pallas‘ Verlobter war ein guter Kerl, und Cade war glücklich, ihn in seiner Familie zu haben. Außerdem war er erleichtert, dass seine Schwester nun jemanden hatte, der ihr zur Seite stand und auf sie aufpasste.

Er nahm ihre Hand und nickte in Richtung des Rings. „Habt ihr schon ein Datum festgelegt?“

„Nein. Und ich will im Moment auch nicht darüber nachdenken. Ich habe andere Hochzeiten, die geplant werden müssen.“

Seine Schwester war die Eigentümerin von Weddings out of the Box, einer Firma, die Hochzeiten ausrichtete. Die Paare kamen von überall her, um eine Motto-Hochzeit zu feiern. Das Angebot reichte von Prinzessinnen-Hochzeiten über Piraten-Hochzeiten bis zu bunten Unterwassertrauungen. Pallas arbeitete hart für ihren Erfolg. Daher konnte er gut verstehen, dass sie nicht zusätzlich noch über die Planung ihrer eigenen Hochzeit nachdenken wollte.

„Ihr könntet einfach durchbrennen“, schlug er vor.

„Darüber haben wir auch schon gesprochen.“ Sie seufzte. „Ich mache mir nur Sorgen, dass dann alle enttäuscht sein werden.“

„Wir kommen darüber hinweg“, versicherte er. „Bei der Heirat geht es nur um dich und Nick. Macht, was sich für euch richtig anfühlt.“

„Danke.“ Sie schaute sich in der Küche um. „Okay, Lieblingsbruder, ich muss zurück zur Arbeit. Viel Glück mit dem Mädchen und dem Pferd.“

„Ich sag dir Bescheid, wie es gelaufen ist.“

Er begleitete sie zur Haustür. Auf der Veranda drehte Pallas sich noch einmal zu ihm um und sah ihn aus großen Augen an.

„Du musst sie zu Thanksgiving einladen.“

„Nein. Muss ich nicht.“

„Oh doch. Das ist ein großer Feiertag, und sie wird ganz allein sein.“

„Sie kommt aus El Bahar. Da feiert man Thanksgiving nicht. Außerdem ist es ein Familienfest, und sie würde sich inmitten unserer Familie bestimmt komisch vorkommen.“

Zu Thanksgiving versammelte sich immer der gesamte Clan – Grandpa Frank, seine sieben Töchter, deren Ehemänner und Kinder. Cade und Pallas hatten über ein Dutzend Cousins und Cousinen. Es war immer sehr laut und hektisch.

„Außerdem ist da noch Mom“, fügte er hinzu.

Pallas verzog das Gesicht.

Ihre Mutter Libby war eine Frau, die fest daran glaubte, dass Regeln befolgt werden mussten, und dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn niemand aus der Reihe tanzte. Cade hatte sich schon immer gegen Einschränkungen gewehrt und früh gelernt, seinen eigenen Weg zu gehen. Pallas hingegen hatte viele Jahre lang versucht, Libby zufriedenzustellen. Erst, als sie sich endlich befreit hatte, war die Beziehung zu ihrer Mutter wieder etwas besser geworden.

„Du musst sie trotzdem wenigstens fragen“, erklärte sie ihm. „Vermutlich wird sie die Einladung sowieso ablehnen, aber einladen musst du sie.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

Womit er eigentlich sagte: Auf keinen Fall. Nicht für alles Geld der Welt. Sein Ziel war es, Ridas Pflegerin zu beeindrucken, und nicht, sie durch ein Zusammentreffen mit seiner Familie brüskieren. Außerdem war er ziemlich sicher, dass sie kein Interesse an einem amerikanischen Thanksgiving-Dinner haben würde.

„Rida wird dann erst ein paar Tage hier sein“, fügte er an. „Vermutlich will sie ihn noch nicht so lange allein lassen.“

Um Pallas Mundwinkel zuckte es. „Klar, seine empfindliche Pferdeseele darf unter keinen Umständen leiden.“ Sie umarmte ihren Bruder und lief dann zu ihrem Wagen. „Viel Glück, Cade.“

„Danke. Du bist die Beste!“

„Das habe ich schon öfter gehört.“ Immer noch lachend fuhr sie davon.

Cade kehrte ins Haus zurück. Noch einmal überprüfte er, ob im Gästezimmer alles bereit war für die geheimnisvolle Frau, die den Hengst begleiten würde. Dann ging er hinaus zu den Ställen. Es wäre leichter, im Büro zu warten. Da gab es immer irgendwelchen Papierkram zu erledigen, und wenn ihn das nicht ablenkte, konnte er in der Stallgasse auf und ab tigern, bis es an der Zeit war, zum Privatflughafen zu fahren und das Pferd abzuholen, das alles verändern würde.

Achtzehn Stunden, vier Mahlzeiten, zwei Filme, einen Tankstopp und ein halbes Buch später merkte Bethany, wie das Flugzeug zum Landen ansetzte. Der Kapitän hatte zwar die Ortszeit verkündet, aber sie war nicht sicher, ob sie einen Tag verloren oder hinzugewonnen hatten. Sie war erschöpft und sich ziemlich sicher, dass es Rida genauso ging. Der Hengst hatte sich zwar während des ganzen Fluges hervorragend verhalten, doch er war rastlos und hatte ebenfalls nicht viel geschlafen.

Sie wartete, bis das Flugzeug auf dem Rollfeld zum Stehen kam, bevor sie aufstand und sich streckte. Die Crew würde die große hintere Klappe öffnen und die Rampe ausfahren, damit Rida aus der Box geführt werden konnte. Bethany wollte dem Pferd jedoch erst ein paar Minuten gönnen, um sich an das helle Licht und die frische Luft zu gewöhnen, bevor sie ihn nach draußen brachte. In ihrer Gegenwart verhielt sich Rida zwar meistens lammfromm, aber er war trotzdem ein massiger Kerl, der sie wie eine Fliege zerquetschen konnte, wenn er sich erschreckte und in Panik geriet.

In ihrem Rucksack fand sie die Sonnenbrille und setzte sie auf. Dann ging sie die Rampe hinunter und hinein in das helle Licht der Nachmittagssonne. Der Himmel war klar und hellblau. Sie standen auf einem kleinen privaten Flugplatz. In der Ferne sah sie die Berge. Bethany vermutete, dass dort Osten war. Ein paar hundert Meilen Richtung Westen befand sich der Pazifik.

Hier fühlte sich alles so anders an – anders als in El Bahar und im östlichen Teil der USA, wo sie eine Zeit lang aufs College gegangen war –, und doch war es auch vertraut. Vielleicht, weil sie die ersten neun Jahre ihres Lebens nicht weit von hier entfernt in Riverside verbracht hatte.

Sie schüttelte die Erinnerungen ab und schaute zu der kleinen Gruppe, die auf sie und Rida wartete. Es gab drei große Trucks, einen normalen Pick-up mit Pferdeanhänger und eine Handvoll Männer. Einer von ihnen kam grinsend auf sie zu.

Er war groß – nun ja, mit ihren eins zweiundsechzig kamen ihr die meisten Menschen groß vor – und hatte hellbraune Haare und breite Schultern.

„Beth Smith?“ Er streckte ihr seine Hand hin. „Ich bin Cade Saunders.“

Sie schüttelten einander die Hand, dann setzte der Mann seine Sonnenbrille ab. Seine Augen waren braun, und an einer Braue hatte er eine kleine Narbe. Als Bethany ihn ansah, verspürte sie ein seltsames Zittern in ihrem Magen, dem sofort der Wunsch folgte, ihre Haare trotz des französischen Zopfes über die Schulter zu werfen.

Nein, nein, nein, befahl sie sich energisch. Auf dieser Reise würde es kein Haareschütteln geben. Kein Schwärmen oder irgendwelche Gedanken daran, dass ein gewisser Cade Saunders sehr attraktiv war. Hier ging es um Arbeit, um sonst nichts. Das Letzte, was sie in ihrem Leben gebrauchen konnte, war ein charmanter Cowboy.

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte sie und entzog ihm vorsichtig ihre Hand.

Cade schaute angespannt zum Flugzeug. „Wie geht es ihm? Hat er die Reise gut überstanden? Wie kann ich helfen?“

„Sie können aus dem Weg gehen, wenn ich ihn heraushole“, erklärte sie. „Wie ich sehe, haben Sie Trucks dabei, wir können also schon mal anfangen, Ridas Sachen auszuladen.“

„Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen.“ Cade klang so aufgeregt wie ein kleiner Junge, der das größte Geschenk seines Lebens bekommt. „Ich fasse es immer noch nicht, dass der König ihn mir gegeben hat. Als ich hörte, dass er verkauft werden soll, dachte ich natürlich, ich habe keine Chance. Trotzdem musste ich es einfach versuchen, verstehen Sie? Er ist einfach wunderbar. Ich habe das Video über ihn bestimmt fünfzig Mal angeschaut. Wie er sich bewegt. Diese Kraft. Den König habe ich in Texas bei einem Abendessen kennengelernt. Er ist ein toller Typ. Haben Sie ihn schon mal getroffen?“

Sie starrte Cade an. „Ein oder zwei Mal“, murmelte sie. „Sie sind wirklich ziemlich aufgeregt.“

„Wären Sie das nicht? Das hier ist eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt. Ich leite eine kleine Ranch in Happily Inc, Kalifornien. Leute wie ich bekommen nicht jeden Tag die Chance, ein Pferd wie Rida zu erwerben.“

Bethany bemühte sich, nicht zu lächeln. Es gefiel ihr, wie glücklich Cade war. Eines war jedenfalls klar: Rida würde hier geschätzt werden. Darüber war sie froh, auch wenn sie den Hengst trotzdem sehr vermissen würde.

„Dann will ich Sie ihm mal vorstellen.“ Sie ging die Rampe hinauf.

Im Flugzeug sprach sie leise mit dem Pferd. Rida hörte ihr zu, die Ohren aufmerksam nach vorne gerichtet, als wüsste er, dass er endlich aus seiner Box herauskäme. Bethany streichelte ihm ein paar Minuten über Kopf und Nacken, woraufhin der Hengst seine Nase an ihren Hals drückte. Dann band sie ihn los und führte ihn in Richtung Rampe.

Rida folgte ihr leichtfüßig, dabei atmete er scharf ein und testete die Luft. Oben auf der Rampe blieb Bethany stehen, damit sich seine Augen an das Licht gewöhnen konnten, bevor sie hinuntergingen.

Als sie den Asphalt erreicht hatten, führte sie Rida ein paarmal im Kreis herum, um seine Gelenke zu lockern. Er wirkte nicht angespannt, sondern eher interessiert – als wäre er neugierig auf seine neue Umgebung. Cade beobachtete ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Dankbarkeit. Schließlich führte sie das Pferd zu seinem neuen Besitzer.

„Rida, das ist Cade. Er wird sich von jetzt ab um dich kümmern.“

Als sie diese Worte sprach, von denen sie wünschte, sie wären nicht wahr, zog sich ihre Brust zusammen. Warum musste es von all den Pferden, die ihr Vater hätte verkaufen können, ausgerechnet dieses sein? Ja, der König hatte es ihr erklärt, aber sie war immer noch nicht überzeugt, dass das der wahre Grund war – auch wenn ihr Stiefvater das niemals zugegeben hätte.

„Hey, Rida“, sagte Cade leise. Er blieb ein wenig auf Distanz zu dem Pferd, damit es sich an seine Umgebung gewöhnen konnte. „Willkommen daheim.“

Eine der Flugbegleiterinnen trug die beiden kleinen Reisetaschen und den Rucksack die Rampe hinunter.

„Haben Sie noch weiteres Gepäck, Prin… äh Beth?“ Ihr Blick glitt zwischen Cade und Bethany hin und her.

„Nein, das ist alles“, sagte Bethany betont locker. „Rida ist der derjenige, der mit großem Gepäck reist.“

Die Flugbegleiterin lächelte, bevor sie nickte und ins Flugzeug zurückkehrte. Die Ladeklappen wurden geöffnet und Fässer, Kartons und Kisten auf das Gepäckband gewuchtet.

Der erste der drei Trucks war schnell gefüllt, und der zweite fuhr vor.

„Sie haben nicht übertrieben“, sagte Cade, der das Ausladen beobachtete. „Haben Sie wirklich Wasser mitgebracht?“

„Ja. Mit dem Jetlag und der neuen Umgebung wird die Umgewöhnung für ihn schon schwer genug. Ich will nicht, dass er auch noch Magenprobleme bekommt.“

Cade hob die Hände, als würde er sich ergeben. „Ich habe nur gefragt. Sie sind der Boss. Übrigens filtern wir unser Wasser auf der Ranch. Es kommt aus einer unterirdischen Quelle und ist von hoher Qualität und Reinheit.“

„Aber trotzdem anders als das Wasser, das er gewohnt ist.“

Sie führte Rida in den Anhänger und band ihn fest. Inzwischen war der dritte Truck beinahe voll.

„Muss irgendjemand aus der Crew zum Übernachten in die Stadt?“, fragte Cade. „Dann würde ich das arrangieren.“

„Nein, sie fliegen sofort wieder los. Wir hatten zwei Crews an Bord, sodass die eine jetzt ausgeruht ist und übernehmen kann.“

Er schaute zu der riesigen 757. „Und Sie waren die einzige Passagierin? Was für ein Luxus. Es muss nett sein, ein König zu sein.“

Sie grinste. „Das habe ich auch gehört.“

Bethany nahm auf dem Beifahrersitz seines Pick-ups Platz und schnallte sich an. Cade startete den Motor und sie fuhren vom Flugplatz. Ungefähr zehn Minuten später flog die königliche Maschine auf dem Rückweg nach El Bahar über sie hinweg.

Bethany wusste, dass Happily Inc in der kalifornischen Wüste lag, keine sechzig Meilen von Palm Springs entfernt. Die Stadt befand sich am Fuß der Berge und hatte ein relativ gemäßigtes Klima. Zumindest würde Rida sich nicht an Schnee und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gewöhnen müssen.

„Die Ranch liegt knappe zwanzig Minuten vom Flugplatz entfernt“, erklärte Cade ihr. „Es ist ein Privatflughafen, der nicht besonders häufig genutzt wird. Die meisten Leute fliegen entweder nach Palm Springs oder nach Los Angeles.“

Sollte ich Rida wirklich hierlassen, werde ich auch mit einer Linienmaschine nach El Bahar zurückfliegen, dachte Bethany. Vermutlich von Los Angeles aus mit Umsteigen in Amsterdam oder Frankfurt.

„Waren Sie schon einmal in den Vereinigten Staaten?“ Kaum hatte er die Frage gestellt, schüttelte Cade auch schon den Kopf. „Sorry. Natürlich. Sie sind ja Amerikanerin. Wo sind Sie aufgewachsen?“

„Interessanterweise nicht weit von hier entfernt“, erwiderte sie. „Meine Mom und ich kommen aus Riverside. Als ich neun war, sind wir nach El Bahar gezogen. Später bin ich dann für ein paar Jahre nach Tennessee zurückgegangen, um das College zu besuchen.“

„Also sind sie ein echtes California-Girl.“

Sie lachte. „Stimmt, das bin ich wohl, wenn man es genau nimmt.“

Links und rechts des Highways erhoben sich sanft geschwungene Hügel, auf denen zahlreiche Bäume standen. Bethany sah eine Bewegung, schaute noch einmal hin und schüttelte dann den Kopf.

„Was ist?“, wollte Cade wissen.

„Nichts. Ich hätte nur schwören können, dass ich eine … Ist es möglich, dass es hier Gazellen gibt?“

Sie wappnete sich dagegen, ausgelacht zu werden, aber Cade grinste nur.

„Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie außerdem ein paar Zebras und eine Giraffe entdecken. Oder auch drei Giraffen. Die beiden neuen Weibchen sollen in dieser Woche eintreffen. Vielleicht ist es heute schon so weit.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Wir haben hier ein Wildtierreservat am Stadtrand. Es ist mit der Mülldeponie und dem Recycling-Center verbunden. Verrückt, ich weiß.“

„Sehr ungewöhnlich“, bestätigte sie. „Aber nett.“

Ein paar Minuten später bogen sie auf eine lange asphaltierte Auffahrt ein. Als sie das große Tor erreichten, bremste Cade und gab einen Code ein. Gleich darauf öffneten sich die beiden Torflügel.

Bethany schaute sich um. Sie konnte es kaum erwarten, einen ersten Eindruck von der Ranch zu erhalten. Das Gefühl der Weite gefiel ihr. Es gab große Weideflächen und viele Bäume, die Schatten spendeten. Direkt vor sich erblickte sie ein Farmhaus, das nett aussah. Doch sie interessierte sich mehr für die Ställe.

Sie fuhren um das Haus herum. Vor ihnen tauchte eine Reihe von Gebäuden auf, darunter ein langer, großer Stall. Die Gebäude waren schon etwas älter, aber sehr gepflegt und in einem guten Zustand. Wenn Bethany ein Pferd auslieferte, freute sie sich nicht darüber, nagelneue Ställe zu entdecken. Denn das bedeutete, dass vor ihrer Ankunft viel Arbeit in die Gebäude hineingesteckt worden war, und sie fragte sich dann immer, was die Besitzer verbergen wollten.

Vor der großen Doppeltür zum Stall blieb Cade stehen und schaltete den Motor aus. Bethany glitt vom Beifahrersitz und atmete die vertrauten Düfte nach Pferden und Natur ein. Ohne auf Cade zu warten, betrat sie die Stallgasse, die auf beiden Seiten von sauberen Boxen gesäumt war. Bethany ging nach links und sah weiche Einstreu und volle Wassertröge, die auf die von den Weiden zurückkehrenden Pferde warteten.

Die Boxen waren so konzipiert, dass die Pferde sowohl in die Stallgasse als auch nach draußen geführt werden konnten. Bei einer Box stand die Tür offen. Sie ging hinein und inspizierte die Matten auf dem Betonboden, die Wände, den Mechanismus am Wassertrog.

„Der verrät uns genau, wie viel Wasser am Tag hindurchfließt“, erklärte Cade, der sich auf die Stalltür lehnte. „So wissen wir, wenn eines der Pferde nicht ausreichend trinkt. Es gibt einen Schalter, mit dem wir die Tröge einmal am Tag durchspülen können, damit sie immer sauber sind.“

Er nickte in Richtung des Trogs. „Sie fließen alle in eine Zisterne, deren Wasser wir nutzen, um den Rasen zu sprengen. So vergeuden wir kein Wasser. Außerdem nutzen wir unseren eigenen Kompost für die Weiden.“

Sie hörte zu, ohne etwas zu sagen, und ging dann zu der Tür, die auf die Koppeln hinausführte. Bevor sie in die spätnachmittägliche Sonne hinaustrat, überprüfte sie den Schließmechanismus der Tür und achtete darauf, ob irgendwo Holzsplitter hervorstanden.

Die Bäume boten Schatten, waren aber außerhalb der Reichweite von neugierigen Pferdemäulern gepflanzt worden. Eine leichte Brise wehte über die Koppel und die drei Trainingsbahnen dahinter. Cades Ranch hatte nichts mit den königlichen Stallungen in El Bahar gemeinsam, aber das musste nichts Schlechtes sein. Bisher gefiel ihr, was sie gesehen hatte. Cade schien sich Zeit zu nehmen und sich auch um die Details zu kümmern. Bethany beurteilte Menschen zumeist danach, wie sie sich um ihre Pferde kümmerten. Und nach dem Kriterium war Cade einer der Guten. Dass er zudem auch so nett anzusehen war, tja, das war ein Bonus – aber einer, der für sie keine Rolle spielte.

„Okay“, sagte sie und kehrte in den Stall zurück. „Zeigen Sie mir, wo Rida seinen Platz haben wird.“

Cade führte sie hin. Bethany überprüfte die Box und stellte sicher, dass die richtige Einstreu verwendet und die zentrale Wasserleitung abgeschaltet worden war. In den nächsten beiden Tagen würde Rida nur das Wasser aus El Bahar trinken, bevor sie ihn langsam umgewöhnte.

Dann schaute sie sich draußen noch einmal nach möglichen Gefahrenquellen wie giftigen Pflanzen um, bevor sie sich Cade zuwandte.

„Alles klar, wir können ihn jetzt holen.“

„Super, dann machen wir das doch.“

„Wollen Sie mir gar nicht sagen, dass ich zu penibel bin?“ Das hatten schon ein paar Menschen getan.

„Auf keinen Fall. Er ist die größte Investition, die ich jemals tätigen werde. Natürlich will ich, dass es ihm gut geht.“

Rida kam wie ein Profi rückwärts aus dem Anhänger. Bethany führte ihn eine gute halbe Stunde herum, bevor sie ihn in seine Box brachte. Er trat ein, als hätte er schon sein ganzes Leben dort verbracht, und ging dann direkt durch die andere Tür nach draußen.

Inzwischen stand die Sonne tief am Horizont. Die warmen Strahlen tanzten auf Ridas schwarzem Fell und brachten rote und goldene Reflexe zum Vorschein. Der Hengst schüttelte den Kopf, dann kam er zu Bethany und legte seinen Kopf an ihren. Sie streichelte seinen Hals.

„Ich bringe Ihr Gepäck ins Haus“, sagte Cade. „Sobald Sie so weit sind, zeige ich Ihnen Ihr Zimmer.“

Sie sah ihn an. „Die ersten paar Nächte werde ich hier bei Rida schlafen, um sicherzustellen, dass es ihm gut geht.“

Cade hob die Augenbrauen. „Sind Sie sicher?“

„Ja. Ich habe einen Schlafsack und ein Kissen mitgebracht. Ich bin gut vorbereitet.“ Sie schaute sich um. „Ich nehme an, es gibt hier im Stall eine Toilette?“

„Toiletten und Waschbecken, aber keine Dusche.“

„Dann dusche ich im Haus und werde ansonsten hier bei ihm bleiben.“

Cade schaute von ihr zum Pferd und wieder zurück. „Wie gesagt, Sie haben hier das Sagen.“ Er schaute auf die Uhr. „Ich lasse Sie beide dann mal in Ruhe und bringe Ihnen in ein paar Stunden das Abendessen. Wie klingt das?“

„Perfekt.“

3. KAPITEL

Cade hatte nichts über die Frau gewusst, die Rida begleiten würde. Wenn er bisher ein Pferd gekauft hatte, war er immer zu einem Züchter gefahren, hatte es sich ausgesucht und mitgenommen. Aber diesmal war alles anders. Und inzwischen hatte er ein paar Dinge über Beth herausgefunden: Sie war kompetent, professionell und kannte sich hervorragend mit Pferden aus. Zudem war sie eine umwerfende, kurvige, blauäugige Blondine – aber das war eine Tatsache, die er einfach ignorieren musste.

Gegen halb sieben Uhr abends brachte er den Gartentisch und zwei Stühle von der Veranda zum Stall hinüber und holte danach das Abendessen samt Besteck, Geschirr, Gläsern und Servietten. Als alles bereit war, ging er zur letzten Box auf der rechten Seite.

Rida und Beth befanden sich auf der Koppel vor Ridas Box. Beth saß auf dem Zaun, das Pferd stand in ihrer Nähe. Auf einem Zaunpfahl ein Stück weiter saß eine orangefarbene Stallkatze. Beth sprach so leise zu Rida, dass Cade die Worte nicht verstand. Obwohl sie von so unterschiedlicher Größe waren, wirkten sie total vertraut.

Er räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Beth drehte den Kopf und lächelte ihn an.

„Hi. Wir unterhalten uns gerade über das Wetter.“

Ihr Lächeln traf ihn wie ein Blitzschlag. Das ist nicht gut, sagte er sich; das ist überhaupt nicht gut.

„Das Abendessen ist fertig. Falls Sie also Hunger haben …“

„Ich bin kurz vor dem Verhungern.“ Sie sprang vom Zaun und tätschelte Ridas Hals. „Ich bin in der Nähe. Wenn du mich brauchst, melde dich.“

„Antwortet er Ihnen?“, wollte Cade wissen und hielt ihr die Stalltür auf.

„Manchmal.“

Sie traten in die Stallgasse hinaus, und Beth schüttelte den Kopf. „Das ist aber wirklich sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.“ Sie musterte den Tisch, die Salatschüssel und das Hühnchen sowie den Nudelauflauf. „Sollte ich von Ihren Kochkünsten beeindruckt sein?“

„Eher nicht. Ich habe eine Haushälterin, die zweimal in der Woche kommt. Sie putzt, macht die Wäsche und lässt mir solche Köstlichkeiten in der Tiefkühltruhe. Die Haushälterin gehört zu meiner Stellung hier.“

Beth entschuldigte sich, um sich die Hände zu waschen. Cade schenkte ihnen beiden Eistee ein und wartete, bis sie zurückkehrte, bevor er sich setzte.

„Wie lange arbeiten Sie schon hier?“, wollte sie wissen.

„Ich bin vor ein paar Monaten nach Happily Inc zurückgezogen.“ Er nahm die Salatschüssel, die sie ihm reichte. „Die Ranch gehört meinem Großvater. Als Kind war ich oft hier. Er hat mir das Reiten beigebracht, und als ich sechs war, wusste ich, dass ich Cowboy werden will.“

Sie lächelte. „Es ist schön, eine Richtung zu haben. Sind Sie nie von diesem Ziel abgewichen?“

„Nein. Ich hatte nicht mal eine Feuerwehrmann-Phase.“ Er dachte kurz über seine Vergangenheit nach. „Meine Familie lebt seit Generationen in dieser Gegend. Grandpa Frank gehört die größte Bank in der Stadt. Das ist das Familiengeschäft. Meine Mom wollte, dass ich mit ihr zusammen arbeite, aber das wird nie passieren. Mein Großvater hat mir klargemacht, dass ich den Job auf der Ranch nicht allein deshalb bekomme, weil ich sein Enkel bin. Daher bin ich mit achtzehn von zu Hause ausgezogen, um das Handwerk zu lernen.“

Er schaute sie an. „Sind Sie sicher, dass Sie das alles hören wollen?“

„Ja. Ich liebe solche Geschichten. Wo sind Sie hingegangen?“

„Nach Kentucky.“

Sie seufzte. „Da bin ich ein paarmal mit meinen, äh, mit ein paar Freunden gewesen. Es ist wunderschön dort.“

„Das stimmt. Und es ist der Pferdestaat. Ich habe mit niederen Stallarbeiten angefangen und alles gelernt, was ich nur konnte. Nach ein paar Jahren bin ich auf eine Ranch in Texas umgezogen.“

Den Grund seines Umzugs erzählte er ihr lieber nicht. Zum einen, weil das privat war, zum anderen war es demütigend. Er war von einer Frau in Kentucky an der Nase herumgeführt worden. Doch er hatte seine Lektion gelernt und sich geschworen, dass ihm so etwas nie wieder passieren würde.

„In Texas haben Sie auch den König kennengelernt, richtig?“, fragte sie.

„Ja. Ich war zu einem Dinner eingeladen, an dem er teilnahm. Keine Ahnung, warum ich da mitmachen durfte, aber es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung. Der König und ich haben uns über Pferde unterhalten, und als ich von Rida hörte, habe ich gedacht, vielleicht erinnert er sich an mich.“

Sie musterte ihn kurz, dann wandte sie den Blick ab. „Ich bin froh, dass es geklappt hat.“

„Ich auch. Rida ist umwerfend.“

„Das ist er. Wann werden Sie ihn von Ihrem Tierarzt durchchecken lassen?“

„Morgen und noch einmal in ein paar Wochen.“ Er trank einen Schluck Eistee. „Wie kam es dazu, dass Sie in den Ställen von El Bahar arbeiten?“

Ihre blauen Augen funkelten amüsiert. „Das ist unerwartet, oder? Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich noch klein war. Mein Dad hatte wesentlich mehr Interesse an Autorennen als daran, Unterhalt für sein Kind zu zahlen, also war das Geld bei meiner Mom immer knapp. Sie war Lehrerin und hörte von einer Stelle in der amerikanischen Schule von El Bahar. Es gab ein großzügiges Gehalt, und ihr wurde eine Wohnung gestellt. Sie wusste, dass sie innerhalb von fünf Jahren genug Geld ansparen konnte, um ein Haus anzuzahlen und mir das College zu finanzieren.“

Sie beugte sich vor, und ihr dicker blonder Zopf fiel ihr über die Schulter. „Dann hat sie dort jemanden kennengelernt und sich Hals über Kopf verliebt. Wir wohnen in … der Nähe der königlichen Stallungen, und ich habe als Kind irgendwann angefangen, dort Reitunterricht zu nehmen. Meiner Liebe für Pferde bin ich nie entwachsen, und als ich alt genug war, habe ich dort einen Job bekommen.“

Ihr Lächeln schwand. „Ich liebe meine Arbeit, aber es ist schwer, eines meiner Babys wegzugeben. Ich war bei Ridas Geburt dabei und werde ihn fürchterlich vermissen.“

„Wollen Sie mir Schuldgefühle bereiten?“, fragte er.

Sie lachte. „Vielleicht ein wenig. Funktioniert es?“

„Sorry, nein. Er wird unserer kleinen Ranch zu Bekanntheit verhelfen. Ich habe große Pläne mit ihm. Natürlich alles nur zu seinem Besten, versprochen.“ Ihre Blicke trafen sich. Er spürte, dass irgendetwas zwischen ihnen vorging, konnte aber nicht sagen, was. Beginnendes Vertrauen? Oder mehr?

Nein, nicht mehr, befahl er sich energisch. Er wollte nicht mehr. Rida war genug. Beth‘ Anziehungskraft zu erliegen gehörte nicht zu seinem Plan.

Rida lebte sich wesentlich schneller ein, als Bethany erwartet hätte. Er fing sofort an zu fressen und schien es zu genießen, seine Tage draußen in der Sonne zu verbringen. Sogar mit der kleinen orangefarbenen Stallkatze hatte er sich schon angefreundet.

„Du wirst mich gar nicht vermissen“, beschwerte Beth sich, als sie ihn auf dem Übungsplatz im Kreis herumführte. „Sobald ich abgereist bin, wirst du mich vergessen.“

Rida sah sie an. Sein Ausdruck war zugleich tadelnd und voller Zuneigung – als wolle er ihr sagen, dass er sie sehr wohl vermissen würde, aber zugleich wusste, dass er vernünftig sein musste, weil das hier nun mal sein neues Zuhause war.

„Aha, du bist jetzt wohl der Vernünftige in unserer Beziehung“, sagte Bethany zu ihm. „Na gut, vielleicht hast du recht.“

Rida warf den Kopf zurück und schnaubte zustimmend. Dann fuhr er mit dem Trainingsprogramm fort. Morgen würde sie ihn reiten, aber für heute war es genug.

Eine halbe Stunde später führte sie ihn in den Stall zurück, um ihn zu putzen. Gerade hatte sie ihn angebunden, als sie eine Frau rufen hörte. „Hallo? Ist es in Ordnung hereinzukommen?“

Bethany wartete darauf, dass jemand anderes antwortete. Als es keiner tat, sagte sie schließlich: „Für mich ist es in Ordnung, wenn Sie das meinen.“

Eine hübsche braunhaarige Frau, die irgendwie seltsam vertraut aussah, kam lächelnd auf sie zu. „Hi. Sie müssen Beth sein. Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Pallas Saunders, Cades Schwester.“

„Hallo.“

Pallas musterte Rida argwöhnisch. „Wow. Er ist wirklich attraktiv. Und groß.“ Sie blieb in sicherer Entfernung stehen. „Macht er Ihnen keine Angst?“

„Nein. Er ist ein guter Junge.“

Pallas wirkte nicht überzeugt. „Wenn Sie das sagen.“ Sie sah wieder Bethany an. „Ich wollte Sie gerne kennenlernen und gucken, ob Sie sich wohlfühlen. Sind Sie wirklich den ganzen Weg aus El Bahar hierhergekommen, um dem Pferd das Einleben zu erleichtern? Hat er Flugangst?“

Bethany lachte. „Er hat das wirklich gut gemacht.“ Sie rieb über Ridas Hals. „Er ist etwas ganz Besonderes. Pferde seines Kalibers werden nur selten verkauft. Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass er sich hier wohlfühlt und dass man sich gut um ihn kümmert. Sobald er sich akklimatisiert hat, fliege ich wieder nach Hause.“

„Nach El Bahar?“

Bethany nickte.