Heart of the Ocean - Stefanie Gerken - E-Book

Heart of the Ocean E-Book

Stefanie Gerken

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Beschreibung

Geboren in einer Werft, abgeschoben in die Marine und gefesselt von der Piraterie. Das Schicksal drängt Eliza Jones immer wieder auf den Ozean hinaus. Als junge Frau muss sie sich in der Welt der Männer behaupten und überleben. Das eine ist schwierig, das andere fast unmöglich. Doch gerade, als sie sich daran gewöhnt hat, wird sie in eine andere Welt gerissen. Ohne ihre Crew muss sie das Leben meistern. Zumindest so lange, bis sie als Pirat Eli Jones zurückkehren kann.

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Seitenzahl: 623

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Heart of the Ocean

Stefanie Gerken

Heart of the Ocean

Das Leben der Eli Jones

Stefanie Gerken

FoxBuxs

© 2022 Stefanie Gerken

www.StefanieGerken.com

3. Auflage, Vorgängerausgabe 2014

Verlagslabel: FoxBuxs

ISBN Softcover: 978-3-347-76965-6

ISBN Hardcover: 978-3-347-76966-3

ISBN E-Book: 978-3-347-76967-0

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg,

Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Hinweis

Dieses Buch wurde bereits 2014 unter dem Titel „Segel der Rache“ von T.E. Lind veröffentlicht.

Nun habe ich meine Geschichte unter meinen eigenen Namen und überarbeitet erneut herausgebracht.

Triggerwarnung

Nicht jeder liebt eine Triggerwarnung. Dennoch möchte ich für dieses nicht ganz harmlose Buch eine Warnung aussprechen. Hier findest du neben Vergewaltigung, Nötigung, Misshandlung, Verstümmelung und Mord, auch das Thema Entführung. Dazu kommt eine Abtreibung und zahlreiche Verletzungen.

Dies ist eben eine Geschichte über Piraten und den Menschen im goldenen Zeitalter.

Bitte siehe mir nach, dass ich dementsprechend auch mit dem Thema der Sklaverei gearbeitet habe. Ich habe einige feindliche Worte ausgebessert und selbst noch einmal den Rotstift angesetzt.

Solltest du nicht bereit sein, dieses Buch zu lesen, wünsche ich dir für deine Zukunft ganz viel Kraft, dass du deine Triggerpunkte bezwingst.

Solltest du jedoch weiterlesen, wünsche ich dir ganz viel Spaß mit diesem Buch. Wenn es dir gefallen hat, würde ich mich über eine Rezension oder vielleicht sogar einen kleinen Blogbeitrag freuen.

Weitere Bücher von mir, findest du unter:

www.StefanieGerken.com

PROLOG

Es war im Winter 1684, als Georgiana Jane Jones in eine dunkle Ecke sank. Ihr Schweiß rann an ihren Schläfen entlang, während sich ihr Bauch immer wieder zusammenzog.

»Nein! Nicht jetzt!«

Doch es war zu spät, das wusste auch Georgiana. Sie hielt sich ihren gewölbten Bauch und suchte ein Licht in einem der Häuser. Doch der Nebel, der über der Themse lag, war zu dicht. Georgiana spürte wie ihre Beine und ihre Füße nass wurden.

»Nein, nein nein! Du bist viel zu früh!«

hektisch blickte die Frau sich um.

Schließlich entdeckte sie eine offene Tür in einer Werft. Zielstrebig arbeitete sie sich voran.

»Bleib noch einen Moment, wo du bist!«

Georgiana zwängte sich durch die Tür hindurch und verschloss sie hinter sich. Danach suchte sie auf einem Tisch die Werkzeuge der Arbeiter und ertastete dabei ein Messer. Eine weitere Wehe hinderte sie daran weiter zu gehen, die Schmerzen durchströmten sie und ihre Knie gaben nach.

Während dieser Wehe stach Georgiana mit dem Messer in den Tisch, um sich zu stützen. Ihre Klinge blieb stecken, als sie schwach auf den Boden glitt und beruhigend über ihren Bauch streichelte.

»Bastard«, murmelte sie vor sich hin, während sie ihre Augen für einen kurzen Augenblick schloss.

»Ich muss hier weg.«

Georgiana raffte sich auf, zog ihr Messer aus dem Tisch und zerrte an einem Fetzen Stoff. Sie legte sich hinter ein paar Kisten und Bretter in ein aufgerolltes Tau.

Schubweise durchströmten sie unbeschreibliche Schmerzen. Gerade als sie dachte, dass sie schreien würde, wurde die Tür geöffnet. Ein zartes Licht zeichnete die Schatten zweier Männer in die Werkstatt.

»Ich war mir sicher.«

»Die Tür war zu!«

»Aber ich hatte sie offen gelassen!«

»Sei doch froh, dass sie zu war. Der Meister würde dich sonst im nächsten Schiff einarbeiten!«

Die Stimmen verklangen und das Licht verschwand wieder. Doch Georgiana traute sich nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben.

Mit zusammengebissenen Zähnen presste sie. Es war anstrengender, als alles, was sie bisher in ihrem Leben erlebt hatte. Und sie war sich sicher, dass sie das danach niemals wieder wiederholen würde.

Schließlich presste sie mit der letzten Wehe das Kind aus ihrem Leib heraus.

Missmutig hielt sie den stummen Säugling in ihren Armen.

»Ein Mädchen! Wunderbar! Noch eine Hure mehr auf dieser Welt. Kind, was soll ich dir nur bieten?«

Sie schloss für einen kurzen Augenblick ihre Augen, bevor sie wüst die Nabelschnur durchtrennte. Schwach schleppte sie sich und ihr Kind zu dem seichten Wasser der Themse.

»Ein Glück haben diese Trampel das letzte Schiff fertig gebaut. Sonst könnte ich uns nur ein Bad bei einem der edlen Herren ergattern. Hörst du Mädchen? Wir baden irgendwann bei einem edlen Herrn.«

Vorsichtig wischte Georgiana das Kind sauber. Schließlich wickelte sie das Neugeborene in ein Segeltuch und säuberte sich selbst.

Gemeinsam ruhten sie in den frischen Segeln.

Ruhig strich Georgiana über die Wange ihrer Tochter.

»Ich werde dir nie viel bieten können. Doch eines sollst du haben. Einen schönen Namen. Doch welchen?«

Sie ließ sich Zeit beim überlegen.

»Weißt du Mädchen. Ich habe vor Jahren ein Schiff gesehen. Es hatte große, weiße Segel und das Holz glänzte in der Sonne. Die Männer waren wirklich freundlich. Das Schiff hieß Eliza's Love. Es ist ein schöner Name. Eliza. Ja, Eliza. So sollst du heißen. Eliza Jones.«

KAPITEL 1

»Aber Mama!«

»Nein! Ich kann uns nicht beide ernähren!«

Entschieden schnitt Georgiana die roten Locken ihrer Tochter ab.

»Ein Mädchen hat nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie heiratet einen reichen Mann, oder sie schläft mit ihm.«

»Dann will ich einen heiraten!«

»Dein Vater wollte mich auch heiraten! Und was ist daraus geworden? Nichts. Er benutzte mich und ließ mich mit dir zurück. Seit dem, habe ich ihn nie wieder gesehen. Auf das Wort eines Mannes, können wir Frauen uns nicht verlassen.«

Georgiana nahm die Schultern ihrer Tochter in ihre Hände.

»Meine Liebe, vergiss das niemals.«

Traurig ließ das Kind die Schultern hängen.

»Ich werde niemals einem Mann vertrauen. Sonst sterbe ich eines Tages ohne ihn.«

»So ist es gut.«

Sie schnitt noch eine Haarsträhne ab, bevor sie ihrer Tochter einen großen Hut aufsetzte.

»Bis später.«

Eliza hob nur kurz ihre Hand und schlüpfte aus der morschen Tür heraus. Ihre Mutter nahm sich einen Besen und fegte die Haare zusammen. Schließlich verließ sie ihr Zimmer, auch sie würde bald arbeiten.

Eliza rannte zu den Spelunken am Hafen.

Heimlich schlüpfte sie durch die Türen und suchte Männer, die zwei Frauen auf ihrem Schoß sitzen ließen. Die Worte von ihrer Mutter hallten noch immer in ihren Ohren wider. Diese haben Geld Eliza. Sonst würden sie nur eine nehmen!

In den ersten Spelunken hatte sie keinen Erfolg.

Doch bald sah sie einen edlen Mann. Er trug einen großen Hut, in dem ein paar große Federn steckten. Fasziniert beobachtete Eliza den friedlichen Tanz der Fahnen. Der Mann bemerkte ihren Blick und rief sie zu sich.

»Komm her Junge.«

Selbstbewusst trat Eliza auf den Mann zu. Seine Kameraden saßen neben ihm und beobachteten das Kind, das auf sie zu kam.

»Sie wünschen, mein Herr?«

»Wer bist du?«

»Mein Name ist Eli.«

»Und was macht ein Junge in deinem Alter in einer Spelunke?«

»Ich arbeite, Sir.«

»Und warum?«

»Weil Mama mich fortschickt, wenn sie arbeitet. Und ich bin alt genug um Aufgaben für die Menschen zu übernehmen!«

Die Männer lachten laut auf, doch das irritierte Eliza nicht. Sie wusste, dass die Menschen sie gerne unterschätzten.

»Das sehe ich mein Junge! Du hast also flinke Beine?«

»Ja, Sir.«

»Dann zeige mir den Weg zu deiner Mutter.«

Eliza wartete nicht einmal, bis der Mann aufgestanden war. Sie rannte zur Tür und freute sich darüber, dass sie ihrer Mutter helfen konnte.

Auf dem Weg zu ihrer Mutter, versuchte Eliza ihre Freude zu verstecken.

»Und wie alt bist du mein Junge?«

»Bald werde ich sechs.«

»So alt schon? Dann hast du ja einiges erlebt!«

»Ja, Sir! Ich habe schon viele Menschen kennen gelernt.«

»Was waren denn das für Menschen?«

»Sie sind alle zur See gefahren! Wenn ich groß bin, will ich auch zur See fahren!«

»Wirklich? Da kann ich dir vielleicht helfen. Mein Bruder ist der Quartiermeister auf einem Schiff der Marine.«

Eliza bekam große Augen.

»Wirklich?«

»Ja, wirklich.«

Eliza konnte ihre Freude nicht mehr halten. Automatisch hielt sie ihre Luft an, wie sie es immer tat, wenn sie sich über etwas wirklich freute. Der Mann bemerkte sie und tadelte sie freundlich.

»Vergiss nicht zu atmen. Tot wirst du nicht gebraucht.«

Eilig nickte Eliza und rannte die letzten Schritte auf ihre Mutter zu.

»Mama! Mama!«

Ihre Mutter drehte sich herum. Als sie ihre Tochter erkannte, verhüllte sie ihr Dekolleté mit einem alten Brusttuch.

»Kind! Was treibt dich hier her?«

Hektisch zeigte Eliza auf den Mann.

»Schau Mama, der Mann wollte dich kennen lernen.«

»Wirklich?«

»Ja.«

Georgiana stand auf und trat dem Mann entgegen. Er nahm ihre Hand und vollführte eine galante Verbeugung.

»Madame darf ich mich vorstellen? Ich bin Michael Hawkins. Ich bin der Bootsmann der Santa Maria.«

Georgiana spürte, wie ihr die Röte über ihren schlanken Hals kroch.

»Ich bin Georgiana Jones.«

Sie knickste leicht.

»Ich bin sehr erfreut Eure Bekanntschaft zu machen, Sir.«

Noch immer zupfte Georgiana an ihrem Brusttuch herum.

»Wenn Ihr erlaubt. Ihr braucht dieses Stückchen Stoff nicht. Verhüllt nicht Eure Liebreize.«

Michael küsste sanft ihre Hand.

»Eure Hände sind zu etwas ganz anderem bestimmt.«

»Und zu was?«

Michael zog Georgiana näher an sich heran.

»Wenn Ihr einen Platz wüsstet, an dem man sich ungestört unterhalten könnte?«

»Den wüsste ich.«

»So ein Zufall. Begleitet Ihr mich dorthin?«

»Natürlich.«

Georgiana beugte sich zu Eliza herunter.

»Mein Schatz, deine Mutter muss arbeiten. Geh spielen. Heute musst du nicht mehr arbeiten.«

Die Freude, die Georgiana in dem Gesicht ihrer Tochter sah, traf sie mitten in ihr Herz. Wüsste das Kind doch nur, wie schrecklich unser Leben ist. Sie würde sich genauso hassen, wie ich.

Noch immer nach vorne gebeugt, beobachtete Georgiana ihre Tochter. Leichtfüßig sprang sie über die Pfützen, als sie davon lief. Kurz darauf spürte Georgiana die feste Hand von Michael an ihrem Körper.

»Madame, Ihr wolltet mich begleiten?«

Keck sah Georgiana über ihre entblößte Schulter.

»Ja, mein Herr. Folgt mir.«

Sie stand auf und führte ihn in ihr kleines Zimmer.

Eliza saß auf einer Kiste und beobachtete das treiben im Hafen. Gierig sog sie dabei den Geruch des Wassers ein.

Sie beobachtete die Seemänner bei ihrer Arbeit, damit das Segelschiff in See stechen konnte.

»Na, arbeitet deine Mama wieder, Eli?«

Eliza sah nach oben und erblickte das freundliche Gesicht von Miss Anna. Ihre wilden, blonden Locken umrahmten ihr rundes Gesicht, dabei leuchteten ihre blauen Augen warm und freundlich. Seit Eliza denken konnte, liebte sie den Anblick von Miss Annas Haaren. Ihre Mutter verbot ihr jedoch, ihre Haare wachsenzulassen.

Jeder im Hafen kannte Miss Anna. Sie war eine stolze Frau, die jeden noch so frechen Mann in seine Grenzen wies.

»Ja, Miss Anna.«

»Arbeitet sie schon lange?«

»Nein, Miss Anna. Erst seit ein paar Augenblicken.«

»Hast du heute schon etwas gegessen?«

»Nein, Miss Anna.«

»Dann komm mit mir mit.«

Sie reichte Eliza ihre Hand, um sie mitzunehmen.

»Wenn du fleißig warst, darfst du dich an das Fenster setzen. Dann kannst du den Männern zu sehen, ohne dabei völlig durchnässt zu werden.«

Missmutig betrachtete Miss Anna den dunklen, verhangenen Himmel. Noch hatte der stürmische Herbst sie in der Hand. Doch bald würde der kalte Winter eintreffen.

In den nächsten Wochen wurde die Spelunke von Miss Anna Elizas zweite Heimat. Ihre Mutter schickte sie mittags weg und holte sie erst am frühen Morgen des nächsten Tages wieder ab.

Während Eliza zu Hause war, schlief ihre Mutter viel.

Sie störte sich nicht an dem neuen Tagesablauf. Immerhin arbeitete sie gerne am Abend bei Miss Anna. Und wenn Eliza fleißig genug war, bekam sie immer etwas Warmes zu essen und durfte an dem Fenster sitzen und die Seemänner beobachten.

Es schien wieder so ein Abend zu werden, als Eliza gerade dabei war ein paar Tische abzuwischen. Miss Anna stellte sich neben Eliza und kontrollierte ihre Arbeit.

»Gut gemacht, Eli. Denke immer daran, mein Junge. Schmutz ist der Anfang des Todes!«

Eliza nickte tatkräftig und wollte sich gerade an den nächsten Tisch begeben, als ihre Mutter in der Spelunke erschien. Miss Anna machte Eliza darauf aufmerksam.

»Eli? Deine Mutter.«

Eliza drehte sich herum und entdeckte ihre Mutter. Freudig rannte das Kind auf sie zu und umarmte ihre Mutter kurz. Georgiana tätschelte Eliza nur kurz ihren Kopf und sah Miss Anna an.

»Habt Ihr einen Raum, indem ich mich kurz mit meinem Kind unterhalten kann?«

Misstrauisch betrachtete Miss Anna Georgiana. Schließlich nickte sie und deutete in eine dunkle Ecke.

»Dort könnt Ihr Euch unterhalten.«

»Danke.«

Georgiana führte Eliza an den Tisch. Miss Anna kam und stellte Eliza einen Becher Wasser und einen Teller Suppe vor die Nase.

»Für Euch auch etwas?«

»Nein. Ich werde nicht lange bleiben.«

Neugierig beobachtete Eliza ihre Mutter, während sie zu essen begann. Immer wieder kneteten Georgianas Finger ein Bündel, das sie auf ihren Schoß hielt.

»Mein Schatz, wir müssen uns unterhalten.«

Unruhig blickte Georgiana in das Gesicht ihrer Tochter.

»Dein Traum war es doch schon immer, zur See zu fahren?«

Eliza hörte auf zu essen und beobachtete ihre Mutter. Georgiana lächelte ihre Tochter freundlich an.

»Und jetzt hast du die Chance dazu! Michael hat mit seinem Bruder gesprochen. Noch liegt ihr Schiff im Hafen, doch bald nicht mehr. Nun, was ich dir sagen wollte. Er würde dich mit auf das Schiff nehmen.«

»Michael? Du meinst Mister Hawkins, der Bootsmann der Santa Maria? Und sein Bruder würde mich mitnehmen? Wirklich?«

»So ist es.«

Eliza konnte ihr Glück kaum fassen. Endlich würde sie zur See fahren.

»Oh Mama!«

Sie sprang auf und umarmte ihre Mutter.

»Wie heißt das Schiff?«

»Es ist die Virgin Queen. Und dein Kapitän heißt James Morgan. Du wirst dann mit einem Schiff der Marine segeln.«

Eliza ließ ihre Mutter los und rannte zu Miss Anna.

»Hast du das gehört, Miss Anna? Ich fahre zur See! Ich darf zur Marine!«

Eliza drückte Miss Anna einen Kuss auf die Wange und rannte zum Fenster.

Miss Anna nickte Eliza lächelnd zu, bevor sie auf Georgiana zu kam. Wütend funkelte Miss Anna Elizas Mutter an.

»Bist du verrückt Weib? Willst du wirklich das Kind zur Marine schicken? Eli wird sterben, bevor das Schiff die Küste verlässt!«

Georgiana knetete immer heftiger ihr Bündel.

»Was soll ich denn machen? Ich bin guter Hoffnung. Aber Michael will sich nur um sein Kind kümmern.«

»Und deswegen schickst du dein eigen Fleisch und Blut ins Verderben? Ich habe bis heute kein gutes Wort über die Marine gehört!«

»Was soll ich denn machen? Dort ist mein Kind immerhin verpflegt.«

Miss Anna strafte Georgiana mit einem bösen Blick. Die Frau hätte Georgiana am liebsten hinausgeworfen. Dessen waren sich alle sicher, die Miss Annas Gesicht sahen. Doch stattdessen, riss sie sich Eliza zu liebe zusammen.

»Schämt Euch.«

Sie drehte sich herum und ging. Georgiana atmete tief durch und ging auf ihre Tochter zu.

»Eli?«

Das Kind drehte sich glücklich zu ihr herum.

»Komm mit mir mit, wir müssen los. Sonst laufen sie noch ohne dich aus.«

Sie nahm ihre Tochter an die Hand und führte sie zu der VirginQueen.

An der verabredeten Stelle konnte sie Matthew Hawkins erkennen. Bevor sie zu ihm trat, kniete sie sich zu ihrer Tochter herunter.

»Wenn irgendjemand entdeckt, dass du ein Mädchen bist, dann stirbst du. Du wirst von jetzt an nur noch Eli sein, hörst du? Und Mister Hawkins wird dein Onkel sein.«

»Ja, Mama.«

Sie drückte ihre Tochter ein letztes Mal an ihre Brust, bevor sie weiter gingen.

»Ich tue nur das Richtige!«

Sie wusste nicht, ob sie sich damit selbst beruhigen wollte, oder ihrer Tochter die Angst nehmen wollte. Als sie bei Mister Hawkins ankamen, übergab sie das Kind wortlos und ging davon.

KAPITEL 2

Matthew Hawkins hielt Eliza grob an ihrem Oberarm fest.

»Bevor du auf diesem Schiff auch nur eine Ratte anstarrst, hast du dich bei dem Kapitän zu melden! Und wehe du starrst ihn an! Er ist ein Mann von hohem Rang. Und du hast ihn so zu behandeln!«

Er führte sie zu einer Tür und klopfte. Zerspringendes Glas folgte.

»Wer stört mich jetzt schon wieder?«

»Euer Quartiermeister, Sir.«

»Hawkins?«

»Aye.«

»Kommt herein.«

Matthew Hawkins drückte Eliza vor sich her. Eliza betrachtete angewidert die stinkende Kabine. Dieser kleine Raum, der so schäbig möbliert war, versuchte die Stellung des Kapitäns zu unterzeichnen. Einige Kerzen in ihren Kerzenleuchtern gaben ihr Bestes, versagten aber bei dem ersten Windhauch, der sie erwischte.

Der kleine Tisch neben dem Bett bog sich unter der Last der vielen Säckchen und Truhen. In dem Bett daneben entdeckte Eliza einen Mann im mittleren Alter mit hellbraunen Haaren.

»Was wollt Ihr?«

»Sir, ich habe von meinem Bruder diesen Leichtmatrosen bekommen. Er lässt Euch fragen, ob Euch der Bengel von nutzen ist. Wenn nicht, ist es mir ein Vergnügen ihn über Bord zu werfen.«

»Nicht so schnell Hawkins. Ihr wisst doch, dass ich mir neue Kameraden gut ansehe.«

»Aye.«

Kapitän James Morgan schlug seine Bettdecke zur Seite und stand auf. Eliza erinnerte sich an die Worte von Matthew Hawkins. Schnell schlug sie ihre Augen nieder und betete inbrünstig, nicht noch einmal diesen nackten Mann sehen zu müssen.

»Was ist los Junge?«

Eliza schluckte schwer, dennoch rang sie sich die nächsten Worte aus ihrer Kehle heraus. Sie wollte dieses Schiff nicht wieder so schnell verlassen.

»Gar nichts Sir. Mister Hawkins wies mich strickt an, Euch respektvoll zu begegnen.«

»Stimmt das Hawkins?«

»Aye.«

»Guter Mann. Und ein guter Junge. Er wird diese Fahrt mit uns verbringen. Danach ist er alt genug, um sich offiziell in der Marine einzuschreiben. Bis dahin, macht aus ihm eine Bilgratte, Hawkins.«

»Aye, Sir.«

»Und nun geht. Wir legen bald ab. Und bis dahin muss das Weib wieder verschwunden sein.«

Erschrocken hob Eliza ihren Kopf. Haben sie mich durchschaut? Doch der Kapitän schien nichts dergleichen zu sagen. Ruhig betrat er wieder sein Bett. Das freudige Quietschen einer Frau beruhigte sie. Sie hatten Elizas Spiel doch nicht durchschaut. Hawkins packte sie an ihrem Arm und zerrte sie mit.

»Komm Junge. Ich zeige dir deinen Platz.«

Unermüdlich lief Hawkins durch das Schiff. Je tiefer sie gingen, desto schlechter wurde die Luft. Eliza hielt sich ihren Ärmel vor ihren Mund.

»Lass das, Junge. Du wirst beide Hände zum Arbeiten brauchen.«

Eliza gehorchte und nahm ihre Hand wieder herunter.

»Also, der Kapitän hat gesagt, dass ich dich als Bilgratte mitnehmen kann. Das heißt für dich, dass du diese Fahrt nur die kleinsten Arbeiten bekommst. Du wirst täglich das Deck schrubben. Du wirst unserem Smutje helfen und du wirst zwei Mal täglich die Bilge reinigen. Wenn du dich gut anstellst, darfst du in das Krähennest. Irgendwann.«

»Aye, Sir.«

»Gut.«

Matthew öffnete eine Klappe im Boden. Der durchdringende Gestank nach Fäkalien und brackigem Wasser schlug Eliza entgegen.

»Und das ist sie, deine Bilge. Reinige sie gut.«

Eliza nickte tapfer und versuchte ihren rebellierenden Magen zu ignorieren.

»Aye, Sir.«

Matthew drehte sich herum und wollte gerade gehen. Doch dann wandte er sich noch einmal an Eliza.

»Ach Junge. Und sollte dir einer ans Leder wollen. Sage ihnen, dass ich dein Onkel bin. Das wird dich nicht vor allem schützen. Aber es erspart mir eine heikle Unterhaltung mit deiner Mutter.«

»Aye, Sir.«

Hawkins drehte sich herum und ließ Eliza alleine.

Als Matthew sie alleine ließ, begann sie sich selbst etwas Mut zuzusprechen.

»Gut Eli, du wolltest immer auf ein Schiff. Dass du nicht gleich der Kapitän sein konntest, wusstest du. Und nun, ran an die Pumpe!«

Sie schob ihre Ärmel nach oben und fing tatkräftig an zu pumpen.

Eliza wusste nicht, wie lange sie schon pumpte. Sie konnte kaum erkennen, ob auch nur ein Tropfen Wasser fehlte. Sie wischte sich mit ihrem Ärmel den Schweiß von ihrer Stirn und pumpte weiter.

Kurz darauf wurde die Klappe geöffnet.

»Bilgratte?«

»Ich bin hier.«

»Komm aufs Deck. Der Smutje braucht dich. Wasch dich vorher. Wir wollen nicht das Bilgwasser im Essen haben.«

»Werde ich.«

Eliza ließ die Pumpe einfach eine Pumpe sein und folgte ihrem Kameraden auf das Deck.

Oben angekommen bemerkte sie die eintretende Dunkelheit. Unauffällig versuchte sie, am Horizont England auszumachen. Doch ihr Kamerad entdeckte sie.

»Vergiss es Junge. Das Land sehen wir so schnell nicht wieder. Und nun komm.«

Der kleine, kräftige Seemann führte sie an die Reling.

»An diesem Tau hängt ein Eimer. Befülle ihn ein paar Mal mit Wasser und kipp es dir über deinen Kopf. Stinken werden wir alle sowieso bald.«

»Aye.«

Bei dieser Aussage blitzten die blauen Augen des Matrosen vergnügt auf.

»Kaum einen Tag auf einem Schiff und schon spricht der Bengel unsere Sprache. Ich bin Nicolas Rutherford.«

»Ich heiße Eli Jones.«

»Aye.«

Nicolas klopfte auf Elizas Schulter und ging lachend weg. Eliza vergeudete keine Zeit und schmiss den Eimer in das Meer.

Sie kämpfte darum, ihn wieder hochzubekommen. Die Wellen zogen ihn immer wieder mit sich mit. Doch Eliza wusste, dass einige der Männer sie beobachteten. Sie strengte sich an und zerrte den schweren Eimer herauf.

Anschließend hielt sie sich den Eimer über ihren Kopf und kippte ihn über sich aus. Das kalte Wasser spülte die Strapazen der vergangenen Stunden von ihrem Körper. Frisch und wiederbelebt versengte sie den Eimer noch einmal im Meer. Dieses Mal schaffte sie es schneller, das Wasser auf das Deck zu ziehen. Eliza kippte sich mit einem Schwung den Eimer über ihren Körper.

Sie erwartete erneut die Abkühlung, doch stattdessen, verspürte sie zwei unsanfte Schläge.

Ungeduldig schüttelte sie das Wasser aus ihrem Gesicht und betrachtete den Boden zu ihren Füßen. Zwei dicke Fische kämpften um ihr Überleben.

Ohne zu zögern, stellte Eliza den Eimer hin und packte die Fische an ihren Schwänzen. Mit einer geübten Bewegung schlug sie die Fische mit ihren Köpfen gegen die Reling. Schlaff und leblos hingen sie nun in ihren Händen.

»Da wird sich der Smutje aber freuen, dass du ihm die Fische bringst.«

Eliza zuckte zusammen und drehte sich herum. In einer Ecke saß einer ihrer Kameraden. Seine braunen, strähnigen Haare hingen in sein hageres Gesicht. Unruhig schnitzte er an einem Stück Holz herum.

»Zum Smutje geht es da entlang.«

Er zeigte auf die Klappe an Deck.

»Du musst eine Treppe hinunter und dann halte dich rechts.«

»Aye. Und vielen Dank, Mister?«

»Ich bin Richard Augustin.«

»Vielen Dank, Mister Augustin.«

Eliza hatte eine Gänsehaut bekommen und rannte davon.

Ihre Füße trugen sie, so schnell sie konnten, die Treppen hinunter. Schwer atmend kam sie bei der Kombüse an. Leise klopfte sie an die Tür.

»Oui?«

Unsicher betrat Eliza die Kombüse.

»Verzeihen Sie, Sir. Ich soll mich hier bei dem Smutje melden.«

»Ah mein Junge, dann bist du bei mir genau richtig!«

Eliza kitzelten die fremd klingenden Wörter in ihren Ohren. Nur mit Mühe konnte sie ein Lachen unterdrücken.

»Komm her.«

Sie trat um das Regal herum. Fasziniert betrachtete sie die vielen verschiedenen Töpfe.

»Was machen Sie damit?«

»Ich koche, Kind.«

»Aber das sind so viele. Meine Mama hatte immer nur einen kleinen Kessel.«

»Oh, dann tut mir deine Mutter sehr leid. Jedes Gericht braucht seinen Topf.«

»Mehr konnten wir uns nicht leisten.«

»Das macht nichts, Kind. Vielen von uns geht es so.«

Interessiert betrachtete Eliza den Rücken des Kochs. Seine blonden Haare hatte er zu einem kurzen Zopf zusammengebunden. Seine Arme arbeiteten fleißig und seine Hüften wackelten dabei hin und her.

Schließlich drehte er sich zu ihr herum. Schnell versteckte Eliza die beiden Fische hinter ihrem Rücken. Der Smutje lächelte sie freundlich an, als er sich zu ihr herunter beugte.

»So mein Junge. Nun erzähle mir mal. Wer bist du?«

»Ich heiße Eli.«

»Und wie kommt ein Junge in deinem Alter auf unser Schiff?«

»Meine Mutter hat mich an meinen Onkel abgegeben.«

»Und wer ist dein Onkel?«

»Mister Hawkins, Sir.«

»Oh unser Quartiermeister. Schön, dann wird es dir hier gut gehen.«

Verblüfft betrachtete Eliza die große, schräge Nase des Mannes. Kurz überlegte sie, ob seine Nase an seinem merkwürdigen Klang schlud war. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass viele Seemänner eine große und auch krumme Nasen hatten. Daran konnte es wohl nicht liegen. Ohne es zu wollen, sprach sie ihre nächsten Gedanken laut aus.

»Ihr seid ein merkwürdiger Mann. Sie sprechen so komisch.«

Erschrocken ließ sie die Fische fallen und hielt sich ihren Mund zu. Doch der Smutje lachte lauthals los.

»Oh mein Junge. Wie viele Franzosen kennst du?«

»Keinen, Sir.«

»Doch, jetzt kennst du einen. Ich bin Monsieur André Claude Chevalier.«

Eliza ließ sich zu einem kleinen Lächeln verleiten.

»Ich mag Euren Namen. Er klingt so schön.«

»Das ist die französische Sprache. Ich kann dir etwas beibringen, wenn du es möchtest?«

Freudig klatschte Eliza in ihre Hände.

»Sehr gerne.«

»Und auf Französisch heißt das très volontiers.«

Eliza nahm ihren Mut zusammen und versuchte die fremden Wörter selbst auszusprechen.

»Très volontiers.«

»Sehr gut, mein kleiner Schüler. So und nun zeigst du mir, was du da fallen gelassen hast.«

Eliza bückte sich und hob die beiden Fische auf.

»Die sind mir auf meinem Kopf gefallen, als ich mich gewaschen habe.«

Monsieur Chevalier lachte fröhlich auf.

»Das wird dem Capitaine gefallen. Fliegender Fisch.«

Monsieur Chevalier hob die beiden Fische auf und trug sie zu seinem Tisch.

»Komm her, Eli und lerne.«

Eliza kletterte auf einen Hocker und sah dem Smutje zu. Geschickt löste er die Schuppen von dem Fischkörper, ehe er ein großes Messer hervor holte.

»Ein Smutje muss stark sein!«

In einer fließenden Bewegung schlitzte Monsieur Chevalier die beiden Fische auf.

»Zu Schade mit den Innereien. Aber der Capitaine mag sie nicht.«

Schweigend betrachtete Monsieur Chevalier Eliza von der Seite.

»Kannst du lesen und schreiben?«

»Nein, Sir.«

»Dann werde ich dir das auch beibringen.«

Eliza lächelte ihren neuen Lehrer an. Innerlich dankte sie dem Schicksal für diesen neuen Weg.

Eliza merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Sie mochte den freundlichen Smutje. Er brachte ihr nicht nur ein paar Wörter Französisch bei, er erklärte ihr auch, was er in der Kombüse tat.

»Voilà!«

»Voilà?«

»Bitteschön. Wir sind fertig mein Freund. Jetzt bringen wir den Kessel mit der Suppe zu den Kameraden und den Fisch zum Capitaine. Danach essen wir.«

Er schöpfte etwas von der Suppe in einen kleineren Topf. Ein fester Deckel verschloss das Gefäß.

»Man weiß ja nie.«

Er stellte es unter seinen Tisch und stellte einen Korb darüber. Gemeinsam trugen sie den Kessel auf das Deck. Monsieur Chevalier schlug mit seiner Kelle gegen den Kessel, um die Kameraden auf ihn aufmerksam zu machen. Aus sämtlichen Ecken drangen sie hervor. Jeder hielt seinen Napf in seiner Hand.

Nachdem die Männer versorgt waren, brachten Eliza und Monsieur Chevalier den Kessel in die Kombüse und holten den Fisch.

»Ich trage den Fisch und du die Kartoffeln.«

»Oui.«

Der Smutje drehte sich herum und betrachtete Eliza erstaunt.

»Du lernst schnell! Magnifique!«

»Magnifique? Monsieur Chevalier, was bedeutet das?«

»Wunderschön, hervorragen, herrlich. Und nun komm Eli. Der Capitaine wartet nicht gerne.«

Gemeinsam eilten sie in die Kabine des Kapitäns.

Kapitän Morgen saß mit Matthew Hawkins an einem Tisch. Sie unterhielten sich und warteten auf ihr Essen.

»Capitaine Morgan, Quartiermeister Hawkins. Ich serviere Euch heute Fisch und Kartoffeln.«

Kapitän Morgen würdigte Eliza keinen Blick. Doch sie betrachtete den graubärtigen Kapitän genauer. Angezogen und entspannt wirkte er freundlich. Dennoch erkannte Eliza, dass dies nur eine Fassade war. Seine hellen Augen wirkten kalt und hart.

»Fisch? Wann hast du die Zeit gefunden zu angeln, André?«

»Oh, das war ich nicht Capitaine. Der kleine Leichtmatrose hat sie mir mitgebracht.«

»Eli?«

Kapitän Morgen betrachtete Hawkins.

»Dein Neffe?«

»Aye, Sir.«

»Komm her, Eli.«

Vorsichtig trat Eliza näher. Sie versuchte, so viel Abstand wie möglich zu wahren.

»Wie kamst du an diese Fische?«

»Mister Rutherford zeigte mir, wo ich mich waschen könnte. Und dabei habe ich die beiden Fische mit hochgezogen.«

»Und was hast du dann getan?«

»Ich habe sie Monsieur Chevalier gebracht.«

»Das war eine sehr gute Entscheidung.«

»Verzeihen Sie Capitaine, wenn ich etwas zu diesem Jungen sagen dürfte?«

»Nein, natürlich nicht du verlauster Franzose!«

Eliza zuckte innerlich zusammen. Sie mochte es nicht, dass der Kapitän so mit dem Smutje sprach. Doch Monsieur Chevalier blieb ruhig.

»Aye, Capitaine.«

»Zieht euch zurück.«

Monsieur Chevalier verbeugte sich kurz und ging langsam rückwärts. Eliza tat es ihm gleich und verließ mit Monsieur Chevalier die Kabine.

In der Kombüse angekommen, reichte Monsieur Chevalier Eliza einen Holznapf und einen Löffel.

»Bewahre es gut. Mehr kann ich dir leider nicht geben.«

»Mercibeaucoup Monsieur Chevalier.«

»Oh, entweder bin ich ein begnadeter Lehrer. Oder du ein begnadeter Schüler!«

Eliza lächelte ihn an.

»Ich denke beides, Monsieur.«

»Das denke ich auch.«

Monsieur Chevalier holte den Topf hervor und füllte Elizas Napf randvoll.

»Genieße das Essen, solange es noch genießbar ist. Niemand von uns weiß, wann der Capitaine wieder Land ansteuert.«

»Wieso ist er so brummig?«

»Brummig? Ein ulkiges Wort. Aber wieso er so ist? Niemand weiß das.

Aber eine eiserne Hand regiert die Welt. Das sagt man zumindest. Ich halte nichts davon. Niemand bricht sich etwas, wenn man freundlich zu einem anderen ist. Dennoch ist ein Schiff kein Platz für einen freundlichen Menschen. Leider.«

»Wenn es Euch nicht gefällt, warum seid ihr hier?«

»Ich wollte am Hofe des Königs kochen. Ich wollte ihn den wunderbarsten Fisch, das zarteste Fleisch und die süßesten Leckereien kreieren. Aber das Schicksal hat es nicht so gewollt. Als ich meine schriftliche Einladung bekam, feierte ich diesen Augenblick. Der Wirt gab mir immer mehr zu trinken aus. Und nun ja, den nächsten Morgen bin ich zwar aufgewacht. Aber ich konnte mich nicht mehr auf den Weg zu meinem König machen.

»Warum nicht?«

»Ich saß auf einem Schiff wie diesem hier fest.«

»Aber wie das?«

»Der Wirt klaute mir meine Unterschrift und verpflichtete mich für drei Jahre bei der französischen Marine. Und nachdem diese Jahre herum waren, habe ich dringend Geld gebraucht. Und so kam ich auf dieses Schiff. Es ist nicht das Beste, das ich finden konnte. Aber ich habe ein Dach über den Kopf, eine Arbeit die mir gefällt, und wenn ich Glück habe, lebe ich lang genug um es irgendwann in Ruhe zu genießen.«

»Warum solltet ihr das nicht können?«

»Piraten, mein Junge. Dieses mörderische Pack.«

Monsieur Chevalier atmete schwer aus.

»Aber ich beneide sie um ihre Freiheit. Wir müssen tun, was uns befohlen wird. Und wir müssen unter den Menschen dienen, die uns vorgestellt werden. Wir können nicht wählen und entscheiden. Und schon gar nicht, können wir von der Freiheit sprechen.«

Eliza rutschte zu Monsieur Chevalier herüber. Als sie jetzt mit ihm sprach, flüsterte sie ihm zu.

»Und warum wechselt ihr nicht zu den Piraten, wenn wir welchen begegnen?«

»Weil unser Capitaine uns immer weit genug von ihnen fernhält. In all meinen Jahren bei ihm habe ich nie ein großes Piratenschiff gesehen. Und die kleinen liegen auf dem Meeresgrund. Und nun iss, Eli.«

Gedankenverloren stocherte Eliza in ihrer Suppe herum. Ein Leben auf dem Meer? Frei sein, wie der Wind? Ein wunderbarer Gedanke.

Sehnsüchtig starrte sie auf ihre Suppe. Insgeheim wünschte sie sich, dass dieses Schiff von ein paar Piraten geplündert werden würde.

Die Wochen vergingen und bei Eliza regulierte sich ein gewohnter Tagesablauf. Sobald sie aufstand, ging sie zu Monsieur Chevalier. Ab und an konnte sie ihm ein oder zwei Fische mitbringen. Gemeinsam bereiteten sie das Frühstück für die Kameraden vor. Nachdem auch sie gegessen hatte, kletterte sie in die Bilge und pumpte sie aus. Wenn sie damit fertig war, schrubbte sie das Deck. Am Vorabend stieg sie wieder in die Bilge hinunter, um weiter zu pumpen. Später wurde sie immer von Mister Rutherford herauf geholt. Sie wusch sich kurz und half Monsieur Chevalier mit dem Abendessen. Erst danach gönnte sie sich etwas Ruhe.

Das war jetzt ihr Leben.

So verbrachte Eliza auch diesen Tag.

Sie wusste nicht, wie lange sie bereits unterwegs war. Aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Müde und erschöpft nahm sie sich ihren Segelrest, den sie von Mister Rutherford bekommen hatte und rollte sich in den Tauen zusammen. Sie liebte ihren Schlafplatz. Egal wie lange sie arbeiten musste, ihr Tau war immer frei.

Die Männer mochten den Geruch und die Geräusche nicht, die von dem naheliegenden Donnerbalken kamen.

Doch die Arbeit in der Bilge hatte sie abgehärtet.

Genüsslich schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Leise hörte Eliza, wie jemand den Donnerbalken benutzte. Sie versuchte, die Geräusche zu ignorieren und einzuschlafen. Doch dann unterhielten sich die zwei Männer.

»Allmählich sollte der Kapitän mal das Schiff in einen Hafen bringen. Seit wir auf See sind, haben wir nicht einen verdammten Piraten gefunden. Ich will festen Boden unter meinen Füßen. Und mir juckt der Sack. Ich brauche eine Frau!«

»Wir müssen uns noch etwas gedulden Richard. Soweit ich mitbekommen habe, halten wir nur an einigen Häfen um unsere Vorräte aufzustocken. Dann segeln wir weiter.«

»Wenn wir auch mal etwas von den guten Vorräten abbekommen würden. Immer wieder sehe ich, wie die Bilgratte dem Smutje frische Fische bringt. Doch die verspeist immer nur der Kapitän und sein Quartiermeister. Wir fressen die ganze Zeit nur diese nervenden Bohnen.«

Eliza hörte, wie einer der beiden Männer blähen musste.

»Und so sollen wir im Notfall kämpfen. Was sollen wir machen? Die anderen anfurzen?«

»Beruhige dich Richard. Wir können ja morgen mit ein paar der Männer reden. Nicht nur du denkst so.«

Elizas Blut gefror bei diesem Satz. Eine Meuterei? Auf unserem Schiff? Das kann nicht gut ausgehen!

Sie rollte sich enger unter ihrem Segel zusammen und kniff ihre Augen zu. Einer der beiden Matrosen ging an ihr vorbei. Er beachtete das schlafende Kind nicht. Eliza versuchte sich zu entspannen, doch das gehörte wollte ihren Geist nicht mehr verlassen. Schließlich hörte sie die Schritte des zweiten Mannes. Er blieb vor ihr stehen und brummte etwas vor sich hin. Ihr Herz schlug langsamer, als sie die Luft anhielt, um keinen Fehler zu machen. Doch er ging weiter und ließ sie liegen. Sie konnte die ganze Nacht kein Auge mehr zu tun.

Eliza war gerade dabei das Deck zu schrubben. Seit jener Nacht vor einer Woche hatte sie nichts mehr in diese Richtung gehört. Allerdings unterhielt sie sich auch nicht mit vielen Menschen. Sie setzte sich auf ihre Waden und wischte ihre Stirn trocken. Gequält blinzelte sie in die Sonne.

»Keine Angst. Irgendwann haben wir wieder genug Wind, um weiter zu segeln.«

Eliza drehte sich herum und erblickte die schmächtige Gestalt von Clifford. Seine blonden Haare hatte er zu einem festen Haarknoten gebunden. Sein helles Hemd hatte mittlerweile die Färbung von verschmutztem Wasser. Und seine kurze braune Hose klebte an seinen Beinen.

Ihm war genauso warm, wie allen anderen. Diese Hitze würde Eliza noch umbringen.

»Ich hoffe es.«

»Aye, das hoffen wir alle.«

Er trat auf sie zu, kniete sich zu ihr hin.

»Dich beschäftigt etwas.«

»Wie kommst du auf diese Idee?«

»Weil du seit einer Ewigkeit die gleiche Fläche schrubbst.«

Schuldbewusst betrachtete Eliza das feuchte Deck.

»Was ist los?«

»Folge mir heute Abend in die Bilge. Dann erkläre ich es dir.«

»Gut.«

Eliza rutschte weiter und schrubbte. Ihr Geist hatte sich schon längst mit der Maserung des Decks beschäftigt, als ein lauter Streit ihre Aufmerksamkeit anlockte.

»Aber, wenn ich es doch sage!«

»Schweig, elender Hund!«

»Aber Sir!«

»Nein! Ich habe dich gesehen!«

Eliza wagte einen kurzen Blick zu allen Seiten. Nicht nur sie hörte diese Auseinandersetzung.

Nachdem jeder seine Arbeit niedergelegt hatte, stand auch sie auf. Unbewusst trat sie so lange nach hinten, bis sie die Hand von Clifford auf ihren Schultern spürte. Er beugte sich zu ihr herunter und zischte ihr etwas in ihr Ohr.

»Sei bloß still! Dann passiert dir nichts.«

Schweigend nickte Eliza, sie wagte es nicht einmal, sich zu bewegen.

Schließlich konnte sie beobachtete, wie Kapitän Morgan einen der Männer an seinem Kragen packte.

»Ich habe dich dabei erwischt, Mann. Und jetzt bekommst du deine Strafe!«

Kapitän Morgan drehte sich herum und rief aus vollem Hals.

»Hawkins!«

Dieser trat recht unbeholfen zu seinem Kapitän.

»Aye.«

»Dieser Mann hat gestohlen. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt.«

»Aye, Kapitän.«

Hawkins sah zu den Männern und suchte sich zwei starke heraus.

»Festhalten.«

Im Gleichschritt trabten die beiden Männer heran. Gemeinsam hielten sie ihren Kameraden fest, um seinen Arm auf die Reling zu legen. Mit einer schnellen Bewegung zog Matthew Hawkins seinen Degen hervor und hackte dem Mann in zwei Hieben die Hand ab.

Gellende Schreie flogen über das Deck.

Eliza sah, wie das Blut über die Reling floss, und zitterte innerlich. Sie zwang sich dazu, den Mann und sein Blut zu betrachten. Das Leben auf einem Schiff war geprägt von solchen Bestrafungen. Genauso wusste sie auch, dass die Männer von Piraten verstümmelt wurden.

Sie musste ihre Angst besiegen.

Der Mann wurde in Ketten gelegt und in eine Ecke auf dem Deck angekettet. Kapitän Morgan betrachtete voller Abscheu den Dieb.

»Soll dich die Sonne wieder zum Verstand bringen!«

Dann sah er sich auf dem Deck um.

»Bilgratte!«

Eliza spürte, wie Clifford sie leicht vorwärtsdrängte. Automatisch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Mit ihrem trockenen Mund brachte sie nur ein kratziges »Aye« hervor.

»Reinige das Deck.«

»Aye, Sir.«

Sie eilte zu ihrem Eimer und ihrer Wurzelbürste und rannte zu dem Blutfleck. Ihr Magen drehte sich bei dem metallischen Geruch herum. Nur Mut Eliza. Wasch es einfach weg. Dann geht es dir besser. Mit zusammengebissenen Zähnen säuberte sie das Deck.

Schließlich sah sie einen Schatten auf das Deck fallen. Als sie sich kurz herumdrehte, zuckte sie leicht zusammen. Kapitän Morgan betrachtete ihre Arbeit.

»Gut gemacht. Geh jetzt in die Bilge.«

»Aye.«

Eliza wusch ihre Bürste aus und kippte das schmutzige Wasser über die Reling. Dann eilte sie die drei Decks hinunter in die Bilge.

Ihre Knie zitterten und ihr Atem ging stoßweise.

Kurz musste sie ihre Augen schließen, damit sie nicht umfiel.

»So schlimm?«

Als sie ein Auge öffnete, erkannte sie Cliffords freundliches Lächeln.

»Ja.«

»Mach dir nichts daraus. In zwei Tagen ist alles vorbei.«

»Wie meinst du das?«

»Der Kapitän lässt unseren Kameraden nun verbluten. Jeder, der ihm zu nahe kommt, wird gehängt.«

Eliza konnte ihren Abscheu nicht unterdrücken und verzog ihr Gesicht.

»Ich weiß, aber so ist er. Und wir sind ihm alle verpflichtet. Da müssen wir nun durch.«

Eliza betrachtete die glitschigen Steine vor ihren Füßen.

»Ich nicht.«

»Wie meinst du das?«

»Erst wenn wir wieder in London sind, sollte ich meinen Vertrag unterschreiben.«

Clifford lächelte sie wissend an.

»Du bist wohl noch zu jung?«

»Ja.«

Er nickte ihr wissend zu, bevor er das Thema wechselte.

»Du wolltest mir etwas sagen?«

»Das stimmt.«

»Und was?«

»Du hattest mich gefragt, wo meine Gedanken sind.«

»Bei der Meuterei?«

Eliza spürte die Eiseskälte in ihren Adern. Gehörte er dazu?

»Woher weißt du davon? Du machst doch nicht etwa mit?«

»Nein. Aber die ganze Mannschaft redet darüber. Nur Hawkins und Morgan wissen nichts davon.«

»Und jetzt? Ich meine, ich kann sie ja verstehen. Aber wie wird es weiter gehen?«

»Ich Segel nun schon seit einigen Jahren mit Kapitän Morgan. Und auch, wenn es oft schwierig ist. Aber er ist ein guter Kapitän. Die Männer, die sich ihm entgegen stellen, sind so gut wie tot.«

»Und die, die davon wissen?«

»Die wissen davon. Niemand erwartet, dass jemand freiwillig zum Kapitän geht. Dabei ist schon der ein oder andere ausgepeitscht worden.«

Eliza schluckte hart.

»Bleib du einfach bei deiner Arbeit. Lass dir nichts anmerken. Dann schaffst du die Fahrt.«

Eliza nickte ihm zwar tapfer zu, doch ihr Magen drehte sich bei diesem Gedanken im Kreis.

»Danke.«

»Nichts zu danken.«

Clifford klopfte auf ihre Schulter und ging wieder auf das Deck. Die feuchte Luft hier unten drückte auf Elizas Lungen. Doch sie zog ihr Halstuch über ihre Nase und machte sich an die Arbeit.

Eliza lag gerade in ihrem Tau, als sie die Schritte auf dem Deck hörte. Sie wollte gerade aufstehen, als sich eine Hand auf ihren Mund legte. Erschrocken drehte sie sich herum und betrachtete den Besitzer der Hand.

Clifford saß hinter ihr und hielt ihr verbissen den Mund zu. Seinen Zeigefinger legte er auf seine Lippen. Eliza nickte, zum Zeichen des Verstehens. Er drückte sie wieder in ihr Tau und zog das Segelstück über ihren Kopf. Er duckte sich zu ihr herunter.

»Sei ganz still und bleib, wo du bist. Sollte ein Kampf entstehen, suche mich.«

»Was ist denn los?«

»Die Männer haben sich versammelt.«

Eliza spürte, wie ihr Blut aus ihrem Gesicht wich.

»Gut, ich warte.«

»Wen hast du außer mir noch als Freund?«

»Den Smutje und Mister Rutherford.«

»Gut. Der Smutje ist in seiner Kombüse und weiß von alledem nichts. Geh zu ihm, wenn du mich nicht findest. Er muss neutral bleiben. Und als sein Gehilfe gilt das Gleiche für dich.«

»Soll ich nicht jetzt gehen?«

»Nein. Du würdest jeden in die Arme rennen.«

Er ließ Eliza liegen und schlich sich zurück in das Schiff.

Still lag sie in ihrem Tau. Angespannt bis zu den Haarspitzen, wartete sie auf einen lauten Tumult. Es dauerte nicht lange, bis sie hörte, wie die Männer sich schlugen. Gegenstände wurden umgestoßen und die Schreie der verletzten flogen über das Schiff.

Angst machte sich in Eliza breit und ließ ihren Körper erstarren.

Es wurde ruhiger und sie versuchte, sich selbst zu beruhigen. Als sie schließlich kurz über ihr Segelstück lugte, sah sie, wie die meuternden Männer in einem Kreis zusammengepfercht wurden und mit den Degen ihrer Kameraden bedroht wurden.

Kapitän Morgan stand in einem einfachen Hemd und einer leichten Hose vor ihnen.

Er ließ seinen Degen durch die Luft sausen und schrie mittlerweile, wie ein verrückter herum.

»Wie könnt ihr es wagen! Wir sind bei der Marine! Hier wird kein Kapitän gewählt. Wir sind doch keine Freibeuter!«

»Wenn wir es wären, wäre dies Euer Todesurteil, Sir!«

Einer der Männer spukte Kapitän Morgan vor die Füße. Ohne ein Wort dazu zu sagen, trieb der Kapitän seinen Degen in das Herz des Seemannes.

»Noch einer, der etwas zu sagen hat?«

Einvernehmliches Murmeln erfüllte das Deck. Kapitän Morgan steckte seinen Degen zurück.

»Gut. Mister Hawkins, fesselt die Männer und bringt sie unter Deck. Morgen Früh werde ich über ihr Schicksal entscheiden.«

»Aye, Sir.«

Schnell betrachtete Eliza die Köpfe der Männer und stellte erschrocken fest, dass Richard Augustin neben Clifford die Männer in Schach hielt. Sie musste warten, bis sie Clifford alleine erwischte. Dann konnte sie ihm erzählen, wer die Meuterei mit angezettelt hatte.

Seit drei Wochen saßen die Gefangenen Männer nun fest. Seit diesem Tag war die Grausamkeit von Kapitän Morgan noch viel größer geworden. Für jeden noch so kleinen Regelbruch, wurden die Männer unterdeck festgehalten. Die Mannschaft schrumpfte elendig dahin.

Eines Tages erwischte Eliza Matthew Hawkins.

»Mister Hawkins, Sir?«

Er drehte sich zu ihr herum.

»Du?«

»Ja, Sir. Ich habe eine Frage.«

»Nur kurz.«

»Wenn der Kapitän weiterhin die Männer verstümmelt und hungern lässt, wie sollen wir wieder nach London kommen?«

»Das weiß nur der Kapitän. Notfalls musst du mit anpacken.«

»Ja, Sir.«

»Gut. Noch etwas?«

Eliza überlegte, ob sie ihm von Richard Augustin erzählen sollte, doch sie ließ es erst einmal bleiben. Sie vertraute diesem Mann nicht.

»Nein, Sir.«

»Gut, dann verschwinde, bevor uns noch jemand sieht.«

Monsieur Chevalier war gerade bei den Vorräten, als Eliza die Kombüse betrat und mit ihrer gewohnten Arbeit anfing. Als er wieder zurückkam, entdeckte er sie sofort.

»Ah mein kleiner Eli! Schön dich zu sehen. Und vor allem an einem Stück! Das ist ja gar nicht so einfach heutzutage.«

Eliza machte sich daran, den Sack mit dem Reis hervor zu holen.

»Wann bekommen die Männer wieder vernünftiges Essen?«

»Ich weiß es nicht. Es wäre ja nicht so, dass ich nichts hier hätte. Der Kapitän hat in den letzten Wochen sehr gutes Essen gekauft. Aber ich darf es nicht zubereiten.«

»Wie lange, wird er damit noch durchkommen?«

»Ich weiß es nicht, Eli.«

»Monsieur Chevalier?«

»Was ist denn, mein Kind?«

»Was wäre, wenn ich wüsste, wer die Meuterei angezettelt hat?«

»Dann musst du das dem Capitaine melden.«

»Aber mir wurde gesagt, dass er mich verprügeln würde.«

»Das ist wohl wahr. Wer war es denn?«

Eliza kletterte auf ihren Hocker, der neben Monsieur Chevalier stand, und flüsterte ihm den Namen von Richard Augustin in sein Ohr.

»Oh le Diable! So ein Schuft! Was machen wir nun?«

Seit drei Jahren segelte Eliza nun mit der Virgin Queen über den Atlantik. In dieser Zeit hatte sie viel gelernt.

Zur Zeit segelten sie an der Südspitze von Grönland entlang. Eliza schrubbte gerade die Planken, als Kapitän James Morgan das Deck betrat. Sie wagte nur einen kurzen Blick, um zu wissen, wer das Deck betrat. Als sie sah, dass der Kapitän wieder die Neunschwänzige in der Hand hielt, schrubbte sie um so eifriger das Deck. Ihre Fingerknöchel rieben dabei schmerzhaft über die Planken, doch das war ihr egal. Noch immer hing der letzte Seefahrer in der Takelage und verweste dort vor sich hin, der es gewagt hatte, etwas gegen den Kapitän zu sagen.

Kapitän Morgan klopfte mit der Neunschwänzigen auf seine Handfläche. Zu einem seiner Männer sprach er leise. Doch der Wind trug Eliza die Worte herüber.

»Bringt ihn her.«

Danach wandte er sich an die Mannschaft.

»Versammelt euch ihr jämmerlichen Landratten!«

Eliza hörte sofort auf zu schrubben und stellte sich in die Nähe von Mister Rutherford.

Als alle Männer anwesend waren, wurde Matthew Hawkins auf das Deck gezerrt. Seit drei Wochen hatten sie ihn nicht mehr gesehen. Eliza erkannte deutlich, dass er nur spärlich ernährt wurde und oft gefoltert wurde. Zwei starke Männer mussten Hawkins vor Morgan aufrecht halten.

»Hast du jetzt verstanden, dass man seine Befehle auf diesem Schiff ausführt?«

Als Antwort spuckte Hawkins vor die Füße des Kapitäns. Ohne auf den Fleck auf dem Deck zu achten, trat Morgen ein Schritt vor und zog die Neunschwänzige durch das Gesicht von Hawkins. Anschließend sah er sich in der Mannschaft um. Er zeigte auf Eliza.

»Du da. Bilgratte, komm her.«

Ohne zu zögern, trat Eliza einen Schritt vor und wartete auf ihren Befehl.

»Sag Junge, was hast du bei mir gelernt?«

Eliza streckte ihren Rücken durch und holte die Worte von Kapitän Morgan aus ihrem Gedächtnis.

»Ein Befehl, den Du ausführst, ist Dienst. Ein Befehl, den Du nicht ausführst, ist Meuterei.«

Morgan nickte knapp. Leise trat Eliza einen Schritt zurück.

»Siehst Du Hawkins! Selbst der Junge hat es begriffen!«

»Er ist ja auch dumm!«

Wieder schnellte die Neunschwänzige durch sein Gesicht. Die leuchtend roten Striemen zogen sich über sein gesamtes Gesicht. Nur für einen kurzen Augenblick gewährte er Eliza einen mit Hass erfüllten Blick. Dann zog die Stimme von Kapitän Morgan seinen Blick auf sich.

»Nein, er ist schlauer als Du. Du weißt, welche Strafe auf Meuterei steht, nicht wahr?«

Hawkins funkelte ihn böse an. Kapitän Morgan nickte kurz, ehe die Männer Hawkins wieder fester packten und zu einem der Masten zerrten.

»Flieht ihr Narren! Der Wahnsinnige wird euch alle umbringen! Während wir seit Monaten das madige Fressen bekommen, schmaust der Herr das gute Fleisch!«

Hawkins wirkte wahnsinnig. Eliza traute sich nicht, ihn noch länger zu betrachten.

»Und Du, Morgan. Das Meer wird dich holen! Das verspreche ich dir!«

Wortlos ging Kapitän Morgan zu seinem Gefangenen. Angewidert betrachtete er seinen einstigen Quartiermeister, doch Mister Hawkins hielt seinem Blick stand.

»Der Tod soll dich holen, Morgan!«

»Das wird er, wenn er sich traut.«

Mit diesem Satz schlug Kapitän Morgan die Beine des Gefangenen ab. Hawkins schrie auf und wurde ohnmächtig. Mit festen Schritten verließ Kapitän Morgan das Deck.

Eliza kniete sich wieder hin und versuchte sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und nicht das leise Wehklagen ihres sterbenden Onkels zu hören. Clifford kam auf sie zu und legte ihr kurz seine Hand auf ihre Schulter.

»Er war dein Onkel, oder?«

Wortlos nickte Eliza.

»Es tut mir leid, Eli.«

Eliza setzte sich auf ihre Waden und sah den jungen Mann kurz an.

»Wir kannten uns nicht besonders gut.«

»Dennoch sollte man seine Familie ehren. Geh zu ihm und bete für ihn. Ich schrubbe für dich weiter.«

»Aye.«

Eliza ließ ihre Wurzelbürste liegen und stand auf. Nur langsam ging sie auf den Mann zu, der sie auf dieses Schiff gebracht hatte. Von ihm hatte sie die bittere Wahrheit erfahren. Noch immer erinnerte sie sich an den Abend, an dem er im Rausch über ihre Familienverhältnisse gespottet hatte.

»Eine Hure, Kameraden! Wenn ich es euch doch sage! Und der Nichtsnutz hat sich von der ein Balg anhängen lassen. Was soll ich dazu sagen? Jetzt sitze ich auf einem Schiff und kümmere mich um ihr anderes Balg. Nicht einmal verwand ist das mit mir. Und ich habe es nun an der Backe! Zu Davy Jones Truhe wünsche ich ihn! Ihn und seine Hure!«

Elizas Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Sie stand neben diesem Mann, der sie und ihre Mutter hasste. Verächtlich sah sie in das blasse Gesicht des Sterbenden.

»Jetzt hast du deine Ruhe!«

Zwar flüsterte sie ihn nur an, doch sie war sich sicher, dass ein Teil von ihm sie noch hören konnte. Eliza drehte sich herum und ging wieder an ihre Arbeit.

Dieser Mann, war nicht länger ihr Pronlem.

KAPITEL 3

Seit Hawkins Tot war die Stimmung auf dem Schiff angespannt. Das Vertrauen unter den Männern war zerrüttet. Keiner wusste, wer verraten hatte, dass Hawkins eine weitere Meuterei plante. Doch jeder wusste, dass es theoretisch jeder gewesen sein könnte. Eliza wanderte unruhig über das Deck. Sie war zwar müde, konnte jedoch nicht schlafen.

Unheilvoll hing der Vollmond am Himmel und wollte ihr Schauermärchen erzählen. Eliza betrachtete ihn lange und widerstand dem Verlangen die alten Seemannsgeschichten zu glauben.

Irgendwann hörte sie Schritte hinter sich. In dem Glauben, dass Clifford ihr Gesellschaft leistete, betrachtete sie weiter die dunklen Stellen im Mond.

Eine kräftige, raue Hand legte sich auf ihren Mund und drückte zu. Die andere fuhr unter ihr Hemd. Der Geruch von starkem Rum stieß in ihre Nase. Eliza versuchte sich mit Bissen und Tritten zu wehren, doch ihr Angreifer war stärker. Irgendwann zog er sich unter ihrem Hemd zurück.

Erleichtert versuchte Eliza Luft zu holen. Doch so schnell die neue Luft in ihre Lungen strömte, so schnell stieß sie die Luft wieder aus, als ihr Angreifer ihr zwischen ihre Beine griff. Schreiend und windend versuchte sie, ihr Geheimnis zu wahren.

»Wer hätte das gedacht. Ein Weib!«

Sie erkannte die belegte Stimme von Richard Augustin. Heiße Tränen rannen ihr über ihre Wangen. Augustin störte sich nicht an seinen feuchten Fingern,die noch immer um ihren Mund geschlossen waren. Viel zu sehr gierte er darauf, sein Verlangen zu stillen.

Immer wieder drückte er Eliza brutal an die Reling, damit sie aufhörte zu zappeln. Und immer wieder spürte sie das harte Holz in ihrem Magen. Sie spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihr Magen rebellierte.

Gerade als Augustin sich an ihrer Hose zu schaffen machen wollte, wurde er von ihr weggezogen. Schwach und verängstigt glitt Eliza auf den Boden und rutschte enger an die Reling heran. Nur im letzten Moment konnte sie sich an der Reling wieder hochziehen, um ihrem Abendessen Lebewohl zu sagen. Ihre Ohren rauschten und ihr Hals brannte.

Nur langsam ließ das Rauschen in ihren Ohren nach. Sie schloss ihre Augen und ließ sich an der Reling heruntergleiten.

Ihre Atmung wurde ruhiger, doch erst jetzt, hörte sie die Faustschläge. Langsam drehte sie sich herum und sah, wie die beiden Männer sich vor ihr prügelten.

»Elender Mistkerl! Und das an einem jungen Mädchen!«

Eliza sah, wie ihr Verteidiger noch einmal gegen den Kopf von Augustin trat und sich dann schwer atmend von ihm abwandte. Als er sie ansah, erkannte Eliza ihren Helfer.

»Geht es dir gut?«

Wortlos schüttelte Sie mit ihren Kopf. Clifford nickte und hob Augustin auf. Mit einer einzigen Bewegung schmiss er ihn über die Reling. Schockiert sah Eliza, dass ihr Peiniger für immer auf den Meeresgrund liegen würde.

Schon oft wurde Clifford auf dem Schiff ausgelacht, weil er für sein Alter viel zu groß und viel zu kräftig war. Doch, dass er es schaffen würde, so gegen einen ihrer Kameraden zu kämpfen, hätte Eliza niemals gedacht.

Clifford kam auf sie zu und wollte ihr aufhelfen. Doch Eliza zuckte zurück.

»Keine Angst. Ich werde dir nichts tun.«

Ungläubig starrte Eliza Clifford an.

»Wirklich. Wenn ich es gewollt hätte, hätte ich es schon vor Wochen versuchen können.«

Diese Aussage ließ sie ihre Angst kurzzeitig vergessen.

»Vor Wochen?«

Eliza war erschrocken, wie brüchig ihre Stimme klang.

»Ja. Nun lass dir endlich helfen.«

Still nickte sie und wartete ab. Clifford zog Eliza auf seine Arme und trug sie in die Kombüse, dort setzte er sie vorsichtig auf den Tisch.

Monsieur Chevalier kam aus seiner kleinen Schlafecke hervor und rieb sich die Augen.

»Clifford? Was wollt Ihr zu dieser Stunde?«

»Eure Hilfe, Monsieur.«

Monsieur Chevalier stellte eine kleine Kerze auf den Tisch neben Eliza. Als er ihr Gesicht sah, erschrak er zutiefst.

»Oh mein Kind. Wer hat dir das angetan?«

»Das ist nicht mehr wichtig. Ich habe mich um ihn gekümmert.«

Eliza traute sich nicht, ein Wort zu sagen. Zu sehr hatte sie Angst vor dem, was jetzt geschehen würde. Clifford sah ihr tief in die Augen und versuchte sie zu beruhigen.

»Ich werde jetzt dein Hemd ein Stück hochziehen. Keine Angst, zu weit werde ich es nicht hochziehen. Ich möchte nur sehen, ob du irgendwelche Verletzungen hast.«

Eliza wollte ihm vertrauen, dennoch beschlich sie eine noch heftigere Angst. Als er seine Hand auf ihr Hemd legte, legte sie reflexartig ihre Hände auf seine. Er hielt inne und sah sie wieder an.

»Wenn ich es nicht weiter hochschieben soll, drückst du meine Hand einfach runter, in Ordnung?«

Eliza nickte und holte tief Luft. Etwas oberhalb von ihrem Bauchnabel, hielt Clifford von alleine inne. Wütend betrachtete er die Haut, die sich langsam verfärbte.

»Das wird ein Bluterguss. Wenn ich den Mistkerl nicht schon über die Reling befördert hätte, würde ich es jetzt tun!«

Monsieur Chevalier legte Clifford seine Hand auf seine Schulter.

»Nur ruhig mein Junge. Du hast alles getan, was du tun konntest.«

»Nein, ich hatte geschworen, auf sie aufzupassen!«

Irritiert blickte Eliza von einem zum anderen. Dann platzte ihre Frage einfach aus ihr heraus.

»Ihr wusstet es?«

Wortlos nickten sie.

»Alle beide?«

Sie wollte es nicht wahr haben und fragte weiter.

»Woher?«

Monsieur Chevalier lächelte Eliza freundlich an.

»Noch nie hatte ich einen Jungen mit so feinen Fingern gesehen. Und geschickt sind sie dazu auch noch. Es war für mich klar, das du ein Mädchen bist.«

Ruhig sah Eliza Clifford an.

»Und du?«

Er zuckte nur mit seinen Schultern.

»Ich habe zwei ältere und drei jüngere Schwestern. Ich hatte es sofort durchschaut.«

Eliza schluckte schwer.

»Was wird jetzt mit mir geschehen?«

Irritiert blickten die beiden Männer sich an. Clifford ergriff das Wort zuerst.

»Was soll geschehen? Wir werden nach wie vor auf dich aufpassen.«

Monsieur Chevalier nickte bestätigend.

»Dennoch werde ich den Capitaine fragen, ob du bei mir in die Lehre gehen könntest. Dann darfst du bei mir in der Kombüse schlafen. So ist immer einer in deiner Nähe. Und die Bilge pumpt ein anderer aus.«

Eliza nickte langsam. Sie würden sie also nicht verraten.

»Danke.«

»Nun, heute Nacht wirst du aber noch auf dem Deck verbringen müssen.«

Eliza wurde zwar blass, nickte aber tapfer. Sie kannte die Regeln. Clifford legte ihr seine Hand auf ihr Knie.

»Keine Angst. Ich werde die heutige Nacht bei dir verbringen.«

»Danke.«

Monsieur Chevalier nickte beiden zu, warf aber noch etwas ein.

»Aber bevor ihr beiden geht, trinkt noch einen Schluck.«

Heimlich holte er zwei Metalltassen hervor und stahl etwas von dem Trinkwasser. Die Tassen reichte er den beiden jungen Menschen. Gierig trank Eliza ihre Tasse in einem Schluck leer. Erst als sie ihre Tasse absetzte, sah sie, dass die beiden Männer sie beobachteten. Clifford hielt ihr seine Tasse hin.

»Hier.«

»Danke.«

Genauso schnell wie die Erste, trank sie auch die zweite Tasse aus. Monsieur Chevalier drückte Eliza kurz an sich. Auch wenn sie wusste, dass er es nur freundlich meinte, zuckte sie zusammen. Er ließ sie los und entschuldigte sich bei ihr.

Eliza rutschte vom Tisch herunter und ging langsam die Treppen hinauf. Ihre Knie zitterten und ihr Körper schmerzte, dennoch steuerte sie zielstrebig ihr Tau an.

Sie rollte sich in dem Tau zusammen und zog ihr Segelstück bis zu ihrem Ohr hinauf. Clifford setzte sich neben sie und lehnte sich an der Wand an.

»Du kannst ruhig schlafen. Ich werde hier bleiben.«

Eliza nickte und versuchte einzuschlafen. Doch eine Frage drängte sich ihr immer wieder in den Sinn. Leise sprach sie ihren Helfer an.

»Clifford.«

»Aye.«

»Hat er dich verletzt?«

»Nein, er hat mir nur einmal in den Bauch geschlagen. Für alles andere war er zu betrunken.«

Sie wusste von ihrer Mutter, dass das Verlangen jeden Mann beschäftigte. Was sprach also dagegen, dass auch der sonst so sanfte Clifford nicht mehr von ihr wollte?

»Wirst du mich jetzt anfassen?«

Erschrocken setzte Clifford sich halb auf.

»Wie kommst du auf diese Idee?«

»Mutter sagte immer, dass alle Männer gleich wären. Deswegen.«

Erleichtert blies er die angehaltene Luft aus. Er setzte sich wieder hin.

»Sie hat Recht. Alle Männer haben dieses Verlangen. Aber auch die Frauen besitzen irgendwann dieses Verlangen. Und wenn beide es wollen, ist es in Ordnung. Aber du bist für mich viel mehr eine kleine Schwester.

Dich würde ich niemals so anfassen.«

Eliza rutschte in ihrem Tau näher an ihn heran. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus dem Segelstück hervor und nahm seine Hand in ihre. Clifford verstand ihr streben, nach einem Halt. Mit beiden Händen hielt er ihre Hand fest und starrte zum Meer hinaus. In diesem Moment wusste Eliza, dass sie einen Freund für ihr Leben gefunden hatte.

Langsam schlich sich die Erschöpfung in ihren Körper. Der lang ersehnte Schlaf würde sie bald erreichen. Doch vorher wollte Clifford noch eines wissen.

»Eli, wie heißt du eigentlich wirklich?«

»Eliza. Meine Mutter hat mich nach dem Schiff Eliza's Love benannt.«

»Ein schöner Name.«

Eliza wollte ihm noch antworten, doch vorher verschlang sie der Schlaf und ließ sie alles vergessen.

Der nächste Tag begann wie alle anderen auch. Der Kapitän ließ seine Stimme über das Deck schallen, um sie alle aufzuwecken.

»Aufstehen ihr Landratten! Alle Männer an die Arbeit, oder ich mach euch Beine!«

Eliza öffnete vorsichtig ein Auge. Clifford saß neben ihr und lächelte sie an. Sie lächelte zurück und streckte sich, bevor sie aufstand. Schließlich legte sie ihr Segelstück zusammen und klemmte es wieder unter das Tau. Clifford hatte in der Zwischenzeit einen Eimer mit Wasser herauf geholt. Sie nahm sich eine Handvoll von dem Wasser und kippte es sich in ihr Gesicht. Danach machte sie sich auf den Weg in die Bilge. Das stinkende Wasser begrüßte sie heute viel freundlicher als sonst. Erst jetzt wusste sie, wie sicher dieser Ort war. Ihre Stimmung hellte auf und gut gelaunt, machte sie sich an ihre Arbeit.

Es dauerte nicht lange, bis einer ihrer Kameraden herunterkam.

»Junge, der Kapitän will dich sprechen.«

»Soll ich mich vorher waschen?«

»Sofort.«

»Aye.«

Eliza ließ alles stehen und liegen und begab sich auf das Deck.

Sie suchte kurz das Deck ab und fand Kapitän Morgan am Steuerrad. Eilig rannte sie die Stufen zum Achterdeck hinauf.

»Ihr habt mich rufen lassen, Sir.«

»Aye. Unser Smutje kam heute auf mich zu und fragte mich, ob ich ihm dich als Lehrling überlassen würde. Mich interessiert es nicht sonderlich. Dein Lohn würde sich etwas erhöhen, wenn du sein Lehrling bist.«

»Aye, Sir. Ich habe diesen Vorschlag bereits gehört und würde ihn sehr gerne annehmen, wenn es für Euch in Ordnung ist.«

»Aye, mach das Junge. Folge mir. Ich werde es Mister Chevalier selbst sagen.«

Ohne weiter auf Eliza zu achten, verließ Kapitän Morgan das Steuerrad. Er stand mitten auf dem Deck und betrachtete die Männer. Schließlich wählte er einen von ihnen aus.

»Du da. Ab in die Bilge und an die Pumpe.«

Elizas Kamerad drehte sich herum und sah Eliza hinter dem Kapitän stehen.

»Aber das ist die Aufgabe von der Bilgratte!«

»War es. Jetzt steht sie wieder jedem von euch zur Verfügung! Also, runter mit dir.«

»Aye.«

Kapitän Morgan betrachtete seine Mannschaft genau. Leise sprach er mit sich selbst.

»Da fehlt doch einer.«

Zur Mannschaft gewandt fragte er lauter.

»Wo ist Mister Augustin?«

Elizas Blut gefror zu Eis. Doch nicht weit von ihr entfernt stand Clifford. Er zurrte ein Tau fest und drehte sich zu seinem Kapitän herum.

»Ich weiß es nicht, Sir. Aber gestern Abend hat er heimlich vom Rum getrunken. Ich habe ihn dabei erwischt. Er wollte es Euch heute Morgen gestehen. Vielleicht hat seine Trunkenheit ihn über die Reling gebracht.«

»Schade, er war ein guter Mann.«

Kapitän Morgan führte Eliza schließlich in die Kombüse.

»Mister Chevalier?«

»Aye, Capitaine.«