Heimatkinder 1 – Heimatroman - Isabell Rohde - E-Book

Heimatkinder 1 – Heimatroman E-Book

Isabell Rohde

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Beschreibung

Die Heimatkinder verkörpern einen neuen Romantypus, der seinesgleichen sucht. Zugleich Liebesroman, Heimatroman, Familienroman – geschildert auf eine bezaubernde, herzerfrischende Weise, wie wir alle sie schon immer ersehnt haben. Ostern lag schon eine Woche zurück, aber erst heute, an einem ganz gewöhnlichen Wochentag, schien die Sonne so, wie alle es ungeduldig erwarteten. Und darum setzte sich Kurt Traubnitz, der Verwalter des Gutes Erlenfeld, auch einfach auf die Fensterbank, mitten ins warme Frühlingslicht, und sah dort die Post durch. Gertrud Meister, die zweimal wöchentlich im Büro als Schreibkraft aushalf, musste über ihn lächeln, eine Bemerkung allerdings wagte sie nicht. Herr Traubnitz konnte manchmal in schlechter Stimmung sein. Da aber geschah ein Wunder. Denn der Verwalter schaute jetzt auch zu ihr hinüber und erwiderte ihr Lächeln. Gertrud, erst zweiundzwanzig und leicht in Verlegenheit zu bringen, wurde knallrot.

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Heimatkinder –1–

Ein Stadtkind auf dem Lande

Die kleine Anka muss lernen, sich zu behaupten

Roman von Isabell Rohde

Ostern lag schon eine Woche zurück, aber erst heute, an einem ganz gewöhnlichen Wochentag, schien die Sonne so, wie alle es ungeduldig erwarteten. Und darum setzte sich Kurt Traubnitz, der Verwalter des Gutes Erlenfeld, auch einfach auf die Fensterbank, mitten ins warme Frühlingslicht, und sah dort die Post durch.

Gertrud Meister, die zweimal wöchentlich im Büro als Schreibkraft aushalf, musste über ihn lächeln, eine Bemerkung allerdings wagte sie nicht. Herr Traubnitz konnte manchmal in schlechter Stimmung sein. Da aber geschah ein Wunder. Denn der Verwalter schaute jetzt auch zu ihr hinüber und erwiderte ihr Lächeln. Gertrud, erst zweiundzwanzig und leicht in Verlegenheit zu bringen, wurde knallrot.

»Herrliches Wetter heute, nicht?«, schmunzelte er. »Man sieht Ihrem Lächeln an, wie gut Ihnen die Sonne in den Tag passt. Oder freuen Sie sich auch so auf die Ankunft von Frau Hillmer und der kleinen Anka?«

»Die kenne ich doch gar nicht!«, meinte Gertrud unsicher.

»Sie werden sie kennenlernen. Meine Frau und Frau Schäfer sind schon unterwegs zum Flughafen in Hamburg. Die beiden kommen ja aus Buenos Aires.« Dann konzentrierte er sich auf einen Brief und fügte kurz darauf hinzu: »Kennen Sie Herrn Stefan Berger?«

Gertrud lächelte nun doch wieder. »Den kennt doch fast jeder. Ich auch, aber nicht persönlich. Er ist dieser Textilunternehmer, der jetzt auf seinem Grundstück bei Loberg wieder eine neue Fabrikhalle baut. Fast«, setzte sie hinzu, »wäre ich bei ihm als Stenotypistin untergekommen. Aber er braucht keine Teilzeitkräfte. Und mein Mann wollte nicht, dass ich ganztags arbeite.«

Kurt Traubnitz mochte nur etwas über vierzig sein. Er war groß und kräftig gebaut, hatte mittelblondes, an den Schläfen leicht ergrautes Haar. Gertrud merkte schon, dass er heute sehr gut aufgelegt war, denn nun grinste er noch mehr.

»Dafür braucht er jetzt einen Stall, wo er für ein halbes Jahr seine drei Reitpferde unterstellen kann. Tja, wir haben ja keine Pferde mehr und auch keinen Stall, der sich dafür eignet. Schreiben Sie ihm, es tut uns leid, ihm nicht behilflich sein zu können.« Er legte den Brief neben ihre Maschine und wandte sich der anderen Post zu.

»Soll ich ihm nicht gleich vorschlagen, es mal bei der Familie Groß zu versuchen?«

Kurt stutzte. »Bei den Großens, denen wir das Kutscherhaus, zwei Koppeln und den großen Stall verpachtet haben? Wie soll denn das vor sich gehen? Den Stall brauchen sie für ihre Schafe und Karnickel.« Er überlegte einen Moment. »Sind eigentlich die Pachtbeträge für das erste Vierteljahr von den Großens eingegangen?«, erkundigte er sich dann.

Gertrud nickte.

»Es geht der Familie nicht gut. Bis sich die Schafzucht wirklich rentiert, werden noch einige Jahre ins Land ziehen. Nein, Frau Meister, erwähnen Sie nichts von den an die Großens vermieteten Stallungen. Herr Berger soll selbst eine andere Lösung finden.«

Da ging die Tür auf. Tessa Traubnitz kam ins Büro. Wie meistens trug sie auch heute einen dunkelgrünen Overall, der mit einem sehr einfachen Gürtel in der Taille zusammengehalten war.

»Du bist noch hier?«, fragte Kurt Traubnitz seine Frau verwundert. »Aber ich sah den Wagen von Mutter doch schon aus dem Gutshof fahren.«

»Ich habe sie nicht begleitet, Kurt, wie du siehst. Meine reizende Schwester Beate und ihre Tochter Anka kommen mir noch früh genug unter die Augen.« Ihr schmales Gesicht verriet angespannte Neugier, als sie dann fortfuhr: »Von wem hast du gerade gesprochen? Von Herrn Berger?«

Gertrud erhob sich sofort und reichte ihr den Brief. Und kaum hatte Kurt einige erklärende Worte hinzugefügt, reichte Tessa das Schreiben mit einem mokanten Lächeln zurück.

»Soll er sehen, wo er seine Pferde unterbringt. Wir wollen nichts mit ihm zu tun haben, Kurt.«

»Du kennst ihn also?«

»Er ist ein furchtbarer Mensch, ein Playboy, ein Nichtsnutz, ein Emporkömmling. Mein Vater hat ihn verachtet, meine Mutter ließ ihm vor Jahren, nachdem mein Vater gestorben war, einen Brief zukommen, in dem sie ihn bat, unseren Grund und Boden nicht mehr zu betreten. Seitdem herrscht Ruhe. Woher der Mann die Frechheit nimmt, einen Brief an uns zu schreiben, ist mir ein Rätsel.«

Kurt trat auf seine Frau zu.

»Das muss fast zehn Jahre her sein. Vielleicht hat er es vergessen.«

Tessa Traubnitz, geborene Schäfer, war eine kühle Schönheit. Trotz ihrer großen braunen Augen und den vollen Lippen lag ein leicht bitterer Zug auf ihrem Gesicht. Das Personal fürchtete ihre Unduldsamkeit, ihre Mutter Margaret Schäfer mied ihre Gegenwart, wann immer es möglich war. Zwar kam es nie zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden, aber keinem im großen Gutshaus blieb doch verborgen, welch eisige Atmosphäre zwischen den beiden herrschte.

»Ich habe es nicht vergessen, Kurt«, erwiderte sie spitz und verließ den Raum.

Sie durchquerte die hohe Halle und ging dann langsam die breite Eichentreppe in den ersten Stock. Im östlichen Seitenflügel befand sich die Wohnung des Ehepaars Traubnitz, auf der anderen Seite bewohnte ihre Mutter drei Zimmer. Daran ging sie jetzt vorbei, bis sie die etwas schmalere Treppe erreichte, die in den zweiten Stock führte.

Hier wohnten die Dienstboten. Senta, die Haushälterin, die schon seit zwanzig Jahren bei den Schäfers arbeitete und wie zur Familie gehörte, sowie der alte Karl, der längst auf Rente war, sich aber doch noch immer im Betrieb nützlich machte. Ein kleines Zimmer mit schrägem Dach war Toni, dem landwirtschaftlichen Praktikanten, zugewiesen worden.

»Guten Morgen, Frau Traubnitz!«

Rita Stolz, eine junge Frau aus dem Dorf, kam täglich, um die gröberen Arbeiten im Gutshaus zu verrichten und um der alten Senta zur Hand zu gehen. Sie war eine immer fröhliche Person und lachte Tessa nun entgegen, als sie sich auf der schmalen Treppe begegneten.

»Ich habe oben in die drei kleinen Räume für Ihre Schwester noch Blumen gestellt. Die Tulpen im Garten sind noch nicht aufgeblüht. Ich habe welche aus dem Treibhaus geholt.«

»Wer hat Ihnen das erlaubt, Rita?«

»Erlaubt? Frau Schäfer bat mich darum. Sie kam nicht mehr dazu. Und die Räume für ihre Schwester und die kleine Anka sollen doch so hübsch wie möglich hergerichtet werden.«

Tessa erwiderte nichts, sondern ging weiter nach oben. Vor fünf Wochen war der entscheidende Brief ihrer Schwester Beate Hillmer aus Buenos Aires eingetroffen. Er hatte Tessas Leben entscheidend verändert. Nichts konnte sie mehr freuen oder erheitern. Fast stündlich durchfuhr sie ein Gefühl der Angst oder der Verbitterung.

Warum kam Beate zurück? Wie konnte es sein, dass die kleine Anka, deren Geburt doch so viel Unglück über sie gebracht hatte, von nun an hier leben sollte? Ihre Gegenwart würde sie doch immer an Ottmar, den verstorbenen Vater des Kindes, erinnern. Anka würde sie ständig dazu veranlassen, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Ihre Gedanken mussten in die Zeit zurückwandern, da Ottmar und sie ein glückliches Liebespaar gewesen waren und schon Zukunftspläne geschmiedet hatten.

Bis Beate sich mit allen Mitteln an ihn herangemacht, ihn verführt und schließlich sogar ein Kind von ihm erwartet hatte. Woher nahm ihre Schwester nur den Mut, mit diesem Kind, der kleinen Anka, wieder auf Gut Erlenfeld zurückzukehren?

Sie betrat die Räume, die für Mutter und Kind vorbereitet waren. Das kleine Mittelzimmer sollte ihr Wohnraum sein, daran schlossen sich jeweils ein Schlafzimmer. Das Bad gegenüber war neu installiert worden, und gleichzeitig hatte man einen Teil für eine winzige Kochnische abgeteilt. Eine Unmenge Geld hatte das alles gekostet!

Aber Beate, oberflächlich, kokett und immer fröhlich, war ja seit jeher der Liebling ihrer Mutter gewesen. Was auch immer sie anstellte, die Eltern haften ihr verziehen. Nicht einmal Wilhelm Schäfer, nun seit acht Jahren verstorben, hatte sich, wenn es um die hübsche Beate ging, an seine Prinzipien gehalten.

Und so hatte die Familie vor zehn Jahren schweigend vor Betroffenheit und wie gelähmt vor Schrecken, widerstandslos hingenommen, dass Ottmar sich von ihr, Tessa, abwandte und heimlich hinter ihrem Rücken Beate heiratete. Nun ja, weil Anka eben unterwegs war. Anka, dieses Unglückskind!

Sie beugte sich aus dem offenen Fenster. Von hier aus reichte der Blick über die Koppeln und Wiesen zu dem reichlich schäbigen Anwesen der Familie Groß. Im Licht der Sonne wirkte das alte Kutscherhaus mit dem Stall daneben nicht ganz so heruntergekommen. Das frische Grün legte sich wie ein zarter Schleier über das schmutzige Grau der Hauswand.

Tessa seufzte. Von Anfang an hatte sie sich gegen den Pachtvertrag mit der Familie Groß gewehrt. Was war von einem so jungen Ehepaar mit drei Kindern schon zu erwarten? Konnten die nicht froh sein, wenn sie ihre beiden Buben und das neugeborene Mädchen satt bekamen?

Die Sonne schien ihr ins Gesicht. Aber sie spürte die Wärme nicht. Ihr Inneres befand sich einem Zustand von bitterer Kälte. Und da war es nur ein schwacher Trost, wenn sie sich jetzt noch für wenige Stunden als alleinige Herrscherin auf dem Gut fühlen konnte.

*

»Wo ist Anka geblieben?«, fragte Margaret Schäfer, kurz nach der überaus herzlichen Begrüßung mit ihrer Tochter Beate.

Noch standen sie im dichten Gedränge der gerade angekommenen Passagiere in der Flughafenhalle. Margaret Schäfer aber geriet schon in Panik. Innerhalb von Sekunden musste ihnen die kleine Anka abhanden gekommen sein.

»Sie ist mit der Familie Goarez in die Ladenstraße gegangen, Mutter. Ich habe es ihr erlaubt. Wir trafen die Familie zufällig im Flugzeug. Und da Anka den kleinen Fernando kannte, wollten ihr seine Eltern ein Abschiedsgeschenk kaufen. Sie wussten nicht, dass wir Buenos Aires für immer verlassen.«

Margaret Schäfer hatte diesen Tag kaum erwarten können. Jetzt atmete sie erleichtert auf. Und während Beate die Gepäckstücke zählte, betrachtete sie ihre Tochter etwas genauer.

Beate trug immer noch Schwarz, aber da sie blondes Haar hatte, stand ihr das ausgezeichnet. Sie sah auch nicht so elend und bekümmert

aus, wie Margaret es befürchtet hatte.

»Fünf Koffer und zwei große Taschen«, hörte sie Beate einem Dienstmann mit fahrbarem Untersatz erklären. »Bringen Sie es in den Wagen meiner Mutter. Er steht auf dem Parkplatz.« Sie hielt ihr die Hand hin, Margaret legte den Autoschlüssel hinein und nannte das Kennzeichen. »Den Schlüssel«, fuhr Beate fort, »geben Sie dann an der Bar ab. Dort erwarten wir Sie.«

Der Mann schob mit dem Gepäck ab.

»An der Bar?«, fragte Margaret erstaunt.

»Ja, Mutter. Dort sind wir mit der Familie Goarez verabredet. Sie werden Anka dorthin zurückbringen.«

So war Beate ja immer gewesen. Schnell entschlossen und zu jeder Abwechslung bereit. Sie nahm den Arm ihrer Mutter, presste ihn an sich, lachte und zog sie mit sich.

»Hör mal, Beate«, begann Margaret Schäfer, als sie ihre etwas rundliche Gestalt auf den Barhocker gehievt und eine Tasse Espresso vor sich stehen hatte, »es ist ganz gut, dass wir jetzt schon allein sind. Ich muss dir etwas sagen.«

»Ich weiß schon, Mutter. Ottmar ist seit einem Jahr tot. Du glaubst, ich könne die schwarze Kleidung jetzt in den Kleiderschrank verbannen.«

»Nein, mein Kind.« Margarets Augen wurden feucht. Sie hatte ihren Schwiegersohn Ottmar Hillmer in allerbester Erinnerung. Und die Nachricht von dem Unglück, bei dem er ums Leben gekommen war, hatte sie schwer getroffen. »Du musst die Trauerkleidung tragen, bis dein Herz seinen Tod überwunden hat. Ihr wart so glücklich. Ottmar war ein so liebevoller Ehemann und Vater.«

»Er war in erster Linie ein Mann, auf den man sich verlassen konnte, Mutter.«

Margaret Schäfer horchte auf. Mit ihren zweiundsechzig Jahren war sie noch weit von dem Alter entfernt, in dem einige Menschen fürchten, die Welt nicht mehr zu verstehen. Jetzt aber stellten sich ihr unzählige Fragen, aber nur eine davon richtete sie an Beate: »Du hast ihn doch geliebt?«

»Geliebt? Selbstverständlich. Ottmar brachte mir ungeheuer viel bei. Auf seine Veranlassung studierte ich ja noch und wurde seine Assistentin. Wenn er noch lebte, Mutter, könnte ich immer noch am Institut in Buenos Aires arbeiten.«

»Warum denn jetzt nicht mehr?«

Beate zuckte mit den Schultern. »Als junge Witwe hat man es dort drüben schwer. Ist es eigentlich das, was du mit mir unter vier Augen besprechen wolltest?«

»Nein, nein«, entgegnete ihre Mutter milde. »Es geht um Anka. Als ich sie auf mich zustürmen sah und sie dann in den Armen hielt, Beate, da war ich überglücklich, endlich mein einziges Enkelkind bei mir zu haben. Nur fürchte ich, sie wird sich nicht leicht auf Gut Erlenfeld einfügen. Weißt du, ihre Kleidung passt so gar nicht zu uns aufs Land und zu den Kindern im Dorf.«

In einem zinnoberroten Mäntelchen mit Glockenrock und pelzbesetzter Pelerine war Anka ihr entgegengeeilt. Dazu hatte sie ein gleichfarbiges Hütchen auf das goldenschimmernde Blondhaar gestülpt. Und dessen pelzbesetzte Krempe war noch mit einem Schleifchen dekoriert. Aber nicht nur wegen des Hütchens hatte Anka viele Blicke auf sich gezogen.

Margaret wusste nicht, ob sie schmunzeln oder stöhnen sollte. Denn Anka trug ja auch noch goldfarbene Strümpfe und Schuhe aus Lackleder dazu, die mit goldenen Agraffen verziert waren. Wie sollte sich die Neunjährige unter ihren zukünftigen Spielkameraden und Mitschülern einfügen? Man würde sie hänseln oder nicht ernst nehmen und sie früher oder später in die Rolle einer Außenseiterin drängen.

»Du denkst an das Mäntelchen und Hütchen dazu?«, erriet Beate und bedachte ihre Mutter mit einem belustigten Blick. »Das habe ich ihr extra für die Reise gekauft. Bei uns beginnt ja jetzt die kalte Jahreszeit. Und Anka sollte etwas bekommen, das ihr den Abschied von Buenos Aires und ihren vielen Freunden erleichtert.

»Hat sie noch mehr von solchen auffallenden Kleidungsstücken?«

»Natürlich. Anka war doch unser Prinzesschen. Sogar noch nach Ottmars Tod wurde sie weiterhin zu den vielen Kinderfesten eingeladen. Du darfst nicht vergessen, welchen Ruf Ottmar als Professor an der Universität genoss. Alle rissen sich um uns. Anka hatte Reit- und Klavierunterricht, sie spielte Tennis und bekam Tanzstunden. Einmal wurde sie sogar zur Königin des Kinderballs erwählt.«

Vor sechs Jahren, nachdem ihre älteste Tochter Kurt Traubnitz geheiratet hatte, war Margaret bei Beate, ihrem Mann und der damals vierjährigen Anka in Buenos Aires zu Besuch gewesen. Schon bei diesem Aufenthalt hatte sie feststellen müssen, dass das Leben ihrer Tochter mit dem auf Gut Erlenfeld überhaupt nicht zu vergleichen war.

Die Hillmers wohnten in einer riesigen Villa inmitten eines weitläufigen Parks, und das ganze Haus schien nur so von dienstbaren Geistern zu wimmeln. Kaum ließ man sich in einem der Salons sehen, tauchte auch schon jemand auf leisen Sohlen auf und fragte nach den Wünschen oder servierte ohne jeglichen Anlass Drinks, Tee oder Kaffee.

»Bei uns auf Gut Erlenfeld gibt es das nicht, Beate. Anka wird ein ganz anderes Leben führen müssen.«

Beate lachte. Sie hatte auffallend blaue leuchtende Augen, ein noch sehr junges Gesicht und einen wunderschön geformten Mund, auf dem fast jede ihrer Regungen abzulesen war. Der schien nur dafür geschaffen, mit seinem Lachen alle Anwesenden in gehobene Stimmung zu versetzen.

»Sorg dich doch nicht, Mutter! Ganz anders wird es sein. Anka und ich wollen uns bemühen, das gesamte Leben auf dem Gut umzukrempeln. Sind die Räume immer noch so schlicht eingerichtet? Stehen immer so viele Möbel aus dem Haushalt unserer Großeltern herum?« Sie lachte. »Tessa wird sich auch nicht viel verändert haben. Mehr als einmal jährlich sucht sie den Friseur nicht auf, stimmt’s?«

Dann schüttelte Beate ihre blonde Mähne mit einer übermütigen Bewegung in den Nacken.

»Tessa arbeitet viel, Beate. Sie leitet die Rinderzucht. Vergiss doch nicht, dass sie ausgebildete Tierärztin ist!«