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Ausgerechnet Abigail! Wütend fragt sich Tycoon Leandro Sanchez, wie seine sexy Exgeliebte es wagen kann, noch einmal auf seinem Landgut aufzutauchen. Schließlich hat er sie nicht ohne Grund verlassen, sondern weil sie ihn schändlich betrogen hat! Trotzdem muss er sich jetzt eingestehen, dass er sie gegen jede Vernunft immer noch heiß begehrt. Um sein Verlangen ein für alle Mal zu stillen, gibt es nur einen Weg: Er muss sie zu einer letzten Liebesnacht verführen! Da macht sie ihm ein schockierendes Geständnis, das seine Welt komplett auf den Kopf stellt …
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Seitenzahl: 207
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Cathy Williams Originaltitel: „The Secret Sanchez Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 062018 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Nora Teludes
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710026
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Leandro Sanchez stand an einem der großen Fenster im Westflügel seines weitläufigen Anwesens und ließ den Blick über die Trümmer seiner sechsmonatigen Beziehung mit Rosalind Duval schweifen. So ein melodramatisches Ende passte wirklich zu einer verwöhnten Diva wie ihr!
Es war kurz nach sechs Uhr abends. Die Mitarbeiter des Catering-Service hatten zusammengepackt und verließen gerade mit ihren Lieferwagen das Gelände. Unberührt standen die Speisen, die sie am Morgen gebracht hatten, in der Küche, und von der feierlichen Dekoration waren nur eine lächerliche Eisskulptur in der Eingangshalle und die chinesischen Laternen entlang der Einfahrt übrig geblieben. In deren flackerndem Lichtschein konnte Leandro schemenhaft die Umrisse der Fahrzeuge erkennen, die sich ihren Weg durch den sanft fallenden Schnee bahnten.
Während er die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren ließ, presste Leandro seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er war mit dem Nachtflug von einer Geschäftsreise aus New York zurückgekehrt. Kaum hatte er sein Handy eingeschaltet, war er von einer schier endlosen Flut an Textnachrichten überschwemmt worden, die alle von Rosalind stammten.
„Ich warte in Greyling Manor auf dich.“
„Beeil dich!!!“
„Ich habe eine Überraschung für dich …“
Leandro hasste Überraschungen. Noch dazu hatte er sich auf seiner Reise endlich eingestanden, dass die Beziehung zu Rosalind Duval keine Zukunft hatte. Natürlich war sie eine gute Partie. Auf den ersten Blick war Rosalind alles, was sich ein Mann wie Leandro wünschen konnte: Sie sah gut aus, hatte eine hervorragende Kinderstube und war wohlsituiert.
Ihre Familie war zwar nicht annähernd so reich wie er, aber immerhin gehörte sie zu einem der letzten Clans des britischen Adels. Außerdem war Rosalind mit Leandros Schwester Cecilia befreundet, die auch das erste Treffen eingefädelt hatte. Eigentlich war Leandro damals gar nicht auf eine Beziehung aus gewesen. Doch er hatte sich so … rastlos gefühlt, und mit Rosalind hatte er seine Ruhe wiedergefunden. Zunächst schien alles so vielversprechend. Aber dieser Eindruck hielt nicht lange an.
Als Einzelkind aus privilegiertem Hause war Rosalind daran gewöhnt, dass ihr jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Selbst jetzt, mit Anfang dreißig, stampfte sie noch mit dem Fuß auf und bekam Tobsuchtsanfälle, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging. Ihr ganzes Leben lang hatte sich alles immer nur um sie gedreht, und Rosalind sah keinen Grund, warum Leandro dieses Spiel nicht mitspielen sollte. Sie forderte ständige und ungeteilte Aufmerksamkeit von ihm. Manchmal rief sie ihn sogar mehrmals am Tag an. Wenn sie etwas haben wollte, kaufte sie es mit seiner Kreditkarte – Schmuck, Kleidung, einen sündhaft teuren Sportwagen und jetzt, zu Leandros größtem Entsetzen, einen Verlobungsring.
„Überraschung“, hatte sie strahlend gerufen, als Leandro auf sein Landgut zurückgekehrt war. Dort kamen und gingen gerade unzählige Menschen, um alles für die große Party herzurichten, die Rosalind für den nächsten Tag geplant hatte. „Der Ring kommt später mit einem Kurierdienst. Kurz vor dem Abendessen sollte er da sein, dann können wir schon mal die Korken knallen lassen und auf uns anstoßen.“
Eindringlich sah sie ihn an. „Es wird langsam Zeit, dass wir es offiziell machen, Leandro. Mum und Dad wünschen sich so sehr ein Enkelkind, und es gibt doch keinen Grund, warum wir noch länger warten sollten. Wir sind beide Anfang dreißig, jetzt sollten wir wirklich den nächsten Schritt gehen. Schatz, ich weiß, euch Männern würde so etwas nicht im Traum einfallen. Also habe ich das jetzt in die Hand genommen.“
Nachdenklich schaute Leandro nun den Rücklichtern des letzten Lieferwagens nach und streckte sich. Auf dem Weg in die Küche sammelte er wahllos einige Überreste der Partydekoration auf, die überall verstreut herumlagen. Die lächerliche Eisskulptur war noch nicht einmal angetaut und konnte wohl frühestens am nächsten Tag weggeräumt werden. Jedenfalls würde er einen ganzen Reinigungstrupp anheuern müssen, um sein Anwesen wieder auf Vordermann zu bringen.
Doch erst einmal brauchte er einen starken Drink, während er weiter auf den verdammten Verlobungsring wartete. Leandro beabsichtigte, den Kurier so schnell wie möglich abzufertigen. Noch war er unentschlossen, ob er den Ring behalten wollte. Immerhin war der lupenreine Diamant ein Vermögen wert. Rosalind hatte ihm das Zertifikat wutentbrannt entgegengeschleudert. Vielleicht sollte er ihr den Ring schenken. Schließlich war der seltene Stein nur dank ihres Kaufs bearbeitet worden – wenngleich Leandro mit seiner Kreditkarte dafür bezahlt hatte. Er schnitt eine Grimasse. Diese Art von Aufmerksamkeit würde selbst Rosalind nicht gerade wohlwollend annehmen.
Für einen kurzen Moment ließ Leandro seinen Gedanken freien Lauf. In der Küche war Julie, seine Haushälterin, damit beschäftigt, die letzten Spuren der Partyvorbereitungen zu beseitigen. Er schenkte sich einen Whiskey ein.
„Nur noch eine letzte Lieferung“, sagte er geistesabwesend zu ihr, während er die goldbraune Flüssigkeit in seinem Glas schwenkte und dann beobachtete, wie der Strudel langsam abebbte. Schließlich richtete er seinen Blick auf die Frau mittleren Alters, die sein Anwesen nun schon seit fünf Jahren in Schuss hielt. Genau seit jenem Tag, an dem er Greyling Manor gekauft hatte.
„Ich möchte dieses Paket persönlich entgegennehmen. Bis dahin bin ich in meinem Büro. Bitte sagen Sie mir Bescheid, wenn der Kurier da ist. Es sollte nicht lange dauern, und danach können Sie Feierabend machen. Morgen werden Sie den üblichen Reinigungstrupp hier brauchen, um diese … Unordnung fertig aufzuräumen.“
In seinem Arbeitszimmer zog Leandro die Vorhänge zu. Er ärgerte sich, dass seine Gedanken schon wieder in die Vergangenheit schweiften. Seine Zeit war zu knapp bemessen, um sie mit sinnloser Gefühlsduselei zu verschwenden. Doch je dichter der Schnee vor dem Fenster fiel, desto intensiver kehrten seine Erinnerungen zurück.
Da war die unglückliche Verkettung von Umständen, die Rosalind in sein Leben gebracht hatte. Beinahe vom ersten Augenblick an hatte Leandro an dieser Beziehung gezweifelt. Aber seine Schwester hatte ihn mit Rosalind verkuppelt, und Cecilia war auch der einzige Grund, warum er so lange gezögert hatte umzusetzen, was er tun musste. Er konnte sich bildhaft vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn sie von der Trennung erfuhr. Bestimmt wusste sie schon Bescheid. Vermutlich hatte Rosalind ihr schon alles brühwarm erzählt, bevor er selbst Zeit gehabt hätte, mit Cecilia zu sprechen.
Er trank den Whiskey aus, ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen und lehnte sich zurück. Seine Gedanken wanderten tiefer in die Vergangenheit, zu Ereignissen, die mittlerweile achtzehn Monate zurücklagen. Für ein paar kurze Wochen war damals eine andere Frau in sein Leben getreten. Sie hatte grenzenloses Unheil angerichtet.
Diese geldgeile Schlampe … diese Lügnerin … diese Diebin …
Gerade noch rechtzeitig hatte er sie entlarvt. Natürlich hatte er sie ohne Umschweife verlassen. Aber sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Sie war ein Stachel in seinem Fleisch, den er bei jeder falschen Bewegung schmerzhaft spürte. Er kam einfach nicht über sie hinweg. Nur ihretwegen hatte ihn diese Rastlosigkeit ergriffen, die an seinen Kräften zehrte und die von einem Moment auf den anderen sein ganzes Leben infrage gestellt hatte. Nur wegen dieser Frau hatte er sich so gehenlassen, dass aus der Sache mit Rosalind etwas Ernstes werden konnte.
Zähneknirschend wandte Leandro sich dem Computer zu, der vor ihm auf dem großen, altmodischen Mahagoni-Schreibtisch stand. Diese Frau war schuld daran, dass er gegen seine Überzeugungen gehandelt hatte. Er musste diese Frau mit dem goldenen Haar und den grünen Augen, die ihn vom ersten Moment an verhext hatte, so schnell wie möglich vergessen. Es war sinnlos, sich Vergangenes zurückzuwünschen. Was vorbei war, kam nicht wieder. Wenn er gleich den Kurier mit dem Ring abgefertigt hatte, wäre auch das Kapitel mit Rosalind abgeschlossen, und das Leben würde, wie immer, weitergehen.
Mit diesen Gedanken wandte er sich dem zu, was er am besten konnte: seiner Arbeit. Innerhalb von nur zehn Minuten waren alle Erinnerungen wieder ordentlich im hintersten Winkel seines Kopfes begraben.
Abigail Christie war spät dran. Ihre Chefin Vanessa hatte ihr strikte Anweisungen erteilt: „Der Ring muss um 17 Uhr in Greyling Manor sein. Keine Minute später – koste es, was es wolle.“
Vanessa war Eigentümerin des erstklassigen Juweliergeschäfts, in dem Rosalind Duval den Diamanten gekauft hatte. Außerdem hatte sie Abigail eingestellt und ihr damit im wahrsten Sinne des Wortes das Leben gerettet.
Doch bei diesem Auftrag ging alles schief. Niemand hatte die miserablen Wetterverhältnisse oder das Verkehrschaos vorhersehen können. Als Abigail und ihr umsichtiger Chauffeur Hal auf die Minute pünktlich in London aufgebrochen waren, hatten nur dichte Wolken am Himmel gehangen, aber schon kurz hinter Oxford verschlimmerte sich das Wetter, und seitdem lieferten sie sich einen aussichtslosen Wettlauf mit der Zeit.
Abigail hatte versucht, Lady Rosalind zu erreichen, um sie über die Verzögerung zu informieren, aber sie war nicht ans Telefon gegangen. Mittlerweile waren sie schon über zwei Stunden zu spät. Abigails einziger Trost war, dass sie jetzt die endlosen Staus hinter sich gelassen hatten. Und obwohl die Landstraßen nach Greyling Manor unbeleuchtet, kurvenreich und schlichtweg halsbrecherisch waren, rückte ihr Ziel endlich in greifbare Nähe.
Sie würde Lady Rosalind den Ring in die Hand drücken, ihre Unterschrift einholen und sich dann ohne weitere Umstände auf den Rückweg machen. Zweifellos wartete die vermögende Kundin schon ungeduldig, und sicherlich lag ihr ebenso wenig daran wie Abigail, diese Angelegenheit noch weiter zu verzögern. Abigail müsste sich nicht länger als nötig in den Hügeln der Cotswolds aufhalten und keine höfliche Unterhaltung mit dem Herrn dieses abgelegenen Hauses führen. Es würde ihr erspart bleiben, einem der arroganten Snobs zu begegnen, die bestimmt schon heute für die feierliche Bekanntgabe der Verlobung angereist waren und unbedingt einen Blick auf den prunkvollen Ring erhaschen wollten. All dem würde Abigail aus dem Weg gehen können, denn sie war viel zu spät dran.
Das erleichterte sie. Allein die Aussicht, auch nur ihren großen Zeh in das eisige Wasser dieser exklusiven Welt der Superreichen zu tauchen, verursachte ihr Übelkeit. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie skrupellos diese Menschen sein konnten. Ein einziges Mal hatte sie sich auf eine schicksalhafte Begegnung mit einem Mann aus der sogenannten besseren Gesellschaft eingelassen, und sie hatte nicht vor, diesen Fehler zu wiederholen.
Schon deswegen hatte sie alles darangesetzt, diesen Ring nicht ausliefern zu müssen. Sie war nicht am Verkauf beteiligt gewesen und hatte Rosalind nur einmal kurz im Laden gesehen. Obwohl Vanessa von Anfang an gesagt hatte, wie ungünstig der Liefertermin sei, hatte Rosalind sich geweigert, einen Kompromiss einzugehen. Typisch! Jung, reich und verwöhnt. Glaubt, alle müssen springen, wenn sie nur mit den Fingern schnippt.
Aber es gab noch einen Grund, warum Abigail so schnell wie möglich zurückfahren wollte. Deshalb war geplant, dass Hal mit laufendem Motor wartete, während sie schnell hineinrennen, das Notwendige erledigen und sich sogleich wieder auf den Heimweg machen würde.
Zum vierten Mal in weniger als einer Stunde schaute Abigail auf ihr Telefon. Immer noch keine Nachricht von ihrer Freundin Claire. Der Empfang war schlecht, seit sie auf die kleinen kurvigen Landstraßen abgebogen waren, und er wurde immer katastrophaler, je tiefer sie in die hügeligen Cotswolds vordrangen. Mit einem frustrierten Seufzer lehnte Abigail sich zurück und sah in die Nacht hinaus. Sie fand es unheimlich, wie sich ein weißer Schleier aus Schnee über die tintenschwarze Landschaft legte. An die Lichter und den Lärm der Stadt gewöhnt, fühlte sie sich hier im Hinterland wie auf einem fremden Planeten. Voll Sorge dachte sie an Sam, ihren zehn Monate alten Sohn, den sie in London bei Claire zurückgelassen hatte. Selbst wenn sie mit Schallgeschwindigkeit reisen könnte, würde er schon tief und fest schlafen, wenn sie endlich zu Hause ankam.
Ihre nächste Sorge galt dem Wetter. Bildete sie sich nur ein, dass der Schnee dichter fiel? Es war schwer, das in der Dunkelheit zu erkennen. Was, wenn diese kleinen Straßen unpassierbar würden? Jetzt ging es noch ganz gut. Wenn sie es nicht zurück nach London schafften, würden sie eine Unterkunft finden müssen. Sie müsste ohne Sam einschlafen und alleine aufwachen, würde nicht von seinem leisen Brabbeln und sanften Quengeln geweckt werden. Sie könnte ihn nicht hochnehmen, um ihm sein Morgenfläschchen zu geben.
Als Hal abbremste, schreckte Abigail aus ihren Gedanken auf. Durch ein eindrucksvolles gusseisernes Tor bog das Auto in eine lange Allee ein, die auf beiden Seiten von chinesischen Laternen beleuchtet war. Wie wunderschön romantisch! Doch als sie sich dem Anwesen näherten, stutzte Abigail. Bis auf ein paar Autos auf dem Vorplatz lag das Haus verlassen da. Fast alle Fenster waren dunkel. Hoffentlich hatten sie sich nicht verfahren. Abigail ließ Hal noch einmal die Adresse überprüfen.
„Komm lieber mit rein“, bat sie unsicher. Hal stellte den Motor ab und wandte sich zu ihr um. Sein sonst so fröhliches Gesicht sah ernst aus.
„Wenn das eine Verlobungsparty sein soll“, sagte er in ungewöhnlich direkter Art, „fresse ich einen Besen.“ Er zeigte auf einen einsamen Besen, der an der Hauswand lehnte. „Auf einem Friedhof ist mehr los als hier.“
„Mal den Teufel nicht an die Wand. Ich muss diesen Ring abliefern. Vanessa wäre außer sich, wenn das Geschäft aus irgendeinem Grund platzt.“
„Das wird nicht passieren, meine Liebe.“ Hal lächelte sie freundlich an. „Wahrscheinlich steigt die Party erst morgen. Das sagte sie doch, oder? Das glückliche Paar hat sich bestimmt zurückgezogen, um die Ruhe vor dem Sturm zu genießen.“
Zehn Minuten später erkannte Abigail, dass die Wahrheit nicht ferner liegen könnte.
Leandro hatte das Chaos, das ihn bei seiner Ankunft auf Greyling Manor erwartet hatte, schon fast vergessen. Wenn er sich in seine Arbeit stürzte, wurde alles andere nebensächlich. Dann erhielt sein Leben eine klare Struktur, und für jedes Problem gab es eine eindeutige Lösung.
Jetzt klopfte Julie an und informierte ihn, dass er die Unannehmlichkeiten dieses Tages nun endgültig zu den Akten legen konnte: Der verdammte Ring war endlich da. Nur noch dieses letzte Geschäft, dann würde diese Geschichte ein für alle Mal hinter ihm liegen. Seine Laune besserte sich deutlich.
Rosalind hatte geschrien und getobt. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich jemand ihrem Willen widersetzt. Sie hatte gedroht, Leandros Ruf zu ruinieren. Aber Leandro hatte nur gelacht.
„Über kurz oder lang wirst du feststellen, dass du ohne mich besser dran bist. Ich habe nicht die Energie, dir die Aufmerksamkeit zu schenken, die du brauchst.“ Außerdem hatte er keinerlei Interesse daran, Kinder in die Welt zu setzen. Auch diesen Herzenswunsch würde er Rosalind also nicht erfüllen. Sie hatte sich von ihrer schlechtesten Seite gezeigt. Aber sobald ihre erste Wut verraucht war, da war Leandro sicher, würde sie sich das Maul über ihn zerreißen und sich selbst ins beste Licht rücken.
Leandro ging ganz in seiner Arbeit auf. Was hatte ihn nur glauben lassen, dass es etwas Wichtigeres geben könnte? Er erinnerte sich nur zu gut an seine Eltern: zwei reiche und verwöhnte Hedonisten, die nie erwachsen geworden waren. Sie waren ganz und gar unfähig gewesen, sich um den Sohn zu kümmern, den sie in die Welt gesetzt hatten. Selbst als einige Jahre später Cecilia geboren wurde, hatten sie rein gar nichts dazugelernt. Leandro hatte sich von Anfang an um seine viel jüngere Schwester gekümmert. Er hatte schnell begriffen, dass die emotionale Achterbahnfahrt der Kindererziehung nichts für ihn war. Seine tiefe Abneigung gegen Unordnung und Chaos zeichnete sich schon damals ab.
Als Jugendlicher hatte er sich jede freie Minute, in der er sich nicht um seine Schwester kümmerte, in seine Schularbeiten vertieft, und als Erwachsener hatte er sich Hals über Kopf in seine Arbeit gestürzt. Letztendlich waren seine Eltern bei einem Schnellbootrennen in der Karibik verunglückt und damit ihrem wilden und verantwortungslosen Lebensstil zum Opfer gefallen, und Leandro wurde zum Verwalter des Familienvermögens. Arbeit war und blieb seine einzige Erfüllung. Rosalinds hysterisches Verhalten hatte ihm dies einmal mehr vor Augen geführt.
Auf Leandros Anweisung hin hatte Julie den Kurier in den kleinen Salon gebracht, der die geringsten Spuren der geplatzten Party aufwies. In Gedanken noch ganz bei dem Geschäftsplan, den er eben gelesen hatte, machte sich Leandro auf den Weg dorthin.
Abigail saß wie auf heißen Kohlen. Irgendetwas lief hier schief. Die zügige Abwicklung, die sie sich erhofft hatte, rückte in immer weitere Ferne. Während Hal in der Küche etwas zu essen bekam, war Abigail in einen kleinen Salon geführt worden. Statt auf Rosalind sollte sie auf den Herrn des Hauses warten, der den Ring persönlich entgegennehmen wollte.
Als sie Schritte auf dem Marmorboden hörte, stand sie schnell auf. Sie hatte sich genau überlegt, was sie sagen wollte. Ihr Auftrag war erfüllt. Jetzt musste sie dringend nach London zurück, bevor das Wetter sich weiter verschlechterte. Was auch immer hier geschehen war, es ging sie nichts an. Es ging sie wirklich rein gar nichts an, ob das verliebte Paar sich gestritten hatte. So weit, so gut. Aber dann kam alles ganz anders.
Angespannt hielt Abigail die kleine Metallschatulle mit dem Ring in ihrer Hand. Für einen Moment traute sie ihren Augen nicht, als ein fast zwei Meter großer Traumtyp die Tür zum Salon öffnete. Leandro Sanchez. Seine hellbraunen Augen mit den langen Wimpern, die jede Frau vor Neid erblassen ließen, riefen schmerzhafte Erinnerungen in Abigail wach. Das durfte einfach nicht wahr sein. Wie konnte Leandro Sanchez in der Tür zu diesem Salon erscheinen?
Abigail starrte ihn fassungslos an. Er war ihr schlimmster Albtraum – und ihre geheimste, verbotenste und süßeste Fantasie. Stand er hier wirklich in voller Größe vor ihr? Abigail zwinkerte und hoffte inständig, diese Sinnestäuschung möge verschwinden. Aber das tat sie nicht.
Leandro sah so umwerfend gut aus, dass es ihr den Atem verschlug. Wie damals, bei ihrem ersten Treffen vor eineinhalb Jahren. Während der wenigen Wochen ihrer glühenden und schicksalhaften Affäre hatte seine Anziehungskraft nie nachgelassen. Er war der Typ Mann, von dem jede Frau träumte. Braun gebrannt, mit braunen Augen und einem unwiderstehlichen Sexappeal. Groß, schlank und muskulös.
Abigail erinnerte sich an jede einzelne Faser seines atemberaubenden Körpers. Nicht im Traum hatte sie daran geglaubt, dass sie ihn jemals wiedersehen würde. Nicht nach allem, was passiert war. Diese zufällige Begegnung in seinem Haus ließ den Boden unter ihren Füßen schwanken. Das Zimmer begann, sich zu drehen. Ein schaler Geschmack stieg in ihrer Kehle hoch und ließ sich nicht wieder hinunterschlucken. Das Schwanken und Drehen wurde stärker. Abigails Knie gaben nach, und sie sank ohnmächtig zu Boden.
Als sie aufwachte, lag sie auf einem cremefarbenen Sofa. Sie versuchte, sich aufzusetzen. Auf einem Stuhl neben dem Sofa saß Leandro und sah sie an.
„Trink das.“ Er drückte ihr ein Glas Brandy in die Hand und zwang sie, einen Schluck zu nehmen. Sein Blick war kühl und wachsam, seine Hand ruhig, die Stimme kontrolliert. Nichts verriet den Schrecken, der ihn ergriffen hatte, als er unverhofft der einzigen Frau gegenübergestanden hatte, die ihm jemals unter die Haut gegangen war. Es war ärgerlich genug, dass sie ihm einfach nicht aus dem Kopf ging. Mehr noch brachte ihn die Erkenntnis auf, dass sie ebenso wunderschön war, wie er sie in Erinnerung hatte.
Ihr Haar war genauso voll und lang – soweit er das beurteilen konnte, denn es war zu einem strengen Knoten gebunden. Ihre grünen Augen hatten immer noch diese goldbraunen Flecken, die nur dann zu sehen waren, wenn man tief in Abigails Augen blickte. Leandro hatte sehr tief in ihre Augen geblickt. Ihre Figur war so üppig und sinnlich wie in seinen kühnsten Träumen.
Unwillkürlich ließ er seinen Blick über ihre perfekten Brüste wandern, die sich gegen den Stoff ihrer weißen Bluse pressten, und über die ganze Länge ihrer Beine, die in einer eng geschnittenen grauen Anzughose steckten. Ihre Kleidung verriet, dass sie berufstätig war. Wo auch immer das Leben sie nach ihrer Trennung hingeführt hatte, sie war also nicht in den Armen eines anderen Millionärs gelandet.
„Leandro … das kann doch nicht wahr sein …“ Abigails Knie fühlten sich immer noch butterweich an.
„Du bist in meinem Haus. Du sitzt auf meinem Sofa. Also muss es wohl wahr sein.“ Leandro ging zum Kamin. Er konnte nicht länger in ihrer Nähe sein. Jede Faser seines Körpers stand unter Strom. Es war ein Schock, sie in seinem Haus anzutreffen. „Ich nehme an, du bringst den Ring?“
„Ja … Ja, genau.“ Abigails Blick streifte ihn kurz. Dann hielt sie ihm die kleine Schatulle entgegen. Aber Leandro nahm sie nicht.
Nervös stotterte Abigail eine Erklärung, wie sie in seinem Haus gelandet war. Sie fühlte sich wie ein unvorsichtiger Hase, der unversehens einem gefährlichen Raubtier über den Weg gelaufen war.
Betont langsam und mit zusammengekniffenen Augen bewegte sich Leandro auf sie zu und bemerkte, wie Abigail sich tief ins Sofa duckte. Sollte sie doch zittern. Immerhin hatte er sie bei ihrer letzten Begegnung als Lügnerin und Diebin entlarvt.
„Deine Chefin wurde übers Ohr gehauen.“
„Wie bitte?“
„Dieser Ring wurde ohne mein Einverständnis gekauft. Rosalind hat wohl die Ernsthaftigkeit unserer Beziehung nicht ganz richtig eingeschätzt.“
„Sie hat gesagt, dass eine Verlobung anstehe …“
Leandro starrte Abigail unverwandt an. Schulterzuckend ließ er sich wieder auf den Stuhl neben dem Sofa sinken. Viel zu nah für Abigails Geschmack.
„Das ist eine Fehlinformation“, entgegnete er kühl.
„Also ist Rosalind …? Hat Rosalind …?“ Abigail konnte sich keinen Reim auf die Situation machen. Während ihre Gedanken nur so im Kreis schwirrten, brannte und prickelte ihr ganzer Körper, als hätte sie in eine Steckdose gefasst.
„Ich hatte nie vor, sie zu heiraten.“ Leandro tat die unvollständige Frage ungeduldig ab. Abigail saß hier in seinem Wohnzimmer, und all die Erinnerungen, die er eben noch so gründlich verdrängt hatte, kehrten mit Nachdruck zurück. Sie war so sexy wie damals. Er erinnerte sich genau, wie sich ihre weiche Haut anfühlte, wie sie leise stöhnte, wenn er sie berührte, wie ihre Körper harmoniert hatten.
Natürlich war es nicht das erste Mal, dass ihm eine Ex-Freundin zufällig über den Weg lief. Doch bisher war er immer erleichtert gewesen, sie los zu sein, und mit Sicherheit hatte er nie eine von ihnen noch einmal begehrt. Aber keine dieser Beziehungen hatte so geendet wie die mit Abigail …
Abigail konnte nicht länger still sitzen. Nervös begann sie, auf und ab zu gehen. Sie verschränkte ihre Finger hinter dem Rücken. Es fiel ihr schwer, ihre Gedanken zu ordnen.
„Also war diese lange Fahrt nichts als Zeitverschwendung. Was soll ich jetzt mit dem Ring machen?“ Du bist wegen des Rings hier, ermahnte sie sich immer wieder, denk an nichts anderes.
„Wenn du dir schon die Mühe gemacht hast, ihn herzubringen, kann ich ja mal einen Blick darauf werfen.“ Leandro wies mit dem Kinn auf die Schatulle. Pflichtschuldig, wenn auch mit zitternden Fingern, nahm Abigail das Schmuckstück heraus. Leandro hielt es vorsichtig ins Licht und betrachtete es eingehend.
„Ich kann nichts dafür, dass du deine Verlobung mit Lady Rosalind gelöst hast“, bemühte sie sich, energisch zu klingen.
„Ich habe sie nicht gelöst. Es gab nichts, was ich hätte auflösen können. Sie wollte mich festnageln. Deswegen hat sie den Ring gekauft. Aber ihr Plan ist nicht aufgegangen. Ich hatte mich schon entschieden, diese Beziehung zu beenden, als ich noch gar nichts von dieser absurden Idee wusste. Und genau das habe ich getan, sobald ich hier ankam.“
Abigail lief es kalt den Rücken hinunter. Diese gnadenlose Seite an Leandro hatte sie auch kennengelernt, als ihre Beziehung in die Brüche gegangen war.
Plötzlich musste sie an Sam denken. Angst und Sorge erfassten sie, und ihr wurde wieder übel.
„Das Geschäft wurde in gutem Glauben abgeschlossen“, sagte sie dumpf. Sie atmete einige Male tief und langsam, um ihre Nerven zu beruhigen. „Du musst nur die Lieferung quittieren, dann bist du mich wieder los.“
„Wirklich?“ Leandro schlug scheinbar entspannt ein Bein über das andere, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. „Warum die Eile?“