Herbert West Wiedererwecker - H.P. Lovecraft - E-Book

Herbert West Wiedererwecker E-Book

H. P. Lovecraft

0,0
1,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der junge Arzt Herbert West glaubt, dass der menschliche Organismus nur eine komplexe organische Maschine ist, die aufs Neue »gestartet« werden kann, wenn sie einmal stehen geblieben, sprich gestorben, ist. Um seine Theorie zu beweisen, schreckt er auch nicht vor Leichenraub und Schlimmerem zurück. Die erste große Zombie-Geschichte der phantastischen Literatur in ungekürzter Neuübersetzung, der es erstmals gelingt, Lovecrafts speziellen Stil und die besondere Atmosphäre seiner Erzählung in deutscher Sprache schillern zu lassen. »H. P. Lovecraft ist der bedeutendste Horror-Autor des 20. Jahrhunderts.« Stephen King Unter dem Titel »Herbert West – Reanimator« erstmals veröffentlicht 1922 in der Zeitschrift »Home Brew« Erstdruck der Übersetzung in »H. P. Lovecraft – Das Werk« (FISCHER Tor, 2017)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 67

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



H. P. Lovecraft

Herbert West Wiedererwecker

Erzählung

Aus dem Amerikanischen von Andreas Fliedner

FISCHER digiBook

Inhalt

[Motto]TEIL I: Aus dem DunkelnTEIL II: Der SeuchendämonTEIL III: Sechs Schüsse um MitternachtTEIL IV: Der Schrei des TotenTEIL V: Das Grauen aus dem SchattenTEIL VI: Die Grabeslegionen

»Tot zu sein, wirklich tot, muss herrlich sein. Es gibt viel schlimmere Dinge als den Tod.«

Graf Dracula

TEIL I:Aus dem Dunkeln

Von Herbert West, der auf der Universität und im späteren Leben mein Freund war, kann ich nur mit äußerstem Grauen sprechen. Dieses Grauen ist nicht allein der unheimlichen Art und Weise seines kürzlichen Verschwindens geschuldet, sondern der Natur seines gesamten Lebenswerks. Es nahm erstmals vor mehr als siebzehn Jahren konkrete Gestalt an, als wir uns im dritten Jahr unseres Studiums an der medizinischen Fakultät der Miskatonic University in Arkham befanden. Während unserer gemeinsamen Zeit schlugen mich seine erstaunlichen und diabolischen Experimente völlig in ihren Bann, und ich war sein engster Gefährte. Jetzt, wo er fort und der Bann gebrochen ist, überwiegt die Furcht. Erinnerungen und Mutmaßungen sind noch abscheulicher als die Wirklichkeit.

Das erste grauenhafte Erlebnis, das ich mit West hatte, versetzte mir den schlimmsten Schock meines Lebens, und ich erinnere mich nur ungern daran zurück. Es geschah, wie gesagt, während unseres Studiums an der medizinischen Fakultät, wo West sich durch seine haarsträubenden Theorien über die Natur des Todes und die Möglichkeit, ihn künstlich zu überwinden, einen zweifelhaften Ruf erworben hatte. Diese Theorien, die unter den Professoren und Studenten allerdings kaum jemand ernst nahm, beruhten auf der Annahme, dass das Leben im Wesentlichen ein mechanischer Vorgang ist, und kreisten um die Möglichkeit, den menschlichen Organismus nach dem Stillstand seiner natürlichen Prozesse durch sorgfältig berechnete chemische Manipulationen wieder in Gang zu setzen. Bei seinen Experimenten mit verschiedenen die Lebensfunktionen stimulierenden Lösungen hatte er enorme Mengen von Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen, Hunden und Affen getötet und mit unterschiedlichen Präparaten behandelt, bis er die gesamte Universität gegen sich aufgebracht hatte. Mehrfach war es ihm tatsächlich gelungen, in vermeintlich toten Tieren Lebenszeichen hervorzurufen, und in vielen Fällen waren diese Lebenszeichen sehr heftig gewesen. Doch West wurde rasch klar, dass die Perfektionierung dieses Prozesses, wenn überhaupt möglich, eine Lebensaufgabe war. Zugleich zeichnete sich ab, dass ein und dieselbe Lösung bei unterschiedlichen Spezies vollkommen unterschiedliche Wirkungen hervorrief und dass er früher oder später menschliche Versuchsobjekte benötigen würde, um bessere und spezifischere Ergebnisse zu erzielen. An diesem Punkt kam West zum ersten Mal mit der Universitätsleitung in Konflikt, und es war kein Geringerer als der Dekan der medizinischen Fakultät persönlich – der gelehrte und mildtätige Dr. Allan Halsey, dessen Wohltaten jedem älteren Bürger von Arkham noch im Gedächtnis sind –, der ihm alle weiteren Experimente untersagte.

Was Wests Forschungen betraf, war ich immer toleranter gewesen als die anderen, und wir diskutierten häufig über seine Theorien und ihre fast unübersehbaren Verästelungen und Folgerungen. Wie Haeckel ging mein Freund davon aus, dass alles Leben nur ein chemischer und physikalischer Prozess sei und die sogenannte »Seele« nicht existiere. Daher war er davon überzeugt, dass eine künstliche Wiederbelebung von Toten nur vom Zustand des Gewebes abhänge und dass, solange die Verwesung noch nicht eingesetzt hatte, ein vollständig mit Organen ausgestatteter Leichnam durch geeignete Maßnahmen wieder in jenen spezifischen Zustand zurückversetzt werden könne, den wir Leben nennen. Dass das psychische oder intellektuelle Leben von dem einsetzenden Zerfall empfindlicher Gehirnzellen, den schon eine kurze Zeit des Todes mit sich bringt, in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, war West nur allzu bewusst. Er hatte zunächst gehofft, ein Reagens zu finden, das die Lebenskraft vor dem eigentlichen Eintritt des Todes wiederherstellen würde, und erst wiederholte Fehlschläge bei Experimenten mit Tieren hatten ihn begreifen lassen, dass die natürlichen und künstlichen Lebensimpulse unvereinbar waren. Daraufhin versuchte er, sich besonders frische Versuchsobjekte zu beschaffen, in deren Blut er seine Lösungen unmittelbar nach dem Erlöschen der Lebensfunktionen injizierte. Es war dieser Umstand, der die reflexhafte Skepsis der Professoren hervorrief: Sie meinten, dass in keinem Fall tatsächlich der Tod eingetreten sei. Dabei machten sie sich nicht die Mühe, sich die Sache einmal näher und unvoreingenommen anzusehen.

Bald nachdem die Fakultät seine Arbeit verboten hatte, vertraute mir West seinen Entschluss an, sich irgendwie frische menschliche Leichen zu beschaffen und jene Experimente, die er nicht länger offen durchführen konnte, im Geheimen fortzusetzen. Es war ziemlich grässlich, ihm dabei zuzuhören, wie er Mittel und Wege dazu abwog, da wir uns an der Universität nie selbst um die Beschaffung anatomischer Studienobjekte hatten kümmern müssen. Immer wenn sich das Leichenschauhaus als unzureichend erwiesen hatte, hatten sich zwei ansässige Neger der Sache angenommen, denen man selten Fragen stellte. West war damals ein schmächtiger, schlanker, bebrillter junger Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht, hellblondem Haar, blassblauen Augen und einer sanften Stimme, und es war unheimlich, ihm dabei zuzuhören, wie er sich darüber ausließ, welche Vorzüge der Christchurch-Friedhof gegenüber dem Armenfriedhof hatte. Wir entschieden uns schließlich für den Armenfriedhof, da auf dem Christchurch praktisch alle Leichname einbalsamiert waren, was sie für Wests Forschungen natürlich ungeeignet machte.

Ich war damals sein williger und begeisterter Helfer und stand ihm bei all seinen Entscheidungen zur Seite, nicht nur was unsere Bezugsquelle für Leichen anging, sondern auch bei der Suche nach einem passenden Ort für unser abscheuliches Tun. Ich war es, der auf die verlassene Chapman-Farm hinter dem Meadow Hill verfiel, wo wir im Erdgeschoss einen Operationssaal und ein Laboratorium einrichteten, die wir mit dunklen Vorhängen versahen, um unser mitternächtliches Treiben zu verbergen. Die Farm lag weitab von allen Straßen und war von keinem anderen Haus aus einsehbar. Nichtsdestotrotz waren Vorsichtsmaßnahmen notwendig: Von zufälligen nächtlichen Passanten in die Welt gesetzte Gerüchte über merkwürdige Lichter hätten sich rasch als fatal für unser Unternehmen erwiesen. Wir einigten uns darauf, im Falle einer Entdeckung zu behaupten, dass es sich bei der Einrichtung um ein chemisches Labor handle. Nach und nach statteten wir unseren düsteren wissenschaftlichen Unterschlupf mit Gerätschaften aus, die wir entweder in Boston kauften oder in aller Stille aus der Universität entwendeten – Gerätschaften, die wir sorgfältig unkenntlich machten, so dass nur das Auge des Fachmanns ihren wahren Zweck erraten konnte –, und besorgten uns Spaten und Hacken für die zahlreichen Beerdigungen, die wir im Keller würden vornehmen müssen. An der Universität benutzten wir einen Verbrennungsofen, doch ein solcher Apparat war zu kostspielig für unser illegales Laboratorium. Leichen waren immer eine lästige Sache – selbst die kleinen Kadaver der Meerschweinchen, die nach den unbedeutenden heimlichen Experimenten zurückblieben, die wir in Wests möbliertem Zimmer durchführten.

Wie Ghule verfolgten wir die Todesanzeigen in den Lokalzeitungen, denn unsere Versuchsobjekte mussten bestimmte Eigenschaften aufweisen. Wir brauchten Leichen, die unmittelbar nach dem Tod ohne künstliche Konservierungsmaßnahmen beerdigt worden waren. Sie sollten möglichst frei von Missbildungen sein und mussten unbedingt noch über alle inneren Organe verfügen. Unfallopfer eigneten sich für unsere Zwecke am besten. Viele Wochen lang hörten wir von keinem geeigneten Kandidaten, obwohl wir – vorgeblich im Auftrag der Universität – im Leichenschauhaus und in den Krankenhäusern Erkundigungen einzogen, sooft dies möglich war, ohne Verdacht zu erregen. Wir fanden heraus, dass die Universität stets das Vorgriffsrecht hatte, so dass es vielleicht notwendig sein würde, den Sommer über in Arkham zu bleiben, da dann nur ein eingeschränkter akademischer Betrieb herrschte. Schließlich war das Glück uns jedoch hold, und eines Tages erfuhren wir von einem nahezu idealen Fall auf dem Armenfriedhof. Ein kräftiger junger Arbeiter war am Morgen zuvor im Sumner’s Pond ertrunken, und man hatte ihn auf Kosten der Stadt ohne Einbalsamierung beerdigt. An jenem Nachmittag kundschafteten wir das frische Grab aus und beschlossen, uns kurz nach Mitternacht ans Werk zu machen.