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Folge 12 - Herr Heiland bleibt der Bissen im Halse stecken: Sonntals Bürgermeister Mindenfeld hat einen neuen Plan, die Kreisstadt Bad Blümchen alt aussehen zu lassen - ein Street-Food-Festival mit exotischer Küche und topmodernen Imbiss-Trucks! Dumm nur, dass viele der eigens angereisten Profi-Foodisten einander spinnefeind sind und die alteingesessene Sonntaler Gastronomie die Veranstaltung nach Kräften boykottiert. Schlimmer noch: Am Vorabend des großen Spektakels wird die junge, sympathische Köchin Karo Benn ermordet aufgefunden. Polizist Kern steht vor einem Rätsel. Gemeinsam mit Pastor Heiland macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit und stößt in ein Wespennest aus Macht und Intrigen ...
Über die Serie: Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin, dem überambitionierten Bürgermeister und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen ...
Herr Heiland - ein himmlischer Cosy-Krimi für alle Fans von gemütlichen Ermittlungen.
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Seitenzahl: 137
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Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin Fräulein Dimpel, dem überambitionierten Bürgermeister Moritz Mindenfeld und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen …
Herr Heiland bleibt der Bissen im Halse stecken: Sonntals Bürgermeister Mindenfeld hat einen neuen Plan, die Kreisstadt Bad Blümchen alt aussehen zu lassen – ein Street-Food-Festival mit exotischer Küche und topmodernen Imbiss-Trucks! Dumm nur, dass viele der eigens angereisten Profi-Foodisten einander spinnefeind sind und die alteingesessene Sonntaler Gastronomie die Veranstaltung nach Kräften boykottiert. Schlimmer noch: Am Vorabend des großen Spektakels wird die junge, sympathische Köchin Karo Benn ermordet aufgefunden. Polizist Kern steht vor einem Rätsel. Gemeinsam mit Pastor Heiland macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit und stößt in ein Wespennest aus Macht und Intrigen …
JOHANN SIMONS
Geht mit Gott, dachte Pastor Klaas Heiland. Aber geht.
Schmunzelnd sah er seinen Schäfchen nach, wie sie durchs Mittelschiff der Pfarrkirche zurück ins Freie drängten. Auch er selbst war schon wieder auf den Beinen und ging zum Klang der letzten Orgeltöne gen Ausgang. Die letzte Abendandacht der Woche war vorüber, und nun wurde es Zeit für den guten Zweck.
Wie viel wohl diesmal im Spendenkörbchen lag? Das Bistum sammelte aktuell für ein Schulprojekt in Indien, und Heiland hatte die Andacht erneut genutzt, um einen Spendenkorb an der Kirchenpforte aufzustellen. Jeder, der das Gotteshaus betrat oder verließ, konnte einen Obolus einwerfen – in beliebiger Höhe und ganz nach eigenem Ermessen. Wie Heiland seine Sonntaler kannte, ließen diese sich nicht lumpen. Entsprechend gespannt war er nun auf die heutige Ausbeute für den guten Zweck.
»Guten Abend, Herr Pfarrer«, grüßte Magdalena Schönbach leise. Die Vorsitzende des Frauenvereins war ungewöhnlich fröhlich und nickte ihm zu, während er sich den Weg durch den Pulk an Menschen bahnte, und ihr auffallend starkes Parfum stieg ihm in die Nase. »Das war wieder ein sehr schönes Abendgebet. Vielen Dank.«
»Nichts zu danken, Frau Schönbach«, erwiderte Heiland. Dann musste er husten ob des eindringlichen Dufts, der so gar nicht der Schönbach entsprach, die er kannte. »Das dient alles dem Herrn. Er …«
»Herrgottkruzifix!«, schnitt ein wütender Ruf durch seine sanften Worte. »Auf gar keinen Fall, Herrschaften! Aber auf gar keinen!«
Die Stimme war weiter vorn erklungen, direkt an der Pforte. Heiland erkannte sie am Klang und sah, dass auch andere Kirchenbesucher verwundert auf sie reagierten.
»Ist das der Gerd?«, fragte Erich Bender, der Betreiber des kleinen Dorfkinos.
Bahnhofsvorstand Severin Winkelhuber, der neben Bender gen Ausgang – und, wie Heiland vermutete, dann mit selbigem weiter zur Theke des Dorfgasthofs – schlenderte, hob die schmalen Schultern. »Hört sich so an.«
»Nein, hab ich gesagt!«, erklang das donnernde Organ des Wirts erneut. Gerd Söhnchen und seine Gattin Gerda betrieben den Gasthof Zur stolzen Kaiserkrone, der so urbayrisch war wie der blau-weiße Himmel über dem Stausee. »Das kann er sich in die Haare schmieren, verflucht noch eins. So nicht!«
»Was in aller Welt ist denn los?«, wunderte sich Heiland.
In Gedanken sah er Söhnchen schon vor seinem Spendenkörbchen stehen. Galt der Zorn des Gastwirts etwa ihm und seinem guten Zweck? Heiland beschleunigte seinen Schritt und eilte gen Kirchenpforte.
Es ging nicht um die Spenden. Erleichtert registrierte der Pastor, dass sein Körbchen voll und unbehelligt da stand, wo er es aufgestellt hatte. Gerd Söhnchen stand allerdings direkt daneben und sah wütend auf die Welt vor der Pfarrkirche.
Das Gotteshaus St. Hilarius, dem obskuren Schutzpatron der Linkshänder geweiht, lag im Zentrum von Sonntal am See, direkt am kreisrunden Dorfplatz. Diesen teilte sich die Kirche mit weiteren Anrainern wie dem erwähnten Gasthof, dem gelben Rathaus und dem Bäckercafé Bais, dessen Torten und Kuchen in Heilands Augen beinahe eine Sünde wert waren. Auf dem Platz selbst plätscherte der Brunnen, und blau-weiße Fahnen wehten im sanften Wind. All das war hier draußen herrlicher, friedlicher Alltag. Was da aber gerade von links auf den Platz einbog, war alles andere als alltäglich!
Heiland staunte nicht schlecht, als er die vielen kleinen Trucks sah. Etwa ein halbes Dutzend kam gerade am Kioskbüdchen und dem winzigen Supermarkt vorbeigefahren, einer bunter lackiert als der andere. Es war der reinste Konvoi.
»Fritten? Fett!!!«, las Jenny Jessen eine der Beschriftungen vor. Die Direktorin der Grundschule war neben Heiland getreten und spähte neugierig ins Freie. Sie schien regelrecht aufgeregt zu sein, und ihre Begeisterung war ihr deutlich anzuhören. »Tacofatz … Grundgütiger, sind das Foodtrucks? Ist Karo Benn etwa auch dabei, hier bei uns in Sonntal?«
Was in Gottes Namen ist ein Foodtruck?, wunderte sich der Pastor.
»Eine himmelschreiende Schande ist das«, gab Söhnchen der Direktorin zu verstehen. Der stämmige Mann im Trachtenjanker bebte vor Empörung, und sein sorgsam gezwirbelter Schnauzbart bebte gleich mit. »Wenn das auf Mindenfelds Mist gewachsen sein sollte, dann kann dieser Traumtänzer echt was erleben! Das verspreche ich Ihnen!«
Wie aufs Stichwort trat Bürgermeister Moritz Mindenfeld nun aus der Menge der Schaulustigen, in die sich die Kirchgänger von Sonntal am See spontan verwandelt hatten. Der Mittfünfziger mit dem schwarz gefärbten Haar und dem Zahnpastalächeln strahlte über das ganze Gesicht, als er die Trucks sah, die auf die freie Fläche vor dem Rathaus zuhielten. »Da sind sie ja. Nein, wie schön. Und dann noch pünktlich auf die Minute!«
»Was wird das, Herr Mindenfeld?«, fragte Ella, eine der neuen Ministrantinnen. »Ein Autorennen? Mit bunten Trucks?«
Der Bürgermeister lachte. »Nicht doch, nicht doch. Das wird ein Festival. Das Erste von hoffentlich vielen Sonntaler Festivals der modernen Küche. Beim Namen bin ich mir noch nicht ganz sicher. Herr Heiland, wie gefällt Ihnen ›Bayern mit Biss‹?«
»Ich beiß dich gleich!«, drohte Gerd Söhnchen. »Wir brauchen hier also moderne Küche? Warum, hm? Ist das, was meine Gerda euch seit Jahren kredenzt, jetzt nicht mehr gut genug? Lädst du deshalb wildfremde Konkurrenz zu uns ein? Moderne Küche, wenn ich so einen Quatsch schon höre …«
Mindenfeld wollte gerade zu einem Protest ansetzen, da begann ein fröhliches Hupkonzert. Die Fahrer der bunten Trucks hatten offenbar bemerkt, dass sich ein neugieriges Publikum im Eingang der Kirche versammelt hatte, und boten diesem nun ein kleines Spektakel zur Begrüßung. Lichthupen blinkten wie wild, und winkende Arme zuckten aus hastig aufgekurbelten Fenstern. Auf dem Dach eines in französischen Landesfarben gestalteten Wagens mit der Aufschrift Carmen & Bert – Essen wie Gott in Frankreich tanzte ein Stück Käse im Takt dazu. Der Käse bestand aus Plastik und wurde von einem unsichtbaren Motor angetrieben.
Jetzt konnte Heiland auch einige Details der anderen Fahrzeuge wahrnehmen. Ein rot-weißer Wagen älteren Baujahrs trug die Beschriftung Alle Wege führen nach Mjammm, und daneben war eine Art tibetanischer Mönch gezeichnet, der im Schneidersitz zwei Fuß über dem Boden schwebte und sich genüsslich den Bauch rieb. Ein dritter Foodtruck präsentierte sich in bayerischen Landesfarben und mit aufs Dach montiertem Alpenpanorama, das sogar noch unechter wirkte als der tanzende Käse von vorhin. Beim Haxenhuber stand auf seiner breiten Motorhaube, und breit war auch der Mann mit dem dünnen Bart an seinem Steuer.
»Was genau haben Sie vor, mein Lieber?«, wandte Heiland sich an den Bürgermeister. »Was wird das, wenn es fertig ist?«
Moritz Mindenfeld war der ungekrönte Weltmeister im Bau von Luftschlössern aller Art. Seit Jahren versuchte er vergebens, aus dem verschlafenen Dorf so etwas wie ein zweites Sankt Moritz zu machen – ein Idyll für die Reichen und Schönen, eine, wie er selbst es vollmundig ausdrückte, »bayerische Riviera«. Mindenfeld sah Potenzial, wo er nur hinblickte, und er verstand nicht, dass der Rest der Sonntaler den Ort so mochte, wie er längst war – friedlich, ruhig und verschlafen. Bislang waren die Aktionismus-Anfälle des Bürgermeisters stets im Sande verlaufen, und Heiland hegte keinen Zweifel, dass auch dieses Foodtruck-Festival mal wieder meilenweit übers Ziel hinausschoss. Gerd Söhnchen hatte nämlich nicht ganz unrecht: Der Bedarf an lokaler Gastronomie war mit der Küche der stolzen Kaiserkrone eigentlich gedeckt.
»Das zahl ich dir heim«, knurrte der Gastwirt gerade. Er sah Mindenfeld an, als hoffe er, dass Blicke nicht nur sprichwörtlich töten konnten. »Jeden einzelnen Kunden, den dein Fest uns wegnimmt, zahl ich dir heim. Hörst du?«
»Was?« Mindenfeld blinzelte verwirrt. »Aber nicht doch, Gerd. Das hat doch nichts mit Gerda und dir zu tun. Ich will nur ein wenig mehr Leben in unser Dorf …«
Söhnchen ließ ihn gar nicht erst ausreden. Der schnauzbärtige Wirt machte auf dem Absatz kehrt und eilte zu seinem Gasthof, jeder Schritt ein Beweis der Wut, die in ihm lodern musste.
»Na, dem haben Sie’s aber gegeben, Herr Mindenfeld«, meinte Direktorin Jessen. Sie warf Heiland einen amüsierten Blick zu. »Wie war das noch gleich? Konkurrenz belebt das Geschäft?«
»Das ist doch keine Konkurrenz«, wehrte sich der Angesprochene. Ihm schien erst jetzt klar zu werden, dass so ein Food-Festival dem örtlichen Gasthof übel aufstoßen konnte. »Also wirklich, was haben denn plötzlich alle? So ein Festival dauert doch nur ein Wochenende lang. Und Foodtrucks sind die Zukunft, Herrschaften. Das liest man immer wieder. Ja, denkt denn niemand außer mir an die vielen Touristen, die aus Neugierde herkommen werden, extra um an den Trucks neue Gerichte zu kosten? Das ist Marketing, Menschenskinder! Reinstes modernes Marketing!«
»Das ist ein schlechter Scherz!«, rief jemand vom Dorfplatz aus. Jemand mit nicht weniger Wut in der Stimme als Gerd Söhnchen zuvor. »Das lässt du sofort bleiben, verstanden? Du dumme Kuh schnappst mir nicht schon wieder den besten Platz weg! Du nicht!«
Abermals sah Heiland neugierig nach draußen. Die Trucks rangierten inzwischen auf der freien Fläche zwischen Kirche und Rathaus, brachten sich in Position und bildeten dabei so etwas wie eine offene Wagenburg – ein kreisrundes Areal zwischen St. Hilarius, der stolzen Kaiserkrone und Mindenfelds quadratischem Rathaus. Direkt vor Letzterem hatte soeben ein knallrotes Gefährt Stellung bezogen, auf dessen Außenwand das XXL-Konterfei einer blonden jungen Dame in weißer Kochmontur zu erkennen war. Die Dame lächelte auf dem gewaltigen Foto und hielt Kamera und Kochlöffel in Händen. Karo kocht – für jedermensch stand in weißen Lettern unter dem Bild zu lesen. Neben dem roten Truck stand der mit dem Alpenpanorama, und die lauten Rufe gingen auf dessen beleibten Fahrer zurück, der wütend ausgestiegen war und nun auf den Truck der namensgebenden Köchin Karo zulief.
»Ich komme vors Rathaus!«, zeterte der Mann. »Hörst du? Hier geht’s nicht nach Prominenz, sondern nach Absprache. Und ich hatte mich zuerst gemeldet, du arrogante Schnep…«
»Aber, aber«, ging Mindenfeld schnell dazwischen.
Er war nun ganz in seinem Element, ganz Organisator und Zahnpastalächeln. Mit schnellen Schritten ging er zu den Trucks, und Heiland folgte ihm interessiert.
»Mein lieber Herr Cremer«, fuhr Mindenfeld fort und wandte sich damit an den Fahrer des Alpentrucks. »Wo drückt denn der Schuh? Ich bin sicher, das lässt sich mühelos klären.«
Cremer, der Betreiber des Haxenhubers, war ein stämmiger Geselle von vielleicht Ende dreißig. Kurze braune Haare, ein streng gestutzter Schnurr- und Kinnbart und eine Lederhose, die so unecht wirkte wie die Plastikalpen auf dem Dach seines Wagens, prägten seine Erscheinung, die hier im Herzen Bayerns schon fast einem Affront gleichkam. Karo, die blonde Köchin vom roten Truck, stieg nun ebenfalls aus und glich dem Konterfei auf ihrem großformatigen Werbefoto wie ein Ei dem anderen.
»Was ist los, Rolf?«, wandte sie sich an Cremer. Sie wirkte erschrocken. »Hattest du den Stellplatz etwa vorab reserviert? Du, ist gar kein Ding. Ich kann dir hier gern Platz machen und …«
»Nein, nein, nein«, unterbrach Bürgermeister Mindenfeld sie sanft. »Das ist schon alles ganz perfekt so, meine liebe Frau Benn. Wenn Sie uns schon mit Ihrer Anwesenheit beehren, dann gebührt Ihnen und Karo kocht auch der prominenteste Platz des Festivals. Da bestehe ich drauf. Ich bin übrigens Moritz Mindenfeld, ihr Gastgeber. Und ich allein entscheide.«
»Was?« Cremer brauste auf. »Aber Herr Mindenfeld! Ich hab doch extra im Vorfeld mit Ihnen …«
»Ich bin sicher, auch für Sie finden wir eine ideale Standposition, verehrter Herr Cremer«, sagte der Bürgermeister in einem Ton, der jeglichen Widerspruch unter einer Flut an falscher Freundlichkeit begraben wollte. »Eine attraktive Alternative, nicht wahr. Und vielleicht einen attraktiven kleinen Rabatt auf die dazugehörige Pacht? Für Ihre Umstände? Frau Benn ist ein absoluter Star, da beißt die Maus ja keinen Faden ab. Und wir in Sonntal legen großen Wert darauf, dass die Stars sich bei uns wohlfühlen. Das verstehen Sie doch sicher. Denn wenn die Berühmten und Erfolgreichen erst hier sind, so predige ich es meinen Sonntalern ja seit Jahren, dann kommt der Rest von ganz allein. Ist es nicht so, Herr Heiland?«
»Wenn Sie das sagen, mein Lieber«, wich der Pastor bewusst aus. Fragend sah er zu Cremer und der jüngeren Frau. »Sie bleiben also alle hier, verstehe ich das richtig? Das komplette Wochenende lang?«
Die Frage hatte einen nicht gerade kleinen Hintergedanken, jedenfalls für ihn selbst. Seit das bekennende Nordlicht Heiland in die bayerische Provinz versetzt worden war, lebte er mit Elvira Dimpel zusammen. Dimpel – eine resolute Dame von Anfang siebzig – war Haushälterin aus Leidenschaft und bestand so eisern auf die Anrede Fräulein wie der alttestamentarische Schöpfer auf den ihm zustehenden Lobpreis. Sie hatte bereits Heilands Amtsvorgänger bekocht und in dem beleibten Mann aus dem Norden eine neue Herausforderung gefunden, wollte sie Heiland doch von allem entwöhnen, was wirklich schmeckte. Seit Dimpel für ihn kochte, sah der gemütliche Dorfpastor fettreiche Kost nur noch zu besonderen Anlässen, und durfte sich stattdessen mit Gemüse und Knäckebrot durch die Woche kämpfen. Dimpel meinte es gut, das war ihm klar. Und mit Sicherheit waren ihre ständigen Warnungen vor »bösem« Cholesterin, erhöhten Blutfettwerten und dergleichen absolut angebracht. Dennoch vermisste Heiland seine Schnitzel und Soßen, die geliebten Frikadellen, Nudelsalate und vor allem Sahnetorten. Ein Food-Festival, sei es nun modern oder auch nicht, vor der eigenen Haustür bot da natürlich immense Chancen. Zumal der Zeitpunkt in seinen Augen kaum besser gewählt sein konnte.
Das arme Fräulein Dimpel liegt mit Erkältung im Bett, dachte er bei sich. Und noch am selben Tag fährt ein halbes Dutzend rollende Küchen bei uns auf den Platz. Das muss diese göttliche Fügung sein, von der man immer hört …
Er lächelte begeistert. Die Wege des Herrn mochten unergründlich sein, manchmal waren sie aber auch einfach nur wunderbar.
»Bis Sonntagabend, jawohl«, antwortete Cremer. »So steht’s im Vertrag. In dem auch steht, ich dürfe auf den besten Platz des Geländes. Von daher, Herr Mindenfeld, würde ich gern noch mal auf diese Rabattthematik zurückkommen!«
»Natürlich«, säuselte der Bürgermeister bereitwillig. »Aber natürlich. Das findet sich alles, ganz zweifellos. Und wir freuen uns sehr, Sie alle hier bei uns zu wissen. Nicht wahr, Herr Heiland?«
Heiland dachte an Dimpels röchelnden Husten, an die kalte Küche des Pfarrhauses und an die vergangenen Monate voller Rohkost und Magerquark. Dann sah er zu der noch verschlossenen Fassade des Fritten? Fett!!!-Trucks und nickte.
»Und wie«, antwortete er aus tiefster Überzeugung.
Damit verabschiedete er sich von Mindenfeld und dessen Gästen. Überall auf dem Platz hatte inzwischen der Standaufbau begonnen. Die Truck-Betreiber eilten umher, suchten nach Wasseranschlüssen und wuchteten gewaltige Gasflaschen und kleine Generatoren in Position. Ausgabetheken wurden geöffnet, Werbetafeln mit feuchten Lappen poliert und in Position gebracht. Die Besucher der vorhin zu Ende gegangenen Abendandacht flanierten bereits interessiert um die einzelnen Fahrzeuge herum, staunten und freuten sich. Magdalena Schönbach unterhielt sich mit einem kahlköpfigen Mann mit Brille, grauem Geißbart und breitem Stirnband, der zu Alle Wege führen nach Mjammm gehören musste und aussah wie ein in die Breite gegangener Yoga-Lehrer. Bahnhofsvorstand Winkelhuber studierte die übersichtliche Speisekarte von Carmen & Bert