Herrscher der Wüste und die Erben des Throns von Kyr (2 Miniserien) - Abby Green - E-Book

Herrscher der Wüste und die Erben des Throns von Kyr (2 Miniserien) E-Book

Abby Green

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Beschreibung

RÜCKKEHR IN DIE OASE DER LIEBE von ABBY GREEN Heiß wie die Wüstensonne brennt in Scheich Zafir die Erinnerung an die schöne Kat! Jetzt hat er die Chance, sie zurückzuerobern: Der wertvolle Herzdiamant von Jandor wurde wiedergefunden. Topmodel Kat soll sich damit schmücken und gemeinsam mit Zafir um die Welt reisen. So will er die Schönheit seines Reichs präsentieren! Die letzte Station ihrer Reise ist eine Oase. Unter den Sternen des nachtblauen Himmels wird er Kat erneut zu der Seinen machen. Doch der Herrscher hat nicht mit dem Widerstand seiner unbezähmbaren Ex-Geliebten gerechnet … IN DER OASE SINNLICHER TRÄUME von ABBY GREEN "Was soll das heißen?", fragte sie hilflos. In Salims Augen erschien ein bedeutsamer Glanz. "Das heißt, dass du die Nacht hier bei mir verbringen musst." Mit der gefährlichen Eleganz eines Raubtiers betritt Scheich Salim Al-Noury den Saal. Warum hat bloß niemand Charlotte vor seinem umwerfenden Sex-Appeal gewarnt? Die junge Diplomatin soll Salim beibringen, wie er auf dem internationalen Parkett sein Land vertritt. Keine leichte Aufgabe, denn er besteigt den Thron nur unwillig. Doch mit seinem feurigen Charme verführt er sie! Leidenschaftlich gibt Charlotte sich dem stolzen Wüstenprinzen in einer idyllischen Oase hin. Dabei weiß sie doch genau, dass sie ihn am Krönungstag verlassen muss … VERFÜHRT VON EINEM PLAYBOY-SCHEICH von LYNN RAYE HARRIS Längst hat Emily aufgehört zu zählen, wie viele Damen morgens das Luxusapartment von ihrem sexy Boss Kadir al-Hassan verlassen haben. Aber als Kadir erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt, ändert sich alles. Der Playboy-Scheich will heiraten - ausgerechnet sie! UNTER TAUSEND WÜSTENSTERNEN von LYNN RAYE HARRIS Mit dem heißblütigen Scheich Rashid al-Hassan in der Wüste: Sheridan ist hin- und hergerissen! Soll sie versuchen zu fliehen - oder die Nacht unter tausend Sternen mit Rashid genießen?

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Abby Green, Lynn Raye Harris

Herrscher der Wüste und die Erben des Throns von Kyr (2 Miniserien)

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Abby Green Originaltitel: „A Diamond for the Sheikh’s Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2352 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710392

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Scheich Zafir Ibn Hafiz Al-Noury, König von Jandor, lief rastlos den kunstvoll angelegten Mosaikweg entlang, ohne die plätschernden Fontänen des Springbrunnens inmitten der königlichen Gärten von Jahor oder die bunten Vögel wahrzunehmen, die zwischen den Büschen nisteten. Sein Palast war nur einer von vielen in der imposanten Hauptstadt seines Königreichs, das sich von den schneebedeckten Bergketten im Osten über endlose Wüste bis zum Meer im Westen erstreckte.

Zafir konnte nur an sie denken. Und es wurde immer schlimmer. Gerade hatte er eine wichtige Sitzung vorzeitig abgebrochen, weil er sich ständig mit ihr beschäftigte. Seit eineinhalb Jahren.

Lachhaft! Eine glatte Untertreibung! spottete eine innere Stimme. Die ersten drei Monate waren die Hölle gewesen. Die Erinnerung an sie hatte ihn nicht mehr losgelassen. Dann war sein Vater gestorben, und er hatte all seine Zeit und Energie der Thronübernahme und Regierung seines Landes widmen müssen.

Und nachdem er nun endlich durchatmen konnte, war sie wieder da – und verfolgte ihn bis in die Träume.

Gereizt lockerte Zafir sich den Kragen. Sexuelle Frustration, sagte er sich und blieb stehen. Ja, das war es. Seit ihr hatte er keine Frau mehr gehabt … das machte ihm zu schaffen.

Nicht, dass er kein Interesse an Frauen hätte. Er hatte sich nur besessen in die Arbeit gestürzt, sich den Verantwortungen und Pflichten gestellt, die er seinem Volk schuldete. Doch nun begann der Ministerrat zunehmend Druck auf ihn auszuüben, dem Land endlich eine Königin und königliche Erben zu präsentieren, um die Zukunft des Landes zu sichern.

Zafir stieß eine Verwünschung aus, die die Vögel erschrocken aufstieben ließ. Genug. Er wirbelte herum und verließ den Palasthof. Höchste Zeit, sich auf die Suche nach einer würdigen Königin zu machen und sie endlich zu vergessen.

Unwillkürlich blieb er stehen, als er das Eingangstor mit der überwachsenen hohen Gartenmauer des Nachbargrundstücks erreichte. Seit Jahren hatte hier kein Gärtner mehr Hand angelegt, und Zafir hatte sich seit seiner Machtübernahme nicht um das Grundstück gekümmert. Seine Untergebenen beobachteten es abergläubisch, und einige hielten es für verhext.

Vielleicht war es das auch …

Vor dem Eingangstor blieb Zafir stehen und spähte in den wild überwucherten Seitengarten des Palastes. Heute war der neunzehnte Todestag seiner Schwester, wurde ihm bewusst. Damals war er dreizehn gewesen, Sara gerade erst elf …

Wie unter einem Zwang betrat er die Anlage.

Der Rasen war gemäht, doch im Teich, den er zwischen dem wild wachsenden Unkraut erkennen konnte, befand sich kein Wasser. Nirgends gab es hier blühende Büsche oder exotische Vögel. Alles wirkte wie in einem Zauberschlaf – tot.

Dennoch konnte er seinen Bruder Salim – Saras Zwilling – selbst jetzt noch schreien hören. Gegen seinen Willen durchlebte Zafir erneut, wie er aufgelöst in den Garten gestürmt war und Saras leblosen Körper auf den Armen seines Bruders entdeckte. Ihr Kopf hing merkwürdig schief herunter, das Gesicht war totenbleich, ihr langes, schwarzes blutverkrustetes Haar hatte das Wasser des Teiches blutrot gefärbt.

Voller Panik hatte Zafir seinen Bruder anschreien wollen: So tu doch etwas, Salim!

Doch im Grunde genommen hatte er gewusst, dass seine Schwester tot war. Er hatte versucht, sie seinem Bruder abzunehmen, um sie in den Palast zu tragen und Hilfe zu holen, doch Sara war nicht mehr zu retten gewesen. Salim hatte seine tote Zwillingsschwester verzweifelt umklammert, ihn nur heiser angeschrien: „Du kannst ihr nicht mehr helfen, Zafir! Rühr sie nicht an … Lass uns in Ruhe!“

Sara war von der hohen Gartenmauer gestürzt, auf der sie mit Salim trotz Zafirs ständiger Warnungen oft herumgeklettert war, und hatte so schwere Kopf- und Nackenverletzungen davongetragen, dass sie gestorben war. Danach hatte Salim wochenlang kein Wort mehr gesprochen …

Jetzt schämte Zafir sich, weil er sich vor allem daran erinnerte, dass er damals neidisch auf die enge Beziehung zwischen Salim und Sara gewesen war, die sich gegen alle anderen abgeschottet hatten. So hatte Zafir sich schließlich bewusst von ihnen ferngehalten. Was gäbe er jetzt darum, wenn seine Schwester noch am Leben wäre …

„Pardon … Sire?“

Zafir spannte sich an. Nur wenige ertappten ihn unvorbereitet, und er hasste es, gestört zu werden, wenn er sich einmal gestattete, persönlichen Gedanken nachzuhängen.

Er blieb stehen, ohne sich umzudrehen. „Ja, Rahul?“

Der Palastangestellte räusperte sich. „Der Herzdiamant von Jandor, Sire … wir müssen unbedingt darüber sprechen. Und natürlich auch über die damit verbundenen geplanten diplomatischen Staatsbesuche.“

Zafir schloss kurz die Augen und verdrängte die schmerzliche Vergangenheit. Unwirsch drehte er sich zu dem jungen Berater um, den er nach dem Tod seines Vaters vor fünfzehn Monaten gegen die Empfehlungen seines Kabinetts ernannt hatte. Die Minister hatten ihm dringend nahegelegt, den konservativen Chefberater beizubehalten und nicht alles auf den Kopf zu stellen. Doch Zafir wollte sein Land in die Moderne führen und bemühte sich geschickt, eigene Vorstellungen umzusetzen.

Ärgerlich machte er sich auf den Rückweg zum Palast, doch der junge Mann holte ihn ein. Er hatte sich an die Unberechenbarkeit seines anspruchsvollen Königs gewöhnt.

Das Herz von Jandor war ein seltener, berühmter Diamant, der jahrelang als verschollen oder gestohlen gegolten hatte und erst kürzlich bei archäologischen Ausgrabungen außerhalb der Palastmauern wiederentdeckt worden war. Allgemein hielt man das für ein gutes Vorzeichen. Er war der größte bekannte rote Diamant der Welt und berühmt für seine einzigartige Schönheit. Als man ihn entdeckt hatte, war er herzförmig gewesen und entsprechend geschliffen worden, um seine natürliche einzigartige Form zu erhalten.

Ursprünglich war der Diamant in den Ostbergen von Jandor entdeckt worden. Sein Großvater hatte ihn Zafirs französischer Großmutter als Brautgeschenk überreicht, als er sie umworben hatte. Dass ihre Ehe die einzig glückliche in der Familiengeschichte gewesen sein solle, bezweifelte Zafir. Eine Liebesheirat war so selten wie der berühmte Diamant – und ebenso unwahrscheinlich.

Gereizt fragte er seinen Minister: „Und? Wie denken Sie darüber, Rahul?“

„Wir starten die diplomatische Tour nächste Woche – wie angesetzt.“

New York.

Zafir schluckte. Ein zweites Mal innerhalb weniger Minuten sah er sich gezwungen, an den Tod seiner Schwester, den Schmerz und die Trauer zu denken, die er in all den Jahren nie überwunden hatte.

Was, zum Teufel, war heute mit ihm los?

In Manhattan hatte ihre Beziehung begonnen. Und obwohl Zafir versucht hatte, sie aus seinem Gedächtnis zu löschen, machte es ihm immer noch zu schaffen, dass er ihr auf Anhieb verfallen war. Bis es fast zu spät gewesen wäre …

Zafir beschleunigte den Schritt, als könnte er damit der Vergangenheit entrinnen. Doch selbst in den Palastbüros hatte er allzu lebendig vor Augen wie sie ihn mit ihren haselnussbraunen Augen, dem sinnlichen Schlafzimmerblick, ihrem sündigen Lächeln verhext hatte. Als hätte sie genau gewusst, was sie anrichtete, als sie ihn tiefer und tiefer hineinzog in ihre …

„Sire?“

Mürrisch wandte Zafir sich seinem Berater wieder zu. „Ja, Rahul?“

Der junge Mann bewegte sich nervös. „Ich … hätte einen Vorschlag für den Diamanten.“

„Schießen Sie los“, forderte Zafir beherrscht. Sein Berater brauchte nicht zu wissen, wie durcheinander er war.

„Der Diamant soll während Ihrer diplomatischen Rundreise durch verschiedene Staaten als einzigartiges Beispiel der mannigfaltigen Attraktionen Jandors ausgestellt werden, die wir der Welt nahebringen wollen, um unsere Wirtschaft und den Tourismus anzukurbeln.“

Zafir wurde ungeduldig. „Ich weiß, warum wir die diplomatische Rundreise angesetzt haben. Schließlich war es meine Idee.“

Der junge Berater hüstelte. „Ja, sicher, Sire. Wir wollten ihn in allen Städten in einer gepanzerten Glasvitrine zur Schau stellen …“

„Rahul …“ Zafirs Geduld war erschöpft.

Schnell sprach der junge Mann weiter. „Ich wollte Ihnen Folgendes vorschlagen: Statt den Diamanten in einer sterilen gepanzerten Umgebung vorzuführen, würde er aus allernächster Nähe doch viel atemberaubender wirken. Wenn die Leute ihn direkt vor sich haben, könnte er seine geheimnisvolle Ausstrahlung noch überwältigender entfalten.“

Nun wurde Zafir hellhörig. „Wie soll ich das verstehen?“

„Ich meine, Sie sollten jemanden einsetzen – ein Model – das uns auf der Tour mit dem Schmuck auf der Haut begleitet und bei allen Veranstaltungen anwesend ist. Auf diese Weise könnte seine Pracht so überwältigend auf die Leute wirken wie die Schönheit Jandors.“

Schweigend sah Zafir den jungen Mann an. Deshalb hatte er Rahul eingestellt – mit seiner unkonventionellen Denkweise sollte er frischen Wind und neue Ideen in die archaischen Strukturen des Beraterstabs seines Vaters bringen.

Der Vorschlag war gut, musste Zafir zugeben. Andererseits drängten sich damit Sicherheitsbedenken auf. Ihm kam eine zündende Idee.

Er wandte sich ab, weil er sie vor sich sah – in ihrer vollkommenen Schönheit – nackt, die endlos langen Beine auf dem Bett ausgestreckt … den Diamanten rubinrot auf ihrer makellosen Haut zwischen den hohen festen Brüsten schimmernd …

Blutrot …

Sie hatte sein Blut zum Kochen, ihn fast um den Verstand gebracht.

Genug! Höchste Zeit, seine Folterqualen zu beenden – um unbelastet weitermachen zu können. Das Wohl seines Landes stand auf dem Spiel.

Schon begann der Gedanke Form anzunehmen.

Aber wollte er die Vergangenheit wirklich heraufbeschwören und die einzige Person in den Mittelpunkt seiner Public-Relations-Kampagne stellen, die er nie wiedersehen wollte …?

Warum nicht? drängte seine Libido.

Wäre das nicht die ideale Gelegenheit, sein Verlangen zu stillen? Um sich danach befreit dem Volk von Jandor widmen zu können …

Es gab nur eine Frau, die er wirklich begehrte.

Diesen Einsatz schuldete sie ihm, sagte er sich grimmig. Sie hatte ihn belogen, verraten, ihm ihre zweifelhafte Vergangenheit verheimlicht. Vor eineinhalb Jahren war sie Hals über Kopf aus seinem Leben verschwunden, obwohl er nicht genug von ihr bekommen konnte.

Nachdem sie ihn verlassen hatte, verwünschte er sie. Und litt.

Lieber nicht daran denken, dass er sogar eine gemeinsame Zukunft mit ihr geplant hatte … sie heiraten und zu seiner Königin machen wollte. Wenn er sie diesmal nahm, wusste er, wer sie war – mit wem er es wirklich zu tun hatte. Er würde nichts empfinden, nur Begehren und Wollust. Würde es einfach genießen, wenn sie die langen Beine um ihn legte, sodass er tief in sie eindringen und seine brennende Lust ein für alle Mal stillen konnte.

Er wandte sich seinem Berater zu, der ihn gespannt beobachtete.

„Sire, es war nur ein …“

Zafir unterbrach ihn. „Ein großartiger Vorschlag, Rahul. Und ich weiß auch schon, wer unser Model sein wird.“

Der junge Mann wirkte erstaunt. „Wer, Sire?“

Zafirs Blut geriet in Wallung. „Kat Winters – das amerikanische Supermodel. Stellen Sie fest, wo sie sich aufhält. Auf der Stelle. Sie ist genau die Richtige für unsere Kampagne.“

Eine Woche später, Queens, New York.

Vom Rücksitz seiner Limousine, das Seitenfenster heruntergekurbelt, versuchte Zafir, sich einen Eindruck der Gegend zu verschaffen.

Nicht zu fassen … Kat Winters als Bedienung in einem überfüllten Schnellrestaurant im armseligen New Yorker Viertel Queens …

Eines der schönsten Models der Welt arbeitete in Jeans und T-Shirt, eine schwarze Servierschürze um die Taille, in einer billigen Imbissstube! Jetzt griff sie gehetzt nach einem Bleistift, den sie sich ins wirr zusammengedrehte Haar geschoben hatte, und nahm die Bestellungen einer Arbeitergruppe auf.

Alles in Zafir wehrte sich gegen diese Entdeckung – dennoch war er glücklich, sie wiederzusehen. Selbst in anspruchsloser Arbeitskluft und ohne Make-up war sie etwas Besonderes. Wie konnte ein Juwel wie sie sich an dieser Ecke der Welt verstecken? Und warum, zum Teufel, unter falschem Namen? Kaycee Smith …? Wie konnte sie es wagen, das großzügige Angebot abzulehnen, das er ihr über ihre Agentin übermittelt hatte?

Die obendrein auch noch beleidigend knapp reagiert hatte.

Kat Winters nimmt keine Modelaufträge mehr an.

Bitte von weiteren Angeboten absehen.

Niemand wies Zafir ab! Schon gar nicht eine Ex-Geliebte.

Er ließ seinen Fahrer das Wagenfenster schließen.

Lautlos glitt die Scheibe nach oben, während Zafir ausstieg und sich zu seiner beachtlichen Größe von einem Meter neunzig aufrichtete. Unwillkürlich sah er Kat wieder in schwindelerregenden Heels vor sich – die Lippen für ihn stets in Kusshöhe. Jetzt trug sie Turnschuhe, stellte er schockiert fest.

Ungläubig beobachtete Zafir einen Moment, wie sie vom Tisch zur Theke ging und die Bestellungen an das Personal weitergab.

Nicht mehr lange, nahm er sich vor und betrat das Restaurant. Im Handumdrehen trug sie wieder in High Heels, und ihre sinnlichen Lippen würden ihm wieder gehören. Wie alles an ihr …

Er hatte keine Ahnung, was für ein Spielchen sie mit der Kellnerinnennummer trieb, doch wenn sie ihn angehört hatte, würde sie dankbar sein, dass er ihr noch eine Chance gab: in seinem Leben und seinem Bett – sei es auch nur für einige Wochen, in denen er alles Versäumte mehr als nachholen würde.

„Kat!“

Blitzschnell begriff sie, was der Name bedeutete. Niemand hier nannte sie Kat. Jetzt war sie Kaycee. Und dann diese Stimme … so dunkel und sinnlich. Und wie er das Kat ausgesprochen hatte … nur bei ihm klang es so exotisch … und gebieterisch: Sieh mich an, nimm mich gefälligst zur Kenntnis!

Sie brauchte eine weitere Sekunde, ehe sie sicher sein konnte, dass nur ein Mann so auftrat.

Widerstrebend, ungläubig blickte sie von der Serviertheke auf.

Zafir.

Das durfte nicht wahr sein! Er konnte sich unmöglich in dieses unscheinbare Restaurant in Queens verirrt haben! Der Mann lebte in Fünfsternezonen, bewegte sich in überirdischen Regionen weit weg von diesem Ort. Ein Prinz.

Und inzwischen ein König.

Sicher, Julie, ihre Agentin hatte ihr vor zwei Tagen mitgeteilt, Zafir hätte sie als Model angefordert. Also hätte sie darauf gefasst sein müssen. Aber sie hatte es bewusst verdrängt. Naiv wie sie war. Auf den Besuch des Mannes, den sie einst verzweifelt geliebt hatte, war sie nicht vorbereitet.

Kat blinzelte, doch Zafir löste sich keineswegs in Luft auf. Er kam ihr sogar noch größer vor. Hatte er damals schon so unerhört breite Schultern gehabt? Wie ein Markenzeichen hatte sich ihr jede Einzelheit eingeprägt: Seine markanten aristokratischen Züge, die tief liegenden grauen Augen, seine olivfarbene Haut, das dichte, aus der hohen Stirn gestrichene dunkle Haar, die durchtrainierte Gestalt, die selbst im Mantel bedrohlich kraftvoll wirkte …

Statt des Bartes, den er damals getragen hatte, war er glatt rasiert und hätte weniger auffällig wirken müssen, doch das war nicht der Fall. Er schien seine geradezu überwältigende Männlichkeit förmlich vor sich herzutragen.

Kat wurde erst bewusst, dass sie seinen Namen laut ausgesprochen hatte, denn er neigte herausfordernd den Kopf zur Seite. „Du erinnerst dich also noch an meinen Namen, Zafir?“

Lächerlich, ihn zu vergessen! ließ sein spöttischer Ton anklingen. Kat erwachte aus ihrer Erstarrung. Er war hier. In ihrer Welt. Der Mann, von dem sie geträumt und befürchtet hatte, er könnte trotz allem in ihrem neuen Leben auftauchen.

Jetzt war er König.

In ihren Albträumen hatte er sie nur abschätzig angesehen, und oft war sie tränenüberströmt erwacht. Aber ihre Träume waren gefiltert und weniger demütigend. Manchmal war sie aufgeschreckt in dem Gefühl, er wäre noch bei ihr …

Beides war unmöglich.

Ihr Herz jagte, sie ahnte, dass Zafirs Besuch nichts Gutes bedeutete.

Scharf fragte Kat: „Was willst du hier? Hat meine Agentin meine Absage nicht an dich weitergegeben?“

Er zog eine Braue hoch, und Kat spürte, wie ihr Hitze in die Wangen schoss. So durfte man mit keinem Mann sprechen, der es gewohnt war zu befehlen und auf den vor dem Restauranteingang gut sichtbar zwei schwarz uniformierte Leibwächter warteten.

Aber sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war sie völlig aufgelöst, am Boden zerstört gewesen – die Katastrophe ihres Lebens war über sie hereingebrochen.

„Ich habe sie ignoriert“, erwiderte Zafir locker, obwohl es ihn traf, wie wenig erfreut Kat zu sein schien, ihn wiederzusehen.

Kampflustig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Typisch Zafir mit seiner unsäglichen Arroganz. „Falls du hier nicht essen willst – ich arbeite und kann meine Zeit nicht mit dir verschwenden“, wehrte sie ihn eisig ab.

Zafirs Lächeln verschwand, in seinen grauen Augen erschien ein gefährlicher Glanz. „Du hast mein Angebot abgelehnt. Das akzeptiere ich nicht.“

Verbittert dachte Kat an den schrecklichen Streit zurück, nachdem sie ihn verlassen hatte. „Das kann ich mir vorstellen. Weil du gewöhnt bist, dass alle nach deiner Pfeife tanzen. Ich nicht, Zafir.“

Als er sie mit zusammengekniffenen Augen betrachtete, fühlte sie sich bedroht. Er kannte sie zu gut. Wusste, was sie bewegte, in ihr vorging. Trotz ihres selbstsicheren Auftretens sollte niemand merken, dass sie im Wohnwagen bei einer psychisch-labilen, drogenabhängigen Mutter aufgewachsen und ohne Abschluss von der High School abgegangen war.

Erstaunlicherweise hatte Zafir sie nie darauf angesprochen – ihr den Beweis eines Tages einfach unter die Nase gehalten und sie eiskalt aus seinem Leben gestrichen.

„Du hast dich verändert.“

Die Bemerkung traf sie wie eine Ohrfeige. Natürlich hatte sie sich verändert. Total. Und Zafir hier wiederzusehen, kam ihrem schlimmsten Albtraum gleich. Hatte er etwas herausgefunden …?

Nein, wohl nicht, versuchte Kat, sich zu beruhigen. Das war völlig unmöglich.

„Möchte der Gentleman hier essen, Kaycee?“

Sekundenlang sah Kat ihre Chefin nur verständnislos an, die Zafir mit Kennerblick musterte.

Kurz entschlossen nahm sie der Frau die Speisekarte ab und erklärte ihr: „Nein, ganz bestimmt nicht. Er hat sich nur nach dem Weg erkundigt und weiß jetzt Bescheid.“ Sie blickte Zafir an und hätte ihn am liebsten in Luft aufgelöst. „Nicht wahr, Sir?“

Ihre Chefin wurde von einer Bedienung abgelenkt, und Zafir warf Kat einen warnenden Blick zu. „Ich warte auf dich“, erklärte er ihr leise. „Es ist noch nicht vorbei.“

Dann drehte er sich um und ging.

Als ihre Schicht zwei Stunden später zu Ende war, wagte Kat nicht, das Restaurant zu verlassen. Zafirs Limousine stand immer noch davor. Und auch der bullige Geländewagen mit seinem Sicherheitsteam.

Er war entschlossen, sie abzupassen, wurde ihr entsetzt bewusst. Der Zafir, den sie gekannt hatte, wartete auf niemanden. Er war berüchtigt rastlos und ungeduldig, wie Ahnungslose schnell merken mussten. Wer seine Zeit vergeudete, wurde mit Blicken niedergemäht.

Schicksalsergeben schlüpfte Kat schließlich in ihren Mantel. Da Zafir ihre Agentin einfach übergangen und sie hier aufgespürt hatte, gab er nicht auf. Das sollte sie besser als jede andere wissen. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, bekam er es.

Auch sie hatte er verfolgt, bis er sie hatte. Bis ihr Widerstand gebrochen und sie zu allem bereit war … sich ihm mit Leib und Seele untergeordnet hatte. Obwohl sie schon damals wusste, dass sie nicht alle seine Erwartungen erfüllen konnte.

Kat zurrte sich den Mantelgürtel fest und hielt inne. Zu seiner Königin hatte er sie machen wollen. Selbst jetzt noch fand sie die Vorstellung beängstigend. Doch schließlich hatte sie ihn überzeugt, dass er sich ein falsches Bild von ihr gemacht hatte.

Kat wappnete sich, als sie das Restaurant durch die Hintertür verließ. In der Zwischenzeit war sie stärker, selbstsicherer geworden und konnte Zafir widerstehen. Er wusste nicht, was sie seit damals durchgemacht hatte.

Sobald sie ins Freie trat, wurde die Tür von Zafirs schwarzer Limousine aufgestoßen. Er stieg aus, richtete sich zu seiner achtunggebietenden Größe auf – und Kats Knie drohten nachzugeben.

Wortlos trat er beiseite und bedeutete ihr mit einer Handbewegung einzusteigen. Doch so leicht würde sie es ihm nicht machen! Würdevoll ging sie auf ihn zu, obwohl besonders ihre Füße sich nach dem langen Arbeitstag bemerkbar machten.

„Ich denke nicht daran einzusteigen, Zafir. Du verschwendest nur deine Zeit. Also verschwinde.“

Unerbittlich stellte er sie vor die Wahl: „Entweder wir unterhalten uns auf dem Gehsteig, wo man uns hören kann – oder wir fahren zu dir und reden dort.“

Was nun? Kat kämpfte mit sich und blickte sehnsüchtig die Straße entlang zu ihrem Apartmenthaus, das nur zwei Ecken entfernt lag. Wenn sie zu Fuß nach Hause ging, würde Zafir sie im Schritttempo in der Limousine begleiten. Und natürlich auch sein Sicherheitsteam. Blieb sie hier stehen, würden Leute aufmerksam werden … und tuscheln.“

Hinter sich hörte Kat eine Mädchengruppe kichern. „Na gut“, gab sie seufzend nach. „Aber sobald ich mir angehört habe, was du willst, gehst du.“

In Zafirs Augen erschien ein sanfter, umso gefährlicher Ausdruck. „Einverstanden … falls du dann noch willst, dass ich gehe.“

Was so wahrscheinlich war, wie ein Schneesturm in der gnadenlos heißen Wüste von Jandor. Doch Kat war entschlossen, sich von Zafir nicht überrumpeln zu lassen. Sein Auftauchen rief zu viele unbequeme Bilder wach. Erinnerungen an sein schönes exotisches Land – und wie sehr sie ihn geliebt hatte. Zafir war ihr wie die Sonne erschienen – strahlend hell und wärmend, doch tödlich, wenn man ihr zu nahe kam. Und sie war ihm zu nahe gekommen. So nahe, dass sie fast verbrannt wäre, als sie feststellen musste, dass von Liebe bei ihm keine Rede sein konnte.

Glückselig war sie gewesen, hatte ihn heiraten wollen, als er ihr den Antrag machte, und fast zu spät gemerkt, dass er sie nicht liebte. Gedemütigt hatte sie erkennen müssen, dass er sie nur besitzen wollte, weil er sie für „vollkommen“ hielt.

Mit hoch erhobenem Kopf schob sie sich an Zafir vorbei und stieg in den Wagen. Was mochte er von ihr denken … der Frau, die nur noch ein Schatten des einstigen Starmodels war?

Sobald sie in Wagen saß, warf Zafir den Wagenschlag zu, ging um die Limousine herum und stieg ein. Seine mächtige Gestalt wirkte bedrohlich auf Kat. Unwillkürlich drückte sie sich tief in die Polster des Luxusgefährts. Das war nicht mehr ihr Leben, wurde ihr bewusst. Würde es nie mehr sein …

„Kat?“

Zafir schien etwas gesagt zu haben, denn er wartete auf ihre Antwort.

„Wohin soll mein Chauffeur uns bringen?“

Sie schluckte. Ungewollt stieg eine ähnliche Situation wieder vor ihr auf. Damals hatte sie auch mit Zafir auf dem Rücksitz gesessen. Dann hatte er Kat zu sich auf den Schoß gezogen, ihr das Kleid hochgeschoben und …

Trotzig beugte Kat sich vor, nannte dem Mann ihre Adresse und weigerte sich, Zafir anzusehen.

In Minutenschnelle hielten sie vor ihrem billigen Apartmenthaus.

Ehe Zafir ihr die Tür aufhalten konnte, stieg sie aus dem Wagen. Auf keinen Fall durfte er sie berühren – nicht einmal flüchtig.

Ihr Apartment befand sich im Erdgeschoss des Hauptgebäudes. Kat spürte, dass Zafir ihr folgte – groß, majestätisch, gebieterisch – er passte einfach nicht hierher.

Typisch, dass er prompt feststellte: „Keine Concierge?“

Kat lächelte nicht einmal. „Nein.“

Schweigend schloss sie ihre Wohnungstür auf und betrat das bescheidene kleine Studio, das seit einem Jahr ihr Zufluchtsort war. Bedeutsam legte sie ihre Schlüssel auf ein Tischchen am Eingang und wandte sich Zafir zu.

Als er die Tür hinter sich zustieß, verschränkte Kat die Arme vor der Brust. „Nun, Zafir? Was willst du mir sagen?“

Neugierig blickte er sich in dem beengten Raum um, sah sie mit seinen hellgrauen Augen seltsam an und streifte sich den Mantel ab, unter dem er einen eleganten Maßanzug trug.

Dann erklärte er ihr arrogant: „Ich habe dir sogar sehr viel zu sagen, Kat. Wie wär’s, wenn du uns Kaffee machst? So schnell wirst du mich nicht mehr los.“

Rebellisch stand Kat einen Moment da, sodass Zafir Zeit blieb, sie genauer zu betrachten. Nichts an ihr hatte er vergessen. Ihre großen mandelförmigen Augen waren immer noch so aufregend grüngolden und wurden von langen dunklen Wimpern gerahmt. Sein Blut geriet in Wallung, als er daran dachte, wie sie ihn angesehen hatte, nachdem sie sich das erste Mal geliebt hatten – erstaunt, fast verklärt. In dem Moment war etwas Seltsames mit ihm geschehen.

Alles Lügen …!, ermahnte er sich.

Na ja, Kat war damals noch Jungfrau gewesen – aber alles andere als unschuldig. Sie hatte nur eine Nummer aus ihrer fadenscheinigen Vergangenheit abgezogen …

Was will ich hier? fragte er sich unwillkürlich.

Doch nun schien Kat sich zu besinnen. „Also gut“, gab sie resigniert nach. „Ich koche uns Kaffee.“

Steif verschwand sie in die winzige Küche.

Und Zafir musste sich eingestehen, dass er genau wusste, warum er hier war – er begehrte Kat immer noch … vielleicht noch verzweifelter, nachdem er sie jetzt wiedergesehen hatte.

Er legte den Mantel über die Lehne des abgewetzten Sessels und betrachtete die anspruchslose Einrichtung ihres jetzigen Zuhauses.

In dem Loft, das sie sich mit drei Models geteilt hatte, als er sie kennenlernte, war er nie gewesen. Allerdings hatte es im eleganten Londoner Stadtteil SoHo gelegen … Meilen von hier entfernt.

Kat kehrte mit zwei dampfenden Kaffeebechern zurück und reichte Zafir einen. Dabei achtete sie peinlich darauf, ihn nicht zu berühren, fiel ihm auf.

Inzwischen hatte auch sie den Mantel abgelegt. Sie trug einen langärmeligen Pullover über dem Rock, doch nicht einmal die einfachen Sachen konnten etwas daran ändern, dass sie eine aufregende Frau war. Eine vollkommene Schönheit.

Nichts hatte er vergessen: Schon gar nicht ihre hohen, festen Brüste, die schmale Taille oder die endlos langen Beine … die sie um ihn gelegt hatte, während sie die High Heels in seinen Po bohrte, ihn antrieb, tiefer und kraftvoller in sie hineinzustoßen …

Verdammt! Es kostete ihn alle Kraft, seine Libido zu zügeln. Sicher lag das an der monatelangen sexuellen Enthaltsamkeit.

„Setz dich“, forderte Kat ihn widerstrebend auf und wich auf die zerschlissene Couch ihm gegenüber aus.

Zafir trank einen Schluck Kaffee. Sie hatte nicht vergessen, dass er ihn stark und schwarz trank, wurde ihm bewusst. Etwas anderes fiel ihm auf. „Du trägst das Haar anders.“

Unwillkürlich tastete sie nach dem achtlos gewundenen Nackenknoten. „Meine Naturfarbe.“

Ein Schauer überlief ihn. Diese Naturfarbe war dunkelbraun mit einem leichten Kupferton. Bewies das nicht auch, wie viel bei ihr nur Schau gewesen war? Goldblond hatte er sie kennengelernt, als typisches American Girl. Auch das war also nicht echt gewesen.

Entschlossen stellte Zafir den Kaffeebecher ab. „Na gut, Kat, was ist passiert? Warum bist du aus der internationalen Modelszene verschwunden? Und wer ist Kaycee Smith?“

2. KAPITEL

„Warum bist du von der internationalen Modelszene verschwunden“, war alles, was zu Kat durchdrang.

Einen Moment lang konnte sie kaum atmen – fast wäre ihr herausgerutscht, warum ihre Karriere urplötzlich beendet gewesen war.

In den achtzehn Monaten war so viel passiert, doch sie war noch nicht so weit, ihm zu enthüllen, warum sie nicht mehr als Model arbeitete und sich Kaycee Smith nannte. Ihre weltberühmten schönen Beine gehörten der Vergangenheit an und würden nie mehr auf dem Laufsteg Aufsehen erregen.

Bebend atmete Kat ein. Wenn ich Zafirs Frage beantworte, ist er blitzschnell verschwunden. Die Versuchung war groß, ihm reinen Wein einzuschenken.

„Was passiert ist …?“, wiederholte sie sachlich. „Warst du es nicht, Zafir, der mich aus allen Verträgen streichen ließ, sodass die Modehäuser sich nicht schnell genug von mir trennen konnten?“

Von dem Sturm, der damals heraufgezogen war, hatte Kat nichts geahnt. Glückstrahlend hatte sie die Koffer gepackt, um mit ihrem königlichen Verlobten ein neues Leben zu beginnen – voller Hoffnung. Er würde stolz auf sie sein …

Was war sie für eine Närrin gewesen!

Erbarmungslos erinnerte Zafir sie jetzt: „Von dir waren eindeutige Nacktfotos aufgetaucht, Kat. Und dann waren da die Schuldenberge, die du mir verheimlicht hast – dein Leben mit der drogensüchtigen Mutter, die ohne den nächsten Schuss nicht leben konnte.“

Kat umfasste ihren Becher ganz fest. Verbittert hatte sie die schmierige Schlagzeile wieder vor sich, die Zafir ihr unter die Nase gehalten hatte: Model als billige Goldgräberin.

Ein märchenhaft reicher Mann wie er konnte sich nicht einmal vorstellen, mit welchen Problemen sie sich schon in jungen Jahren hatte auseinandersetzen müssen.

Wut überkam Kat, sie durchlebte die Demütigungen erneut. Unfasslich, dass Zafir ihr selbst jetzt noch etwas bedeutete. Aufgebracht stellte sie den Becher weg und sprang auf, wich schutzsuchend hinter die Couch zurück.

Zafir seufzte gelangweilt, dann beugte er sich vor und klemmte die Hände zwischen die Knie. Er wirkte völlig entspannt, doch Kat konnte er nichts vormachen. Wenn er sich locker gab, war er am gefährlichsten.

„Hör zu“, brachte sie mühsam beherrscht hervor, „falls du hergekommen bist, um über unseren letzten Streit zu sprechen – wie du mich damals zur Rede gestellt, meinen Ruf als Model zerstört und mich aus deinem Leben gestrichen hast – spar dir den Atem. Wir haben alles gesagt.“

Unwillkürlich grub sie die Finger in die Couchlehne, als sie an die furchtbare Nacht dachte, in der sie tränenüberströmt aus Zafirs Apartment blindlings in die Dunkelheit hinausgestürmt war. Danach hatten nur noch tiefste Dunkelheit und unsäglicher Schmerz sie eingehüllt.

Zafir stand auf, und Kat verdrängte die Erinnerungen. Nichts hatte sich geändert. Für sie durfte es nur noch die Gegenwart geben.

„So?“, höhnte er. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du viel zu wenig gesagt und bist einfach verschwunden. Du hast dich nicht einmal dafür entschuldigt, mich die ganze Zeit über getäuscht zu haben.“

Benommen dachte sie an die schreckliche Nacht. „Du hast den Artikel mit den Fotos gesehen und mich auf der Stelle verdammt – mich nicht einmal angehört, um mir Gelegenheit zu geben, mich zu verteidigen.“

Vorsichtig meldete sich bei Kat das Gewissen. Immer wieder hatte sie aufgeschoben, Zafir die Wahrheit über ihr Zuhause zu gestehen. Und was die Schulden betraf … niemand hatte erfahren sollen, dass sie sich wegen des wachsenden Schuldenbergs ihrer Mutter schämte. Schon gar nicht ein Mann wie Zafir, der Charakterstärke und Mut predigte.

„Teufel noch mal, Kat, von all dem hast nie ein Wort erwähnt. Wann wolltest du mir endlich gestehen, was los war?“ Kopfschüttelnd wiederholte er seine einstigen Anschuldigungen. „Offenbar hattest du gehofft, mit mir verheiratet zu sein, ehe die schmutzigen Tatsachen ans Tageslicht kämen. Dann hättest du ausgesorgt – selbst bei einer Scheidung.“

Kat stockte der Atem, ihr wurde übel. „So war es nicht …“

Gnadenlos fuhr Zafir fort: „Wer ist Kaycee Smith?“

Sie schluckte schmerzlich. „Der Name steht auf meiner Geburtsurkunde.“

Einen Moment lang sah er sie zweifelnd an. „Und diese wichtige Einzelheit sollte den Medien entgangen sein?“

Würdevoll warf Kat den Kopf zurück. Sie würde sich nicht erneut demütigen lassen. „Das war wohl das Einzige, was den Pressehaien entgangen ist.“

Glücklicherweise. Sonst hätte sie nicht so einfach untertauchen können.

„Wir haben uns nichts mehr zu sagen, Zafir. Nicht das Geringste“, betonte sie. „Also verschwinde … ehe ich die Polizei rufe und dich wegen Belästigung anzeige.“

Aufgebracht wollte Kat zur Tür stürmen, um Zafir unmissverständlich hinauszuwerfen, doch er verstellte ihr den Weg. „Sag mal, wie kommt es, dass du hinkst?“

Sie fühlte sich ertappt, ihr Kampfgeist verpuffte.

Langsam drehte sie sich um. Er war ihr viel zu nahe, der Duft seines exotischen Aftershaves hüllte sie ein … Unwillkürlich dachte sie an ihren ersten Besuch in Jandor, seinen Märchenpalast auf dem Hügel mit dem faszinierenden Blick auf die alte Stadt am Meer.

Die bloße Vorstellung, Königin dieses Landes zu werden, hatte sie eingeschüchtert und überwältigt. Als Zafir sie dann für unwürdig gehalten hatte, seine Frau zu werden, war ihr bewusst geworden, wie töricht sie sich in Märchenträumen gewiegt hatte. Sie war keine Königin und hatte sich von Träumen blenden lassen …

Unsicher wich sie vor ihm zurück.

Zafirs Frage hing weiter drückend im Raum. Wieso hinkst du?

Nicht darauf einzugehen, würde ihn nur neugierig machen. „Ich hatte einen Autounfall“, gab Kat widerstrebend zu. „Davon blieb eine Beinverletzung zurück, sodass ich eine Weile aus dem Verkehr gezogen wurde.“ Über ein Jahr. Hoffentlich erkundigte er sich nicht nach Einzelheiten.

Zafir wirkte nicht überzeugt. „Konntest du deshalb nicht als Model arbeiten? Wohnst du deshalb so …?“ Er sprach es nicht aus, blickte bedeutsam in die Runde. „Weil du deine Schulden noch nicht bezahlen konntest? Aber jetzt ist doch wohl alles in Ordnung …? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Modewelt weiter auf dich verzichten will. Warum hat man deine Verträge nicht erneuert, nachdem Gras über die Sache gewachsen war?“

Jetzt ist wohl alles in Ordnung …

Die Wahrheit würde Zafir ebenso wenig hören wollen wie damals. In einem hatte er recht: Die Modehäuser hatten sich wieder bei ihr gemeldet … doch an eine Rückkehr in die Glamourwelt der Scheinwerfer war nicht mehr zu denken …

Kat atmete tief ein. „Ich arbeite nicht mehr als Model, sondern als Kellnerin.“

Zafir kam näher und sah sie forschend an. Fast konnte sie spüren, wie er versuchte, zwei und zwei zusammenzuzählen.

Sie wollte nur noch, dass er ging. Schon einmal hatte er ihr Leben aus den Angeln gerissen – ein zweites Mal durfte es nicht geben.

„Bitte, Zafir“, fuhr sie ungeduldig fort, „bist du nur gekommen, um alte Geschichten aufzuwärmen?“

Ein gefährlicher Gedanke drängte sich ihr auf. War er gekommen, um ihre Seite der Geschichte zu hören – wenn auch verspätet?

Schroff wehrte er ab. „Natürlich nicht. Vorbei ist vorbei. Für mich ist die Vergangenheit abgehakt.“

Angespannt hatte Kat auf seine Reaktion gewartet. Natürlich nicht … Zafir war nicht hier, um ihre Seite der Geschichte zu erfahren. Sie hatte etwas erhofft, das es nicht gab …

Entsetzt wurde ihr bewusst, wie viel sie immer noch für ihn empfand.

„Dann wäre ich dir dankbar, wenn du jetzt gehen würdest“, brachte sie sachlich hervor. „Wir hatten eine Vergangenheit. Eine Zukunft gibt es nicht. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“

Der abschätzende Ausdruck in Zafirs hellgrauen Augen machte sie wachsam.

„Genau darüber möchte ich mit dir sprechen, Kat – über unsere Zukunft. Natürlich eine völlig andere als damals. Lassen wir die Vergangenheit ruhen und beginnen etwas Neues.“

Abwehrend hob Kat die Hände. „Eine Zukunft mit dir – egal wie – interessiert mich nicht.“

Zafir presste die Lippen zusammen. Widerspruch war er nicht gewöhnt. Doch irgendwie gefiel ihm die kampfbereite Kat. Sie hatte sich verändert – und war ihm immer noch schmerzlich vertraut. Es tat weh, ihr so nah gegenüberzustehen, während sie ihn ansah, als wäre er ein Fremder.

Eigentlich hatte er nicht erwartet, dass Kat ihn abwies. Sicher, sie waren im Streit auseinandergegangen, aber Kat hatte ihn getäuscht und hintergangen – weil sie geheiratet werden wollte. War es da nicht verständlich, dass er sie nach den schockierenden Enthüllungen wütend zur Rede gestellt hatte? Aber sie tat gerade so, als hätte er ihr Unrecht getan …

Gereizt überlegte Zafir. Er hätte die Vergangenheit nicht wieder aufwärmen wollen, aber das war wohl unvermeidlich. Im Moment wollte er über die Zukunft reden, was ihnen beiden nützen würde.

Wenn er jetzt ging – zu Recht natürlich – würde er Kat für immer verlieren. Das durfte er nicht riskieren.

„Ich gehe erst, wenn ich dir gesagt habe, was ich von dir will, Kat.“

Entsetzt verfolgte sie, dass er sich wieder setzte. Wenn Zafir sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, bekam er es …

Seufzend ließ Kat sich auf die Couch sinken und blickte auf die Uhr. „Es ist spät. Ich muss morgen früh wieder arbeiten, Zafir. Also fasse dich kurz.“

Nur kurz blitzte es in ihren Augen auf, dann wurde ihre Miene abweisend. Doch Zafir dachte nicht daran aufzugeben. Bald würden sie wieder in seinen Armen liegen und seinen Namen stöhnen, während er sie über die Klippe trieb und sein Verlangen endlich stillte …

Er verdrängte die erotischen Fantasien. „Hast du dir das Angebot wenigstens angesehen, das ich deiner Agentin geschickt habe?“

Kat schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr eine Haarsträhne in den Nacken rutschte. Am liebsten hätte er den Knoten gelöst, damit ihr das Haar wieder seidig über den Rücken floss.

Doch er beherrschte sich. Während er sich erotischen Fantasien hingab, konnte er kein vernünftiges Gespräch führen.

„Ich möchte dich als Model haben.“ Als Kat wie erwartet kalt abwinkte, wechselte er die Taktik. „Sicher erinnerst du dich an die Legende von dem verschwundenen Riesendiamanten, dem roten Herz von Jandor, oder?“

Er sah, dass sie sich anspannte, ihre Wangen röteten sich – sie dachte an die Nacht, als sie in Jandor erfüllt mit ihm im Bett gelegen und die Beine um ihn gelegt hatte, während er ihr vom größten Diamanten der Welt erzählt hatte. Wie ein Teenager hatte er sich damals zu Kat ins Schlafzimmer schleichen müssen, obwohl sie so gut wie verlobt waren. Seine Leute wären außer sich gewesen, wenn sie von den vorehelichen Intimitäten erfahren hätten.

Verträumt hatte Kat ihm den Kopf auf die Brust gelegt und geflüstert: „Wie romantisch. Hoffentlich finden sie ihn eines Tages wieder.“

Das sehnsuchtsvolle romantisch hatte ihn alarmiert. Hätte er sie nicht warnen müssen, dass Romantik keinen Platz in seinem Leben hatte, wenn er König war und Kat seine Königin …?

Doch dann hatte er sie wieder verlangend an sich gezogen und sie geküsst … und nichts anderes mehr denken können.

„Ja, ich erinnere mich daran … undeutlich“, setzte Kat zögernd hinzu. Und obwohl er wusste, dass sie sich genau daran erinnerte, hütete Zafir sich, ihr zu widersprechen.

„Man hat ihn kürzlich bei archäologischen Ausgrabungen außerhalb der Mauern von Jandor wiedergefunden“, berichtete er ihr. „Die Wiederentdeckung des Diamanten wurde groß gefeiert, mein Volk betrachtet sie als gutes Omen für unser Land.“

Kat hielt die Hände im Schoß gefaltet. „Freut mich für dich … und dein Volk. Aber was hat das mit mir zu tun?“

Nun musste er sehr behutsam vorgehen. „Alles hängt jetzt von dir ab, Kat – weil du auserwählt wurdest, den Diamanten auf unserer diplomatischen Auslandstour als Model zu präsentieren und für Jandor zu werben.“

Das Angebot war eine Frechheit.

Zafirs arroganter Vorschlag verschlug Kat im ersten Moment die Sprache.

Endlich brachte sie fassungslos hervor: „Das ist doch lächerlich! Ich arbeite und lebe hier und denke nicht daran, dich zu begleiten – egal wohin!“

Zafir stand auf und sprach weiter, als hätte er sie nicht gehört: „Die Public-Relations-Kampagne findet auf höchster diplomatischer Ebene statt und startet Übermorgenabend im New Yorker Metropolitan Museum of Modern Art. Danach reisen wir nach London, Paris und schließlich wieder nach Jandor, wo der Diamant Mittelpunkt einer Dauerausstellung sein wird.“

Empört sprang Kat auf. „Auf einmal heißt es wir, Zafir!“

„Ursprünglich war die Sache anders geplant, dann hätte ich dich nicht gebraucht“, gab er offen zu. „Aber mein Chefberater hatte die Idee, den Diamanten sehr viel persönlicher und aufregender vorzuführen – statt in einer seelenlosen Vitrine aus Panzerglas. Er soll am Dekolleté einer schönen Frau erstrahlen, die mit uns ausgewählte Gäste begrüßt, die Welt mit der Einzigartigkeit und dem Feuer unseres Diamanten – und den unermesslichen Schätzen Jandors beeindruckt.“

Schützend verschränkte Kat die Arme vor der Brust. Die Vorstellung, mit dem Diamanten von Menschenmengen angestarrt zu werden, machte ihr Angst. Seit dem Autounfall wagte sie sich kaum noch unter Menschen.

Entschlossen schüttelte sie den Kopf. „Kommt nicht infrage, Zafir. Ich bin nicht interessiert. Warum engagierst du für die Werbetour nicht ein Model aus Jandor?“

Der stählerne Glanz in seinen Augen warnte Kat: Er würde kein Argument gelten lassen, sich durchsetzen – koste es, was wolle.

„Noch haben wir in Jandor keine Modelagentur, nur Modedesigner, die ihre Entwürfe auf der Werbetour vorstellen wollen. Dafür brauche ich ein berühmtes Topmodel. Und wer könnte da überzeugender sein als du?“

Verzweifelt versuchte Kat es mit einem anderen Argument. „Es gibt Millionen Topmodels wie mich – ohne fragwürdigen Hintergrund. Wenn ich öffentlich als Kat Winters auftrete, wärmen die Medien die alten Geschichten wieder auf.“

Zafir hatte Schluss mit ihr gemacht, ehe er die Verlobung bekannt geben konnte.

„Schon möglich“, musste er zugeben. „Daran habe ich auch gedacht. Aber ich habe ein professionelles Public-Relations-Team, das die alten Geschichten mit der neuen Sensation mühelos erstickt. Kat Winters präsentiert den berühmten wiederentdeckten roten Herzdiamanten – eine unwiderstehliche Story.“

Wie eiskalt Zafir alles durchdacht hatte! Panik überkam sie. Sie konnte nicht wieder Kat Winters werden – für nichts und niemand auf der Welt.

Beharrlich schüttelte sie den Kopf. „Meine Antwort ist Nein, Zafir. Bitte geh jetzt. Ich bin müde.“

Er machte keinerlei Anstalten zu gehen.

„Natürlich erwarte ich nicht, dass ein heiß begehrtes Model wie du umsonst für mich arbeitet, Kat“, fuhr er siegessicher fort. „Ich kenne die Höhe deiner Modelhonorare und weiß, dass du ziemlich großzügig damit umgegangen bist. Du kannst es dir gar nicht leisten, so einen lukrativen Vertrag abzulehnen.“ Bedeutsam deutete er in die Runde.

Kat ballte die Hände zu Fäusten. Sollte sie ihm reinen Wein einschenken – damit er endlich ging?

„Hast du bedacht, dass es dann wilde Gerüchte über uns geben wird?“

Nur kurz zögerte er. „Ja, das habe ich. Was kann schon passieren? Nach Abschluss der Kampagne endet dein Vertrag ebenso wie unsere Beziehung, und jeder geht seiner Wege. Dann legen sich die Gerüchte schnell wieder.“

Wie Zafir das sagte, alarmierte Kat. Entsetzt begriff sie, worauf er hinauswollte.

„Du glaubst doch hoffentlich nicht im Ernst, dass wir wieder …“ Schockiert verstummte sie.

„Ja, Kat, das glaube ich. Ich möchte dich wieder in meinem Bett haben. Wir sind noch nicht fertig miteinander. Als du mich verlassen hast …“

„Du meinst, als du mich weggejagt hast!“ Empört verschränkte sie die Arme vor der Brust.

„Lassen wir das, Kat“, wehrte Zafir locker ab. „Sagen wir, unsere Verlobung war geplatzt. Nach den skandalträchtigen Schlagzeilen und Fotos von dir konnte ich dich meinem Volk natürlich nicht mehr als zukünftige Königin vorstellen. Was jedoch nicht bedeutet, dass es mit uns aus war.“

Kat bebte vor Zorn und Schmerz. Plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sie ihm in der Luxussuite vorhielt: „Du liebst mich nicht.“

Hart und brutal hatte Zafir erwidert: „Hier geht es nicht um Liebe, Kat …, sondern um Achtung und Verlangen – und um meinen Irrtum, die vollkommene Frau und zukünftige Königin in dir gesehen zu haben.“

„Vollkommen“, flüsterte sie das verhasste Wort.

Ihr Leben lang hatte sie vollkommen sein müssen: Um den nächsten Wettbewerb zu gewinnen, den einen Werbespot zu bekommen, statt ein anderes attraktives Mädchen. Dennoch hatte sie jämmerlich versagt. Sie hatte versucht, Geld aufzutreiben, um ihrer Mutter zu helfen, die schließlich an ihrer Sucht gestorben war ….

Fest sah sie Zafir an. „Ich bin nicht vollkommen.“

Damals hatte Kat ihm den Verlobungsring verbittert auf den Tisch gelegt und war gegangen.

Jetzt war sie froh darüber. Von der zukünftigen Ehefrau hatte er sie gnadenlos zur Geliebten degradieren wollen.

Und nie war sie weniger vollkommen gewesen als jetzt.

„Verschwinde, Zafir“, forderte sie. „Die Unterhaltung ist beendet.“

Die Worte prallten glatt an ihm ab.

„Bedenke, was dir entgeht, Kat“, hielt er ihr vor. „Mit dem Geld, das du mit dem Auftrag verdienst, kannst du ein neues Leben beginnen, noch einmal von vorn anfangen. Ein Angebot wie dieses kannst du gar nicht ablehnen.“

Zafir nannte ihr eine gewaltige Summe. Mit so viel Geld konnte sie tatsächlich einen Neuanfang wagen, wurde ihr erschauernd bewusst.

Er zog eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie ihr.

Widerstrebend nahm Kat sie entgegen.

„Das ist meine Privatnummer. Ich wohne in meinem New Yorker Penthouse. Bis morgen früh hast du Zeit, dich zu entscheiden, Kat. Wenn ich bis dahin nichts von dir höre, finde ich eine andere, und du siehst mich nie wieder.“

Tränenblind sah sie ihn an. Und diesen Mann hatte sie geliebt! Er hatte sie heiraten wollen. Aber verloren Menschen, die liebten, sich nicht meist in romantischem Träumen?

Als Tochter einer suchtkranken Alleinerziehenden ahnte sie nicht einmal, wer ihr Vater war.

Während Zafir genau wusste, weshalb er sich für sie entschieden hatte. Er hatte sie unter die Lupe genommen und als vollkommen eingestuft. Und jetzt sollte sie erneut die Welt betreten, die sie verschluckt und ausgespuckt hatte … sich Zafir mit Leib und Seele ausliefern … bis nichts mehr von ihr übrig war.

Was sie in den letzten eineinhalb Jahren hatte durchmachen müssen, hatte sie stärker und widerstandsfähiger gemacht. Dennoch fühlte sie sich dem, was Zafir von ihr verlangte, nicht gewachsen – egal, wie viel Geld er ihr bot.

Ein letztes Mal betrachtete sie ihn, dann riss sie das Kärtchen mitten durch und ließ die Fetzen zu Boden fallen.

„Leb wohl, Zafir.“

Er presste die Lippen zusammen … sekundenlang knisterte es zwischen ihnen gefährlich – dann wich er einen Schritt zurück. „Wie du willst, Kat. Leb wohl.“

Benommen verfolgte sie, wie er seinen Mantel aufnahm und die Tür hinter sich zuzog.

Kat empfand keinerlei Triumph.

Sollte sie ihm nacheilen … ihn zurückholen? Sonst hatte sie ihn endgültig verloren. Schützend legte sie die Arme um sich …

Zafir hatte sie schon einmal fast vernichtet. Ein zweites Mal würde sie nicht überleben.

Verloren blickte sie sich um, als sähe sie ihre Umgebung zu ersten Mal wirklich. An die einfache Wohnung hatte sie sich gewöhnt. Etwas anderes hatte sie sich nach dem Unfall und den anschließenden Reha-Behandlungen nicht leisten können. Immerhin waren ihre gröbsten Schulden nun getilgt.

Der teuflische Fotograf, der hinter der Veröffentlichung ihrer Skandalfotos steckte, hatte seine Drohungen erbarmungslos wahr gemacht: Ihre Karriere war geplatzt. Jetzt dürfte er nichts mehr in Händen haben, um sie zu erpressen.

Wie oft hatte sie sich Zafir anvertrauen wollen … doch eigentlich war ihr klargewesen, wie er dann reagieren würde. Ein Prinz wie er, der in einem Palast aufgewachsen war, konnte nicht verstehen, wieso sie sich auf so eine schmutzige Sache eingelassen hatte.

Nie würde sie vergessen, wie entsetzt und angewidert er sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert hatte.

Während sie ruhelos herumlief, fiel ihr Blick auf Dinge in der Ecke. Zafir hatte ihre Krücken nicht bemerkt. Und auch nicht den Klapprollstuhl, den sie inzwischen kaum noch brauchte und nur für den Notfall behalten hatte.

Auch deshalb war sie Zafir nicht hinterhergelaufen. Weil er nicht erfahren durfte, was wirklich mit ihr los war. Dann würde er kein Interesse mehr an ihr haben …

Weil es die Glamour-Kat, die er gekannt hatte, nicht mehr gab.

Spontan trug Kat die Krücken in ihr kleines Schlafzimmer, streifte Turnschuhe und Jeans ab und stellte sich kritisch vor den Spiegel.

Auf den ersten Blick mochte Zafir nichts aufgefallen sein – sie stand immer noch aufrecht auf beiden Beinen. Doch irgendwann würde er das linke Bein bemerken, die Prothese mit dem künstlichen Fuß.

Selbst jetzt noch erinnerte Kat sich nicht wirklich an den Unfall in der Schicksalsnacht. Sie wusste nur, dass sie die Straße überquert hatte – und am nächsten Tag im Krankenhaus wieder aufgewacht war. Der Arzt hatte ihr den Fuß bis zum Knie amputieren müssen, um das Bein zu retten – das nun fast bis zum Knie fehlte.

Nur kurz durchlebte Kat noch manchmal, wie sie kurz zu sich gekommen war, und etwas Tonnenschweres auf ihren Fuß gedrückt hatte. Menschen hatten sich um sie versammelt, doch sie hatte sich weder rühren noch sprechen können. Dann war alles schwarz um sie geworden.

Danach hatte sie sich kaum noch unter Menschen gewagt.

Manchmal musterten Leute sie nachdenklich, doch da sie nun dunkelhaarig und ungeschminkt war und leicht hinkte, konnte das unmöglich die Kat Winters sein.

Gefühle übermannten Kat, gegen die sie machtlos war … Tränen rannen ihr über die Wangen. Trotzig wischte sie sie fort und setzte sich aufs Bett.

Seit einer Ewigkeit hatte sie sich nicht mehr selbst bemitleidet, eigentlich nur in den dunklen Tagen, als sie immer wieder gestürzt war, wenn sie nachts ins Bad wollte – und ein-, zweimal die Krücken von sich geschleudert hatte. Oder wenn sie sich tagelang zu Hause verkrochen hatte und nie mehr unter Menschen gehen wollte.

Julie, ihre Agentin und treue Freundin, hatte sie gerettet. Und natürlich auch das Reha-Zentrum am Ort. Die anderen Patienten, denen es teilweise viel schlechter als ihr ging, hatten sie demütig gemacht. Ihr gezeigt, dass sie sich trotz allem glücklich schätzen musste.

Und langsam, ganz allmählich, hatte Kat gelernt, sich mit ihrem Schicksal abzufinden und weiterzumachen. Das gelang ihr nun sogar recht gut – bis Zafir plötzlich wieder aufgetaucht war.

Vielleicht hat er recht, wisperte eine innere Stimme. Vielleicht sind wir noch nicht fertig miteinander. Wenn ich den Auftrag annehme, könnte ich die Vergangenheit hinter mir lassen…“

Aber sie durfte sich nichts vormachen: Seit sie ihn wiedergesehen hatte, gehörte er nicht mehr zu ihrer Vergangenheit. Sie war noch längst nicht über ihn hinweg …

Zafir war eine Naturgewalt. Die bloße Vorstellung, wieder mit ihm zusammen zu sein, war gefährlich erregend.

Aber der Mann war ein Vollkommenheitsfanatiker. Und bewegte sich unter den Schönsten, Reichsten und Mächtigsten der Welt, er gehörte zu ihnen.

Sie war noch nicht so weit, ihm die neue Kat zu präsentieren. Zafir liebte nicht sie, sondern das Schönheitssymbol, das sie in seinen Augen verkörperte … mit dem er sich zeigen und schmücken konnte.

Ihre Mutter hatte vom Glamour ihrer Tochter gelebt, sie als Mittel benutzt, um an Geld für ihre Drogen zu kommen. Und letztlich war ihre Beziehung zu Zafir nicht viel anders gewesen. Er hatte sie heiraten wollen, weil sie als schmückendes Beiwerk in sein Leben passte. Während sie sich nach Liebe sehnte und um ihrer selbst willen geliebt werden wollte.

Doch ihre Wunden blieben offen, solange sie Zafir nicht zwang, sich ihre Geschichte anzuhören – wie es zu den schmutzigen Schlagzeilen gekommen war.

Nachdenklich betrachtete Kat ihre Fußprothese. Die Möglichkeit, an Zafirs Seite in die Glitzerwelt der Models zurückzukehren, machte ihr Angst …

Dafür war sie noch nicht stark genug.

Oder?

Sie blickte in den Spiegel. Auf dem Bett saß eine blasse junge Frau, die durch seelische Abgründe gegangen – und dadurch stärker geworden war.

Wusste sie nicht längst, dass sie sich nicht ewig hinter Kaycee Smith verstecken konnte? Ihre Freundin Julie hatte sie wiederholt gedrängt, den Schutzpanzer abzuwerfen und am normalen Leben teilzunehmen.

Und jetzt wollte Zafir sie wieder als Model haben. Mehr nicht. Oder doch? Ihr Herz klopfte schneller. Er hatte sie für vollkommen gehalten – und sie brutal verstoßen, als er sie für fehlerhaft hielt. Sie durfte ihm keine Möglichkeit mehr bieten, sie wie eine beschädigte Ware wegzuwerfen.

Kat dachte an das Honorar, mit dem er sie ködern wollte. Damit könnte sie endlich Julie die Schulden zurückbezahlen. Ihre Freundin hatte ihr über die schwersten Monate hinweggeholfen und die zusätzlichen Behandlungskosten bezahlt, weil Kats Versicherung vieles nicht abdeckte. Außerdem könnte sie ihrem Reha-Zentrum eine großzügige Spende zukommen lassen, dem aus Mangel an finanziellen Mitteln das Aus drohte.

Sollte sie Zafirs Angebot doch annehmen …?

Der Gedanke war elektrisierend. Wenn sie sich der Herausforderung stellte, konnte sie sich beweisen, dass sie die unselige Liebe zu Zafir überwunden hatte. Sie war keine naive Jungfrau mehr, die in atemberaubendem Tempo in eine Glitzerwelt geschlittert war und nicht rechtzeitig die Bremse gezogen hatte.

Jetzt war sie stark genug, um es mit Zafir aufzunehmen.

Wirklich?

Falls sie wieder als Model arbeitete, wusste sie, was sie erwartete.

Eine Beziehung mit Zafir kam nicht mehr infrage.

Die Schutzwälle, die sie nach dem Unfall um sich errichtet hatte, mussten auch für ihn unüberwindbar bleiben.

Kat nahm das Handy auf und kämpfte die letzten Bedenken nieder.

Hier ging es nicht nur um sie. Mit dem Geld könnte sie so viel erreichen.

Kurz entschlossen rief sie ihre Freundin an. Als Julie abnahm, meldete Kat sich aus der behüteten Vergangenheit zurück und wagte den gefährlichen Schritt in eine neue Zukunft.

3. KAPITEL

Zafir stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte nachdenklich auf Manhattan und den in der Herbstsonne erstrahlenden Central Park hinunter. Leiser Triumph erfüllte ihn – doch er war gemischt mit Enttäuschung, wie Zafir sich überrascht eingestehen musste. Irgendwie hatte ihn Kats erbitterter Widerstand am gestrigen Abend beeindruckt. So etwas kannte er gar nicht – schon gar nicht, seit er König war. Sie war ihm so unglaublich stark, so entschlossen vorgekommen …

Zu seiner Überraschung hatte ihn Kats Agentin jedoch heute Morgen angerufen und ihm sachlich mitgeteilt, dass Miss Winters nun doch bereit sei, seinen Auftrag anzunehmen. Jetzt dürfte Kat mit ihrer Agentin und den Anwälten zusammensitzen und den Vertrag unterschreiben. Später sollte ein Stylistenteam sich um sie kümmern und dann würde Rahul die Einzelheiten der Reiseroute mit Kat durchgehen und dafür sorgen, dass ihr Pass und die Reiseunterlagen in Ordnung waren, wenn sie die Staaten verließen.

Also war Kats kalte Abfuhr nur Schau gewesen – wie damals, als sie sich als nettes, professionell arbeitendes Model aufgespielt und letztlich nur möglichst viel Geld zu scheffeln versucht hatte.

Immerhin in einem war Kat ehrlich gewesen: Sie stammte aus einfachsten Verhältnissen, was sie für ihn noch interessanter gemacht hatte. Für ihn war sie das typisch amerikanische Mädchen gewesen, das sich trotz mancher Widrigkeiten erfolgreich nach oben gearbeitet hatte.

Sie kam aus einem fragwürdigen, undurchsichtigen Milieu, hatte ihm ihre Schulden geschickt verheimlicht, obwohl sie als Topmodel schwindelerregende Honorare kassierte. Ihre Mutter war drogenabhängig, den Vater hatte sie nie erwähnt, sie war von der Schule geflogen. Dann waren die Skandalfotos aufgetaucht, zu denen sie sich als Siebzehnjährige hatte überreden lassen, damit ihre Mutter sich den nächsten Schuss leisten konnte.

Selbst jetzt wurde Zafir wütend, wenn er an die schrecklichen Fotos dachte. Er ballte die Hände zu Fäusten. Verlogen und verdorben war Kat offenbar schon damals gewesen, während sie vor der Kamera die engelsreine Unschuld spielte. Wie raffiniert der Kerl hinter der Kamera sie in Pose gesetzt hatte, brachte Zafir jetzt noch auf. Was er in dem Augenblick dieser schockierenden Entdeckung für Kat empfunden hatte, war komplizierter – er hätte nicht genau sagen können, ob er sie am liebsten in Schutz genommen hätte oder sich von ihr verraten gefühlt hatte …

Als er sie dann fassungslos mit den Schlagzeilen der Sensationspresse konfrontiert hatte, war er sicher gewesen, Kat würde sich als unschuldiges Opfer hinstellen, sodass er die Schuld anderswo suchen könnte. Doch sie hatte ganz offen zugegeben, auch nur ein Mensch und nicht vollkommen zu sein. Und dann war sie aus seinem Apartment gestürmt und abgetaucht, sodass er sich nur vorwerfen konnte, ihr blind vertraut zu haben …

Später hatte er sich sogar gefragt, ob sie wirklich noch unberührt gewesen war oder ob sie nur so getan hatte, um sich interessant zu machen. Dass sie noch Jungfrau sein wollte, hatte ihn damals erstaunt. Unberührte Mädchen Anfang zwanzig hatten für ihn ebenso ins Reich der Mythen gehört wie die Mär vom Einhorn.

Doch obwohl er so zynisch dachte, holte er Kat jetzt in seine Welt zurück. Weil er sie begehrte …?

Doch inzwischen kannte er Kats Geheimnisse und konnte den Sex mit ihr genießen … oder sich vormachen, dass sie für ihn wieder verfügbar war.

Kat begutachtete sich kritisch ihm Spiegel und war Julie dankbar, die ihr die Stylisten geschickt hatte. So konnte sie sich echten Profis anvertrauen.

Der tiefe Ausschnitt des ärmellosen bodenlangen Designerkleids aus schwarzem Samt reichte ihr fast bis zum Nabel und gab mehr Haut preis, als Kat seit Jahren gezeigt hatte. Ihr Haar war zu einem schweren seidigen Nackenknoten gewunden, das Make-up kam ihr nach der langen Auszeit etwas zu dramatisch vor. Und zum ersten Mal nach einer Ewigkeit trug sie wieder High Heels, wenn auch nicht übertrieben hohe.

Vorsichtig hob Kat den Rocksaum und wagte kaum zu atmen. Für den ahnungslosen Betrachter wirkten ihre Beine völlig normal.

Dabei trug sie die Fußprothese, die Julie ihr vor Monaten in einem englischen Sanitärwerk hatte anpassen lassen. Kat seufzte. Heute musste sie sich zum ersten Mal öffentlich beweisen.

Der künstliche Fuß saß perfekt, musste Kat sich eingestehen und begutachtete die lackierten Fußnägel, die völlig echt wirkten. Niemand würde etwas auffallen. Den Tränen nahe, ließ sie den Rocksaum wieder fallen.

Fast schämte sie sich ihrer Gefühlsaufwallung. Sie hätte nicht erwartet, so etwas je wieder zu erleben …

Doch nun war sie hier und erstrahlte in dem Bewusstsein, trotz allem wieder dazuzugehören.

Es klopfte an der Schlafzimmertür der Luxushotelsuite, in der Kat sich umgezogen hatte.

„Einen Moment, bitte!“, rief sie schnell.

Die Designer konnten es sicher kaum erwarten, das schwarze Kleid an ihr zu sehen, das sie wegen seiner klaren Linienführung am ersten Abend tragen würde, damit der rote Diamant in seiner ganzen Pracht sofort ins Auge fiel.

Kat richtete sich auf und hielt den Ausschnitt des Kleides zusammen, der noch etwas locker saß. Dann öffnete sie die Tür und kündigte an: „Es sitzt bestens. Ich muss nur noch den Reißverschluss …“

Sie verstummte, als sie den Mann erkannte, der vor ihr stand.

Zafir …

Seit sie den Vertrag unterschrieben hatte, war sie nervös, ständig darauf gefasst, dass er auftauchen würde …

Jetzt stand er vor ihr, das Hemd am Kragen geöffnet, die Ärmel hochgekrempelt. Wahrscheinlich kam er direkt aus dem Büro. Aber er war ja schon immer ein Arbeitstier gewesen. Unanständig fit und durchtrainiert sah er aus – wie ein kampfbereiter Krieger …

„Soll ich dir mit dem Reißverschluss helfen?“

Kat erwachte aus ihrer Erstarrung. Himmel, bloß nicht! Verlegen zog sie den Ausschnitt fester zusammen und blickte an Zafir vorbei. „Das übernimmt jemand vom Stylingteam …“ Erst jetzt fiel ihr auf, wie still es um sie her war. „Wo sind die anderen? Wo sind sie alle?“

„Ich habe die Leute für heute nach Hause geschickt.“ Zafir blickte auf die Uhr. „Es ist halb fünf. Ihr habt seit heute Morgen pausenlos durchgearbeitet.“

Erstaunt sah Kat ihn an. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit verrann.

Zafir hob die Hände, um ihr den Reißverschluss hochzuziehen, und trat näher. „Ich möchte dich in dem Kleid sehen und feststellen, wie der Diamant damit wirkt.“

Einen Moment kämpfte sie mit sich. „Hast du ihn dabei?“

Er nickte. „Natürlich.“

Widerstrebend kehrte Kat ihm den nackten Rücken zu … und fühlte sich seltsam verletzlich. Erschauernd hielt sie still, während Zafir sich mit dem Reißverschluss beschäftigte. Wie oft hatte er das getan … sie dabei verlangend an sich gezogen, ihre Brüste unter dem Kleid gestreichelt, ihren Nacken mit Küssen bedeckt …

Und Kat hatte die Liebkosungen genossen, weil sie ihm vertraut hatte.

Ihre Nerven flatterten, als er wie zufällig ihre Haut berührte und den Stoff zurechtzupfte. Früher hätte Kat das gefallen, doch jetzt kam sie sich in dem gewagten Dekolleté zu offenherzig vor.

Endlich rastete der Reißverschluss ein, und Kat wich erleichtert zurück. Der verlangende Ausdruck in Zafirs Augen beunruhigte sie, sie versuchte, in den Salon zu flüchten.

Und hielt inne, als eine junge Frau in Schwarz mit strengem Nackenknoten an den Tisch trat, auf dem ein großes schwarzes Etui stand.

„Kat, das ist Noor Quresi“, machte Zafir sie miteinander bekannt. „Als dein persönlicher Bodyguard wird sie bei allen deinen Auftritten unauffällig um dich sein, wenn du den Diamanten trägst.“

Persönlicher Bodyguard … Kat reichte der jungen Frau die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Noor.“

Zafir deutete auf das geöffnete Etui und sagte etwas auf Arabisch, worauf die junge Frau sich diskret zurückzog.

Und auf einmal hatte Kat nur noch Augen für den rötlich schimmernden, auf schwarze Seide gebetteten golfballgroßen Herzdiamanten.

Der Stein war wirklich atemberaubend. Er schien von innen her zu glühen, ein rötliches Feuer zu verströmen. Wie mochte er auf die Finder gewirkt haben, die ihn als Rohdiamanten entdeckten hatten?

Zafir nahm den einzigartigen Stein auf, der in einer mächtigen Platinfassung mit arabischen Schriftzeichen thronte. Kat hielt ehrfürchtig still, während er es ihr anlegte.

Für eine Sekunde schloss Kat die Augen, dann spürte sie das Gewicht des Diamanten auf ihrer Haut. Er fühlte sich herrlich warm an, und unwillkürlich tastete sie danach, als das Geschmeide sich schwer um ihren Nacken legte.

Prüfend ging Zafir um sie herum.

„Tritt ein bisschen zurück“, bestimmte er.

Der Ton störte Kat, doch sie ließ sich nichts anmerken. Es ist nur ein Job, sagte sie sich. Und Zafir war schließlich ihr Auftraggeber.

Kritisch ging er nochmals um sie herum, und obwohl Kat es gewöhnt war, wie eine Zuchtstute begutachtet zu werden, machte Zafirs Musterung sie nervös. Die Schutzeinlage der Fußprothese begann zu jucken, und sie musste an sich halten, um sich nicht danach zu bücken.

Vor ihr blieb Zafir stehen und blickte ihr ins Gesicht.

„Atemberaubend“, bemerkte er zufrieden. „Du bist voll …“

„Sprich das schreckliche Wort nicht aus!“, unterbrach Kat ihn heftig.

„Aber du bist vollkommen“, beharrte er.

Die Prothese drückte. Am liebsten hätte Kat sich das Geschmeide heruntergerissen, das bleiern auf ihrer Haut lag.

Panik überkam sie auf einmal. Sie konnte es nicht durchstehen.

„Nimm mir die Kette ab, Zafir!“, forderte sie aufgebracht.

Nur kurz zögerte er, dann öffnete er den Verschluss.

Geistesgegenwärtig fing Kat das Collier auf und reichte es ihm zurück.