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Pure Winterromantik! Das vorweihnachtliche Geschenk ihrer Eltern brachte Marie Meier völlig aus der Fassung. Sie und Sohn Jonas sollen eine Woche Urlaub in einem Luxusresort verbringen. Als Alleinerzieherin hätte sie sich einen derartigen Aufenthalt niemals leisten können. Ihrem Sohn zuliebe nimmt sie ihn an und blendet ihren Stolz aus. Bereits bei der Ankunft tun sich ungeahnte Schwierigkeiten auf. Sie bekommt Stress mit einem gewissen Markus Brennsteiner, fühlt sich ungerecht behandelt und beschließt in einer überstürzten Reaktion, sofort abzureisen. Sohn Jonas gefällt das gar nicht. Er läuft trotz Schneesturm davon. Sein Leben ist in Gefahr. Markus Brennsteiner organisiert eine Suchaktion und in diesem ganzen Chaos wächst die Hoffnung, keimen Gefühle und entsteht Herzflattern …
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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel: Marie
2. Kapitel: Marie
3. Kapitel: Markus
4. Kapitel: Marie
5. Kapitel: Markus
6. Kapitel: Marie
7. Kapitel: Markus
8. Kapitel: Marie und Markus
9. Kapitel: Marie
10. Kapitel: Markus und Marie
11. Kapitel: Markus
12. Kapitel: Marie
13. Kapitel: Markus
14. Kapitel: Marie
15. Kapitel: Markus und Marie
16. Kapitel: Markus und Marie
17. Kapitel: Marie und Markus
18. Kapitel: Marie
19. Kapitel: Markus und Marie
20. Kapitel: Markus und Marie
Epilog
Schlussworte der Autorin
Die Lovely -Christmas-Reihe
Impressum
Lovely Christmas
Herzflattern im Schnee
~
Ein Roman von
Danielle A. Patricks
Deutsche Erstveröffentlichung, Oktober 2020
All rights reserved
Copyright © Danielle A. Patricks
Auflage: 1 Oktober 2020
ISBN 978-3-9519812-2-2
Lektorat und Korrektorat:
Lisa Diletta, Lotte R. Wöss, Sandra Pulletz
Covergestaltung:
Michael Troy / MT-DESIGN
Bildnachweis:
© 4 PM production, www.shutterstock.com
© Ekaterina Kondratova, www.shutterstock.com
Alle Rechte vorbehalten – Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen, Orte, Handlungen und andere Ereignisse sind entweder Produkte der Fantasie oder wurden fiktiv genutzt. Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Die in diesem Buch erwähnten Markennamen und Warenzeichen sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.
Über dieses Buch
Das vorweihnachtliche Geschenk ihrer Eltern brachte Marie Meier völlig aus der Fassung. Sie und Sohn Jonas sollen eine Woche Urlaub in einem Luxusresort verbringen. Als Alleinerzieherin hätte sie sich einen derartigen Aufenthalt niemals leisten können. Ihrem Sohn zuliebe nimmt sie ihn an und blendet ihren Stolz aus.
Bereits bei der Ankunft tun sich ungeahnte Schwierigkeiten auf. Sie bekommt Stress mit einem gewissen Markus Brennsteiner, fühlt sich ungerecht behandelt und beschließt in einer überstürzten Reaktion, sofort abzureisen. Sohn Jonas gefällt das gar nicht. Er läuft trotz Schneesturm davon. Sein Leben ist in Gefahr. Markus Brennsteiner organisiert eine Suchaktion und in diesem ganzen Chaos wächst die Hoffnung, keimen Gefühle und entsteht Herzflattern …
Widmung
Diese Geschichte möge allen Alleinerzieherinnen Mut machen. Mama sein, ist oft nicht leicht. Aber jegliche Verantwortung für die Kinder allein tragen zu müssen, ist eine riesengroße Herausforderung, der gebührenden Respekt zollt.
DREAM ALPIN
DAS RESORT INMITTEN VERSCHNEITER ALPENGIPFEL FÜR DEINEN TRAUMURLAUB
Du bist müde und ausgelaugt? Du brauchst Abstand zu Deinem Leben und möchtest zu Dir selbst finden? Du wünschst Dir Ruhe oder träumst von einem romantischen Urlaub zu zweit? Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit haben wir spezielle Angebote genau für Dich!
Zahlreiche Pistenkilometer für Dein Skivergnügen, Schlittenfahrten, Spaziergänge im Wintertraum sowie spannende Aktivitäten für Deine Kinder warten auf Dich, damit Du einmal durchatmen kannst. Außerdem lockt die Erholung im SPA-Bereich des luxuriösen Hotelkomplexes. Du wirst Dich wohlfühlen in der heimeligen Atmosphäre des alpenländischen Ambientes. Zudem verwöhnt Dich unser Küchenteam rund um die Uhr mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Du möchtest lieber Abgeschiedenheit und Intimität? Kuschelig urige Holzblockhütten stehen Dir für Deinen Aufenthalt ebenso zur Verfügung wie ein absolut persönlicher und diskreter Service von unserem Personal.
Also, was hält Dich noch in der Tristesse Deines Alltags? Dein exklusiver und einzigartiger Urlaubstraum wartet auf Dich, um Dir sämtliche Wünsche zu erfüllen.
Komm ins DREAM ALPIN und lass Dich verzaubern! Du wirst Deinen Aufenthalt nicht bereuen!
Unser Team freut sich auf Dich unter dem Motto:
DREAM ALPIN!
Marie stützte sich müde auf den Wischmob und sah beim Fenster hinaus. Obwohl sie keine Zeit hatte, beobachtete sie, wie rechtzeitig vor Weihnachten der Winter die Landschaft in seinen weißen Mantel hüllte. Soeben wollte sie noch die letzten Quadratmeter ihrer winzigen Wohnung putzen. Doch draußen wirbelten leise die Schneeflocken durch die Luft. Sie liebte es, wenn es schneite.
Vor ihr liefen Bilder aus ihrer Kindheit ab, einer sehr glücklichen Zeit. Sie war behütet und geliebt aufgewachsen. Ihre Eltern hatten sie verwöhnt und ihr alle Wünsche von den Augen abgelesen. Das wollte sie auch für ihren Sohn. Deshalb bemühte Marie sich redlich, ihm eine gute Mutter zu sein. Sie als Alleinerzieherin war allein dafür verantwortlich, ihm diese Unbeschwertheit, die sie selbst erlebt hatte, zu bieten. In nächster Zeit gab es noch einiges zu erledigen, um ihrem kleinen Liebling ein einzigartiges Weihnachtsfest zu bescheren. Heuer schaffte sie es leider nicht, seine Wunschliste an das Christkind zur Gänze zu erfüllen. So gerne sie dies getan hätte. Das Geld reichte kaum aus, um den Lebensunterhalt für sie beide zu bestreiten. Dabei lebten sie alles andere als im Luxus. Seit sie den Job verloren hatte, weil ihre Chefin in den wohlverdienten Ruhestand gegangen war und das Massagestudio zugesperrt hatte, musste sie jeden Cent zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgab. Zum Glück unterstützten sie ihre Eltern, seit Jonas auf der Welt war, indem sie mit ihm des Öfteren etwas unternahmen. Auch hätten ihre Eltern sie finanziell unterstützt. Das verweigerte Marie allerdings. Ihr Stolz verbot es ihr. Da blieb sie stur. Sie hatte sich vorgenommen, es allein zu schaffen. Vor kurzem hatte ihr Sohn seinen siebenten Geburtstag gefeiert.
Ein Lächeln huschte über Maries Lippen bei dem Gedanken daran.
Seit Jonas auf der Welt war, hatte sich vieles verändert und sie hatte auf vieles, das sie gewohnt gewesen war, verzichten müssen. Sie liebte ihren Jungen abgöttisch, aber er hatte auch eine große Herausforderung und Verantwortung mit in ihr bisheriges Leben gebracht.
Sie blickte auf die Uhr. Schon so spät? Sie musste sich sputen, bevor ihre Eltern mit Jonas zurückkamen. Schnell reinigte sie die letzten Quadratmeter.
Hektisch wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und räumte ihre Putzutensilien zurück in die Kammer. Gerade noch rechtzeitig. Es läutete Sturm an ihrer Haustür. Schnell öffnete sie.
»Ihr seid aber früh hier.« Sie wurde von Jonas stürmisch umarmt. »Und voll mit Schnee! Hu, bitte Schuhe hier ausziehen, ich bin gerade erst mit Saubermachen fertig geworden.« Ein Schauder überkam sie, als sie daran dachte, die ganze Putzarbeit umsonst erledigt zu haben. In letzter Zeit konnte sie sich sowieso schwer dazu aufraffen. Irgendwie wurde ihr langsam alles zu viel. Schnell schluckte sie den aufkeimenden Frust hinunter.
Die nassen Stiefel und Jacken hängte sie im Flur in die Garderobe, nacheinander begaben sich alle ins warme Wohnzimmer. Sie sahen ziemlich durchgefroren aus, mit blauen Lippen und roten Nasen. Marie sah ihnen an, wie gut ihnen die wohlige Wärme tat. Rasch kochte sie Tee, während Jonas erzählte, fast ohne Luft zu holen.
»Zuerst waren wir einkaufen, dann sind wir zum Park gelaufen, wo das große Karussell und das Autodrom aufgestellt waren. Und stell dir vor, ich durfte sicher zehnmal fahren, oder Opa? Jedenfalls bin ich sehr oft mit dem roten Sportwagen geglüht.« Die aufgeregte Stimme von Jonas überschlug sich beinahe. »Opa hat sich nicht getraut, mit einem Auto zu fahren. Hi, hi, hi! Aber da war noch ein anderer Junge und der wollte immer in mich hineinfahren. Ich war viiiieeel schneller, stimmt’s Opa?«
»Das ist doch klaro. Du warst der Allerschnellste.« Maries Vater grinste breit und klopfte seinem Enkel auf die Schulter. Der Kleine strahlte seinen Großvater stolz an.
»Und wie geht es dir, Mama?«, fragte Marie. »Du musstest sicherlich alles mitmachen, was die beiden Männer wollten.« Maries Mutter half ihr, ein paar belegte Brötchen zuzubereiten, die sie in die Mitte des Tisches stellten. Darüber war Marie sehr froh, denn sie fühlte sich müde und ausgelaugt, was sie ihren Eltern und ihrem Sohn aber nie zeigen würde. Dafür schämte sie sich viel zu sehr.
»Ist gar nicht wahr, Mami! Oma wollte das auch alles machen. Sie hat es sogar vorgeschlagen. Sag doch Oma, dass du das auch alles wolltest.« Oma Gloria lachte.
»Du hörst es, ich musste sogar meine ganze Überredungskunst anwenden, um die beiden Männer für den Park zu begeistern.« Die Großmutter schloss Jonas in eine feste Umarmung. »Du kleiner Racker, ist doch fein, wenn du Spaß hattest. Ach ja, Marie, damit wir es nicht vergessen, dein Vater und ich haben eine Überraschung für dich und Jonas.« Sie tat geheimnisvoll und zwinkerte ihrem Gatten zu. Maries Vater stand auf.
»Ich komme gleich, wartet kurz.« Wieder zurück im Wohnzimmer, setzte er sich an die Seite seiner Frau. Beide strahlten Jonas und ihre Tochter an. »Du musst ständig arbeiten und dich abrackern, leistest dir nie etwas, Kind. Du warst mit Jonas noch nie auf Urlaub. Und daher haben wir uns gedacht, wir schenken euch eine Reise.« Robert hielt ein längliches Kuvert vor Maries Nase.
Marie runzelte die Stirn. Langsam griff sie danach und öffnete es. »Papa, Mama, das kann ich doch nicht annehmen! Ihr wisst doch genau, dass ich keine finanzielle Unterstützung annehme. Damals habe ich mir vorgenommen, es mit Jonas auch allein zu schaffen. Außerdem solltet ihr beide da hinfahren. Ihr braucht ebenfalls Urlaub.«
»Marie, das ist ein Geschenk, keine finanzielle Zuwendung. Du hast uns deine Meinung sehr deutlich klar gemacht. Und wir haben es immer akzeptiert, wenn auch sehr ungern, weil wir sehr wohl sehen, wie du dich abmühst. Keine Sorge, wir fahren zu Weihnachten auch weg. Aber du und Jonas, ihr fahrt schon am Samstag. Eine Woche, in ein wunderschönes Feriendorf in den Bergen. Skifahren, Rodeln, Eislaufen, Schneeschuhwandern und noch vieles mehr. Na, was sagst du?«
Marie konnte es kaum fassen und schüttelte mechanisch den Kopf, als sie sah, wo die Reise hingehen sollte. »Ihr seid wahnsinnig.«
»Dream Alpin - Luxusresort« stand groß auf dem Prospekt, das sie in den Händen hielt. Das Bild zeigte ein Hotel und im Hintergrund sah man Holzhütten, sogenannte Chalets. Alles mit Schnee bedeckt, richtig märchenhaft. Sie blätterte den Prospekt einmal um. Die nächsten beiden Seiten zeigten Bilder von den Räumlichkeiten des Hotels und die Einrichtung der Chalets. Mit Andacht blätterte Marie weiter. Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie konnte es kaum fassen. »Das kostet ein Vermögen, das kann ich nicht annehmen.« Am liebsten hätte Marie den Prospekt wieder zurückgegeben. Natürlich wollten ihre Eltern ihr eine Freude bereiten. Mit Sicherheit konnten sie es sich leisten. Nur, Marie kränkte es, sich derartige Annehmlichkeiten wie einen Urlaub, nicht selbst bezahlen zu können. Abgesehen davon hatte sie dieses Thema schon längst abgehakt. Sie hatte sich damit abgefunden, so lange nicht mehr verreisen zu können, bis Jonas selbst Geld verdiente. Dass sie dadurch aber immer nur in ihren vier Wänden blieb und ihr Alltag allmählich in ein düsteres Grau verfiel, hatte sich schleichend eingestellt. Sie traf kaum noch ihre Freundinnen, weil sie es sich schlichtweg nicht mehr leisten konnte, auszugehen. Dieses Geschenk war wie ein Fingerzeig. Marie war mit einem Mal klar, dass sie etwas in ihrem Leben ändern musste. Doch allein schaffte sie das nicht. Das musste sie sich eingestehen. Wie gut ihre Eltern sie doch kannten!
»Papperlapapp. Natürlich kannst du.« Glorias Stimme hatte den vehementen Unterton angeschlagen, den Marie noch aus ihrer Kindheit kannte. Dann wandte sie sich ihrem Enkel zu. »Jonas, du freust dich bestimmt auch, wenn ihr in die Berge fahrt, nicht wahr?«
»Oh ja, und wie! Toll Mami! Danke Opa, danke Oma.« Er umarmte beide stürmisch.
»Das ist doch Luxus pur! Bestimmt sind da nur steinreiche Leute. Da passen Jonas und ich überhaupt nicht hin.« Marie hob abwehrend die Arme, um dem Gesagten mehr Ausdruck zu verleihen. Ihre Bedenken verstärkten sich, als sie den Prospekt weiter ansah. Auf einer Doppelseite zeigte sich das Hotel weihnachtlich beleuchtet und etwas entfernt davon, auf dem Hang gelegen, standen einzelne Chalets – größere und kleinere, aus Holz gebaut, ebenfalls im Festtagsglanz. Alles strahlte ihr in einer weißen Winterlandschaft entgegen. Die Fünf-Sterne-Anlage bot für jeden etwas: Sauna, Wellness, Skikurse, geführte Schneewanderungen und sogar für Kinder eigene Animationsprogramme.
»Quatsch! Wieso solltet ihr dort nicht hinpassen?« Ihr Vater beäugte sie verständnislos.
»Was zieht man da an? Kleidung ist schon mal das erste Problem. Außerdem haben Jonas und ich keine Skiausrüstung oder sonstige Dinge, die man für Wintersport benötigt.« Sie seufzte auf und überlegte krampfhaft, auf welchem Flohmarkt sie nun noch rasch passende Ausrüstung besorgen konnte. Die meisten Schibazare hatten ja bereits im November stattgefunden!
Gloria mischte sich nun ein. Sie zeigte Marie die letzte Seite, wo alles Wichtige für die Gäste erklärt wurde. »Lies mal hier! Man kann alles vor Ort ausleihen. Ich habe mir die Preise angesehen, die sind nicht so horrend, wie ich zuerst dachte. Außerdem, schau noch einmal ins Kuvert.« Gloria hielt es ihrer Tochter entgegen. »Wir haben einen Gutschein für alle Fälle dazu genommen, für die diversen Zusatzangebote. Vollpension ist inkludiert. Und wenn ihr nicht ins Hotel essen gehen wollt, könnt ihr das auch ganz privat in eurem Chalet genießen. Zimmerservice ist ebenso im Preis inbegriffen.«
Am strahlenden Gesicht ihrer Mutter erkannte Marie, wie sehr ihre Eltern sich freuten, ihr diesen Urlaub ermöglichen zu können. »Ihr seid verrückt! Danke, danke, ich liebe euch, aber das wisst ihr sowieso. Was würde ich nur ohne euch machen?« Freudentränen kullerten über Maries Gesicht, als sie ihre Mutter und ihren Vater herzlich umarmte. Und ein bisschen waren auch Tränen der Angst dabei. Eine Angst, als Alleinerzieherin mit der Gesellschaft nicht mehr mithalten zu können.
»Das ist sooo cool und warum weinst du jetzt, Mama?« Jonas schielte die Erwachsenen verdattert an.
Marie wusste, dass Jonas es nicht mochte, wenn sie weinte. Leider hatte er sie dabei schon hin und wieder ertappt, wenn sie sich in ihr Schlafzimmer verzogen hatte und heimlich ihren Frust ins Kissen weinte, und war dann selbst traurig geworden. Daher riss sie sich in seiner Gegenwart zusammen und wischte sich auch jetzt schnell über die feuchten Wangen. Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Alles gut, mein Liebling, ich freue mich nur so riesig. Wir zwei fahren in die Berge. Ich kann es noch gar nicht glauben.« In ihrem Kopf rasselte schon eine Liste der benötigten Dinge herunter, die sie dringend erledigen und einpacken musste. »Ach ja, Mama, leihst du mir bitte einen Koffer? Ich habe nur einen alten, kleinen. Der reicht nicht.«
»Das habe ich mir bereits gedacht und daher gleich zwei große Hartschalenkoffer mitgebracht. Die sind praktisch und bieten ausreichend Platz.«
»Wow, super, du denkst wirklich an alles.«
Robert stand auf. »Ich hole die guten Stücke dann mal rein«, meinte er und verließ die Wohnung.
»Hm, dort bekomme ich aber keinen Christbaum.« Jonas schob die Unterlippe vor.
»Bestimmt gibt es im Hotel auch einen Christbaum. Einen sehr großen sogar. Doch ihr kommt ja bald wieder nach Hause und ich denke, das Christkind wird dir vielleicht dann trotzdem einen Baum gebracht haben. Warte es ab.« Gloria strich ihrem Enkel über den Kopf.
So erwachsen und naseweis er im Allgemeinen war, den Glauben ans Christkind hatte er sich noch bewahrt. Oder tat er nur so? Marie wusste es nicht genau.
Am späten Abend saß Marie in ihrem überschaubaren Wohnzimmer und blätterte zum hundertsten Male den Prospekt durch. Ihre Eltern waren wieder nach Hause gefahren und Jonas schlief bereits. Der Ausflug und die Aufregung um die bevorstehende Reise hatten ihn erschöpft ins Bett fallen und augenblicklich einschlafen lassen. Marie griff sich ihren Laptop und öffnete die angegebene Internetseite des Areals. Ob es da tatsächlich so nobel war, wie es auf den Fotos aussah? Früher war sie mit ihren Eltern jedes Jahr ein- bis zweimal verreist. Robert und Gloria liebten es, zu reisen, auch jetzt noch. Beide konnten es sich auch leisten. Sie verdienten gut in ihren Jobs. Gloria hatte sich bereits vor Jahren als Steuerberaterin selbständig gemacht. Sie erledigte viele ihrer Arbeiten für ihre Klienten im Homeoffice. Robert war nach wie vor technischer Leiter in einem Großkonzern. Trotz ihrer Berufstätigkeiten nahmen sie sich die Zeit, um Marie bei der Betreuung von Jonas zu unterstützen. Marie überlegte, was sie wohl ohne die Hilfe ihrer Eltern gemacht hätte. Im Alter von zweiundzwanzig Jahren hatte sie Jonas geboren. Knapp ein Jahr lang war sie mit ihrer kleinen Familie überglücklich gewesen. So glücklich, dass sie nicht wahrhaben wollte, dass sich Olaf immer mehr aus ihrer Dreisamkeit abseilte. Marie war erst da bewusst geworden, wie ernst es Olaf gewesen war, als er ihr zu Beginn ihrer Beziehung mitgeteilt hatte, dass er keine Kinder wollte. Als sie dann trotz Verhütung schwanger geworden war, hatte er sehr merkwürdig und reserviert darauf reagiert. Des Friedens willen hatte sie akzeptiert, wenn er ihr vorgejammert hatte, dass er wieder länger arbeiten müsse. Sexuell hatte sich seit der Geburt des Babys nichts mehr zwischen ihnen abgespielt. Immer öfter war er einfach über Nacht weggeblieben. Sie hatte alles ausgeblendet, Olaf hatte ihr schon damals nicht gefehlt, zu sehr war sie mit Jonas beschäftigt gewesen. Eines Tages war er gar nicht mehr nach Hause gekommen. In einer lapidaren WhatsApp-Nachricht hatte Olaf ihr mitgeteilt, dass ihm alles zu viel geworden sei. Das hatte sie sprachlos und wie in Trance zurückgelassen. Eine Woche lang hatte sie gelebt wie in einem Kokon. Olaf hatte sich nicht mehr gemeldet und auch sie hatte ihm keine Antwort geschickt. Am Tag von Jonas‘ erstem Geburtstag, war Olaf kurz aufgetaucht, um seine Sachen zu packen, ohne seinen kleinen Sohn auch nur eines Blickes zu würdigen. Marie hatte ihn anschreien wollen, ihn beschimpfen, ihn anflehen, zu bleiben – doch sie hatte kein Wort über ihre Lippen gebracht. Zu geschockt war sie gewesen. Als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, hatte sie tief durchgeatmet. Auf einmal hatte sie das Gefühl, als wäre eine schwere Last von ihr gefallen. Sie hatte festgestellt, dass er ihr nicht fehlen würde, nie. Ihre Wege hatten sich schon vor langer Zeit getrennt, nur, sie hatte wohl vergessen, ihre rosarote Brille abzunehmen. Sie hatte zu Jonas geblickt, stolz auf ihren Schatz, hatte sie sich zu ihm auf den Boden gesetzt, ihn auf ihren Schoß genommen und sachte hin und her gewogen. Dann war sie mit Jonas zu ihren Eltern gefahren und gemeinsam hatten sie seinen ersten Geburtstag und ihre Trennung gefeiert. Ihre Eltern hatten nie viel von Olaf gehalten. Viele Wochen später hatte sie von Bekannten erfahren, dass Olaf sie wohl wegen einer neuen Flamme verlassen hatte.
Damals hatte sie sich geschworen, sich nie mehr auf einen Mann einzulassen, es allein zu schaffen und Jonas die beste Mutter zu sein. Sie musste ihr Medizinstudium abbrechen, das ihre Eltern ihr durch die finanzielle Unterstützung ermöglicht hatten. Es war ihr nichts anderes übriggeblieben, als die gemeinsame Studentenwohnung zu kündigen und samt Kind vorrübergehend in ihr Kinderzimmer bei ihren Eltern einzuziehen. Sie hatte sich einen Teilzeitjob gesucht. Das Karenzgeld allein hätte nicht gereicht. Alimente erhielt sie keine, weil Olaf sich aus dem Staub gemacht und ins Ausland abgesetzt hatte. Bis jetzt hatte sie keine Ahnung, wo er sich aufhielt. Es interessierte sie auch nicht. Eine finanzielle Unterstützung ihrer Eltern verweigerte sie vehement. Sie selbst hatte allerdings bis dahin noch keine beruflichen Erfahrungen gesammelt, also hatte sie für ein paar Stunden als Aushilfe in einer Bar gejobbt. Marie wollte die wenigen Semester ihres Studiums nicht ganz umsonst gemacht haben, deshalb hatte sie die Ausbildung zur medizinischen Masseurin begonnen. Ihre Eltern hatten sie bei der Betreuung ihres kleinen Sohnes, so gut es ging, unterstützt und schließlich konnte sie die Ausbildung mit Bravour abschließen. Als sie als Masseurin einen Job fand, war sie in diese winzige Wohnung gezogen, damit Jonas ein eigenes Zimmer hatte.
Genug geträumt! Sie öffnete wieder einmal über die Onlinesuche die Stellenanzeigen. Doch eine halbe Stunde später schloss sie frustriert den Laptop. Es war wie die Wochen zuvor. Absolut keine passende Anzeige. Jetzt, so kurz vor Weihnachten gab es sowieso keine mehr, die Firmen waren wohl schon alle in Feiertagslaune. Es war zum Verzweifeln. Marie war nur noch müde. Erschöpft von der Jobsuche, ausgelaugt von der ewigen Sorge um das Geld und dem Kampf, Jonas eine unbeschwerte Kindheit zu bieten. Kopfschmerzen meldeten sich wieder, wie so oft in letzter Zeit und die schwere Last des ständigen Kampfes drückte auf ihr Gemüt. Sie sehnte sich nach der Unbeschwertheit ihrer Jugendjahre. Sie ging ins Badezimmer. Eine heiße Dusche würde ihr sicherlich für kurze Zeit ihre Probleme wegspülen.
Vor dem Schlafengehen warf sie noch einen Blick in Jonas‘ Zimmer. Er lag eingehüllt in seine Lieblingsdecke und schlief ganz fest. Ein glückliches Lächeln umspielte sein zartes Gesicht. Wovon er wohl träumte? Leise schloss sie die Tür. Bei Marie funktionierte das Einschlafen nie so problemlos. Sie starrte wie jeden Abend an die Zimmerdecke. Hier im Raum war es durch das einfallende Licht der Straßenlaternen trotz Vorhang nie stockdunkel. Ihre Gedanken kreisten noch lange um die bevorstehende Reise und allem drumherum, bevor sie schließlich in einen seichten Dämmerschlaf fiel.
Die nächsten zwei Tage war Marie mit Packen und Vorbereitungen für ihren Urlaub beschäftigt. Jonas nervte gewaltig. Die Aufregung vor der bevorstehenden Reise stieg bei ihm ins Unermessliche. Ständig löcherte er sie mit seinen Fragen, die im Moment das Wichtigste für den Jungen waren. »Mama, wann fahren wir endlich los? Mama, warum packst du die Wärmeflasche ein? Oma und Opa haben sicher noch nie eine Wärmeflasche mitgenommen. Mama, wo liegt der Ort überhaupt, wo wir hinfahren? Mama, was haben Oma und Opa damit gemeint, dass du dir nichts gönnst? Mama, …«
»Jonas, Liebling, bitte spiel etwas. Ich brauche beim Packen Ruhe und noch etwas Zeit. Wenn du mich mit deinen Fragen durchlöcherst, vergesse ich sicher die Hälfte.«
»Och Mama, du kannst ja mit mir reden, während du die Koffer vollstopfst. Ich rufe jetzt Oma an, und sage, wie langweilig es bei dir ist.« Kaum ausgesprochen, fischte Jonas sich das Handy seiner Mutter, das am Tisch lag. Marie schnaufte nur, schüttelte den Kopf und ließ ihn gewähren. Während er mit Oma telefonierte, hatte sie Zeit, zum x-ten-Mal alles zu kontrollieren. Sie schickte im Stillen ein Stoßgebet gen Himmel und dankte ihrer Mutter. Jonas‘ Stimme, die jetzt seine Großmutter mit Fragen durchlöcherte, hörte sie nun von seinem Zimmer aus. Marie hatte sich schon oft vorgenommen, aufzupassen, was vor Jonas gesprochen wurde. Er besaß ein phänomenales Gedächtnis. Was er sich nicht selbst erklären konnte, hinterfragte er zu einem späteren Zeitpunkt, meist, wenn niemand mehr daran dachte. In der Schule, er besuchte die erste Klasse, gehörte er zu den Besten. Er begriff schneller als die meisten anderen Kinder. Allerdings wurde er rasch ungeduldig, sobald er mit seinen Aufgaben fertig war. Dann konnte es schon sein, dass er die restlichen Schüler ablenkte oder die Lehrerin mit seinen vielen Fragen in Beschlag nahm. Diese reagierte darauf oft sehr ungehalten, weshalb Jonas nicht gerne die Schulbank drückte.
Marie hörte »Tschau, Omi« und kurz darauf stand er vor ihr.
»Mama, Omi hat gesagt, sie hat uns die Reise geschenkt, weil wir beide so nett und fleißig sind. Und weil sie mich und dich auch, ganz viel liebhat.«
»Damit ist ja bereits eine Frage beantwortet, gut so.« Marie wuschelte ihrem Sohn durchs Haar. Seine dunklen Locken verdankte er Großvater Robert.
»Mama, es ist aber schon blöd, wenn wir am Heiligen Abend nicht daheim sind. Das Christkind findet mich dann nicht und ich bekomme sicher keine Geschenke. Dabei wünsche ich mir das Top-Gear Rallyeauto mit der App-Steuerung so sehr. Timmy aus meiner Klasse hat es sich auch gewünscht. Der kriegt es garantiert! Wenn das Christkind es ihm nicht unter den Christbaum legt, dann kaufen es bestimmt seine Eltern. Der lacht mich voll aus. Weißt du, der bekommt alles, was er will. Seine Eltern sind stinkreich.«
»Jonas, wo hast du denn das wieder aufgeschnappt? Auch wenn Timmys Eltern wohlhabend sind, werden sie ihm sicherlich nicht alles kaufen.«
»Natürlich tun sie das!«
»Und ist Timmy deswegen glücklicher? Ist er immer gut gelaunt? Oder ist er zufriedener als die anderen Kinder, deren Eltern nicht so viel Geld haben?« Marie sah ihren Jungen eindringlich an.
»Nee, glaube nicht«, gestand Jonas kleinlaut ein und blickte zu Boden.
»Weißt du, mein Schatz, das glaube ich nämlich auch nicht. Geld zu besitzen und sich vieles leisten zu können, macht nicht unbedingt glücklicher.« Sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest. »Auf jeden Fall glaube ich trotzdem, dass das Christkind dein Geschenk bringt, ob hierher oder in den Urlaubsort wird sich noch zeigen. Das Christkind findet nämlich jedermann, überall.«
»Echt?« Jonas strahlte wieder.
»Ganz echt. So, und jetzt hilfst du mir schnell beim Kochen. Ich habe einen Bärenhunger und du?«
»Ich auch. Was kochen wir?«
»Schauen wir doch, was der Kühlschrank noch hergibt«, schlug Marie vor und für die nächste Stunde waren sie beide beschäftigt, die Nahrungsmittel, die sie zu Hause hatten, zu einem köstlichen Eintopf zu verkochen. Jonas war mit Leidenschaft dabei. Er schälte die Zwiebel und reichte sie seiner Mutter, damit sie diese fein hackte. Dann begann er vorsichtig die Kartoffeln zu schälen. Marie half ihm dabei. Jonas half gerne beim Kochen. Schließlich wusch er drei Karotten und begann sie zu zerkleinern, währenddessen Marie Fleischstücke würfelig schnitt. Stolz beobachtete sie ihren Sohn, wie geschickt er mit dem Messer hantierte.
Nach dem Hauptgang servierte Marie als Überraschung noch ein Eis mit Erdbeermus. Die Erdbeeren stammten vom vergangenen Sommer. Sie hatten sie gemeinsam im Garten der Großeltern geerntet und anschließend zu Mus verarbeitet und portionsweise eingefroren. Eine Köstlichkeit, die sie zu Eis oder Cremen liebten.
Am Nachmittag stand noch Einkaufen am Programm, vor allem Getränke, Semmeln und Wurst für die Fahrt unterwegs, eventuell auch etwas zum Naschen. Vorher fuhr sie allerdings mit dem Auto in die Werkstatt. Zum Glück hatte sie so kurzfristig noch einen Termin erhalten. Sie wollte unbedingt alles durchchecken lassen, weil ihr alter Citroën schon viele Kilometer am Buckel hatte. Unliebsame Überraschungen waren ihr ein Gräuel.
Bevor sie nach dem Einkaufen wieder nach Hause fuhren, ging es zur Tankstelle, um aufzutanken. Endlich daheim angekommen, mussten die Koffer und all das Gepäck im Kofferraum und auf dem freien Rücksitz sowie am Beifahrersitz ihres Wagens verstaut werden. Jonas schleppte zuerst die Säcke mit seinen Spielsachen und den Schuhen und Stiefeln, die Marie im Flur griffbereit und sortiert abgestellt hatte, hinaus zum Auto. Dann holte er noch die Tasche mit der Jause und den Getränken. Marie kontrollierte sicherheitshalber noch einmal alles. Sie fühlte sich mittlerweile aufgeregter als ihr Sohn und auch wahnsinnig gestresst. Wieder in der warmen Wohnung gab es erst einmal Früchtetee, der sie beide erwärmte. Die feuchtnasse Kälte kroch unangenehm unter die Kleidung bis auf die Haut. Es schneite zwar nicht mehr, dafür hatte sich ein dichter, feuchter Nebelschleier festgesetzt. Heute war Jonas besonders ausgelassen. Seine Aufregung wegen der bevorstehenden Reise ließ sich schwer unterdrücken.
»Mama, ich kann heute sicher nicht mehr einschlafen. Wann, hast du gesagt, fahren wir los? Findest du da überhaupt hin? Was ist, wenn es mir dort gar nicht gefällt? Bist du schon einmal Ski gefahren? Oder mit der Rodel? Was ist Schneeschuhwandern? Ich war noch nie in einem Hotel. Gehen wir dort auch hinein? Wie groß ist denn die Hütte?«
»Jonas, wir schauen uns alles in Ruhe an. Danach entscheiden wir, was wir alles tun werden und was nicht. Okay? Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin mir sicher, wir werden eine Menge Spaß haben. So, und nun versuch zu schlafen, mein Schatz.« Marie drückte ihm noch einen Kuss auf die Stirn, schaltete das Licht aus und begab sich selbst ins Schlafzimmer. Sie war schon lange nicht mehr eine so weite Strecke mit dem Auto gefahren. Nicht nur das machte sie nervös und ließ sie spät einschlafen.
Als Marie in eine freie Parklücke vor dem riesigen Hotel fuhr und ihren alten Citroën abstellte, fielen ihr zuallererst die noblen teuren Schlitten auf, die ebenfalls hier parkten. Ihre Knie schlotterten noch vom letzten Straßenstück herauf bis zum Hotel. Die Straße war extrem schmal, sehr kurvenreich, an manchen Stellen führte sie nah am Felsen vorbei, während auf der anderen Seite das Gelände steil bergab fiel. Auch einige Schlaglöcher hatten sich durch Schnee und Frost im Asphalt aufgetan, was es nicht einfacher machte. Sie war das Fahren auf Bergstraßen nicht gewohnt. Jonas war zum Glück eingeschlafen und trotz der vielen Kurven nicht aufgewacht. Jetzt öffnete er blinzelnd die Augen, wischte mit den Handrücken über das Gesicht, um den restlichen Schlaf zu vertreiben.
»Sind wir schon da, Mami?«
»Mhm. Möchtest du hier warten, bis ich eingecheckt habe?«
»Nein, ich bin total wach, ehrlich, ich komm mit dir mit.« Noch im Reden öffnete Jonas bereits die Autotür.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Marie zwang sich, auszusteigen. Ihr war mulmig zumute. Sie fühlte sich komplett fehl am Platz. Was hatten sich ihre Eltern nur dabei gedacht? Sie sah an sich hinunter, strich den Rollkragenpullover glatt, putzte sich die Jeans ab und zog den grauen Parka darüber. Schon ihrer Kleidung war anzusehen, dass sie nicht zur Upper-Class gehörte.