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Belford Academy soll ihr neues Zuhause sein, nachdem Kiara ihre Eltern verloren hat und selbst nur knapp dem Tod entkommen ist. Der Mörder ist auf freiem Fuss, aber von Kiara wird verlangt, dass sie sich auf die Schule konzentriert, was nicht gerade leicht ist, weil es da noch Professor Blackwell gibt. Unverschämt, charmant und ein absoluter Schuft, der zum Anbeissen gut aussieht. Natürlich sind jegliche Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern untersagt, aber wer hält sich schon an Regeln? Schliesslich sind Regeln da, um gebrochen zu werden. Achte auf dich, Kiara. Die Belford Academy hütet Geheimnisse, verbirgt die Wahrheiten und du weisst nie, wer in der Dunkelheit auf dich lauert.
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Seitenzahl: 367
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Dieses Buch richtet sich ausschließlich an offene Leser, da es grafische Sexszenen und allgemeine sexuelle Inhalte sowie Kraftausdrücke und Alkoholkonsum beinhaltet. Die Protagonisten haben außerdem einen größeren Altersunterschied.
Dieses Buch entspringt der Fantasie der Autorin. Namen, Charaktere, Orte und Vorfälle sind frei erfunden.
Wenn du dich persönlich angegriffen fühlst, bitte ich dich, dieses Buch nicht weiterzulesen.
Kapitel 1
Kiara
Kapitel 2
Kiara
Kapitel 3
Kiara
Kapitel 4
Kiara
Kapitel 5
Kiara
Kapitel 6
Kiara
Kapitel 7
Kiara
Kapitel 8
Kiara
Kapitel 9
Kiara
Kapitel 10
Kiara
Kapitel 11
Kiara
Kapitel 12
Kiara
Kapitel 13
Kiara
Kapitel 14
Kiara
Cyrus
Kapitel 15
Kiara
Kapitel 16
Kiara
Kapitel 17
Kiara
Kapitel 18
Kiara
Cyrus
Kiara
Kapitel 19
Kiara
Kapitel 20
Kiara
Kapitel 21
Kiara
Kapitel 22
Cyrus
Kiara
Kapitel 23
Kiara
Kapitel 24
Cyrus
Kiara
Kapitel 25
Kiara
Kapitel 26
Kiara
Kapitel 27
Kiara
Kapitel 28
Kiara
Kapitel 29
Cyrus
Kapitel 30
Cyrus
Kapitel 31
Kiara
Kapitel 32
Kiara
Kapitel 33
Kiara
Kapitel 34
Kiara
Kapitel 35
Kiara
«Wach auf», höre ich eine Stimme in meinem Kopf rufen. Ein unbekannter Mann mit dunklem Haar und markanten Gesichtszügen steht vor mir, aber trotzdem kommt er mir so vertraut vor. «Wer bist du?», frage ich ihn. «WACH AUF, Kiara.»
Ich öffne meine Augen und schrecke von meinem Bett hoch. Ich fülle meine Lungen mit Luft, als hätte ich nicht atmen können. «Es war bloß ein Traum», murmle ich beruhigend vor mich hin, um meinen Herzschlag wieder runterzukriegen. Ausserhalb meines Zimmers erklingt ein Geräusch, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Die Neugier übernimmt die Oberhand, weshalb ich die Bettdecke zur Seite schiebe und aufstehe. Mein Mund fühlt sich sowieso trocken an und ich könnte einen Schluck Wasser vertragen, ehe ich mir anschaue, was das gewesen war. Ich stehe vom Bett auf und strecke mich ordentlich durch.
Noch etwas wackelig auf den Beinen steuere ich auf die Küche zu, während ich durch die langen Gänge unserer Villa streife.
Viele Erinnerungen meiner Kindheit wandern mir durch den Kopf. Schon seit ich denken kann, leben ich und meine Eltern auf diesem Anwesen, aber irgendwie bin ich nie richtig warm geworden mit der Villa. Auch wenn ich diesen Ort hier mein Zuhause nenne, fühlt es sich nicht wirklich wie mein Zuhause an. Tief in mir hatte ich schon immer das Gefühl, irgendwo anders hinzugehören, habe diesen Ort jedoch nicht gefunden.
In der Küche angekommen, öffne ich den Kühlschrank und greife nach einer Flasche Voss, die wir in Unmengen darinstehen haben. Gott bewahre, dass meine Mutter was anderes trinken müsste. Wenn das Wasser nicht zumindest gefiltert wurde, trinkt sie es nicht, aber das norwegische Wasser hat sie von allen am liebsten. Deshalb stehen auch immer dutzende von Flaschen davon im Kühlschrank für sie bereit.
Mein Vater andererseits hat sich nie wirklich um solche prestigen Dinge geschert, auch wenn er derjenige ist, der die harte Arbeit erledigt und das ganze Geld nach Hause bringt. Mein Vater ist aber trotz des großen Vermögens immer bescheiden und nett geblieben, aber leider hat er selten Zeit für die Familie, weil er ständig arbeitet wie ein Wahnsinniger. Er meint immer die Arbeit würde ihn erfüllen, weil er dort die Zügel in der Hand hat und seiner Kreativität freien Lauf lassen kann. Manchmal wünschte ich mir, dass seine Firma niederbrennt und wir das gesamte Vermögen verlieren, einfach nur, damit wir einmal eine normale Familie sein können, aber das ist total verrückt und würde nie passieren.
Ich verschließe die Flasche wieder und kehre in den Gang zurück, als ich plötzlich Stimmen höre. Wer ist das? Haben meine Eltern jemanden eingeladen? Nein, wohl kaum, dafür ist es zu spät. Es ist mitten in der Nacht.
Etwas misstrauisch schleiche ich den Gang entlang und gerade als ich um die eine Ecke biegen will, sehe ich zwei Männer in Schwarz gekleidet und halte sofort inne. Erschrocken ziehe ich die Luft scharf ein und halte mir die Hand vor den Mund, wobei mir die Flasche aus der Hand fällt. Scheisse...
«Was war das?», fragt der eine den anderen. «Keine Ahnung, vielleicht eine Katze oder so.» Ja, es war bloß eine Katze, lasst es gut sein. «Geh nachschauen», befiehlt der eine dem anderen mit einer rauchigen Stimme. Mein Körper fängt zu zittern an und ich drücke mich gegen die Wand, als würde ich mit ihr verschmelzen und unsichtbar werden.
Die schweren Schritte kommen immer näher und als der Einbrecher um die Ecke kommt, treffen sich unsere Augen. Braune, trübe Augen bohren sich in meine. Aus Angst fallen mir Tränen runter und ich zittere wie Espenlaub. Wir starren uns schweigend an und ich glaube jetzt hat mein letztes Stündlein geschlagen. Sein Gesicht ist maskiert, weshalb ich ihn nicht erkennen kann. «Ja... Ist bloß eine Katze», murmelt er und läuft mit seinen schweren Schritten wieder zurück zu seinem Freund. Meine Schultern sacken nach unten und so leise ich kann, renne ich zurück zu meinem Zimmer.
In meinem Zimmer angekommen haste ich zu meinem Nachttisch und greife nach meinem Handy. Gerade als ich die Nummer des Notrufes eingebe, erklingen zwei Schüsse und das Blut gefriert mir in den Adern. Mein Körper erstarrt und meine Gedanken wandern direkt zu Mom und Dad. Ich drücke auf die Ruftaste und eine Stimme erklingt: «Notrufzentrale, wie kann ich Ihnen helfen?»
«Bei uns wurde eingebrochen und gerade sind zwei Schüsse gefallen. Ich glaube die Einbrecher haben... haben...»
«Wie lautet Ihr Name, Miss?»
«Ich bin Kiara May», krächze ich und verliere beinahe meine Stimme, da mir ein Kloß im Hals steckt. «Ich konnte Sie im System durch Ihr Handy lokalisieren, Miss May. Wir schicken direkt einen Einsatzwagen vorbei. In etwa zehn Minuten sind sie bei Ihnen.» «Danke» antworte ich mit meiner zittrigen Stimme und es kostet mich jede Kraft nicht direkt in Tränen auszubrechen. «Wo befinden Sie sich gerade?» «In meinem Zimmer.» «Bleiben Sie dort, aber schließen Sie die Tür und verriegeln Sie sie.» Ich stehe auf und meine Beine fühlen sich so bleischwer an. Als hätte ich zwei Zementblöcke an meinen Füßen, bewege ich mich langsam zur Tür und verriegle sie. Mein Herz pocht wie wild in meiner Brust und ich habe so eine schreckliche Angst. Tausend Fragen schwirren mir durch den Kopf. Ich habe Angst um Mom und Dad. Was war das Letzte, worüber wir gesprochen haben?
Dad meinte beim Abendessen noch, er müsse morgen mit mir reden, weil er mir etwas mitteilen wollte. Das können wir bestimmt noch tun. Ihnen ist bestimmt nichts passiert. Vielleicht waren diese Schüsse nur dafür da, um ihnen Angst einzujagen, oder sie zu verschrecken. Das alles ist bestimmt ein schlechter Traum. Gleich wache ich auf und alles ist wieder gut.
Ich warte zusammengekauert auf dem Boden und lasse die Zeit verstreichen. Diese zehn Minuten fühlen sich an wie Stunden. Stunden der Ungewissheit, ob mein Leben jemals wieder so sein kann wie vorher… Irgendwann höre ich wieder Schritte und dränge mich in die Ecke. «Polizei! Machen Sie die Tür auf!», ruft eine Stimme, aber ich traue mich nicht sie zu öffnen. Was wenn es noch mehr Einbrecher sind? «Wenn Sie nicht aufmachen, treten wir die Tür ein», ermahnt die Stimme und es ist mir egal. Dann sollen sie meinetwegen die Tür eintreten. Wieder antworte ich nicht und dann erklingt ein lauter Knall und nach einigen Tritten stürmt die Polizei herein. Ein Mann mittleren Alters nähert sich mir, während er die Pistole in sein Holster steckt. Langsam und behutsam steuert er auf mich zu. «Miss May? Haben Sie vorhin angerufen?» Ich nicke, unfähig etwas zu sagen. «Kommen Sie bitte mit uns mit.» Unsicher stehe ich auf und laufe dem Polizisten hinterher. Wir wandern durch den Gang und dabei erhasche ich einen Blick auf die Uhr. Es ist 5:00 Uhr in der Früh.
Wir kommen am Gang vorbei, wo das Schlafzimmer meiner Eltern liegt, und dort erkenne ich zwei Tragen, auf denen etwas liegt, umhüllt in einer Plastikplane. Mein Herz zerspringt bei diesem Anblick in tausend kleine Stücke und meine Vermutung, die ich nicht aussprechen wollte, die ich so sehr unterdrückt habe, hat sich in die Tatsache umgewandelt.
Mom und Dad sind tot.
«Miss May, es tut uns leid... Als wir ankamen, waren die beiden bereits tot», erklärt der Beamte, aber ich weiss genau, dass es ihm total egal ist. Männer wie er werden jeden Tag mit dem Tod konfrontiert und sind meistens nicht einmal davon betroffen. Im Gegenteil zu mir, die mit dieser Tatsache, dass ich nicht nur einen, sondern beide Elternteile verloren habe, jetzt leben muss. «Wurden die beiden Einbrecher gefangen?», will ich von ihm wissen und schaue ihm dabei in die Augen. Seine Miene verändert sich etwas und darin kann ich unschwer erkennen, dass ich eine Antwort erhalten werde, die mir ganz und gar nicht passt.
«Einer konnte uns entwischen.» Ich hoffe, es war der nette, der mich verschont hat. Wer weiss, ob der andere nicht zurückkommen würde, um mich zu töten. Um das, was er angefangen hat, zu beenden. Die beiden mussten bestimmt wissen, dass ich auch da bin, denn meine Eltern sind nicht unbekannt, zumindest mein Vater nicht.
Der Polizist führt mich nach draussen, wo zwei Polizeiwagen und dahinter ein Krankenwagen stehen. «Bitte gehen Sie kurz zur Untersuchung zu den Kolleginnen.» Mit seinem Finger zeigt er in Richtung des Krankenwagens. «Mir fehlt aber nichts.»
«Ist Anweisung und steht so im Protokoll.» Ich nicke und ziehe meine dünne Jacke enger um mich, als ich auf den Krankenwagen zusteuere.
Mir wurden der Puls und Blutdruck gemessen. Sie haben mir einige Gesundheitsfragen gestellt, die ich knapp beantwortet habe und schließlich ließen sie mich wieder gehen.
Einer der Beamten kommt nun auf mich zu. «Wir müssen Ihnen noch einige Fragen stellen, Miss May.» Mechanisch nicke ich wieder und er holt einen kleinen Notizblock sowie einen Kugelschreiber hervor. «Konnten Sie den anderen Mann erkennen?» Ich schüttle meinen Kopf. «Nein, sie haben beide eine Maske getragen.»
«Wann haben Sie die beiden denn bemerkt?» «Ich weiss es nicht. Ich habe nicht auf die Uhrzeit geachtet.» Er schreibt alles auf und bombardiert mich weiter mit Fragen und mein Kopf pocht vor Schmerzen. «Hören Sie, waren das jetzt genug Fragen? Mein Schädel dröhnt wie verrückt.» «Entschuldigen Sie, aber es gehört zu unserem Job. Eine letzte Frage habe ich noch an Sie.» Ich schaue mich um und erkenne, dass es schon ziemlich hell geworden ist, hier draussen. Wir müssen bestimmt schon eine Ewigkeit hier stehen. «Das Gebäude wird für einige Zeit gesperrt, um Nachforschungen durchzuführen. Haben Sie eine Bleibe für die nächsten Wochen?» Ich überlege, aber mir kommt nichts in den Sinn. Klar habe ich Klassenkameradinnen, aber die will ich damit nicht belasten. Das kommt für mich nicht in Frage. «Nein, habe ich nicht.» Vielleicht könnte ich in ein Hotel oder sowas gehen.
«Doch hat sie», erklingt eine Stimme und mein Kopf folgt dessen Klang zu einem Mann mit dunklem Haar, der sich uns nähert. Er hat markante Gesichtszüge und einen leichten Bart, der sein Gesicht ziert. Vor uns bleibt er schließlich stehen und schiebt seine Hand in die Jackentasche seines Mantels. «Wer sind Sie und was wollen Sie?», frage ich den Fremden. «Mein Name lautet Cyrus Blackwell und ich bin hier, um Sie abzuholen, Miss May.»
«Einen feuchten Dreck werden Sie tun, ich kenne Sie nicht.»
«Musst du auch nicht», antwortet er ganz frech. Er wendet sich nun an den Beamten. «Ich bin von der Belford Academy und hätte heute eine Verabredung mit Mr. und Mrs. May gehabt, um Kiara abzuholen», erklärt er ihm. Der Beamte schaut mich und dann den Typen an. «Das werden wir überprüfen.»
«Selbstverständlich» sagt der Mann und zückt sein Handy hervor, um ihm etwas zu zeigen, ehe er sich wieder an mich wendet. «Geh einen Koffer packen, Kiara. Du kommst mit mir mit.» Was läuft falsch bei dem Typen? Was fällt ihm ein so mit mir zu reden? Sieht er die ganzen Polizeiautos nicht? «Ganz sicher nicht, Mr. Blanewood, oder was auch immer Ihr Name ist», zische ich ihn an. «Naja, Miss May, hier steht es tatsächlich», mischt sich der Beamte nun ein. «Laut diesem Schreiben fangen Sie in diesem Internat, welches der Herr hier erwähnt hat, zu studieren an ab nächster Woche.»
«Meine Eltern haben mir nie was davon gesagt.»
«Genau deshalb bin ich hier, Kiara. Dieses Gespräch sollte heute stattfinden», sagt der Fremde. Und genau da fällt mir das Gespräch am Esstisch wieder ein. Dad meinte ja, wir würden heute noch etwas Wichtiges besprechen. Aber wohl kaum meinte er damit, dass ich an irgendeine Academy oder sowas gehen werde. In meiner Gegenwart hatte er nie irgendwas in der Art erwähnt.
«Kiara, konzentrier dich», meint dieses Arschloch nun und schnippt mir mit seinen Fingern ins Gesicht, was mich aus meinen Gedanken reisst. «Für Sie bin ich noch immer Miss May.» «Vielleicht nenne ich dich auch einfach Brat, weil du ein kleines freches Gör bist.» Meine Wangen erhitzen sich vor Wut und empört stampfe ich davon. Dieser Arsch kann mich mal, ich gehe nirgendwo hin, nur über meine Leiche.
In meinem Zimmer angekommen, ziehe ich meinen Koffer, der unter dem Bett verstaut war, hervor und öffne ihn. Ich gehe einfach in ein Hotel und dort überleg ich mir wie weiter. Ich muss eine Gedenkfeier organisieren, muss mich mit den Anwälten von Dad zusammensetzen, es muss geregelt werden, wer die Firma übernimmt und was aus mir passiert. Ich bin schon 21 Jahre alt und somit mündig, aber meine Ausbildung ist noch nicht fertig. Ich gehe in die Uni und nicht auf irgendeine Akademie. Tränen tropfen auf meinen Handrücken und still wische ich sie mir aus dem Gesicht. Irgendeine Lösung werde ich finden. Ich muss jetzt stark bleiben.
Ziellos schmeisse ich Klamotten in den Koffer, um Anziehsachen zu haben. Schublade um Schublade räume ich leer und komme schließlich zu meiner Unterwäsche. Ich greife nach den BHs und den dazu passenden Höschen, als ich die auch in den Koffer schmeisse. Dabei ergreife ich den, der Donuts auf sich abgebildet hat. Ist jetzt nicht der schönste BH in meiner Kollektion, aber er ist unglaublich bequem. «Sexy Wäsche, kleine Brat», erklingt wieder diese nervige Stimme. «Sie sind ein Freak», fauche ich ihn an und klappe den Koffer zu. «Hast du alles gepackt?»
«Habe ich, aber ich komme nicht mit Ihnen.»
«Doch, tust du. Ich habe von Rektor Ariel den Auftrag bekommen dich abzuholen und das tu ich auch. Wenn es sein muss, Kiara, werf ich dich über meine Schulter und schleppe dich so mit zur Academy», droht mir dieser Mr. Blackwood oder wie auch immer er heissen mag. «Draussen sind eine Menge Cops, Mr. Blackwood. Wenn Sie auch nur daran denken mich anzufassen, zeige ich Sie wegen Belästigung an», drohe ich und schiebe mich an ihm vorbei, ohne seine Antwort abzuwarten.
Mit großen Schritten laufe ich den Gang runter zur Treppe und dann zum Ausgang. Ich gehe einfach in das Hotel, welches in der Stadt liegt. Wir leben etwas ausserhalb, weshalb es keine große Auswahl an Hotels gibt, aber ein halbwegs vernünftiges gibt es und dort werde ich mir ein Zimmer buchen.
Draussen angekommen, laufe ich direkt zu meinem Auto und packe den Koffer in den Kofferraum. Um irgendwelche weiteren Interaktionen zu vermeiden, steige ich direkt ein und fahre los. Einige Meilen weg vom Haus lasse ich schließlich die Tränen, die ich mit aller Mühe zurückgehalten habe, laufen. Lichterloh weine ich über meinen Verlust, den ich erlitten habe. Ich werde die beiden nie wieder sehen. Nie wieder ihr Lachen oder ihre Stimmen hören. Nie wieder Zeit mit ihnen verbringen können. Da waren die beiden gerade noch da und haben ihr Leben gelebt und jetzt einfach nicht mehr. Jetzt sind sie im Himmel bei den Engeln und schauen auf mich herab.
Wie konnte das alles bloß passieren?
Ich habe meinen Wagen auf einem freien Platz parkiert und saß sicherlich noch ein ganzes Weilchen einfach so in meinem Auto. Es hat seine Zeit gedauert, bis ich mich wieder beruhigen konnte. Schließlich bin ich in das Gebäude gelaufen, wo ich die nächsten Tage oder gar Wochen hausen werde.
Ich stelle mich an der Rezeption an und warte darauf, bis der Gast vor mir bedient wurde. Nach wenigen Augenblicken bin ich dann an der Reihe und ich stelle mich vor den Tresen hin. «Ein Zimmer, bitte.»
«Sehr gerne doch. Auf welchen Namen?»
«Kiara May.» Der Mann tippt etwas in den Computer ein. «Für wie viele Nächte?», möchte er wissen. «14.» Ich denke mit zwei Wochen bin ich auf der sicheren Seite. Falls die Ermittlungen länger dauern sollten, werde ich einfach noch länger hierbleiben. «Sehr gerne doch, Miss May.»
Er tippt weiter auf dem Computer herum und lässt mich ein Formular ausfüllen, welches er mitsamt meiner Identitätskarte einscannt. Sobald ich die Formalitäten hinter mich gebracht habe, händigt er mir einen Schlüssel oder besser gesagt die Schlüsselkarte aus, die mein Zimmer öffnen sollte.
«Frühstück ist von 6:30 Uhr bis 10:30 Uhr. Mittagessen von 11:30 Uhr bis 14:00 Uhr und Abendessen von 18:00 Uhr bis 21:30 Uhr», erklärt er mir, worauf ich nur knapp nicke als Antwort. Bis ich auf dem Zimmer bin, habe ich das sowieso wieder vergessen. Mir schwirrt gerade zu viel im Kopf umher, als dass ich mir das merken könnte.
Ich greife nach meinem Koffer und betrachte die Zimmerkarte etwas genauer, die er mir gegeben hat. Sechster Stock, Zimmernummer 12. Ich laufe zum Aufzug und drücke den Knopf, um ihn zu rufen. Als er ankommt, steige ich ein und drücke auf die Nummer sechs. Soweit ich sehe, gibt es hier zehn Stockwerke. Also bin ich ziemlich hoch oben, wie es scheint.
Der Gang ist leer als ich ihn betrete und schnurstracks laufe ich zu meinem Zimmer und schließe es auf. Der Duft eines frisch gereinigten Zimmers kommt mir entgegen und ich stelle den Koffer einfach irgendwo hin, ehe ich auf das frisch bezogene Bett springe.
Meine Eltern sind tot. Ich bin eine Waise. Ich soll auf eine Akademie gehen, von der mir meine Eltern nie was erzählt haben. Und als sie mir davon erzählen wollten, war es schon zu spät. Das alles klingt zu verrückt, als dass es wahr sein könnte.
Tränen bilden sich wieder in meinen Augen. Verfluchte Scheisse... Wieso ist das alles passiert? War der Einbrecher ein Mörder? Hatte er das, was er bei uns zu Hause suchte auch gefunden? Kommt er erneut zurück? Bin ich in Gefahr? Ich weiss leider noch immer nicht, welcher dieser beiden Typen der ist, den sie gefasst haben.
Wenn es der Typ war mit dieser rauchigen Stimme, der von seinem Kollegen verlangte nachzuschauen, könnte es sein, dass ich noch immer in Gefahr bin. Ich will mir nicht ausmalen, wo er gerade ist und was er gerade macht. Ob er irgendwas gestohlen hat? Ich kenne Dad, auch wenn er hart gearbeitet hat für unseren Lebensstandard, war er kein Materialist und hätte den Männern gegeben, was auch immer sie wollten. Es hätte diese Nacht keiner sterben müssen.
Ich muss nochmal mit dem Officer sprechen, um diese ungeklärten Dinge zu besprechen. Vielleicht könnte mir Grammy bei allem hier helfen. Sie weiss vermutlich noch nicht einmal was passiert ist.
Ich fische mein Handy aus der Handtasche und suche in den Kontakten nach ihrer Nummer. Ich tippe auf Anrufen und schon ertönt der typische Signalton, wenn man jemanden anruft an meinem Ende der Leitung. «Kiki, hallo?» Es tut so gut ihre vertraute Stimme zu hören. «Grammy... Etwas Schreckliches ist passiert», bringe ich schluchzend hervor und spüre wieder den vertrauten Kloß in meinem Hals.
Ich erzähle ihr die ganze Geschichte von dem, was in der Nacht passiert ist. Schweigend hört sie mir zu. «Ich fliege noch heute Abend los zu dir.» Ihre Stimme klingt gebrochen und ich kann daraus hören, dass auch sie mit den Tränen kämpft. Ich kann es ihr nicht verübeln. Sie hat schließlich ihren Sohn und ihre Schwiegertochter verloren. «Du musst nicht sofort kommen, Grammy. Fürs Erste habe ich alles unter Kontrolle. Aber wenn du Ende der Woche oder Anfang nächste Woche kommen könntest, wäre das sehr hilfreich.»
«Nein Kleine, das ist nichts, was eine junge Dame in deinem Alter alleine klären sollte. Ich komme mit dem nächsten Flieger zu dir. In welchem Hotel bist du?» Ich gebe ihr den Namen des Hotels und weitere Infos, die sie von mir braucht. Sie hat mir gesagt, dass sie morgen kommen würde und mir bei dem Ganzen beistehen wird.
Der nächste Morgen rollt herbei und die Nacht war furchtbar. Ich konnte weder was essen noch ein Auge zudrücken. Meine Gedanken haben mich aufgefressen mit den Bildern vom gestrigen Geschehen. Es ist jetzt gerade Mal ein bisschen mehr als 24 Stunden her und mein Kopf will es noch immer nicht richtig wahrhaben. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem schlechten Film. Und immer wieder frage ich mich, wieso mich das Universum so hasst. Was habe ich gemacht, dass ich so bestraft werde?
Mit den vermutlich dunkelsten Augenringen, die ich jemals hatte, gehe ich runter in die Lobby und durch die Eingangshalle. Wenn ich schon nichts essen kann, brauche ich zumindest einen Kaffee, um diesen Tag zu überleben.
Ich betrete den Bereich, wo gerade das Frühstück serviert wird, und setze mich an einen freien Tisch. Ich habe mich eher zurückgezogen und einen Tisch ausgewählt, der nicht gerade im Vordergrund ist, sondern eher im Hintergrund.
Grammy erwischte heute Morgen den ersten Flug und sollte am Nachmittag hier im Hotel eintreffen. Sie hatte mich noch vor dem Flug angerufen und mir das alles erzählt.
Beim Kellner konnte ich einen Kaffee bestellen und nun warte ich und tippe auf meinem Handy herum. Seit gestern hat sich eine innere Nervosität in mir breitgemacht und wenn ich dem auf den Grund gehen müsste, liegt es vermutlich daran, dass jede Minute irgendein Artikel in der Zeitung veröffentlicht werden könnte, der über den Tod meiner Eltern berichtet. Bis jetzt jedoch wurde noch nichts öffentlich gemacht.
«Du siehst total scheisse aus», erklingt eine Stimme und ich schrecke hoch und blicke in das markante Gesicht von Mr. Blackwell. Belustigt schaut er auf mich herab und fasst sich mit den Fingern an seinen Dreitagebart. «Was wollen Sie hier?»
«Ich musste mir ein Hotel suchen, weil du ja nicht mitwolltest. Und wie es wohl der Zufall will, sind wir im selben Hotel gelandet.»
Er setzt sich ohne eine Einladung zu mir hin und ruft einen Kellner her. «Ich habe Sie nicht gebeten sich zu setzen», bemerke ich schnippisch und hoffe er bemerkt, dass er an diesem Tisch alles andere als willkommen ist. «Ich hätte mich sowieso hierhergesetzt, ob du mich gefragt hättest oder nicht.» Aber warum? Dieser Mann ist so dermaßen penetrant, es ist zu viel des Guten. Genervt verdrehe ich die Augen und schaue wieder auf mein Handy, um nicht mit ihm reden zu müssen. Vielleicht verschwindet er ja wieder, wenn ich ihn lange genug ignoriere.
Ich erstelle mir gerade eine To-do-Liste von allem, was erledigt werden muss. Ich frage mich dabei, ob mein Vater wohl sein Erbe schon festgelegt hat und ab wann dieses in Kraft treten würde. Um das herauszufinden, werde ich sehr bald mit seinem Anwalt in Kontakt treten müssen, aber das will ich lieber erst machen, sobald Grammy hier ist. Alleine würde ich vermutlich in Tränen ausbrechen, noch ehe er die Chance hat, das Testament vorzulesen.
«Hier ist Ihr Vanilla Latte, Miss May.» Der Kellner stellt meinen Kaffee ab und ich bedanke mich bei ihm. Ich kippe noch zwei Zucker und etwas Milch rein, ehe ich umrühre und einen Schluck davon trinke. Die heisse Brühe verteilt sich in meinem Mund und zufrieden senke ich zurück in meinen Stuhl, als ich beide Hände um die Tasse schlinge. «Pass bloss auf, Kiara. Du hast da etwas Kaffee in deinem Zucker drin», kommentiert Mr. Blackwell, wofür er sich einen abwertenden Blick von mir einfängt. «So trinke ich eben meinen Kaffee», schieße ich zurück und versuche nun mein Bestes ihn zu ignorieren. «Weisst du Kiara, unsere Schule bringt nur Elite-Absolventen hervor. Deine Eltern wollten, dass du auf die Academy kommst, glaube mir.»
«Mr. Blackwell, ich bin hier runtergekommen, um meinen Kaffee in Ruhe zu trinken und nicht um mir von Ihnen anzuhören, wie toll die Schule ist und wie ich meinen Kaffee zu trinken habe.»
«Also das, was du da trinkst, ist sicherlich kein Kaffee, Liebes», meint er nun und ich gebe ein frustriertes Stöhnen von mir. «Jetzt reicht es! Ich geh wieder auf mein Zimmer und bestelle mir den Kaffee über den Zimmerservice. Ihre Anwesenheit ist ja unmöglich zu ertragen», meckere ich vor mich hin und stelle die Tasse wieder ab. Genervt stehe ich auf und verschwinde. Erneut lasse ich ihn wieder nicht zu Wort kommen, weil er einfach nur nervige Dinge von sich gibt.
Am frühen Nachmittag kriege ich einen Anruf von Grammy, die mir Bescheid gegeben hat, dass sie gelandet ist. Ich gehe nach einigen Minuten runter in die Lobby und warte dort auf sie. Vermutlich würde es jedoch noch einige Minuten dauern, bis sie hier ankommt, denn der Verkehr kann echt stockend sein am Flughafen. Ich hoffe bloß diesem nervigen Professor nicht wieder über den Weg zu laufen, während ich auf sie warte.
Der Aufzug, in dem ich mich befinde, kommt im Erdgeschoss an und ich laufe durch die Eingangshalle und setze mich auf einen Sessel auf der rechten Seite der Eingangstür hin.
Ich starre gebannt nach draussen und bei jedem Auto, welches anhält, steigt die Vorfreude immer mehr, dass es Grammy sein könnte. Zu wissen, dass sie mir beisteht, gibt mir Kraft. Ich will durch diese Scheisse nicht alleine durch. Ich bin eine starke Frau, aber das, was passiert ist, droht mich zu zerreissen, wenn es das nicht schon hat, denn mein Herz schmerzt bei jedem Schlag und meine Seele fühlt sich leblos und niedergeschlagen an.
Als sich dann erneut ein Auto nähert und ich sie erkenne beim Aussteigen, zuckt mein Körper und ich stehe direkt auf. Mit ihrer eleganten Art schreitet sie durch die Eingangstür, Grammy ist eine edle Frau und für ihre 72 Jahre sieht sie unglaublich lebhaft aus. Ich laufe mit eiligen Schritten auf sie zu, wo ich ihr in die Arme springe. Wortlos schließt sie mich fest in ihre Arme und das erste Mal seit gestern habe ich das Gefühl atmen zu können.
«Alles wird gut, Kiki, ich bin jetzt da», flüstert sie mir aufmunternd ins Ohr und platziert einen liebevollen Kuss auf meine Wange. Ja, jetzt wird es hoffentlich nur noch besser werden.
Grammy wollte mich nicht alleine schlafen lassen, weshalb sie eine Suite gebucht hat mit angrenzenden Zimmern. Es würde mir guttun, nicht alleine zu sein. Da genieße ich die Anwesenheit Grammys um einiges mehr als wie eine verbitterte Frau alleine zu sein. Mit Grammy kann ich sprechen und meine Gedanken mit ihr teilen. Sie würde mich verstehen, sie verstand mich schon immer. Grammy hat in meinem Herzen einen besonderen Platz und ich habe schon oft gehört, dass ich ihr ähnlicher bin als sonst wer. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt, meint sie immer. Da erinnere ich mich an einen Tag als ich bei ihr zu Besuch war. Wir waren im Seniorenheim, welches ziemlich schick ist und die wohl renommierteste Anlage in ganz Florida ist. Grandpa war zu dieser Zeit leider schon von uns gegangen, weshalb Grammy sich dazu entschied, dorthin zu ziehen. Auf jeden Fall blieb ich zwei Wochen bei ihr und an einem Abend da haben wir Bingo gespielt. Was ich jedoch nicht wusste, war, dass der Gewinn eine dreitägige Reise auf die Bahamas war.
Ein Herr der total in Grammy verschossen war, gewann an diesem Abend und da setzte sie ihren Charme ein. Sie hatte ihn so um den Finger gewickelt, dass er uns die Reise überließ und uns obendrauf noch zum Flughafen gefahren und dann wieder abgeholt hat. Grammy ist zwielichtig, aber auf ihre ganz besondere Art und Weise.
Ich habe meine Sachen vom sechsten in den zehnten Stock gebracht und habe mich in einem der Zimmer schließlich eingerichtet. Als die Kleider in den Schränken verstaut waren, setzte ich mich zu ihr ins Wohnzimmer, wo sie auf dem Fernseher irgendeine Telenovela laufen lässt.
«Na Kiki, willst du darüber sprechen?» Ich schüttle meinen Kopf. Ich will es gedanklich gerade nicht noch einmal durchmachen. Nicht schon wieder. «Mach dir keinen Kopf, Engelchen. Wir werden das zusammen schon hinkriegen. Und du redest mit mir, wenn du dazu bereit bist. Ich bin da für dich.»
«Danke Grammy, das bedeutet mir echt unglaublich viel!»
«Ach was. Was wäre ich für eine Großmutter, wenn ich meiner Enkelin bei so etwas nicht zur Seite stehen würde?»
Leider ist sie die einzige meiner Großelternteile, die mir noch verblieben ist. Moms Eltern verstarben, als ich noch sehr jung war, weshalb ich mich kaum an sie erinnern kann. Und Grandpa verstarb vor drei Jahren. Er hatte den Kampf gegen den Tumor, unter dem er litt, leider verloren.
«Am besten ist es, wenn wir so bald wie möglich einen Termin mit dem Anwalt ausmachen, um das Rechtliche geklärt zu haben. Dann planen wir alles für die Bestattung der beiden. Mein Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, dass ich die Beerdigung meines Sohnes und meiner Schwiegertochter planen muss. Keine Mutter sollte so etwas machen müssen. Und kein junges Mädchen sollte ihre beiden Eltern so früh schon verlieren.» Ich nicke, um ihr meine Zustimmung zuzusprechen. «Hast du was gegessen?»
«Ich habe keinen Hunger, Grammy», antworte ich. «Unsinn, Kiara. Du musst etwas essen. Wir gehen jetzt runter in das Restaurant, es ist sowieso Zeit fürs Abendessen und dann bestellst du etwas Ordentliches. Ich will deinen Teller leer sehen, hörst du?» Sie hat ja recht. Wenn ich das Essen schon wieder versäume, würde ich irgendwann umkippen. «Alles klar, dann gehen wir.»
Wir wurden zu einem Tisch geführt und haben uns dort hingesetzt. Der Kellner nahm unsere Getränkebestellung auf und gab uns im gleichen Zug die Speisekarten. Eigentlich habe ich wirklich keinen Hunger, aber wenn ich nicht was esse, würde ich die Wut von Grammy auf mich ziehen. Und wenn jemand eines nicht will, dann ist es Grammy zu verärgern. Das habe ich in meinem Leben einmal mitbekommen und dieses eine Mal hat mir schon gereicht, um zu wissen, dass man ihren inneren Teufel lieber ruhen lässt.
Ich studiere die Speisekarte rauf und runter, kann mich aber beim besten Willen nicht entscheiden, was ich essen soll, weil mein Magen rebelliert. Schließlich entscheide ich mich doch und bestelle beim Kellner eine Portion Penne all'arrabbiata. Pasta kann ich für gewöhnlich immer essen, also erscheint mir das Gericht für eine solide Wahl. «Hast du irgendwo die Nummer des Anwalts deines Vaters?»
«Ich denke irgendwo habe ich noch ein Kärtchen von ihm, ich schaue kurz in meinem Portemonnaie.»
Tatsächlich finde ich es irgendwo zwischen all meinen Karten und diversem anderen Müll, was mich daran erinnert, dass ich mein Portemonnaie und gleich ergänzend meine Tasche ausmisten sollte. Ich überreiche Grammy das Kärtchen. «Morgen rufen wir dort an», verkündet sie.
«Guten Abend die Damen.»
Ein penetranter Kopfschmerz setzt ein beim Klang dieser Stimme. «Und Sie sind?», fragt Grammy mit einem abwertenden Unterton, während sie Mr. Blackwell von Kopf bis Fuß mustert. Dabei entgeht mir ihr verurteilender Gesichtsausdruck nicht.
«Cyrus Blackwell mein Name. Ich bin von der Belford Academy und versuche die junge Miss May mitzunehmen, weil ihr Vater dies so vorgesehen hatte», erklärt er ihr und ich höre diese ganze Leier schon zum dritten Mal. «Nun, Mr. Blackwell, ich bin die Großmutter von Kiara. Mein Name ist Mariah May und ich bin der Meinung, dass Sie mich und meine Enkelin besser in Ruhe lassen, bevor ich den Hotelmanager darüber in Kenntnis setze, dass in seinem Hotel ein belästigender Störenfried umherläuft.»
Verdutzt schaut er Grammy an und verzieht seinen Mund nach unten. «Sie verstehen nicht, Mrs. May, aber Kiara hat bereits einen Platz an der Academy und...»
«Nein, Sie Bursche, Sie verstehen nicht, dass meine Enkelin in den letzten 48 Stunden eine Menge erleiden musste und weder ich und schon gar nicht sie jetzt von einem aufgeblasenen Lehrer vollgequatscht werden will und jetzt entschuldigen Sie uns, wir wollen gerne zu Abend essen.»
Einen weiteren Moment schaut er uns noch an, ehe er davonzieht und uns in Ruhe lässt. Das hat ihn wohl wirklich sprachlos gemacht und ich hoffe, dass er mich jetzt ein für alle Mal in Ruhe lässt und dahin zurückkehrt, woher er gekommen ist. «Dem hast du's aber gezeigt, Grammy.» Sie zwinkert mir zu und ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.
Am nächsten Morgen hatte Grammy beim Anwalt angerufen und dieser hat uns direkt einen Termin gegeben. Er war sehr überrascht zu hören was passiert ist. Kein Wunder, denn in unserer Stadt wird nicht so oft eingebrochen und schon gar nicht Menschen getötet. Es ist erschreckend, wozu Menschen auf dieser Welt in der Lage sein können. Wenn ich in einer Notsituation wäre, würde ich sicherlich auch so handeln. Aber einfach so einen Menschen umbringen, um mich zu bereichern? Nein, das ist unmenschlich in meinen Augen.
Ich stehe vor dem Spiegel und schaue mein Spiegelbild an. Mit einem Concealer versuche ich meine Augenringe abzudecken, aber sogar der stärkste von ihnen könnte nicht einmal mehr diese starken Schatten kaschieren. Hoffnungslos seufze ich vor mich hin und packe meine Schminksachen weg und gehe ins Wohnzimmer. Grammy wartet dort bereits auf mich. «Bist du fertig?» Ich nicke und sie steht auf als wir uns zum Ausgang der Suite bewegen.
Wir laufen zu meinem Auto und ich setze mich hinters Steuer. Dabei bemerke ich, dass meine Finger etwas zittern. Ich bin wohl nervöser, als dass ich es gedacht habe vor diesem Termin. Was uns wohl dort erwartet? Ich war noch nie bei der Verlesung eines Testaments und wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass ich auch nie wieder an eine gehen muss, aber das ist leider nur ein Wunschdenken von mir, die entspricht nicht ganz der Realität. Denn wenn wir es so betrachten, ist die Realität eine brutale Bitch, die einen zerstören kann, wenn sie will. Grammy hat mir die Adresse gegeben und diese gab ich ins Navi ein und fuhr los.
Auf einem freien Parkplatz lasse ich meinen Wagen stehen und wir betreten das alte Gebäude. Von innen ist es moderner eingerichtet als erwartet.
Eine Empfangsdame führt uns in einen Raum, wo wir uns setzen. «Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken anbieten?»
«Nein danke», antworte ich. «Ich nehme einen Kaffee, bitte», sagt Grammy und die Sekretärin nickt.
Jetzt warten wir und irgendwie ist mir flau im Magen. Auch wenn Dad schon oft hier war, ich war es nie. Ob er wohl auch schon mal in diesem Stuhl saß, in dem ich jetzt sitze? Ob er wohl auch schon mal nervös auf seinen Anwalt wartete, wie ich es jetzt tu?
Die Sekretärin brachte Grammy den Kaffee und kurze Zeit später kommt Dads Anwalt hereinspaziert. «Guten Tag die Damen.» Er setzt sich hin und schaut zuerst Grammy und dann mich an. «Ich möchte zu Beginn erstmal gerne mein herzliches Beileid für Sie beide aussprechen. Vermutlich war es ein Schock.»
«Ja, war es», antworte ich. «Nun, Ihr Vater hatte einen letzten Willen und ließ ein Testament verfassen, Miss May. Dieses hat er mir zur Verwahrung anvertraut und mich damit beauftragt, es zu verlesen, sobald der Zeitpunkt gekommen ist. Sein letzter Wille wurde rechtlich abgesegnet und wird nach dem Verlesen in Kraft treten», erklärt er und klingt dabei so professionell und mechanisch. Kannte er Dad gut? Trifft es ihn emotional überhaupt, dass sein langjähriger Geschäftspartner ermordet wurde? Ich versuche mich zu konzentrieren und verbanne die Gedanken für einen Moment aus meinem Kopf. Ich sollte den Mann nicht verurteilen, er erledigt ja bloß seinen Job.
«In Ordnung, ich bin bereit», verkünde ich und merke, wie angespannt mein Köper ist. Grammy legt ihre Hand auf mein Knie und drückt leicht zu, was mir definitiv etwas Mut gibt.
Er öffnet den Umschlag und zieht einige Papiere hervor. Er räuspert sich kurz und beginnt dann vorzulesen.
«Ich, Jonathan May, geboren am 13.02.1972, erkläre hiermit, dass meine Ehepartnerin Loretta May, geboren am 23.07.1975, die Erbin meines gesamten Vermögens sowie meiner Firma ist.
Die Genannte wird jedoch nur Vorerbin. Nacherbin wird meine Tochter Kiara May, geboren am 17.05.2002. Der Nacherbfall tritt mit dem Ableben des Vorerben ein. Das Erbe darf jedoch nur unter folgender Voraussetzung überschrieben werden:
Kiara May absolviert die Ausbildung an der Belford Academy. Bis anhin wird die Firma dem jetzigen CFO zur Führung übergeben. Dies ist mein letzter Wille und wird mit diesem Schreiben rechtsgültig gemacht.»
«WAS? Geben Sie her, das steht da nicht wirklich.» Ich stehe auf und reisse ihm das Papier aus der Hand und lese die Zeilen selbst nochmal durch. Im letzten Abschnitt steht es tatsächlich geschrieben. Dad hat sogar in seinem Testament verfasst, dass ich an diese Academy gehen soll. Aber wieso? Was hat diese Academy so Spezielles auf sich, dass Dad unbedingt wollte, dass ich dorthin gehe?
Jetzt frage ich mich wieder, was er mit mir genau alles an diesem Morgen besprechen wollte. Ob er mir den Grund genannt hätte für seine Entscheidung? Hätte ich mich gesträubt auf die Academy zu gehen, wenn er mir alles in Ruhe erklärt hätte? Eher nicht. Ich habe zu Dad immer aufgesehen und ihn bewundert. Er wusste, was gut für mich war und hätte mich niemals einfach so auf ein Internat geschickt, ohne dass es seine guten Gründe hatte. Naja, wenn das sein letzter Wille war, sieht es wohl so aus, als werde ich doch auf diese Belford Academy gehen.
Wir sind zurück im Hotel angekommen und auf der Autofahrt habe ich noch lange darüber nachgedacht. Meine Laune könnte nicht übler sein. Ich verstehe bloß nicht, wieso Dad mir nie gesagt hat, dass ich auf diese Academy gehen soll. Er hatte sie mir gegenüber nie erwähnt, kein einziges Mal. Und jetzt aus dem Nichts wird von mir erwartet, dass ich meinen Abschluss dort mache. Ich weiss, dass Dad immer nur das Beste für mich wollte, aber dann hätte er ja mal den Namen der Academy erwähnen können. Stattdessen werde ich jetzt ins kalte Wasser geschossen. Aber ich muss mich wohl oder übel damit abfinden.
Genervt laufe ich durch das Hotel umher und halte Ausschau. «Irgendwo muss dieser Idiot doch stecken», murmle ich vor mich hin.
Im Restaurant erkenne ich ihn dann endlich und laufe zielstrebig auf ihn zu. «Sie haben gewonnen. Ich... Oh, Entschuldigung...» Mr. Blackwell sitzt mit einer braunhaarigen Dame hier, die ziemlich attraktiv aussieht. Ich vermute jetzt mal, dass ich ziemlich ungelegen komme. «Ich bin gerade etwas unpässlich, Kiara. Aber freut mich, dass du endlich Nachsicht zeigst, junge Dame. Morgen früh geht es los.»
Ich habe wieder schlecht geschlafen diese Nacht. Vor dem Tod meiner Eltern hatte ich dieses Problem nie, aber seit dieser Nacht verfolgen mich die Bilder regelrecht und ich habe das Gefühl, etwas Schreckliches erwartet mich. Ich hoffe bloß, dass der zweite dieser beiden Männer bald geschnappt wird. Ausserdem hoffe ich, dass die Polizei alles daransetzt, diesen Mann zu schnappen. Schließlich läuft ein Mörder auf freiem Fuß herum und wenn er einmal dazu fähig war, zwei Menschen zu töten, wird er es bestimmt auch noch weitere Male durchziehen können. Mein Kopf dröhnt schon wieder, wenn ich daran denke und versuche herauszufinden, wieso er das getan hat. Was waren seine Gründe?
Gegen meinen Willen spiele ich diese Nacht immer wieder durch meinen Kopf und versuche mich an irgendwelche Details zu erinnern, die ich vielleicht zuerst nicht bemerkt habe. Aber jedes Mal enden diese Tagträume gleich, und zwar beinahe in einem Tränenausbruch meinerseits. Vielleicht kann die Polizei ja etwas von dem Mann ausquetschen, den sie gefangen haben. Und wenn es der Mörder war, umso besser, dann kann ich nachts vielleicht auch wieder vernünftiger schlafen.
Mit Grammy konnte ich ausmachen, dass sie alles Weitere übernehmen wird und für mich morgen auf die Polizeiwache geht, um abzuklären, welcher der beiden Männer eingebuchtet wurde. In dem ganzen Trubel um mich herum kam ich nicht dazu, dorthin zu gehen und selbst nachzuschauen. Und von der Polizei habe ich auch keine Neuigkeiten erhalten. Der Officer, der mich an diesem Morgen ausgefragt hatte, meinte, sie würden sich bei mir melden, wenn sie etwas Neues herausfinden würden.
Ich habe Grammy eine genaue Beschreibung gegeben von dem Mann, der mich laufen ließ, damit sie weiss, welcher der beiden es war. Die Gute versicherte mir, dass sie die Polizei ausquetschen wird mit Fragen und wird mir dann morgen Abend eine Rückmeldung geben von dem, was sie in Erfahrung bringen konnte. Die Beamten können einem echt leidtun, wenn ich daran denke, wie Grammy sie zusammenstauchen wird. Sie meinte auch, dass sie die Vorbereitungen für die Beerdigung alleine trifft, da ich ja bis dahin an der Academy bin. Aber sie würde sich per Telefon und SMS bei mir melden für die wichtigsten Entscheidungen, da ich schließlich doch auch ein Mitspracherecht habe. Sobald die Bestattung stattfindet, was in etwa drei Wochen sein sollte, stoße ich zu ihr, um an der Trauerfeier teilzunehmen. Normalerweise würde es nicht so lange dauern bis zu einer Beerdigung, aber da es sich in unserem Fall um einen Mord handelt und die beiden von der Spurensicherung überprüft werden müssen, dauert es länger als gewöhnlich. Sie meinte zudem noch, dass sie die Medien Ende der Woche darüber in Kenntnis setzen wird, was geschehen ist. Ich hoffe bloß, dass die Presse die Situation nicht ausnutzt und irgendwelchen Mist über meine Eltern erzählen wird. Das wäre unserer Familie gegenüber total respektlos.
Ich sitze in der Lobby und lehne mich über meinen Koffer. Da ich damit gerechnet hatte, einen längeren Aufenthalt hier im Hotel zu haben, packte ich genug ein, dass ich fürs Erste auf der Academy ausgestattet bin. Wenn ich schlafen könnte, würde ich das jetzt definitiv tun. Leider habe ich noch immer meine Mühen damit und bin am überlegen, ob ich mir vielleicht irgendwelche Melatonin-Tabletten oder Tröpfchen in einer Apotheke kaufen soll. Die sollen ja bekanntlich beim Schlafen helfen, und das würde mir wohl echt guttun.
«Du siehst wieder ziemlich beschissen aus, kleine Brat.» Mein Kopf erhebt sich und meine Augen treffen die dunklen schimmernden Augen von Mr. Blackwell. «Sie sind ein Arsch, wissen Sie das?»
Er zuckt bloß mit seinen Schultern und deutet mir mit einer Kopfbewegung ihm zu folgen. Wieso ist dieser Mensch so unausstehlich? Angestrengt komme ich auf meine wackeligen Beine und folge ihm zum Parkplatz, wo nicht nur mein, sondern wohl auch sein Auto steht. «Ich vermute, du wirst selber fahren?»
«Ja, ich brauche bloß die Adresse, um sie im Navi einzugeben.» Er holt ein Kärtchen hervor und drückt es mir in die Hand. Da steht sein Name drauf. Professor als seinen Arbeitstitel und weiter unten die Adresse.
Ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln, steige ich in meinen Wagen und gebe die Adresse ein. Während ich darauf warte, dass das Gerät die Route berechnet, greife ich nach meinem Handy und schließe es an mein Auto an, um Musik zu hören. Ich kann ohne Musik einfach nicht Auto fahren. Mir fehlt einfach etwas, wenn es so still ist. Hier steht, dass ich drei Stunden fahren muss. Na toll, das wird eine üble Fahrt, das seh ich schon kommen.