Untold Truths - Honey Wildin - E-Book

Untold Truths E-Book

Honey Wildin

0,0

Beschreibung

Dunkle Geheimnisse werden gelüftet und die Wahrheit kommt letztlich immer ans Licht. Auch die verbotene Liebe die achtsam gehütet wurde, wird auf die Probe gestellt, wodurch Herzen gebrochen und Gefühle verletzt werden. Kiara darf ihren Fokus jedoch nicht verlieren, denn die Jagd nach dem Verborgenen geht weiter. Mit reichlich Unterstützung versucht Kiara den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen, aber dabei werden Geheimnisse aufgedeckt, die lieber verborgen geblieben wären. Halte deine Augen stets offen, Kiara. Erkennst du die Wahrheit, wenn du sie siehst?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 312

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Sammlungen



Trigger Warnung

Dieses Buch richtet sich ausschließlich an offene Leser, da es grafische Sexszenen und allgemeine sexuelle Inhalte sowie Kraftausdrücke und Alkoholkonsum beinhaltet. Die Protagonisten haben außerdem einen größeren Altersunterschied.

Dieses Buch entspringt der Fantasie der Autorin. Namen, Charaktere, Orte und Vorfälle sind frei erfunden.

Wenn du dich persönlich angegriffen fühlst, bitte ich dich dieses Buch nicht weiterzulesen.

Lageplan Belford Academy

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Danksagung

Kapitel 1

Wenn ich in zwei Minuten nicht an meinem Platz sitze, dann verdonnert mich Mrs. Morris noch zum Nachsitzen. Auch wenn ich nichts dagegen hätte nachzusitzen – und das liegt nicht daran, dass mein Freund es beaufsichtigt – kann ich es mir gerade jetzt nicht erlauben. Ich habe mehr als genug um die Ohren und Nachsitzen passt mir dementsprechend überhaupt nicht in den Kram. Also renne ich wie eine Wilde den Gang runter und kollidiere dabei beinahe mit einem Studenten. «Fuck, sorry tut mir leid», rufe ich über meine Schulter und renne weiter.

Als ich endlich bei der Tür ankomme, reiße ich diese so ruckartig auf, dass die Tür mit voller Wucht an die Wand knallt. Im Klassenzimmer kehrt augenblicklich Ruhe ein, als alle Augenpaare auf mich gerichtet sind. Mrs. Morris ist zum Glück noch nicht hier und die alle dachten bestimmt, dass ich sie wäre.

Schweigend und etwas peinlich berührt, setze ich mich auf meinen gewohnten Platz und hole mein Tablet hervor. Mein Puls rast immer noch, doch langsam kann ich mein Atmen wieder regulieren und klinge nicht mehr nach einem strangulierten Wasserbüffel. Genau in dem Moment erklingt die Schulklingel und unsere Professorin kommt hereinspaziert. Hinter sich schließt sie die Tür ab und setzt sich auf ihren Platz. Zum Glück bin ich so gerannt, sonst wäre es knapp gewesen.

Leider hat Mrs. Morris diese Gewohnheit, die Tür abzuschließen, damit die Schüler, die zu spät erscheinen, eine Lehre daraus ziehen. Meiner Meinung nach total unnötig, aber ich musste diese Erfahrung selbst durchleben und habe definitiv daraus gelernt. Das war ganz schön peinlich, als ich damals an der Türklinke herumfummelte und auf die Tür eintrat. Mrs. Morris blieb aber standhaft und ließ die Tür verschlossen.

Erst nach dem Unterricht ließ mich Ocean wissen, was Mrs. Morris’ Regel ist. Ich wusste davon natürlich nichts, weil mir kein Mensch was davon gesagt hat. Was mich genervt hatte, war die unentschuldigte Stunde, die sie mir eingetragen hat. Da diese unentschuldigte Stunde keine Nachwirkungen mit sich zog, ließ ich meinen Einspruch bleiben.

Ocean stupst mich an und schaut mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Sie weiß genau, weshalb ich zu spät war. Wäre Cyrus nicht so unwiderstehlich, wäre ich pünktlich hier gewesen. Wir haben uns in der Mittagspause in seinem Klassenzimmer verabredet und dort zusammen den Mittag verbracht – was bedeutet, dass wir Sex hatten. Gott der Sex mit ihm ist einfach so unglaublich gut. Wir benehmen uns wie die größten Teenager und vögeln echt so oft wir können.

«Kiki, du musst aufpassen. Ihr werdet sonst früher oder später noch erwischt», ermahnt mich meine beste Freundin und schaut mich schuldbewusst an. Ich will ihr gerade antworten, als ich bemerke, wie sich Bianca – die Streberin – zu uns umdreht. Als sich unsere Blicke treffen, kehrt sie sich schlagartig wieder nach vorne um und tut so, als wäre nichts.

«Mach dir keine Sorgen. Wir passen schon auf», winke ich ab. «Aber Kiki», erneut schaut Bianca in unsere Richtung und langsam nervt es mich. Versucht sie uns zu belauschen oder was ist ihr Problem? Erneut schaue ich sie an und warte nur darauf, dass sie sich wieder nach vorne dreht und so tut, als hätte sie nichts gemacht. Was soll dieses kindische Verhalten?

Als sie sich ein drittes Mal zu uns dreht und uns anstarrt, ergreife ich das Wort.

«Steckst du deine Nase immer in die Angelegenheiten anderer, Bianca?», zische ich sie leise an, dass Mrs. Morris es nicht hört. Schnell dreht sie sich wieder um und ich werfe Ocean einen Blick zu, der signalisieren sollte, dass wir unser Gespräch ein anderes Mal weiterführen. Ich will nicht, dass jemand mitbekommt, über wen wir reden. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass jemand erfährt, dass ich mit meinem Professor ausgehe. Obwohl, wenn es nach mir ginge, würde ich gerne der ganzen Welt mitteilen, dass ich und Cyrus Blackwell in einer Beziehung sind, aber die Umstände, in denen wir uns befinden, lassen es leider nicht zu.

Seit der Nacht des Winterballs sind drei Monate vergangen. In diesen drei Monaten habe ich leider nicht sonderlich viel gemacht als meine Zeit mit Cyrus zu genießen und mich von diesen Eskapaden zu erholen. Die Suche nach der Datei habe ich leider in den Hintergrund geschoben oder besser gesagt komplett auf Eis gelegt. Die Zeit ist einfach so unglaublich schnell vergangen und ich habe es immer in den Hintergrund gedrängt. Leider ist es schwer herauszufinden, wo jemand etwas versteckt hat, wenn dieser Jemand anderen keinerlei Anhaltspunkte gegeben hat und verstorben ist. Mein Herz zieht sich bei diesem Gedanken kurz schmerzhaft zusammen und es lässt mich wieder daran denken, dass ich die beiden wunderbarsten Menschen verloren habe. Ich habe aber gelernt, dass es zum Lauf des Lebens gehört. Die Art, wie Mom und Dad von uns gegangen sind, war nicht schön und ich wünsche es keinem, aber es ist nun einmal so passiert und ich muss es verarbeiten können. Zum Glück habe ich Menschen um mich, die für mich da sind, die mich unterstützen und die mir zeigen, dass es trotzdem so viel Schönes auf unserer Welt gibt, die es das Leben wert macht. Leider nagt noch immer ein Gefühl an mir, was ich nicht zuordnen kann. Es ist ein Gefühl oder vielleicht eine Vorahnung, dass noch etwas auf mich zukommt.

Nach dem Unterricht laufen Ocean und ich zum Alcott Haus zurück. Wir haben nicht mehr über das Thema von Cyrus und mir gesprochen, weil es meiner Meinung nach auch nichts mehr zu bereden gibt. Ich und Cyrus passen auf, dass uns keiner, schon gar nicht Rektor Ariel oder Vizerektor Fletcher, erwischen. Wenn rauskommen würde, dass Cyrus mit einer Schülerin zusammen ist, kann er seine Karriere als Lehrer an den Nagel hängen und ich würde meinen Platz an der Academy umgehend verlieren. Das darf auf keinen Fall passieren. Nicht bevor ich diese Datei gefunden habe. Deshalb setzen wir alles daran, dass unser kleines Geheimnis sicher bleibt.

«Wollen wir dieses Wochenende vielleicht wieder was unternehmen?», frage ich Ocean. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, seit wir nur zu zweit etwas unternommen haben. Irgendwie hat sich über die drei Monate alles eingependelt und wurde zur Normalität. Sie verbringt ihre meiste Freizeit mit Nicolas und ich meine mit Cyrus. Es fühlt sich irgendwie so an, als würde ich schon seit Jahren hier auf die Academy gehen. Ich habe definitiv meine Routine entwickelt, die meinen Alltag langsam eintönig gestaltet. Naja, was erwarte ich auch, es ist eine Schule und keine Reality-Show. «Wollen wir vielleicht ins Kino gehen? Der neue Marvel-Film ist rausgekommen. Ich liebe Marvel-Filme. Manchmal fühle ich mich dann selbst wie eine Superheldin, wenn ich sie geschaut habe», schlägt Ocean vor und ich kann da nur die Nase rümpfen. «Ich kann mit dem ganzen Superman, Batman und Spiderman Zeugs nicht viel anfangen.» Erschrocken schnappt sie nach Luft. «Superman und Batman gehören nicht zu Marvel, Kiki», meint sie empört und erwartet wohl von mir, dass ich so eine essenzielle Information weiß. «Ist doch alles das Gleiche», winke ich ab und denke darüber nach, was wir sonst so Tolles unternehmen könnten. Die Stadt, die hier in der Nähe ist, ist klein und an dem Punkt kenne ich so ziemlich jeden Laden, jede Bar – die alle ziemlich schäbig und runtergekommen sind, weshalb wir immer in die gleiche gehen – und jedes Restaurant. Ich brauche etwas Abwechslung, etwas Neues, damit ich wieder etwas Frische in mein Leben bringen kann.

«Lass uns für ein verlängertes Wochenende verreisen», schlage ich schließlich vor und fange mir bloß einen skeptischen Blick von Ocean ein. «Ich weiß ja nicht so recht, Kiki. Schule schwänzen ist nicht so mein Ding.»

«Ach, komm schon, bitte Ocean, hier ist momentan alles so öde und ich will etwas Spaß haben. Wir könnten in eine größere Stadt fahren und etwas Party machen. Den einen oder anderen Club unsicher machen», schlage ich begeistert vor und kann mir das alles bereits vor meinem inneren Auge vorstellen. Als ich einen Blick auf meine beste Freundin werfe, kriege ich noch immer einen unsicheren Blick zurück. «Bitte, Ocean. Bitte, bitte mit Zuckerguss obendrauf», flehe ich. «Es wird unglaublich lustig und ein Erlebnis werden, welches wir nie wieder vergessen werden, glaub mir», ergänze ich und ein tiefer Seufzer entweicht ihr. «Kein verlängertes Wochenende. Am Sonntag sind wir wieder hier, damit wir am Montag in den Unterricht können. Wenn meine Eltern mitkriegen, dass ich geschwänzt hätte, würden sie vermutlich mein Surfbrett auf Ebay verkaufen und ich würde es nie wieder sehen.»

«Okay, abgemacht, am Sonntag sind wir wieder hier!» Sie nickt und ich kann die aufbrodelnde Freude nicht für mich behalten und springe ihr freudig um den Hals und kreische laut los. «Das wird so unglaublich werden, Ocean. Vertrau mir! Ich buche uns ein tolles Hotel und wir werden essen wie Königinnen.» Schon jetzt schmiede ich einen Plan und versuche eine Grobfassung zu erstellen von all den Dingen, die wir unternehmen könnten.

«Da bin ich ja gespannt. Dann wirst du die Organisation und alles, was dazu gehört übernehmen?»

«Werde ich, mach dir deswegen keinen Kopf und überlass das mir», bestätige ich. Sie nickt und schließlich setzen wir unseren Weg zum Alcott Haus fort.

Ich komme in meinem Zimmer an und werfe meine Tasche achtlos in die Ecke und plumpse aufs Bett. Zum Glück habe ich die Unterrichtssessionen mit Cyrus hinter mir. An einem Montag wie diesen will ich bloß abschalten und etwas zur Ruhe kommen. Die Schule fordert die Schüler sowieso schon genug und ich habe einen Berg an Arbeiten und Hausaufgaben, die ich abarbeiten sollte. Es ist so viel Stoff zu lernen, dass ich das Gefühl habe darin zu ertrinken. Manchmal mussten wir uns echt zusammenreißen, dass wir den Unterricht durchziehen, anstatt uns ineinander zu verlieren. Meist kam zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen, wobei mir das Letztere eindeutig mehr Spaß gemacht hat als das Erstere. Wenn man Cyrus als Freund hat, stellt sich die Konzentration als ziemlich schwierig heraus. Man will kaum die Finger von ihm lassen.

Ich zücke mein Handy hervor und öffne den Chat mit ihm.

Können wir telefonieren, sobald du Zeit hast?

Ich muss nicht lange warten, als mein Handy klingelt und sein Name auf dem Display erscheint. «Hallo?» Ich kann Cyrus’ Grinsen am anderen Ende des Hörers bereits ausmachen. «Was macht meine bezaubernde Schönheit gerade so?»

«An dich denken», schnurre ich zurück und wenn ich gerade nicht auf Wolke sieben schweben würde, würde ich vermutlich in einem Strahl auf den Boden kotzen, weil wir so kitschig sind manchmal. «Mhh, so wie ich an dich. Lässt meinen Schwanz beinahe den ganzen Tag hart werden, wenn ich an dich denke. Mit deinen vollen Lippen und deinen zarten Fingern und was diese alles anstellen können.» Hitze schießt in meine Wange und meine Mitte bei seinen Worten.

Ich schüttle meinen Kopf, um wieder zu klarem Verstand zu kommen. «Lenk mich nicht ab. Ich wollte etwas mit dir besprechen», kündige ich an. «Was denn besprechen?», hakt er nun neugierig nach. «Ich werde über dieses Wochenende mit Ocean wegfahren. Wir werden Party machen.» Am anderen Ende der Leitung ist es still. Das macht mich irgendwie nervös vor seiner Reaktion. Ich weiß, dass ich vermutlich ausrasten würde, wenn er mit seinen Kumpels in einen Club gehen würde und dort Party macht. Es ist nicht so, dass ich ihm nicht vertraue, denn das tue ich, aber all diesen notgeilen Weibern, die auf der Suche nach Schwänzen sind, denen vertraue ich nicht. Ich weiß, dass Cyrus gut aussieht und das würde den Frauen sicherlich auch nicht entgehen. Ich sollte keine Selbstzweifel haben, aber leider ist es nun mal so, dass es immer jemanden gibt der hübscher, schlauer und besser ist als man selbst. Und wenn genau diese Person meinen Freund anmacht, ist das Spiel vorbei.

«Über das ganze Wochenende?»

«Ja, das ist der Plan», antworte ich und kann seine Meinung dazu noch immer nicht wirklich einschätzen. «Okay» antwortet er gelassen, was mich dann doch etwas überrascht. «Okay? Einfach so?»

«Ja, einfach so. Ihr kommt sowieso in keinen Club, meine Süße. Wenn ich dich nämlich erinnern darf, ist das legale Alter für Alkohol und Party hier ab 21. Und du mein unschuldiger kleiner Engel, hast eine Freundin, die noch ein Jahr davor entfernt ist, dass ich mir wegen dieses Wochenendes Sorgen machen muss», meint er und ich will nicht sauer werden, aber das nervt mich schon irgendwie. Wieso lasse ich mich auch so schnell provozieren?

«Zum Glück gibt es ja diese Erfindung, die sich gefälschter Ausweis nennt.» In meiner Stimme liegt diese süßliche Provokation und ich hoffe, dass ich bei ihm damit einen wunden Punkt getroffen habe. «Okay Kiara, geht und macht Party, aber ich sage dir eines, wenn dich jemand berührt, schon nur wenn dich jemand falsch anschaut, weckt das eine Seite in mir, die du lieber nie zu Gesicht bekommen wirst», warnt er und ein Schauer fährt mir den Rücken runter. «Ich werde auf mich achten, Cyrus», versuche ich ihn zu beschwichtigen, habe aber das Gefühl, dass es nichts bringt. «Oh das wirst du, Nine, denn jeder, der es wagt anzuschauen oder anzufassen, was mein ist, wird diesen Club nicht unversehrt verlassen.» Er beendet das Gespräch an dieser Stelle und verwirrt schaue ich auf mein Handy. Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich weiß gerade nicht, ob ich seine besitzergreifende Art heiß oder erschreckend finden soll. Schulterzuckend lege ich mein Handy weg und starre in die Leere.

Diese besitzergreifende Art ist sicherlich ganz normal. Typisch Männer eben.

Kapitel 2

Ich sitze gerade total genervt in derselben Bar, in der ich immer sitze, wenn ich aus meinem Professorenalltag flüchten will. Schon als ich hierherfuhr und das Neonschild des Tipsy gesehen hab, wusste ich, dass die Bar sicherlich wieder überfüllt ist oder nur irgendwelche Säufer drinnen sind. Aber nach diesem Gespräch mit Kiara war ich echt mies drauf und das Beste, was da hilft, ist ein guter Scotch aus dieser Bar. Eines muss ich dem Laden hier doch lassen und vermutlich ist das auch der Grund, weshalb ich oft hierherkomme. Man kommt hier rein und kriegt qualitativ hochwertigen Alkohol.

Die Ablenkung tut zwar gut, aber trotzdem denke ich gerade ständig an das, was sie gesagt hat.

Sie will Party machen? Dann soll sie Party machen. Ich werde einfach dabei sein. Noch in dem Moment als sie mir sagte, dass sie mit Ocean für ein Partywochenende verreist, war mir klar, dass ich ihr einfach hinterherfahre. Ist mir echt egal, ob es mich aussehen lässt wie ein psychopathischer Stalker. Dann bin ich eben ein psychopathischer Stalker. Sie war in ihrem Leben schon genug in Gefahr und ich werde keinesfalls zulassen, dass ihr noch einmal so etwas widerfährt. In dieser Welt lauern genug Gefahren und ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass sich Kiara keinen weiteren mehr aussetzt.

Daran zu denken, dass irgendein schmieriger Wichser seine Hände an ihrem Körper hat oder sie angafft, als wäre sie sein nächster Snack, bringt mein Blut zum Kochen. Ich kenne Männer, denn ich war selbst einer dieser Sorte. Ich weiß auch, was einen Mann in diesem Moment durch den Kopf geht, wenn er eine bildhübsche Frau sieht.

Noch immer denke ich an die Nacht, wo sie unter Drogen gesetzt wurde. Wenn die beiden Arschlöcher Bowen und Nick nicht im Gefängnis sitzen würden, dann hätte ich höchstpersönlich dafür gesorgt, dass sie den Bären im Wald zum Fraß vorgeworfen werden. Obendrauf hätte ich jede einzelne Minute zugeschaut, bis nichts mehr von den beiden übrig wäre.

Normalerweise bin ich nicht gewalttätig, aber wenn es darum geht, Kiara in Sicherheit zu wissen, würde ich alles tun, weil sie mein alles ist.

Wann um alles in der Welt wurde ich so obsessiv mit einer Frau? Das ist echt untypisch für mich, aber Kiara ist auch eine untypische Frau. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb ich mich in sie verliebt habe. Weshalb sie ein Teil in mir berührt hatte, von dem ich dachte, dass er nicht existieren würde. Wie es eben aussieht, kann der Weiberheld doch gezähmt werden und sich zur Ruhe setzen. Er muss bloß die richtige Frau in seinem Leben finden.

«Entschuldigung?» Eine weibliche mir unbekannte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich drehe mich um. Mein Blick fällt auf eine Frau, die ich hier noch nie gesehen habe. «Kann ich Ihnen helfen?» Sie lächelt mich an, was mich ziemlich unberührt lässt. «Ich wollte fragen, ob ich mich vielleicht zu Ihnen setzen darf?» Mein Blick fällt kurz auf den freien Hocker neben mir.

«Wissen Sie was? Sie können sich setzen, ich war sowieso gerade auf dem Weg zu gehen», erkläre ich und trinke den Rest meines Getränkes in einem Zug aus. «Oh, ich wollte Sie nicht von Ihrem Platz wegscheuchen», meint sie, aber ich habe kein Interesse daran, dass sich irgendeine Frau neben mich setzt, mit mir ins Gespräch kommt und Dinge über mich erfahren will. Die einzige Frau, mit der ich solche Dinge tun will, sitzt vermutlich in ihrem Zimmer und macht sonst was.

«Keine Sorge deswegen», antworte ich matt und belächle sie für einen kurzen Moment, ehe ich nach meinem Mantel greife und die kleine Bar verlasse.

Ich habe keinerlei Interesse mehr an irgendwelchen anderen Frauen. Manchmal stellt sich das leider als ziemlich schwierig heraus, denn all diese Mädchen an der Schule sind mir noch immer hinterher. Es ist fast schon auffällig, dass ich keinen weiblichen Besuch mehr zu Hause habe oder man mich mit keiner Studentin mehr sichtet. Auf Pin-It ist es ziemlich ruhig geworden und auch wenn mich das überhaupt nicht stört, habe ich ein mulmiges Gefühl, dass mir langsam jemand auf die Schliche kommt. Kiara und ich passen wirklich enorm gut auf, dass uns niemand erwischt, aber es kann jederzeit passieren, nur weiß ich nicht, was ich tun werde, wenn die Katze tatsächlich aus dem Sack ist. Naja, hoffentlich sind Kiara und ich von diesem Moment noch weit entfernt und können unsere gemeinsame Zeit zusammen genießen.

Es gibt noch so viel, was ich über Kiara herausfinden will, weil so vieles noch unentdeckt ist. Ich will der Mensch sein, der sie am besten kennt, der weiß, wann sie was braucht. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich will, dass sie abhängig ist von mir. Denn dann weiß ich, dass sie für immer bei mir bleiben wird. Für immer ist ein mächtiges Wort, aber genauso ist es auch die Verbindung zwischen uns.

Ich bin wieder zu Hause und streife meine Schuhe von meinen Füßen. Es ist schon ziemlich spät und ich war wohl doch etwas länger im Tipsy als erwartet, aber nichtsdestotrotz will ich noch etwas essen. Ich habe richtigen Kohldampf und da kommt mir in den Sinn, dass ich noch das Steak braten könnte, welches in meinem Kühlschrank ist.

Ich nehme das Stück Fleisch hervor und werfe es in die Pfanne, sobald diese heiß genug ist. Das Fleisch brutzelt und ich will es gerade wenden, als mein Belphone, welches auf der Kücheninsel liegt, klingelt und mich aus meinen Gedanken reißt. Wer will denn um diese Zeit noch was von mir? Ein kurzer Blick auf das Display verrät mir, dass es August ist. Verwirrt halte ich mein Handy ans Ohr. «Hallo August?»

«Ah Cyrus gut, erwische ich dich. Kannst du bitte in mein Büro kommen? Es gibt da etwas, was ich gerne mit dir besprechen möchte», erklärt er knapp und ich verharre abrupt in meiner Position. Ich frage mich, was er mit mir besprechen möchte, aber ein dumpfes Gefühl in mir hat schon eine gewisse Befürchtung. «Natürlich, ich bin in zehn Minuten da», entgegne ich abgehackt und beende das Gespräch.

Weiß er es? Sind wir verfickt noch mal aufgeflogen? Panik setzt schon in mir ein, aber ich atme einmal tief durch. «Nur die Ruhe bewahren Cyrus», sage ich zu mir selbst und versuche meine Nerven zu beruhigen. «Vielleicht weiß er es nicht und es handelt sich um etwas total anderes», rede ich mir ein. Die Chance, dass er es weiß, besteht trotzdem. Okay, ich habe jetzt zwei Minuten Zeit, um mich zusammen zu reißen und meinen erhöhten Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Nichts ist verloren. Was auch immer passiert, ich werde einfach die Ruhe bewahren und mein Pokerface nicht ablegen. Die Nervosität nagt noch immer an mir, aber ich schiebe dieses Gefühl beiseite und kriege mich wieder ein. «Jetzt oder nie», spreche ich mir zu und fasse meinen Mut zusammen. So selbstsicher wie ich kann, mache ich mich auf den Weg zum Büro meines Chefs.

Ich stehe vor seiner Tür und starre noch einen Moment auf das Schild, wo Rektor draufgeschrieben steht. Ich muss meine Panik runterschlucken, bevor ich hier reingehe. Auch wenn ich meinen Job in den nächsten zehn Minuten verlieren sollte… Nein daran will ich erst gar nicht denken. Ich liebe meinen Job und will diesen auf jeden Fall behalten.

Ich schüttle meinen Kopf und versuche wieder klar zu denken. Jetzt oder nie. Sanft klopfe ich an die Tür des Rektors und öffne sie als er mich hereinbittet. Ich schaue in Augusts Büro und merke, dass alles wie immer ist und das gibt mir kurz das Gefühl, dass ich mich wohl zu sehr in das hineingesteigert habe. Vielleicht möchte er bloß über den Unterricht oder so etwas reden oder ein Projekt, welches demnächst anstehen könnte. Vermutlich habe ich umsonst einen so großen Hehl um dieses Treffen gemacht und sollte mich einfach setzen und zuhören was August mir zu erzählen hat. «Hallo Cyrus, setz dich doch bitte», weist er mich an und seine ruhige Stimme bekräftigt mich. Kein Grund zur Sorge.

Ich setze mich also auf einen freien Platz und schlage meinen Knöchel über mein Knie. «Worüber möchtest du mit mir sprechen, August?», frage ich und bin nun doch echt neugierig, was er von mir wissen möchte. Zumal es doch langsam spät ist. Für gewöhnlich hält sich August an humanere Zeiten und beruft so spät nicht noch irgendwelche Meetings ein. Seufzend schaut er auf und seine Augen treffen meine. «Es geht um Kiara.» Fuck. Verwundert hebe ich meine Augenbraue hoch. Ich versuche ihm vorzutäuschen, dass ich nichtsahnend bin. «Was ist mit ihr?», frage ich und versuche gleichgültig zu klingen. Vielleicht geht es ja um was ganz anderes als das, was ich befürchte.

«Mir ist da ein Gerücht zu Ohren gekommen, Cyrus. Etwas, was an dieser Schule nicht geduldet wird.» Mein Herz rutscht mir in die Hose. Ich bin wortwörtlich gefickt. In mir löst sich ein Sicherheitsmechanismus aus und ich schotte mich zu meinen Gefühlen komplett ab. Wenn ich ihm eine Reaktion gebe, bin ich direkt aufgeflogen.

Ich setze zum Reden an. «Sir, ich wüsste ni-», August hält jedoch seine Hand hoch und unterbricht mich. Wie ein Mäuschen verstumme ich und mustere den weißhaarigen Mann. «Sag jetzt einfach nichts, Cyrus. Hör zu, du bist ein fabelhafter Professor und deine Arbeit an der Academy wird groß geredet und von allen geschätzt. Was auch immer da lief, hört jetzt auf und wir tun so, als wäre nichts gewesen! Schau einfach zu, dass keine weiteren Gerüchte dieser Art in meine Richtung kommen. Ansonsten werde ich dazu gezwungen sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ich definitiv nicht ergreifen möchte, ja?» Ich schlucke und schaue meinen Boss schweigend an. Mir fehlen die Worte und so nicke ich knapp. Auf seinem Gesicht erscheint wieder dieses beruhigende Lächeln, welches er immer auf seinen Lippen hat. Mich jedoch kann gar nichts mehr beruhigen. In mir herrscht gerade ein Chaos, welches ich wieder unter Kontrolle bringen muss. «Ist sonst noch was?», frage ich stammelnd. «Nein, das wäre bereits alles gewesen. Ich wünsche dir einen ganz angenehmen Abend, Cyrus», wünscht mir der Rektor und ohne etwas dazu zu sagen, erhebe ich mich und steuere stumm auf die Tür zu.

Sobald ich draußen bin und höre, wie die Tür hinter mir mit einem Klicken ins Schloss fällt, schnaube ich in einem langen Atemzug aus meiner Nase und merke, dass ich die Luft angehalten hatte. Jede Faser meines Körpers ist auf Alarmbereitschaft und ich laufe langsam zur Treppe, während meine Hirnzellen bereits nach einer Lösung für dieses Problem suchen. Noch mehr frage ich mich jedoch, wie es dazu kommen konnte, dass er es herausgefunden hat. Waren wir so unvorsichtig?

Egal wie lange ich versucht habe nach einer vernünftigen Lösung zu suchen, ich finde keine. Entweder endet es in Tränen und Hass mir gegenüber oder mit einer fetten Kündigung. Ich muss rational entscheiden, was das kleinere Übel ist, aber es steht enorm viel auf dem Spiel. Ich kann wohl kaum eine Münze werfen und Kopf oder Zahl entscheiden lassen. Kiaras Ausbildung steht schließlich auf dem Spiel und es ist wichtig, dass sie ihr Studium an der Academy zu Ende bringt. Nicht nur weil es eine ausgezeichnete Schule ist, sondern weil sie diese CD finden muss.

Meine Gefühle zu ihr kann ich aber auch nicht leugnen. Fuck, ich habe mich bis über beide Ohren in sie verliebt und kann nicht von ihr ablassen. Das wäre, als würde man einem hungernden Kind plötzlich das Essen verweigern. Das ist ein übertriebenes Beispiel und mir ist bewusst, dass ich mit meinen Luxusproblemen einpacken kann, da sie vergleichsweise nicht von Belang sind, aber Kiara ist alles für mich und ich weiß nicht, ob ich meine Finger von ihr lassen kann. Ich darf aber keinesfalls der Grund dafür sein, dass sie von der Schule fliegt.

Es war echt dumm von mir zu denken, dass niemandem auffallen würde, dass wir öfter zusammen sind. Es war bloß eine Frage der Zeit, bis die Gerüchteküche zu brodeln beginnt und man über uns reden würde. Wie konnten wir es bloß übersehen?

Mit meiner Hand fahre ich mir durchs Haar und werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist schon kurz nach 2:00 Uhr morgens. Ich sitze schon seit einer Ewigkeit hier auf meiner Couch und grüble darüber nach, was ich tun soll. Vielleicht sollte ich eine Nacht darüber schlafen. In meinem Zustand kann ich keineswegs eine so wichtige Entscheidung treffen.

Anstatt zu schlafen, habe ich meine Nacht damit verbracht, mich in meinem Bett hin und her zu wälzen und mir weiterhin den Kopf darüber zerbrochen, was ich tun soll. Ich befinde mich in einer echt beschissenen Situation und ich hasse es. Hasse das Gefühl, dass ich eine Entscheidung treffen soll, die eine große Auswirkung auf mein Leben haben wird. Es ist nicht fair von mir, dass ich diese Entscheidung alleine treffe. Wenn ich Nine aber in diese Sache mit einbeziehe, würde sie mit ziemlich großer Sicherheit wollen, dass wir weitermachen. Damit riskiere ich jedoch ihren Platz an der Academy, weshalb ich diese Bürde alleine trage.

Geistesabwesend wandere ich zur Mensa und benötige dringend einen Kaffee, sonst kann ich nicht funktionieren. Als ich den belebten Raum betrete, sitzen überall Studenten und plaudern untereinander. Es ist verdammt nochmal Morgen und die sind alle schon so heiter drauf. Ich bin kein Morgenmensch und kann es also nicht verstehen.

Ich wandere also zu den Kaffeemaschinen und sehe Kiara dort stehen. Meine miese Laune verfliegt direkt und ich habe nur Augen für sie. Sie steht mit dem Rücken zu mir und lässt sich gerade einen Kaffee – besser gesagt ihre Zuckerbombe – raus und plaudert mit Ocean.

Sie lacht laut auf und mein Herz setzt einen Schlag aus. Sie gehört an diese Academy. Das erkenne ich schon nur an ihrer Ausstrahlung, die sich über die Monate so erhellt hat. Sie hat hier ihren Platz gefunden und ist regelrecht aufgeblüht. Ich will nicht das Arschloch sein, der ihr das wegnimmt.

Nachdem was mit ihren Eltern passierte, war sie am Boden zerstört und ich glaube es ist der Academy und dessen Leute hier zu verdanken, dass sie sich wieder aufrappeln konnte und weitermacht. Sie braucht das. Und was ich brauche, ist, sie so glücklich zu sehen.

Je länger ich sie anschaue, desto klarer wird mein Kopf. Ich gebe ihr und mir noch dieses Wochenende. Dieses Wochenende, in dem wir aus der Stadt sind, wo uns niemand kennt und ich mein Mädchen so haben kann wie ich es will. Danach aber ist Schluss. Auch wenn es scheiße ist, ist es zu ihrem Besten.

Kapitel 3

Unser Partywochenende kann losgehen! Ich habe alles bis ins letzte Detail durchgeplant und organisiert. Hotel, Clubs, Restaurant, Reservierungen, alles ist gebucht. Laut den Reisebloggern, die ich gerne verfolge, soll das Hotel das Beste der Stadt sein und wenn wir schon unterwegs sind, will ich auch gut essen. Man sagt schließlich nicht umsonst, dass keine Liebe aufrichtiger ist als die Liebe zum Essen. Natürlich habe ich auch da etwas recherchiert und die Restaurants mit den besten Bewertungen herausgepickt und Tische für uns reserviert. Ich kann es schon jetzt kaum erwarten dort zu sein, aber leider dauert es noch zwei Tage bis Freitag ist. So wie ich das liebe Universum kenne, ziehen sich diese beiden Tage bestimmt enorm in die Länge und es wird eine Ewigkeit dauern bis wir losfahren.

Mit Cyrus habe ich mich auch wieder eingekriegt. Ich musste ihm den Namen des Hotels nennen und die Clubs, die wir besuchen wollen. Er meinte es würde ihn beruhigen, wenn er weiß, wo ich mich aufhalte. Ich dachte mir, dass es nur fair ist, wenn ich ihm all die Daten angebe. Ich wäre vermutlich nicht anders und wäre ständig in Sorge um ihn.

Trotz seiner Fürsorge wirkt er aber etwas distanziert mir gegenüber und ich frage mich, woran das liegt. Ich habe ihm all die Daten, die er wissen wollte, angegeben, also soll er sich endlich langsam lockern und nicht so überreagieren. Es handelt sich nur um ein Wochenende für mich und Ocean. Alle Zeit danach werden wir dann wie gewohnt weiterleben. Außerdem verbringe ich meine sonstige gesamte Freizeit mit ihm. Dass er mich nicht langsam satthat, ist auch ein Wunder, wenn ich bedenke wie nervig ich manchmal sein kann.

Er könnte die Zeit auch etwas schlau nutzen und mal was mit seinen Freunden – falls er überhaupt welche hat – machen. Klar würde ich mich auch daran stören, wenn er in einen Club geht, denn ich bin sehr besitzergreifend, aber ich würde ihn nicht davon abhalten. Wenn ich ausgehen darf, darf er das letztendlich auch.

Ich jogge gerade meine Runde und versuche mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Mir war es wichtig, dass ich wieder öfter laufen gehe, da es mir immer guttat und ich meine ständigen Gedanken für einen Moment beiseiteschieben kann. Obwohl ich versuche regelmäßig zu joggen, ist meine Ausdauer miserabel. Bereits nach wenigen Metern habe ich zu keuchen angefangen und ich bin mir sicher, dass ich mich spätestens jetzt wie ein Elefant mit verstopftem Rüssel anhöre.

Ich steuere gerade auf das Gilford-Haus zu, da ich meistens eine Runde drumherum mache und dann zurück zum Alcott-Haus laufe. Es ist die perfekte Strecke. Weder zu kurz noch zu lang.

Als ich hinter das Gebäude laufe, erkenne ich dort einige Schüler. Sie sitzen auf den Gartenmöbeln, die sie haben und um die beneide ich sie echt. Mein Blick schweift über die Gruppe, die an und für sich nichts Außergewöhnliches ist. Eben einfach Studenten, die draußen sitzen, aber einer dieser Studenten kommt mir bekannt vor. Als ich diesen Haarschopf der richtigen Person zuordnen kann und mir auffällt, wer es ist und was die Person da gerade macht, stolpere ich beinahe über meine eigenen Füße.

Wut brodelt in mir auf und ich kann nicht fassen, was ich da sehe. Ich muss nicht lange nachdenken, als meine Füße schon auf die Person zumarschieren und ich ihn mit der Hand an der Schulter anremple.

Er und das Mädchen auf seinem Schoß schauen mich gleichzeitig an und sein Gesicht wird kreidebleich. Das Mädchen geht augenblicklich runter von Nicolas und eilt schnell davon. Besser für sie, denn sie hätte ich kaltgemacht, wenn ich mit diesem Arschloch fertig bin.

«Kiara, w-was machst du hier?»

«Was ich hier mache? Die Frage ist wohl eher was du bis eben noch mit diesem Mädchen gemacht hast, du untreues Schwein!» Ich brülle die letzten Worte praktisch raus, weil ich nicht fassen kann, dass Nicolas Ocean betrügt.

Er wirkte nie wie jemand, der so etwas tun würde, weshalb ich zutiefst schockiert bin. Es ist mir auch total egal, dass ich vor dieser Gruppe hier eine Szene mache, aber diesem betrügenden Arschloch muss man die Leviten lesen. «Bitte erzähl Ocean nichts davon. Ich werde es nie wieder tun», versichert er, was mich noch wütender macht. «Ich soll es Ocean, meiner besten Freundin, nicht erzählen? Du hast verkackt Nicolas, gewaltig verkackt und wenn du nicht ein totales Arschloch bist, gestehst du ihr selbst, was du getan hast.» Er schaut etwas verloren auf seine Hände und seufzt leise auf. «Okay, ich werde mit ihr reden», meint er nun. «Ich warne dich Nicolas. Wenn du bis zum Abend nicht mit ihr geredet hast, dann sage ich es ihr», warne ich und setze zum Gehen an, als mir noch etwas weiteres einfällt, was ich loswerden will. «Und deinem Seitensprung kannst du ausrichten, dass sie sich schämen soll. Sie wusste bestimmt, dass du vergeben bist und man vergreift sich nicht einfach an die Männer anderer», zische ich und laufe dieses Mal wirklich davon. Das ist doch einfach scheiße, also echt. Nicolas wirkte auf mich immer so aufrichtig und wie er Ocean immer angeschaut hat, so liebevoll und fürsorglich. Dass er sich traut, so etwas zu tun, fällt mir echt schwer zu glauben. Daran merkt man, dass von denen, wo man nie schlecht denken würde, einen mit so etwas umhauen können.

Ich hoffe bloß, dass ich Ocean nicht begegne, denn wenn ich sie sehe, kann ich es nicht einfach so für mich behalten. Dann muss ich ihr sagen, was ich gesehen habe. Es ist das, was eine beste Freundin nun mal tut. Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Abend früher oder später in einem Meer aus Tränen enden wird.

Ich sitze gerade an meinem Arbeitstisch und versuche eine Lösung für Aufgabe 3 zu finden. Ich studiere diese Gleichung schon seit 15 Minuten und verstehe einfach nicht, welcher Idiot entschieden hat, dass in Mathe Buchstaben reingehören. Es ist Mathe, da geht es um Zahlen. Da hat dieses X und das Y einfach nichts verloren. Wieso muss ich überhaupt wissen wie viel X ergibt? Soll es doch so viel ergeben, wie es will. Wir leben in einer Welt, in der man sein kann, was man will. Von mir aus soll es sich als Mann mittleren Alters mit Haarausfall identifizieren.

Frustriert werfe ich meinen Stift auf den Tisch und lehne mich seufzend an die Lehne meines Stuhls. Vielleicht sollte ich Cyrus um Hilfe bitten. Er ist Professor, er kann sowas bestimmt mit Leichtigkeit erklären. Ich greife also nach meinem Handy und texte ihm eine Nachricht.

Hey Six, kannst du mir bitte Mathe erklären? Ich verstehe diese eine Aufgabe einfach nicht und bin frustriert deswegen.

Ich lege mein Handy wieder weg und schaue mir die Aufgabe noch einmal an, sehe aber nur noch ein Wirrwarr vor mir. Ich gebe es auf, ich schaffe es nicht alleine. Mein Handy vibriert und ich schaue sofort nach, ob Cyrus geschrieben hat.

Tut mir leid Nine, ich hab alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen für den Unterricht.

Was für eine Abfuhr… Autsch. Dann lass ich es einfach bleiben für heute.

Es klopft an meiner Tür und ich stehe auf. Noch bevor ich die Tür aufmache, ahne ich bereits, wer es sein könnte und was passiert ist. Langsam öffne ich sie einen Spalt breit und vor mir sehe ich genau das, was ich erwartet habe. Ocean steht vor mir und kämpft mit ihren Tränen. Ich sage nichts, öffne die Tür etwas weiter und lasse sie in meine Arme laufen. Ich drücke meine beste Freundin an mich und die Tränen, die sie bis eben noch zurückhielt, lässt sie laufen und heult Rotz und Wasser.

Ich fühle mich echt mies gerade. Es tut weh sie so zu sehen. Für gewöhnlich ist Ocean so lebendig, quasselt immer extrem viel und hat eine frohe Natur. Wenn ich aber herausgefunden hätte, dass mein Freund mich betrogen hat, wäre ich auch so niedergeschlagen. «Komm rein Süße und mach‘s dir gemütlich.» Sie schluchzt einmal auf und wischt sich ihre Tränen von den Wangen. Das hat sie nicht verdient. Ocean ist zu allen immer nett, ist immer ehrlich und aufrichtig. Nicolas hat definitiv die Falsche betrogen und das wird er schon noch erkennen. Man weiß erst, was man hatte, wenn man es verloren hat.

«Wie konnte er mir das antun, Kiki?» Ihre Stimme bricht am Ende des Satzes, als frische Tränen über ihre Wangen fließen. «Hör zu Süße, das Leben kann eine verdammte Bitch sein. Ich kann verstehen, dass du jetzt traurig bist, aber bitte vergiss nie, dass du etwas Besseres verdient hast. Irgendwo da draußen wartet der eine Mann