Hillarya - Bina Botta - E-Book

Hillarya E-Book

Bina Botta

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Beschreibung

Hillarya: Die zweite Insel der Coopers hält einige Überraschungen bereit: Nur verheiratete Paare dürfen die Inselidylle bewohnen, was aber noch lange kein ruhiges und gesittetes Zusammenleben garantiert. Im Gegenteil: Der Verzicht auf Technik, die viele Freizeit in paradiesischer Umgebung und die Ungezwungenheit verleiten zu manch unüberlegter Handlung. Das müssen auch Irma und Robin Newton am eigenen Leib erfahren. Eigentlich wollte sich Robin von seinem stressigen Job in einer renommierten Anwaltskanzlei erholen, doch die erhoffte Ruhe währt nicht lange.

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Buch

Hillarya: Die zweite Insel der Coopers hält einige Überraschungen bereit: Nur verheiratete Paare dürfen die Inselidylle bewohnen, was aber noch lange kein ruhiges und gesittetes Zusammenleben garantiert. Im Gegenteil: Der Verzicht auf Technik, die viele Freizeit in paradiesischer Umgebung und die Ungezwungenheit verleiten zu manch unüberlegter Handlung. Das müssen auch Irma und Robin Newton am eigenen Leib erfahren. Eigentlich wollte sich Robin von seinem stressigen Job in einer renommierten Anwaltskanzlei erholen, doch die erhoffte Ruhe währt nicht lange.

Autorin

Bina Botta, geboren 1977, lebt mit ihrer Familie am Zürichsee. Als ausgebildete Geomatikerin ist die Faszination für Gebäude ein fester Bestandteil ihres Lebens. Die Freude an Büchern begleitet sie schon seit ihrer Kindheit. Mit viel Fantasie hat sie die Inselwelten erschaffen: Harmonya ist ihr Erstlingswerk. Das Wesentliche zu erkennen, sich in der Gemeinschaft auszutauschen und den Fortschritt kritisch zu beobachten, war der Anfang ihrer Inselgeschichten. Die Begeisterung, Gedanken in Worte zu fassen und weiterzugeben, das ist ihr Antrieb.

Hillarya ist ihr zweiter Roman, eine Fortsetzung folgt.

erotisch – fesselnd - unerwartet

Inhaltsverzeichnis

1. NEUE WELT

2. VERGANGENES

3. UNERWARTETES

4. ALTES UND NEUES

5. HOCHZEIT

6. GEMEINSAMKEITEN

7. LOSLASSEN

8. GEHEIMNISSE

9. VERGLEICHE

10. INSELLEBEN

11. PAARZEIT

12. WEGGABELUNG

13. SCHICKSALE

14. AUFBRUCH

15. NEUES LEBEN

16. ZUKUNFTSMUSIK

1. NEUE WELT

Das Meer warf kleine Wellen an den Strand und Max ging zufrieden auf das Boot zu. Sein braun gebranntes Gesicht verlieh ihm etwas Verwegenes, seine schlaksige Statur ließ nicht erahnen, wie kräftig er dennoch war. Sein braunes Haar stand wild vom Kopf ab, den Hut hielt er fest in der Hand.

Er genoss die Ruhe und dachte an sein lautes Zuhause. Kurz blitzte ein schlechtes Gewissen auf, weil er seine Frau Bethy mit den Zwillingen allein gelassen hatte.

Doch dann dachte er daran, dass er mit einem üppigen Fang wohl mehr für die Gemeinschaft tat, als wenn er zu Hause den Babysitter gab.

Und Bethy war ja nicht allein. Lillibeth war bestimmt froh, ihr helfen zu können.

Er fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare und blinzelte in die Sonne. Das Wetter war herrlich und er freute sich auf ein paar ruhige Stunden auf dem Meer.

Seit fast zwei Jahren lebten sie nun schon auf der Insel Harmonya und er genoss jeden Angelausflug. Meistens unternahm er diese allein. Das passte ihm ganz gut, denn damals auf dem Festland war er als Farmer auch auf sich allein gestellt gewesen.

Er löste das Boot vom Steg und stieg geübt ein. Dann startete er den kleinen Motor und tuckerte gemächlich davon.

Das Leben von damals schien ihm sehr weit weg. Da hatten sie noch keine Kinder gehabt und er hatte sich beinahe zu Tode geschuftet. Und das nicht einmal auf der eigenen Farm. Der Herzinfarkt schien ebenfalls eine Ewigkeit her zu sein und er schob die dunkle Erinnerung beiseite.

Das türkisblaue Wasser kräuselte sich am Bug des Bootes und warf kleine Wellen zur Seite. Der Himmel war wolkenlos und königsblau.

Er lächelte, als er an sein jetziges Leben dachte. Fernab der Zivilisation, ohne Strom, ein einfaches Leben in der Natur. Glücklich streckte er sein Gesicht der Sonne entgegen und atmete tief den herrlichen Duft des Meeres ein.

Es war noch früh am Morgen, aber die Sonnenstrahlen wärmten bereits sein Haar.

Seine schlanke Gestalt ließ vermuten, dass er viel für sein Aussehen tat. Doch er hatte das Glück, gute Gene zu haben, denn er hasste jede sportliche Betätigung. Seine Grundfitness erlangte er allein durch die Bewegung im Alltag.

Außerdem aß er viel Fisch und Gemüse. Mit Junkfood konnte Max nichts anfangen. Alles, was in viel Öl gebraten wurde, ekelte ihn an. Sein Herz hüpfte vor Freude, wenn er einen frisch gefangenen Fisch mit Kräutern und Salz würzte und über dem Feuer garte.

Jede Woche fuhr er aufs Meer hinaus und wurde von Mal zu Mal geschickter.

Letzte Woche hatte er mit Robert ein paar Dutzend Fechterschnecken gefangen, und heute wollte er einen reichen Fang für das Dorf nach Hause bringen.

Er lebte in Alpha, der ersten auf Harmonya gegründeten Gemeinschaft.

Dieses besondere Inselprojekt verblüffte Max noch immer. Im Großen und Ganzen gelang ihnen das Leben in der Wildnis ganz gut. Na gut, es war keine richtige Wildnis. Sie hatten eine einfache, aber doch zweckmäßige Infrastruktur.

Jede Familie bewohnte ein Tiny House. Fünf dieser Minihäuser waren mit einem Gemeinschaftsraum verbunden. So hatte jedes Paar oder jede Familie einen kleinen privaten Bereich und lebten doch eng in einer Gemeinschaft.

Seit die Zwillinge auf der Welt waren, schätzten sie diesen Aspekt besonders. Es war immer jemand da, der die kleinen Schreihälse beruhigen konnte oder die nötige Energie für einen Spaziergang aufbrachte.

Dass es keinen Strom gab, störte nach zwei Jahren niemanden mehr. Man gewöhnt sich erstaunlich schnell an neue Gegebenheiten, dachte Max und steuerte das Boot weiter hinaus.

Der Mensch scheint sehr anpassungsfähig zu sein, auch wenn er auf Luxus und Komfort verzichtet. Und die, die es nicht geschafft hatten, in dieser Einfachheit ihr Glück zu finden, waren nach einem Jahr zurück aufs Festland gekehrt.

Max fand es einfach genial auf Harmonya. Er vermisste nichts und niemanden. Sein Leben hier empfand er als großes Geschenk und er war dankbar, dass seine Frau das ebenso sah.

Das Boot glitt über die kleinen Wellen und er wusste genau, wo heute der richtige Angelplatz dafür war.

Er dachte an Bethy und die Zwillinge und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

Dass er endlich eine Familie hatte, erfüllte ihn mit Stolz. Lange hatten sie sich in Geduld üben müssen, aber jetzt hielten Finn und Lynn sie ganz schön auf Trab.

Mit ihren zehn Monaten krabbelten sie überall auf dem Boden herum und erkundeten mit großen Augen die Inselwelt. In ein paar Jahren würde er die Kinder mit zum Angeln nehmen, das würde ein Spaß werden, dachte er zufrieden.

Dass Bethy schon nach kurzer Zeit wieder in Erwartung war, hatte ihn fast umgehauen. Er hatte nicht geglaubt, dass sie mit ihren achtunddreißig Jahren so schnell nochmals schwanger werden könnte.

Jahrelang hatten sie auf Nachwuchs gehofft, und nun mussten sie aufpassen, dass sie nicht in ein paar Jahren eine Baseballmannschaft hatten.

Doch nun war es so und schon bald würde er dreifacher Vater sein. Was für ein Glück, dachte er und stellte den Motor ab.

Er setzte den Anker, schob die Gedanken an seine Familie beiseite und nahm die Netze in die Hand. Mit Schwung warf er sie gekonnt aus und sah zu, wie sie sanft im Meer versanken. Dann streckte er die Beine aus und schloss die Augen.

Das Boot schaukelte gemächlich hin und her und Max atmete tief durch. Er freute sich auf ein paar ruhige Stunden auf See, und dann –

Ein leises Brummen ließ ihn aufschrecken. Irritiert blickte er in den klaren Himmel.

Ein mittlerweile ohrenbetäubender Lärm kam auf ihn zu. Das muss ein Hubschrauber sein, dachte er und schaute sich um. Wenig später ratterte tatsächlich der erste metallene Vogel auf die Nachbarinsel zu.

Insgesamt waren es fünf Hubschrauber, an jedem hing ein riesiger Container. Gebannt schaute Max zu, wie sie langsam über der Insel kreisten. Der Lärm war nun kaum noch auszuhalten.

„Jetzt geht’s los“, flüsterte er und zog langsam seine Netze wieder ein. Es hatte keinen Sinn, bei dem Lärm auf einen Fang zu warten.

Kurz spürte er Ärger in sich aufsteigen, denn ihm wurde klar, dass dieser perfekte Angelplatz wohl nicht mehr lange ‚sein‘ Platz sein würde. So nah an der zweiten Insel würde er bestimmt bald Gesellschaft von den neuen Insulanern bekommen.

Er zog den Anker ein und fuhr zurück nach Harmonya. Er dachte an Tom und schüttelte lächelnd den Kopf. Dieser Tausendsassa konnte seinen Ruhestand einfach nicht genießen. Immer musste er ein Projekt aushecken, und nun schien die Bebauung der zweiten Insel in vollem Gange zu sein.

Doch genau diesem Mann hatte er es zu verdanken, dass er und Bethy ein glückliches Leben auf einer wunderschönen Insel führen konnten.

Anthony winkte energisch und hielt mit einer Hand seinen Helm fest. Als könnte ihn diese kleine Kopfbedeckung aus Plastik vor einem schnellen Tod bewahren, dachte Tom, der ein paar Meter neben ihm stand und das Geschehene aufmerksam verfolgte.

Er liebte diese Aufregung, die seinen ganzen Körper zu durchfluten schien.

Eigentlich hatte er sich vor zwei Jahren auf der Nachbarinsel Harmonya zur Ruhe setzen wollen.

Lange hatte er es allerdings nicht ausgehalten. Er brauchte den Kick, etwas Neues zu erschaffen.

Schon damals auf dem Festland, als er in der Immobilienbranche ein stattliches Vermögen angehäuft hatte, musste er immer Neues anzetteln.

Sein schwarzes Haar lugte seitlich unter dem Helm hervor, und man konnte nur ein paar weiße Strähnen erkennen.

Da er immer in Bewegung war, wurde er oft auf fünfzig geschätzt, obwohl er schon einundsechzig war. Er wirkte fit und strahlte eine Fröhlichkeit aus, die jeden in seinen Bann zog. Seine braunen Augen blickten wie die eines Teddybären zufrieden in die Welt.

Breitbeinig und groß gewachsen stand er da und blickte zufrieden auf die Baustelle hinunter. Die Palmwedel wehten hin und her und die Bauarbeiter zogen kräftig an den Seilen. Die Betonfundamente waren trocken und warteten auf ihre Bestimmung.

Anthony lief wild gestikulierend hin und her und schrie den Arbeitern Anweisungen zu.

Dann senkte sich langsam der erste Hubschrauber und mit vereinten Kräften zogen und zerrten sie das erste Tiny House an seinen Platz.

Nach zwei Stunden stand das erste ‚Kleeblatt‘, vierblättrig, wohlverstanden.

Anthony strahlte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine grünen Augen leuchteten vor Freude und er nahm seinen Helm ab.

Sein kurzes braunes Haar war plattgedrückt und ein wenig verschwitzt. Seine schmale, gerade Nase verlieh ihm ein aristokratisches Aussehen.

„Das könnte funktionieren“, sagte Tom zufrieden und nahm auch seinen Helm ab. In seinen Ohren rauschte es immer noch und er war froh, dass die Hubschrauber wieder auf dem Weg zum Festland waren.

Augenblicklich kehrte Ruhe ein und die Palmen standen wieder still vor ihnen.

Von oben betrachtet sahen die vier Tiny Houses fast wie ein Kreuz aus: In der Mitte befand sich der quadratische Gemeinschaftsraum und im rechten Winkel ragte jeweils ein Minihaus davon weg.

Anthony faltete den Plan auseinander und schien in Gedanken versunken zu sein. Tom wusste, dass er mit seinem Werk nicht ganz zufrieden war. Aber manchmal musste man sich wohl oder übel mit einer schwierigen Situation arrangieren. Und hier hatten sie einfach keine andere Wahl gehabt.

Auf Harmonya war der Platz für die Bebauungen einfacher und viel großzügiger gewesen. Dort hatten sie fünf statt vier Tiny Houses pro Wohngruppe bauen können. Und das Herzstück, der Gemeinschaftsraum, erstrahlte dort kreisrund. Was Anthony für sein Meisterwerk hielt.

Hier waren die Verhältnisse viel beengter und schwieriger. Überhaupt war Hillarya nicht mit Harmonya zu vergleichen. Diese Insel war viel kleiner und üppiger bewachsen. Doch dadurch würde auch die Bevölkerung viel bescheidener ausfallen.

Anthony seufzte und deutete auf den quadratischen Gemeinschaftsraum.

„Glaubst du, dass diese kleine Küche und die wenigen Sitzgelegenheiten ausreichen werden?“

„Bestimmt! Hier werden ja nur acht Leute wohnen. Und sieh dir die vier großzügigen Verandas an! Anthony, hier spielt sich das Leben hauptsächlich draußen ab, schon vergessen? Und du hast an jedem Eingang genügend Fensterflächen hinzugefügt. Vier Meter Sonnenschein pro Seite sollten ausreichen, um den Raum hell und freundlich wirken zu lassen.“

Anthony nickte und strich sich über den Dreitagebart. Seine Wangen wirkten etwas eingefallen, obwohl er schier ununterbrochen aß.

„Stimmt, drinnen werden wohl die Betten am meisten beansprucht werden“, sagte Anthony grinsend.

Tom schnappte nach Luft und lachte.

„Zum Glück ist alles wie am Schnürchen gelaufen. Morgen kann ich einziehen“, sagte Anthony und ging an seinem Boss vorbei.

„Schade, dass du nicht verheiratet bist, … oder möchtest du mir etwas sagen?“, erkundigte sich Tom und sah seinen Architekten interessiert an.

„Schon gut, ich hab’s verstanden“, Anthony winkte ab und setzte sich auf den nächsten Hocker. Er nahm eine Tüte hervor und biss genüsslich in ein Brötchen.

„Wenn du nur essen kannst“, sagte Tom lachend.

„Arbeiten macht hungrig“, verteidigte sich Anthony und nahm einen weiteren Bissen.

„Hast du Yvonne gesehen?“

Tom blickte sich verwundert um. „Sie wollte doch auch dabei sein, und ich habe sie heute noch nicht auf der Baustelle gesehen.“

Anthony schüttelte den Kopf.

„Nein, sie wollte noch mit Tina die Bewerbungen der Inselbewohner durchsehen.“ Er strahlte und lächelte Tom zufrieden an.

„Immer noch schwer verliebt, wie ich sehe?“

„Kann man so sagen. Wie am ersten Tag“, antwortete Anthony und hielt ihm die Tüte mit den Brötchen hin. Tom schüttelte den Kopf und blickte wieder auf die Baustelle hinab. Die Arbeiter zogen die letzten Schrauben fest und der Staub legte sich allmählich.

„Komm, lass uns gehen. Es gibt noch viel, viel, viel zu tun! Wir wollen doch, dass Hillarya bald bezugsbereit ist“, sagte Tom und zog Anthony auf die Beine.

Etwas widerwillig legte er die Tüte auf den Tisch und folgte seinem Boss zu den Häusern.

In der Mitte befand sich nun der noch leere Gemeinschaftsraum. Dann ragte auf jeder Seite ein Rechteck weg. Tom hatte die Form an ein vierblättriges Kleeblatt erinnert, weshalb er immer von seinen Glückshäusern sprach.

Pro ‚Kleeblatt‘ gab es für vier Paare ein neues Zuhause. Noch wirkten die Gebäude etwas fremd in dieser grünen Oase. Aber das würde sich bald ändern, wenn Yvonne die Gemüsegärten angelegt hatte. Dann würde es wild um die akkuraten Häuser wuchern und sich alles perfekt in die Landschaft einfügen.

„Sind unsere Männer noch auf der Baustelle?“, fragte eine blonde Frau, die an eine Elfe erinnerte. Mit ihrer zierlichen Statur und den langen, gewellten Haaren hatte sie tatsächlich etwas Märchenhaftes an sich. Yvonne blickte von ihren Unterlagen auf und lächelte.

„Ich glaube schon. Sie werden bald hier sein. Tony wird am Verhungern sein“, antwortete sie lachend und schrieb weiter in ihre Notizen.

Tina trat ins Haus und schloss die Verandatür hinter sich. Der Wind war stärker geworden und sie sah besorgt aus.

„Hoffentlich zieht kein Sturm auf“, flüsterte sie mehr zu sich selbst.

„Sie werden bald zurück sein, glaub mir“, sagte Yvonne und stand auf. „Ich denke, jetzt sind alle Häuser vergeben“, fuhr sie fort und sah Tina zufrieden an.

Diese schien in Gedanken ganz woanders zu sein und blickte angespannt aus dem Fenster.

„Komm schon, keine Zeit zum Trübsal blasen. Ich freue mich schon auf die neuen Bewohner.“

Tina lächelte gequält und folgte Yvonne in die Küche.

„Glaubst du wirklich, dass es dieses Mal besser funktioniert?“, fragte Tina und öffnete den Kühlschrank. Sie nahm Gemüse aus der untersten Schublade und drehte sich zu Yvonne um. Die sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an und erwartete wohl eine Ergänzung. „Stimmt doch! So viele Turbulenzen wie dort wünsche ich euch hier nicht. Oder hast du es schon vergessen?“

Yvonne flocht sich energisch einen Zopf aus ihren langen, glatten blonden Haaren und beobachtete, wie Tina das Gemüse klein schnitt.

„Möchtest du etwa andeuten, dass Harmonya ein Misserfolg ist?“, fragte sie, da Tina keine Anstalten machte, ihre Bedenken weiter auszuführen. Yvonne lehnte an der Küchenarbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust.

Auf den ersten Blick hätten es Mutter und Tochter sein können. Beide Frauen hatten lange blonde Haare, blaue Augen und waren eher klein und zierlich.

Doch sie waren nicht miteinander verwandt, nur Geschäftspartnerinnen.

„Vor allem, wenn man bedenkt, dass du eigentlich dort wohnst“, fügte Yvonne hinzu und begann, Reis zu kochen.

„Ich glaube nur, dass euer Plan, nur verheiratete Paare als Inselbewohner zu akzeptieren, auch nicht das Gelbe vom Ei ist“, erwiderte Tina und würzte das Gemüse. „Gut, dass ihr hier Strom habt, dann muss ich heute nicht draußen im Regen kochen“, wechselte sie abrupt das Thema und blickte aus dem Fenster, das bereits vom Regen nass war.

„Aber Harmonya funktioniert doch tadellos, frag doch mal deine Nachbarn, wenn du das nächste Mal dort bist. Oder bist du nur neidisch, weil es auf Hillarya etwas luxuriöser ist?“, fragte Yvonne erstaunt und begann den Tisch zu decken.

„Vielleicht hast du Recht“, antwortet Tina leise und genoss es, das heutige Essen in einer ‚richtigen‘ Küche zuzubereiten. Das Kochen über dem Feuer ging ihr langsam, aber sicher auf die Nerven. Andauernd roch alles nach Rauch: Ihre Kleider, ihre Haare und sogar auf ihrer Haut konnte sie den penetranten Geruch noch im Bett riechen.

„Du kannst ja Tony heiraten, dann reserviere ich euch ein Haus“, fuhr Yvonne fort und beobachtete die Wirkung ihrer Worte.

Tina schien in Gedanken versunken zu sein.

In diesem Moment öffnete sich die Tür und zwei durchnässte Männer betraten den Raum.

„Gibt es etwas zu essen?“, fragte Anthony hoffnungsvoll und schüttelte seine Haare wie ein Hund. Tom nahm dankbar das Handtuch seiner Frau entgegen und rubbelte sich die Haare trocken.

Es hätte Vater und Sohn sein können, schoss es Yvonne augenblicklich durch den Kopf. Beide großgewachsen und dunkelhaarig. Einzig Toms breites Gesicht passte nicht zu Anthonys feinen Gesichtszügen.

„Die ersten Glückshäuser stehen!“, fuhr Tom feierlich fort und setzte sich erwartungsvoll an den Tisch. „In zwei Monaten sollten alle Häuser stehen. Dann können die neuen Bewohner die Insel bevölkern.“

„Anthony King“, sagte Tina laut und gefasst, alle blickten sie erwartungsvoll an. Seinen vollen Namen benutzte sie nicht oft. Nur, wenn es Ärger gab oder etwas sehr Wichtiges anstand.

Tina räusperte sich und kniete sich vor ihm nieder. „Anthony King, willst du mich heiraten?“

2. VERGANGENES

Das Haus war blitzblank geputzt und Linda sah sich zufrieden um. Sie streckte sich genüsslich und schüttelte dann ihren braunen Lockenkopf.

Ihre sportliche Figur strahlte Aktivität aus. Die spitze Nase verlieh ihrem Gesicht etwas Ernsthaftes. Doch wenn sie lächelte, wurden ihre Gesichtszüge freundlich und ihre rehbraunen Augen funkelten.

Schwungvoll nahm sie das Tuch vom Haken und lief auf die Veranda.

„Bringst du noch einen Stuhl mit raus?“, rief sie über die Schulter und blickte auf den See.

Es hatte geregnet und nun lag die Landschaft wie verwaschen vor ihr. Die Bäume ließen ihre Äste hängen und das Gras glitzerte in den ersten Sonnenstrahlen des Morgens. Es war noch etwas frisch und sie überlegte, ob sie eine Strickjacke holen sollte.

Da sie aber noch ein paar Dinge rund ums Haus erledigen wollte, entschied sie sich dagegen und begann, die beiden Stühle und den Tisch abzutrocknen.

Sie erschrak, als wie aus dem Nichts ein Eichhörnchen über die Wiese flitzte und auf den nächsten Baumstamm sprang. Lächelnd beobachtete sie den flinken Nager und hielt einen Moment inne. Tiefe Lachfältchen zeichneten sich um ihre Augen ab.

Bald würde er eintreffen und sie spürte, wie die Aufregung in ihr hochstieg.

„Es kommt nur ein Vertreter Gottes, … nicht vom Gesundheitsamt“, sagte George und stellte den Stuhl neben Linda. Er schnaufte und rieb sich den Rücken.

Mit seiner stattlichen Größe von einem Meter neunzig berührte sein Kopf beinahe das Dach der Veranda. Das Haus war definitiv für kleinere Bewohner gebaut worden. Seine grauen Augen musterten amüsiert seine Frau.

Linda wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf ihm einen empörten Blick zu.

„Ich mag es ordentlich, … besonders wenn endlich mal Besuch kommt.“

„Ich mein‘ ja nur, bei uns ist es auch sonst sehr sauber und aufgeräumt“, sagte er und setzte sich auf den soeben mitgebrachten Stuhl.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“ Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften und schaute ärgerlich auf ihren Mann hinunter. „Hopphopp, hast du in deiner Werkstatt nicht noch etwas aufzuräumen?“, fügte sie hinzu und zog ihn hoch.

„Da geht er bestimmt nicht rein, das ist mein Reich. Und soweit ich weiß, ist er nicht gerade der König der Handwerker“, entgegnete George und schlurfte mit hängenden Schultern davon.

Im nächsten Moment hörten sie, wie sich ein Auto auf dem Kiesweg näherte und liefen eilig ums Haus herum. Ein blauer Kastenwagen fuhr vor und ein glatzköpfiger Mann stieg aus.

Freudestrahlend sah er sich um.

Linda ging mit großen Schritten an George vorbei und landete in einer herzlichen Umarmung.

Lucas umschloss sie mit seinen starken Armen. Linda spürte, dass sein Bauch wohl etwas zugelegt hatte, seit ihrer letzten Umarmung.

Dann lösten sie sich und sahen sich gerührt an. Linda musste sich eine Träne wegwischen.

„Hallo, mein Bruder“, mischte sich nun George ein und klopfte dem Besucher freundschaftlich auf die Schulter. Dieser fasste ihn am Arm und zog ihn ebenfalls in eine innige Umarmung. „Soso, du hast wohl etwas zugelegt, seit unserem letzten Treffen“, meinte George grinsend.

„Jaja, ich weiß, das Essen auf der Insel ist nicht nur gesund. Zu viel Brot und zu wenig Bewegung, fürchte ich.“ Seine blauen Augen funkelten und er strich sich verlegen über den ergrauten Bart.

„Den hast du dafür etwas gestutzt, wie ich sehe“, warf Linda lachend ein und führte ihren Gast auf die Veranda.

„Schön habt ihr es hier“, sagte Lucas und blickte sich neugierig um.

„Und aufgeräumt“, ergänzte George und gab Linda einen leichten Klaps auf den Po.

Lucas schritt gemächlich über das nasse Gras zum Steg hinunter und blickte gedankenverloren auf den spiegelglatten See.

Linda folgte ihm und blieb eine Armlänge hinter ihm stehen. Lucas drehte sich um und sah, dass George oben beim Haus geblieben war und sich hingesetzt hatte.

„Ich weiß nichts über ihn und werde dir auch nichts erzählen“, flüsterte er zwischen den Zähnen und lief wieder zum Haus hinauf.

Linda schaute beschämt auf den See und dachte über seine Worte nach.

Ihren Fehltritt, wie sie es in Gedanken nannte, konnte sie einfach nicht ungeschehen machen.

Seit über einem Jahr waren sie nun schon hier am Lake Conway, und nun holte sie ihre verruchte Vergangenheit wieder ein.

Die Tatsache, dass Lucas ihre außereheliche Affäre auf Harmonya so detailreich miterlebt hatte, legte sich wie ein dunkler Schatten auf ihre fröhliche Stimmung.

Er war es gewesen, der sie wieder auf den rechten Weg gelenkt hatte. Seine Fähigkeiten als Pastor waren dabei sicherlich hilfreich gewesen.

Energisch schüttelte Linda ihre schulterlangen braunen Locken. Sie wollte alles vergessen und es interessierte sie nicht im Geringsten, wo er war und was er tat. Hoffte sie, zumindest.

„Ich denke, wir brauchen ein Gästezimmer“, sagte George und sah Linda herausfordernd an. Sie zog die Augenbrauen hoch und fragte: „Für welche Gäste?“

„Na ja, wenn die Kinder öfter kommen, ist es doch nicht ideal, wenn sie im Wohnzimmer auf einer Luftmatratze schlafen, findest du nicht? Oder wenn Lucas mal über Nacht bleiben möchte.“

„Die kommen so selten, da ist es egal, wo sie schlafen. Die sind noch jung!“

„Und wenn sie mit einem Partner kommen? Willst du sie dann beim Liebesakt in unserem Wohnzimmer überraschen?“, fragte George und kratzte sich am Kinn. „Nein, ich werde etwas organisieren und in einer Woche sollte es bezugsfertig sein“, sagte er entschlossen und ging zu seinem Wagen.

Sie schüttelte den Kopf und dachte, er hätte nun den Verstand verloren.

In einer Woche baute man kein Zimmer an, geschweige denn, an ihr verwinkeltes Häuschen.

Sie beobachtete, wie er vom Gelände fuhr und machte sich Sorgen, dass er mit einem Stapel Holz ankommen würde und sie Tag und Nacht daran arbeiten müssten. Vor dem Wintereinbruch hatte sie wahrlich noch viel im Garten zu tun und wollte nicht an irgendeinem Anbau werkeln.

Doch als George am Abend zurückkam, grinste er über das ganze Gesicht, obwohl sein Pick-up nichts geladen hatte.

„Hast du bei James nichts gefunden?“, fragte sie misstrauisch und blickte auf die leere Ladefläche.

„Und ob! Das Werk wird morgen geliefert“, antwortete er und lief beschwingt ins Haus.

Lautes Hupen ließ Linda aufhorchen und sie erhob sich. Ihre Knie schmerzten vom Herumkriechen im Garten und sie war dankbar für eine Pause.

Im Vorbeigehen streifte sie mit dem Arm den üppigen Rosmarinstrauch und schloss kurz die Augen. Dieser Duft betörte sie noch immer, und sie schüttelte energisch den Kopf, um die verbotene Erinnerung zu vertreiben.

Sie ging hastig um das Haus herum, und blieb mit offenem Mund stehen. George stand bereits vor dem Unterstand und winkte fröhlich dem Besucher zu.

Ein riesiges, hellgrünes Wohnmobil fuhr vor und hielt neben Georges Pick-up.

James stieg lächelnd aus.

„Was sagst du?“, richtete er das Wort an Linda und sah sie fragend an.

„Sie weiß es noch nicht“, warf George ein und nahm seine Frau in den Arm. „Das ist unser neues Gästezimmer“, frohlockte er.

Sie sah ihn erstaunt an und überlegte, ob sie diese Idee für verrückt oder genial hielt. „Und es wird auch noch anderweitig genutzt!“, fügte George stolz hinzu und ging auf das Vehikel zu.

Er öffnete die Tür und sagte feierlich: „Darf ich vorstellen: Frog, unser Winterdomizil für den wohlverdienten Urlaub.“

Linda warf einen Blick hinein und fand das Interieur schon mal außergewöhnlich.

„Und da drinnen werden wir dann erfrieren?“, fragte sie und zog sich die Treppe hinauf ins Innere.

„Natürlich nicht, meine Liebe. Wir fahren in einem Monat los und genießen drei Monate die Sonne Floridas!“, antwortete er und strahlte sie zufrieden an.

„Und unsere Hühner?“

„Die nimmt Beatrice und überwintert sie! Schon alles organisiert!“

Sie sah sich um und staunte über die luxuriöse Ausstattung.

„Aber warum dieses knallige Grün?“, fragte sie und strich sich eine Locke hinters Ohr.

„Das war der einzige Haken an diesem Schnäppchen: Ein Kunde hatte es in dieser sehr auffälligen Farbe bestellt und weil es ihm schlussendlich doch nicht gefiel, bestellte er ein anderes Modell, farblich weniger gewagt“, fügte George mit einem Achselzucken hinzu.

Linda sah sich um und fand auch, dass die Farbe Grün sehr domminierte. Dann schritt sie hindurch und sah ein großes Bett, ebenfalls mit grüner Bettwäsche.

„Gut, die können wir austauschen“, sagte George eifrig und öffnete die Tür zum Badezimmer.

Hier waren sogar die Armaturen grün und Linda fragte sich, was diese Spezialanfertigung wohl gekostet hatte. Alles schien vom Feinsten zu sein und sie strich mit der Hand über die hochwertige, glatte Oberfläche.

„Mit ein wenig Deko, … in einer anderen Farbe, wird es schon noch schöner“, beschwichtigte George und stieg in die Dusche. „Sogar groß genug für mich!“ Grinsend tat er so, als würde er sich die Haare schamponieren. Bei seiner beachtlichen Größe war das in der Tat nicht alltäglich, in einem fahrbaren Badezimmer wohlgemerkt.

Sie sah ihn lächelnd an und spürte, wie eine ungeahnte Freude in ihr aufstieg. Jetzt mussten sie nicht den langen Winter hier am See verbringen und tonnenweise Schnee schippen, nein, sie würden am Strand spazieren gehen und die Sonne genießen.

„Das ist eine großartige Idee, vielen, vielen Dank“, sagte sie und küsste ihn unter der trockenen Dusche.

Seit Tagen campierte er am Ufer und hoffte, sie endlich zu finden. Sein kleiner dunkelgrüner Van war wie geschaffen für diese Mission. In jeder noch so kleinen Mündung konnte er ihn parken und die gedeckte Farbe verschwand fast vollständig im Dickicht.

Es war ein herrlicher Morgen, der leise den bevorstehenden Winter ankündigte. Der Boden war leicht gefroren und über dem See hingen feine Nebelschwaden.

Ein Spinnennetz, kunstvoll zwischen zwei Ästen gespannt, glitzerte im Morgenlicht und Kim streckte sich genüsslich aus.

Seine dunkelblonden Locken standen ihm vom Kopf ab. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die schulterlangen Haare und versuchte, sie zu bändigen.

Dann nahm er einen Pullover vom Sitz und zog ihn sich über. Im Wagen war es angenehm warm gewesen, aber hier draußen fröstelte er. Das Oberteil spannte über seinem durchtrainierten Body.

Er wollte sich gerade einen Kaffee kochen, als er in einiger Entfernung eine Bewegung im Dickicht wahrnahm.

Gespannt spähte er zwischen den Tannen hindurch und stellte fest, dass sich tatsächlich jemand näherte. Die hüpfende Bewegung verriet ihm, dass es sich wahrscheinlich um einen morgendlichen Jogger handeln musste.

Er überlegte kurz, ob er sich in den Van zurückziehen sollte, doch irgendeine unsichtbare Macht schien ihn genau dort haben zu wollen, wo er stand. Er rieb sich das Gesicht und beobachtete gebannt, wie sich die Person näherte.

Das leuchtende Rot verschwand immer mal wieder hinter den Bäumen, und jetzt wurde er etwas nervös.

Was, wenn sie es war? Nach all dem Hoffen könnte seine lange Suche in wenigen Sekunden zu Ende sein.

Er strich mit den verschwitzten Händen über seine Jogginghose und richtete sich auf. Sein Puls beschleunigte sich. Er kniff die grauen Augen leicht zusammen und versuchte zu erkennen, wer sich ihm näherte.

Dann starrte er ungläubig vor sich hin. Braune Locken wippten auf und ab, und plötzlich blieb die Joggerin etwa 20 Meter vor ihm abrupt stehen.

Ihre rehbraunen Augen blickten erschrocken in seine Richtung, und sie ließ erschöpft die Arme sinken.

Er lächelte und breitete seine Arme aus. Sie schüttelte instinktiv den Kopf und stand stocksteif da.

Er gab ihr einen Moment und wartete geduldig. Obwohl sein Herz wild gegen seinen Brustkorb pochte, lehnte er sich lässig an den Van und behielt sie fest im Blick. Er hoffte, dass sie seine Anspannung nicht bemerkte.

Sie schien nachzudenken und wartete noch immer. Dann strich sie sich mit beiden Händen über das Gesicht, vielleicht in der Hoffnung, dass sie damit seine Erscheinung wegwischen konnte?

Doch er stand wie ein Fels in der Brandung und beobachtete sie angespannt.

Plötzlich setzte sie sich in Bewegung und ging mit zaghaften Schritten auf ihn zu.

„Hallo Linda“, sagte er freundlich und lächelte sie an.

„Du hier?“, fragte sie zögernd und versuchte zu verbergen, dass sie schon seit Wochen wusste, dass er in der Nähe war. Das Buschtelefon funktionierte in diesem Kaff hervorragend.

Sie blieb etwa fünf Meter vor ihm stehen und sah ihn mit großen Augen an. Er lächelte und musterte sie genauer. Sein Lächeln wurde noch breiter und er nickte zufrieden.

„Wow, du siehst klasse aus!“, sagte er und sie blickte verlegen auf den weichen Waldboden.

Sie hatte wieder angefangen, sich die Haare zu färben, was ihm anscheinend sofort aufgefallen war, denn er sagte: „Ohne die grauen Strähnchen siehst du gleich zehn Jahre jünger aus.“

Verlegen strich sie sich eine Locke hinters Ohr und überlegte fieberhaft, was sie erwidern sollte. „Und deine Fitness scheint auch nicht nachgelassen zu haben“, fügte er beeindruckt hinzu. „Sexy, deine durchtrainierten Beine.“

Sie blickte auf und fand, dass er noch genauso aussah wie auf der Insel. Seine grauen Augen funkelten sie an, und sie fragte sich, was er wollte.

„Weshalb bist du hier?“, platzte sie heraus und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Warum fühlte sie sich in seiner Gegenwart immer wie ein unsicherer Teenager? Es ärgerte sie und sie erschrak, als er plötzlich einen Schritt auf sie zukam.

„Ich wollte dich sehen, Liebling“, sagte er leise und breitete wieder seine Arme aus.

Sie schüttelte heftig ihre braunen Locken und trat einen Schritt von ihm zurück.

Wie gern hätte er seine Hände in ihrer wunderschönen Mähne vergraben, schoss es ihm durch den Kopf. Dann drehte er sich abrupt um und ging um den Van herum.

„Kaffee?“, wechselte er das Thema und öffnete die beiden hinteren Türen des Wagens.

Sie beobachtete fasziniert, wie er sich im Inneren des Wagens zu schaffen machte. Dann ging sie ein paar Schritte auf den offenen Bereich zu und sah, wie er in einer improvisierten Küche kleine Schubladen öffnete und wieder schloss.

„Leider keine Bohnen mehr da. Möchtest du einen Tee?“, er drehte sich zu ihr um und lächelte verführerisch.

Sie stand jetzt eindeutig zu nah bei ihm, denn sie roch seinen herben Duft und spürte dieses vertraute Ziehen in der Magengegend.

Ihr Verstand rief lautstark, dass sie genau jetzt verschwinden sollte, schnell, so schnell sie nur konnte. Doch ihr Körper blieb wie angewurzelt stehen.

Er sah ihr tief in die Augen und trat einen Schritt näher. Sie wollte weg, weg von ihm, und doch wollte ein kleiner Teil von ihr bleiben.

Sie atmete schwer und versuchte, ein belangloses Gespräch zu beginnen, aber ihr Gehirn schien keine Befehle mehr entgegenzunehmen, geschweige denn auszuführen.

Ihr Mund öffnete sich leicht, in der Hoffnung, dass doch noch etwas Geistreiches herauskommen würde, doch da kam er noch näher.

„Deine braunen Augen verzaubern mich immer noch, mein Liebling“, flüsterte er und schon lagen seine weichen Lippen auf ihren.

Sie keuchte auf, wollte ihn wegstoßen, aber ihr Körper schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, nicht im Einklang mit ihrem Verstand.

Sie öffnete den Mund, und ihre Zunge berührte verzückt die seine. Etwas Vertrautes umschlang sie und zog sie in einen berauschenden Bann.

Er nahm sie in seine starken Arme und drehte sie geschickt zum Van um. Seine Hände schienen überall zu sein und sie stöhnte wohlig auf. Jede Faser ihres Körpers wollte ihn und sie genoss seine Lippen auf ihrer Haut.

Dann umfasste er ihren Po und hob sie mühelos auf die Küchenzeile des Wagens.

Sie spürte das glatte Holz unter sich und erinnerte sich im Bruchteil einer Sekunde an das erste Mal mit ihm, im Vorratsschuppen auf der Insel. Dort hatte er sie ebenso mühelos auf einen Getreidesack gehoben - sie konnte nicht weiterdenken.

Ihr Herz schlug heftig gegen seins und sie spürte, wie erregt er war. Er presste sie fester gegen das Holz und sie konnte seine Männlichkeit durch die Jogginghose spüren.

„Oh Linda“, raunte er in ihr Ohr und sie verfluchte innerlich ihre Sportleggings. Der dünne Stoff schien wie eine Barriere der Vernunft zwischen ihnen zu sein. Ihre Hand glitt in seine Hose und er stöhnte auf.

„Warte“, sagte er keuchend und löste sich kurz von ihr. In Windeseile hatte er ihr die Leggings ausgezogen, und stand nun ebenfalls unten ohne vor ihr.

Seine Augen glühten vor Verlangen und sie zog ihn gierig an sich. Ihre Beine waren weit gespreizt und so glitt er mühelos in sie hinein.

Sie klammerte sich an seine Schultern fest und hob ihr Becken an. Alles um sie herum schien unwichtig, er war mit einem Male ihr ganzes Universum.

Er keuchte, hielt mit einer Hand ihren Hintern fest und knetete mit der anderen ihre pralle Brust. Sie stöhnte und spürte die Erlösung heranrollen. Er hielt sie noch fester und füllte sie gierig aus, bis sie laut aufstöhnte und zusammenzuckte.

Nach ein paar Stößen keuchte auch er auf und stand dann laut schnaufend da. Sie küsste ihn und öffnete langsam die Augen.

Der dunkelgrüne Tannenwald irritierte sie im ersten Moment. Sie hatte eher damit gerechnet, unter Palmen zu sein.

Dann schaute sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an und ihr dämmerte allmählich, was sie da gerade getan hatten.

Er nahm zärtlich ihren Kopf in seine Hände und sah sie liebevoll an.

„Wie ich das vermisst habe, … dich!“, flüsterte er und zog sich langsam von ihr zurück.

Da saß sie nun mit weit gespreizten Beinen und schämte sich bis auf die Knochen. Schnell sprang sie von der Küchentheke und suchte nach ihren Kleidern.

„Möchtest du jetzt einen Tee?“

Sie blickte ihn verwirrt an und zog sich rasch Höschen und Leggings an. Er stand nun ebenfalls wieder angezogen vor ihr und lächelte sie an.

Sie konnte es nicht fassen, er fand es anscheinend überhaupt nicht verstörend, was hier gerade passiert war.

„Ich … kann … nicht“, stotterte sie und fuhr sich energisch durchs Haar. Hastig sah sie sich um, ob sie auch niemand beobachtet hatte. Er machte einen Schritt auf sie zu, doch sie wehrte ihn vehement ab.

„Nein, Kim!“, sagte sie entschlossen und lief um den Van herum.

„Was ist los? Du wolltest es doch auch, … mich“, sagte er und sah sie verletzt an.

Es brach ihr fast das Herz. Er sah so herzzerreißend aus, dass sie ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre. Doch nun schien ihr Verstand endlich wieder zu arbeiten und sie schüttelte traurig den Kopf.

„Es geht nicht. Ich … ich kann … nicht“, sie blickte niedergeschlagen auf den Boden.

Kleine Pilze reihten sich um einen Baumstamm und sie fragte sich instinktiv, ob diese Sorte essbar sei.

Ihre Gedanken schweiften ab, als wolle sie das Geschehene nicht wahrhaben.

Er räusperte sich und riss sie aus ihren selbstversorgenden Überlegungen.

„Ich dachte, du hast mich auch vermisst. Es fühlte sich gerade eben so an“, fuhr er trotzig fort.

Plötzlich wusste sie selbst nicht mehr, wie das gerade passiert war. Ihre Locken flogen hin und her, und sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. „Hast du mich nicht auch vermisst?“, fragte er leise und sah sie erwartungsvoll an.

Sie hob den Blick und wusste nicht, was sie sagen sollte.

Wenn sie im Garten Tomaten erntete, wenn sie Kräuter für die Mahlzeiten pflückte, immer dann sehnte sich jede Faser ihres Körpers nach ihm.

Aber wenn sie mit George lachend am See saß, diskutierte und über die Welt philosophierte, wenn sie abends in seinen Armen lag und seinen vertrauten Duft einatmete, dann vermisste sie Kim nicht.

„Es ist nicht so einfach“, antwortete sie und zuckte hilflos mit den Schultern.

„Warum? Liebst du mich oder nicht?“ Erschöpft setzte er sich auf den Hocker neben dem Van und beobachtete sie.

War das Liebe, was sie für ihn empfand? Oder nur pure Begierde? Sie überlegte und dachte an die vielen schlaflosen Nächte der letzten Monate.

Oft lag sie nachts wach und dachte über die Vergangenheit nach. George schien ihr Fiasko besser vergessen zu können, oder er tat zumindest so.

Er brachte das Thema Insel nie auf den Plan und fühlte sich anscheinend wohl damit.

In den letzten Monaten, hier in Conway, war er regelrecht aufgeblüht.

Sie dagegen spürte ab und zu ein Ziehen im Magen. War es die Sehnsucht nach der Insel, nach dem herrlichen Klima oder doch das Verlangen nach Kim? Sie redete sich immer wieder ein, dass sie ihn nicht lieben konnte.

Sie hatten zu wenig Gemeinsamkeiten, und dann war da noch der Altersunterschied. Fast zwanzig Jahre, sie könnte seine Mutter sein!

Aber warum empfand sie in seiner Gegenwart eine unbeschreibliche Leichtigkeit, die sie sonst nie verspürte?

Wenn er seine starken Arme um sie schloss, hüpfte ihr Herz und sie fühlte sich so begehrenswert und jung.

„Linda, bist du noch da?“, riss er sie aus ihren Gedanken und stand wieder auf.

„Es geht einfach nicht! Ich bin mit George verheiratet und lebe mit ihm hier, … wie du sicher weißt“, antwortete sie zaghaft und merkte, dass sie nicht überzeugend klang.

„Na und? Du scheinst aber alles andere als glücklich mit ihm zu sein.“

Sie hob die Augenbrauen und sah ihn erstaunt an. „Ich habe dich in der Stadt beobachtet“, fügte er hinzu, und sie spürte, wie Wut in ihr aufstieg.

„Was bildest du dir ein!“, schrie sie und schüttelte ungläubig den Kopf, „dass du einfach so in mein neues Leben eindringen, herumschnüffeln und alles kaputt machen kannst?“

Er wollte einen Schritt auf sie zu machen, aber sie vergrößerte den Abstand, indem sie ein paar Schritte rückwärtsging.

Er blieb stehen und sah sie eindringlich an. Lässig schob er die Hände in die Hosentaschen und holte tief Luft.

„Wenn du so glücklich und zufrieden bist, warum hast du dann gerade mit mir gevögelt?“

Sie weitete die Augen und funkelte ihn wütend an.

„Ich … ich“, begann sie, aber ihr fiel keine befriedigende Antwort ein.

„Ich spüre doch, dass da noch etwas zwischen uns ist. Wir könnten jetzt gleich in den Van steigen und ein neues Leben beginnen, zusammen, wenn du willst.“

Sie überlegte kurz nach und fragte stattdessen: „Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier am Conway Lake bin?“

Der abrupte Themenwechsel schien ihn nicht zu irritieren, denn er grinste sie an und sagte nur ein Wort: „Steven.“

Sie dachte nach, und ihre Beine wurden schwer.

Er hatte also ihren Sohn kontaktiert und ausspioniert, wo sie jetzt wohnte. Langsam ließ sie sich auf den Boden gleiten und setzte sich.

Die herabgefallenen Tannennadeln hatten einen weichen Untergrund geschaffen, auch wenn ab und zu eine Nadel durch ihre Leggings stach.

„Ich wusste nur, wohin eure Post geht, aber nicht, wo genau ihr wohnt“, fügte er hinzu und sah auf sie hinab. „Ich habe es versucht, … ohne dich. Aber es geht nicht“, flüsterte er, als spräche er davon, dass er ohne Auto nicht leben könne. „Ich liebe dich immer noch.“

Sie sah ihn an und bereute es im selben Augenblick. Seine Augen leuchteten so voller Sehnsucht, dass sie beinahe schwach wurde.

„Ich kann nicht.“

Er räusperte sich und fragte: „Kannst du nicht oder willst du nicht?“

Sie überlegte und ihre Gedanken rasten wieder. Ihr Atem ging schwer und sie wünschte sich … was?

„Liebst du mich denn gar nicht mehr?“

Sie zuckte mit den Schultern und blickte auf den See.

Da sah sie in der Ferne ein kleines Fischerboot im Nebel auftauchen. Panisch sprang sie auf die Füße.

„Ich will nicht!“, antwortete sie hastig und rannte davon, auf demselben Weg zurück, den sie gekommen war.

Er sah ihr erstaunt nach. Dann entdeckte auch er das kleine Boot auf dem See und strich sich enttäuscht übers Gesicht.

Linda lief so schnell sie konnte und schaute nach einer Weile keuchend zurück. Er folgte ihr nicht, und sie war froh, dass sie nun an einigen Häusern vorbeikam.

So konnte er auf die Schnelle nicht herausfinden, in welchem Haus sie wohnte. Bei Joey stieg sogar eine kleine Rauchsäule aus dem Schornstein empor, und Sophie hatte sie auf dem Steg gesehen.

Gut, dachte sie, dass ein paar ihrer Nachbarn da waren. Eilig lief sie weiter. Noch ein paar Meilen und sie hätte es geschafft.

Sie war froh, dass man ihren Weg von der Straße aus nicht sehen konnte und fragte sich immer und immer wieder, wie das hatte passieren können. Sie schüttelte ihre Locken und blickte konzentriert geradeaus.

„Hallo Linda“, rief jemand und sie sah, dass Michael die Hand zum Gruß hob.

Er wusch gerade seinen Pick-up und stand mit dem Schlauch in der Hand in der Einfahrt.

„Hallo“, rief sie ihm keuchend zurück.

Dann erreichte sie die Abzweigung zu ihrem Haus und war erleichtert, dass es nicht mehr weit bis zur Dusche war.

Sie sprintete um den Zaun herum und öffnete die Tür. Zum Glück war sie nie abgeschlossen und sie musste nicht erst den Schlüssel hervorkramen, was sie mit ihren zitternden Händen wohl nicht so leicht gekonnt hätte.

In der Diele suchte sie verzweifelt nach dem Autoschlüssel. Dann sah sie Georges Hut und hob ihn auf. Da lag er, und sie nahm ihn und schloss hastig die Haustür ab.

Dann lief sie ins Wohnzimmer und schloss auch die Verandatür ab, dann die Küchentür. Erst dann ging sie ins Badezimmer und zog sich hastig aus.

Die verschwitzten Sachen stopfte sie zuunterst in den Wäschekorb und stellte sich unter die Dusche.

Mit viel Seife und Shampoo versuchte sie, seinen Geruch abzuwaschen.

Als sie mit geschlossenen Augen unter dem Wasserstrahl stand, hörte sie, wie jemand heftig an die Tür hämmerte.

Erschrocken blickte sie auf, und ihr Herz klopfte heftig. War es möglich, dass er sie so schnell gefunden hatte?

Gut, er hatte einen Wagen und musste nicht laufen wie sie. Aber war es möglich, dass er ihr Haus in so kurzer Zeit gefunden hatte?

Wieder hörte sie lautes Hämmern und drehte das Wasser ab. Dann griff sie nach einem Handtuch und rubbelte notdürftig die Locken trocken.

Sie wickelte es anschließend um ihren Körper und spähte vorsichtig aus dem Badezimmer.

Ein weiterer heftiger Schlag gegen die Tür ließ sie zusammenzucken. Langsam ging sie ins Wohnzimmer und erblickte ihn auf der Terrasse.

Er grinste breit und winkte ihr zu.

Erleichtert atmete sie aus und trat näher.

„Warum ist die Tür verschlossen?“, fragte George und zeigte ihr stolz seinen Fang.

„Ich war unter der Dusche“, gab sie knapp zurück und ließ ihn herein.

„Das sehe ich“, antwortete er und lief in die Küche. „Ein Prachtsfang, nicht wahr?“, fuhr er fort und legte das tote Tier auf die Küchenablage.

Sie sah ihm nach und nickte nur.

„Ich ziehe mich an“, erwiderte sie knapp und ging ins Schlafzimmer. Er blickte sich um.

Dann ging er ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich.

Er hatte den Van vom Boot aus gesehen. Zum Glück hatte er immer sein Fernrohr dabei.

Mit pochendem Herzen hatte er hindurchgeschaut und einen Mann auf einem Hocker sitzen gesehen. Linda hatte er nicht ausmachen können, doch der Kerl hatte große Ähnlichkeiten mit dem Arsch von der Insel.

George hatte das Boot so schnell wie möglich zum heimischen Steg gefahren, und jetzt wollte er Gewissheit.

Verstohlen schaute er sich um und sah, dass die Dusche noch nass war. Dort konnte er unmöglich etwas finden.

Er griff in den Wäschekorb und durchwühlte die schmutzige Wäsche. Ihre Joggingsachen waren nicht zu sehen.

Komisch, dachte er, und leerte den ganzen Korb auf den Boden. Da lagen nun ihre verschwitzten Sachen vor ihm und er überlegte kurz. Wollte er es wissen oder nicht? Er griff nach ihrem Höschen und hielt es sich an die Nase.