Harmonya - Bina Botta - E-Book

Harmonya E-Book

Bina Botta

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Beschreibung

Harmonya: Eine Insel ohne Technik wird das Zuhause einer bunt zusammengewürfelten Gemeinschaft. Keine störenden Smartphones, Computer oder Fernseher. Stattdessen weisse Sandstrände, eine grüne Oase und jede Menge Zeit. Der Trend zum Minimalismus, die raffinierten Tiny Houses und die Aussicht auf ein Leben in Harmonie locken auch Linda Green und ihren Mann George auf die Insel. Jetzt wo die Kinder aus dem Haus sind, wagen sie einen neuen Lebensabschnitt. Doch die Inselidylle wird für sie zu einer ungeahnten Herausforderung.

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Buch

Harmonya: Eine Insel ohne Technik wird das Zuhause einer bunt zusammengewürfelten Gemeinschaft. Keine störenden Smartphones, Computer oder Fernseher. Stattdessen weiße Sandstrände, eine grüne Oase und jede Menge Zeit. Der Trend zum Minimalismus, die raffinierten Tiny Houses und die Aussicht auf ein Leben in Harmonie locken auch Linda Green und ihren Mann George auf die Insel. Jetzt wo die Kinder aus dem Haus sind, wagen sie einen neuen Lebensabschnitt. Doch die Inselidylle wird für sie zu einer ungeahnten Herausforderung.

Autorin

Bina Botta, geboren 1977, lebt mit ihrer Familie am Zürichsee. Als ausgebildete Geomatikerin ist die Faszination für Gebäude ein fester Bestandteil ihres Lebens. Die Freude an Büchern begleitet sie schon seit ihrer Kindheit. Mit viel Fantasie schuf sie die Inselwelten. Das Wesentliche zu erkennen, sich in der Gemeinschaft auszutauschen und den Fortschritt kritisch zu beobachten, waren der Beginn ihrer Inselgeschichten. Die Begeisterung, Gedanken in Worte zu fassen und weiterzugeben, das ist ihr Antrieb.

Harmonya ist ihr erster Roman, eine Fortsetzung folgt.

Inhaltsverzeichnis

LINDA GREEN

TOM COOPER

YVONNE COOPER

GEORGE GREEN

KIM JONES

ANTHONY KING

TINA BELINO

ENTSCHEIDUNG

WEITERE BEWOHNER

AUFBRUCH

ABSCHIEDE

LUCASCARTER

ÜBERFAHRT

ANKUNFT

ERSTER INSELTAG

BEGEGNUNGEN

NEUE HEIMAT

VERSTECKSPIELE

STÜRMISCHE ZEITEN

VERÄNDERUNGEN

BEOBACHTUNGEN

VERWIRRUNGEN

NEUE WEGE

VERGEBUNG

1. LINDA GREEN

Was brauche ich überhaupt wirklich? Wäre es die richtige Entscheidung?

Linda wickelte ihr schulterlanges, krausen Haar um den Finger und schon kreisten ihre Gedanken wieder und leise Zweifel machten sich breit. Seit Tagen spukte dieser Gedanke, diese verrückte Idee in ihrem Kopf herum! Was ein paar Zeilen im Internet auslösen konnten. Eigentlich wollte sie schon ins Bett gehen, als ihr diese magische Anzeige richtiggehend ins Auge sprang:

Bist DU auf der Suche nach Harmonie? Möchtest DU dich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren und dein digitales Leben hinter dir lassen? Kannst DU deine materielle Existenz auf ein Minimum reduzieren? Möchtest DU wieder die Natur spüren, dein wahres ICH erleben und an einem faszinierenden Ort neu anfangen? Dann melde Dich bei UNS!

Was steckte wohl dahinter? war es Linda durch den Kopf geschossen. Und doch fühlte sie sich ungemein angesprochen. Eine leise Sehnsucht meldete sich in ihr. Ja, sie wünschte sich mehr Harmonie in ihrem Leben. Es war ja nicht so, dass sie in einem Kriegsgebiet lebte. Aber hier und da wünschte sie sich mehr Frieden in ihrer kleinen Welt, und in der großen Welt sowieso. Diese Welt, die in jeder Zeitung, in jedem Fernseher und auf Tausenden von Internetseiten über so viel Elend und Leid berichtete - und das rund um die Uhr. Alle paar Minuten konnte man von Flugzeugabstürzen, Waldbränden, blutigen Demonstrationen, Amokläufen und anderen Verbrechen lesen. Ihr schwirrte oft der Kopf ab all dem Unglück. Und was hatte sie damit zu tun? Brauchte sie diese globale Vernetzung wirklich? Musste sie von jedem Busunglück in Indien, jeder Schussverletzung in Brasilien oder jeder Naturkatastrophe auf dieser Erde Kenntnis haben? Zum Preis dafür verlor sie ihre direkten Nachbarn aus ihrem Blickwinkel!

Mister Bennet zum Beispiel, der vor einiger Zeit einen Herzinfarkt erlitten hatte und sie erst viel später davon erfuhr. Zu spät, um sich noch an Genesungswünsche zu machen. Doch was rund um die Welt passierte, checkte Linda alle paar Stunden auf ihrem Smartphone.

Ja, sie wäre bereit für ein Leben ohne diese digitale Informationsflut und mehr Harmonie!

Der zweite Satz des Inserats: Möchtest DU dich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren und dein digitales Leben hinter dir lassen? Was sollte wichtig sein im Leben? Lebt und fühlt sie die wirklich wichtigen Dinge in ihrem Leben? Ihr Mann, ihre Kinder, ihre Katze, ihre Freunde, ihr schönes Zuhause und vieles mehr waren ihr wichtig. Aber konzentrierte sie sich auch darauf? Oder lebte sie an all dem einfach vorbei, vom Strom mitgerissen? Sich auf etwas zu konzentrieren bedeutete, seine ganze Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten. Gelang ihr das? Minutenweise sicher. Aber spielte sich ihr Leben in ein paar Minuten am Tag ab, ihr wirklich wichtiges Leben? Und was machte sie in der verbleibenden Zeit?

Schon sah sie sich wieder auf ihr Smartphone starren oder den Fernseher einschalten. Die Langeweile durfte nicht mehr langweilig sein. Jede Minute wurde man von der Welt des Internets berieselt. War das Internet das Wichtigste in ihrem Leben? Ein klares Nein schoss ihr sofort durch den Kopf.

Warum verbrachte sie dann so viel Zeit damit? Obwohl sie mit einer tollen Familie, einer verschmusten Katze und einem wunderbaren Zuhause gesegnet war, verbrachte sie ihre kostbare Zeit viel zu oft im Internet. Sie schämte sich dafür und fragte sich, wie es dazu kommen konnte. Wann genau hatte das Internet die Kontrolle über ihr Leben übernommen? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern.

Dann der Satz: Kannst DU dein materielles Dasein auf ein Minimum reduzieren? Sie besaß so viele Dinge, dass es ihr manchmal den Atem verschlug. Jeder Schrank war bis zum Bersten gefüllt und sie schleppte ständig neue Sachen nach Hause. Die Schnäppchen aus China und weiß sonst woher, standen verlockend in den Geschäften und verführten zum Kauf. Sie hätte gerne ihr Hab und Gut auf ein Minimum reduziert, doch ihr fehlte der Mut - noch.

Der nächste Satz berührte ihr Herz: Möchtest DU wieder die Natur spüren, dein wahres ICH erleben und einen Neuanfang an einem faszinierenden Ort beginnen? Ein lautes JA schoss ihr durch den Kopf. Sie liebte es, draußen zu sein! Das war schon in ihrer Kindheit so gewesen. Beim ersten Aufkeimen des Frühlings hatte sie ihre Picknickdecke unter den Arm geklemmt und die Natur erkundet. Von früh bis spät verbrachte sie ihre Freizeit auf dem Spielplatz, im nahen Wald oder einfach am Bach. Erst als die Straßenlaternen ihren Dienst begonnen hatten, war sie schweren Herzens nach Hause getrottet.

Ach, sie hatte fast vergessen, wieviel Zeit sie draußen verbracht hatte, vor vielen, vielen Jahren! In der Natur fühlte sich Linda wohl, die frische Luft, die verschiedenen Pflanzen, die artenreiche Tierwelt und das wechselhafte Wetter. Das stärkte sie und gab ihr einen inneren Frieden. Ein Waldspaziergang konnte bei ihr, wahre Wunder vollbringen.

Und wie war sie wirklich? Wer war sie und was machte sie aus? Sie war gelernte Bäckerin und jetzt Familienfrau, aber war das ihr wahres Ich oder ihre aktuelle Rolle? Es war ihre selbstgewählte Aufgabe für viele Jahre, aber sie musste es nicht gezwungenermaßen sein - oder? Wer war sie? Definierte sie sich über ihre Charaktereigenschaften, ihr Aussehen oder ihre Träume? War sie das, was sie tat, dachte oder fühlte? Oder doch etwas ganz anderes? Wie und wo fand sie ihr wahres Ich?

So vieles in dieser kleinen Anzeige verlangte nach Antworten. Was steckte dahinter?

Ihre Neugier trieb sie weiter und so hatte sie beschlossen, das geheimnisvolle Inserat anzuklicken.

Plötzlich öffnete sich ein neues Fenster auf ihrem Bildschirm und sie erhielt eine Einladung:

Du möchtest mehr erfahren? Wir freuen uns über dein Interesse und bitten dich, einen kurzen Fragebogen wahrheitsgemäß auszufüllen. Wir melden uns dann bei dir.

Was sprach schon dagegen? Vielleicht war alles nur ein Scherz oder eine mysteriöse Werbung? Doch Lindas Bauchgefühl hatte sie weiter getrieben. Und so hatte sie gewissenhaft die Antworten in die leeren Kästchen geschrieben:

1. Welchen Beruf übst du derzeit aus und welche Ausbildung(en) hast du abgeschlossen? Ich bin Familienfrau und habe eine Ausbildung als Bäckerin.

2. Wohnst du gerne in der Stadt?Nein.

3. Hast du Einschränkungen beim Essen? Nein.

4. Wie alt bist du? 48 Jahre.

5. Was sind deine Gaben und Fähigkeiten? Ich bin kreativ, hilfsbereit, kann gut backen und kochen, bin humorvoll und ein Organisationstalent.

6. Kannst du dir ein Leben ohne Internet und technische Geräte vorstellen? JA!

7. Wärst du bereit, deinen jetzigen Wohnort zu verlassen? Ja.

8. Kannst du gut im Team arbeiten? Ja.

9. Bist du gerne und bei jedem Wetter in der Natur? JA.

10. Mit wem würdest du eine längere Reise unternehmen? Mit meinem Mann.

11. A. Lebst du in einer Beziehung? Ja, ich bin seit 24 Jahren verheiratet. B. Wenn ja: Was arbeitet dein/e Partner/in? Mein Mann ist Lehrer.

12. Sind Luxusgüter (z.B. alkoholische Getränke, erlesenes Essen, Designerklamotten, teure Möbel und schnelle Autos) für dich wichtig? Nein.

13. Hättest du das nötige Kapital von 50‘000 Dollar zur Verfügung oder könntest es dir besorgen? Ja.

Nach der letzten Antwort war der Fragebogen wie von Zauberhand vom Bildschirm verschwunden und es stand:

Vielen Dank für Deine Antworten, wir melden uns bei Dir.

Schon beschlich sie das Gefühl, sie hätte ausführlicher antworten sollen! Rein intuitiv hatte sie einfach ihre ersten Gedanken eingetippt. Hätte sie sich vielleicht mehr Zeit nehmen sollen? Bekam sie nochmals eine Chance? Eine Chance auf was? Sie wusste ja nicht einmal, was sich hinter diesem geheimnisvollen Inserat verbarg!

Ein kleiner Teil von ihr hoffte auf Erleuchtung. Wollte sie wirklich ihr Leben auf den Kopf stellen? Ihr bequemes und organisiertes Leben für etwas Unbekanntes umkrempeln? Und wofür brauchte man diese stattlichen 50‘000 Dollar?

Wollte man sie abzocken oder war das sozusagen der Eintrittspreis in dieses neue Leben? Jedenfalls würde sie eine so hohe Summe nicht einfach irgendwohin überweisen, wahrscheinlich auf ein Konto auf den Cayman Inseln.

Ach, sie würde sich jetzt zurücklehnen und die Antwort abwarten, vielleicht war ja alles doch nur ein Marketing-Gag.

Linda verbrachte die nächsten Tage mit verschiedenen Aktivitäten. Sie brauchte Ablenkung und stellte fest, dass ihr Haus dringend eine Entrümpelungsaktion benötigte. Besonders ihren Kleiderschrank musste sie von vielen ungetragenen Kleidungsstücken befreien. Seit sie wieder ihre alte Figur zurückerobert hatte, stapelten sich zu viele Stoffteile im Schrank, die ihr nicht mehr passten. Jedes Mal, wenn sie einen Pullover oder ein Shirt herausziehen wollte, stürzte ihr ein Kleiderberg entgegen. Allein dafür benötigte Linda einige Tage. Am Ende stellte sie fest, dass ihre Garderobe mehr Farbe vertragen könnte. Alles war in Erdtönen gehalten und gefiel ihr überhaupt nicht. Sie wunderte sich, dass sie jahrelang wie eine graue Maus herumgelaufen war. Aber vielleicht würde sich das mit einem neuen Lebensabschnitt ändern.

Mit ihrer stattlichen Größe von einem Meter achtundsiebzig war Linda schon immer ein Blickfang gewesen, deshalb hatte sie wahrscheinlich auf zu knallige Kleidungstücke verzichtet.

Doch würde ihr wahres Ich nicht gerne mehr Farbe tragen? Ihr brauner Lockenkopf machte die Sache nicht einfacher, denn bei jedem Schritt wippte das Haar fröhlich auf und ab. Und doch spürte Linda beim Blick auf ihren geordneten Kleiderschrank, wie Traurigkeit in ihr aufstieg.

Sie liebte alles, was bunt und schrill war und nun schämte sie sich, nicht zu ihrem wahren Stil stehen zu können. Hatte sie Angst, auf der Straße ausgelacht oder angestarrt zu werden?

Linda lebte eher zurückgezogen und stand nicht gerne im Mittelpunkt. Aber musste man deshalb auf bunte Kleidung verzichten?

Schon oft hatte sie fasziniert die Menschenmassen beobachtet, die durch ihren Vorort zogen. Bei indischen Hochzeiten gab es kein zu bunt. Alles glitzerte und man spürte, wie die Sonne beim Anblick der wunderschönen Roben im Herzen aufging. Was für ein Zauber das immer war und Linda fühlte sich jedes Mal wie magisch angezogen. Die vielen fröhlichen Menschen in den grellen Gewändern und alle mit einem Lächeln im Gesicht.

Doch was würden ihre Nachbarn sagen, wenn sie in einem pinkfarbenen Kleid einkaufen ginge? Man würde sie für verrückt erklären und über sie tratschen.

Wieder schweiften ihre Gedanken zum Inserat zurück und ihre Anspannung stieg. Sie spürte, wie sie sich im Alltag immer wieder dabei ertappte, sich zu fragen, ob das zu ihrem inneren Ich passte oder nicht. Und die Erkenntnis, dass viele ihrer Entscheidungen nichts mit ihrem inneren Ich zu tun hatten, enttäuschte sie. Es war ein schleichender Prozess, als sie merkte, dass sie wie eine fremdgesteuerte Marionette durch ihr Leben lief.

Dann löste sich die Anspannung mit einer Nachricht in Lindas Mailbox. Mit pochendem Herzen klickte sie darauf und las:

Herzlichen Glückwunsch Linda, wir laden dich zu einem persönlichen Gespräch nach Boston ein. Wenn du immer noch interessiert bist, melde dich bitte bei der untenstehenden Telefonnummer und vereinbare einen Termin.

Nun war ihre Neugierde erst recht geweckt und mit zittrigen Fingern tippte sie die Telefonnummer in ihr Smartphone. Eine freundliche Frauenstimme nannte ihr zwei Termine für ein Vorstellungsgespräch noch in dieser Woche.

„Du hast wirklich Glück, Linda“, sagte die angenehme Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. „Eigentlich sind wir bereits ausgebucht, aber leider können zwei Bewerber ihre Termine nicht wahrnehmen, so dass ich dir diese beiden noch anbieten kann.“ Linda schluckte leer.

„Das ist doch nur ein erstes Gespräch, oder?“, stammelte sie in den Hörer und war sich nicht mehr sicher, ob sie zu dem Treffen gehen sollte. „Oder muss ich mich gleich vor Ort für diese Reise, für dieses neue Leben entscheiden?“

Schweiß rann ihr den Rücken hinunter und sammelte sich am Bund ihres Slips. Sie musste noch einmal darüber schlafen und was war mit ihrem Mann?

„Natürlich, mach dich nicht verrückt Linda“, hörte sie die freundliche Stimme wieder. „Es gibt noch weitere Termine, aber die finden erst in zwei Monaten statt. Trotzdem möchte ich betonen, wer sich schnell entscheidet und zu unserem Projekt passt, hat natürlich bessere Chancen auf einen Platz bei Harmonya.“

Linda bestätigte den Termin und verabschiedete sich. Dass das Gespräch ausgerechnet in ihrer Nähe in Boston stattfinden sollte, betrachtete sie insgeheim als gutes Omen. Immerhin wohnte sie in einem kleinen Vorort und musste nicht durch das halbe Land jetten.

„Aber nicht, dass du mir da in einer komischen Sekte landest“, sagte George am Morgen im Badezimmer.

„Ach nein, das hat bestimmt nichts mit Religion zu tun“, antwortete Linda. „Die wollten ja nichts über meine Glaubensrichtung wissen“, fügte sie hinzu. Doch insgeheim beschlich sie ein ungutes Gefühl. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?

„Wann findet das Gespräch statt?“, wollte er wissen und kämmte sich die kurzen, grau melierten Haare zurück. Er betrachtete sie im Spiegel und fragte sich, ob seine Frau in eine Lebenskrise schlitterte. Sie machte auf ihn in letzter Zeit einen ruhelosen Eindruck und er war sich nicht sicher, ob dieses ominöse Treffen eine gute Idee war. Konnte es seriös sein?

„Ich muss um 9.00 Uhr in Boston sein, deshalb nehme ich den Zug, da stecke ich nicht im Morgenverkehr fest“, antwortete sie angespannt und riss ihn aus seinen Gedanken.

Er nickte nur und sagte dann: „Bitte melde dich mittags bei mir. Denn wenn ich nichts von dir höre, schicke ich einen Suchtrupp los und lasse das Gebäude stürmen. Deshalb solltest du mir gleich die Adresse mailen, damit ich weiß, wo das S.W.A.T. Team eindringen muss.“ Er lachte und verließ das Badezimmer.

Sie starrte ängstlich ihrem Spiegelbild in die Augen. Dann hörte sie, wie sein Wagen aus der Einfahrt fuhr und ging ins Ankleidezimmer.

Nun stand sie vor der nächsten Herausforderung: Was sollte sie anziehen? Einen Jutesack oder doch das neue Kostüm? Sie hätte lachen und weinen können. Ihr erstes maßgeschneidertes Kostüm und nun würde sie es vielleicht nie tragen. Für die Natur wohl eher ungeeignet, dachte sie und entschied sich für ihre bequeme lindengrüne Cargohose, eine weiße Bluse und ihre geliebte beige Strickjacke.

Mit ihren Lederstiefeln machte sie sich auf den Weg und genoss den Morgenwind in ihrem lockigen Haar. Sie spürte die Nervosität in sich aufsteigen und war froh, dass sie nicht selbst am Steuer saß und sich auf den morgendlichen Verkehr konzentrieren musste.

Die Fahrt war kurz und die Hektik der Bostoner Straßen traf sie wie ein Schlag. Wie lange war sie schon nicht mehr in der Stadt gewesen? Es mussten Monate sein. Ihr Leben in der Vorstadt gefiel ihr so gut, dass sie alle möglichen Besorgungen auf dem Land erledigte und nur noch selten in die Großstadt fuhr.

Das Interview fand in einem modernen Gebäudekomplex direkt am Charles River statt. Linda war von der eindrucksvollen Adresse zunächst etwas irritiert gewesen, hieß es doch im Inserat „Zurück zur Natur“. George hingegen hatte die Anschrift eher beruhigt und mit der Bemerkung kommentiert: „Dort werden sich bestimmt keine Verrückten mit dir einen Scherz erlauben.“

Sie ging zielstrebig durch die Drehtür und war erleichtert, dort eine besetzte Rezeption vorzufinden. Ein älterer Herr mit Hut saß hinter dem Tresen und nickte ihr freundlich zu. Drei Aufzüge standen bereit und sie drückte den Knopf. Schwungvoll öffnete die linke Fahrstuhltür und sie betrat die verspiegelte Kabine. Anscheinend sollte es in die oberste Etage gehen, also drückte Linda die 30 und wartete, bis die Anlage sie nach oben zog. Die Tür öffnete sich und eine leuchtend grüne Doppelschwingtür wartete einige Meter neben dem Aufzug auf ihr Eintreten. Sie nahm all ihren Mut zusammen und öffnete sie.

Der Raum war schlicht eingerichtet und auf das Nötigste reduziert. Ein paar bequeme Ledersessel, ein kleiner runder Glastisch und ein Regal mit Gläsern und Wasserflaschen standen an der Wand. Die einzige Tür, die den Raum verließ, war aus geöltem Holz. Sie war so breit, dass man bequem mit einem Doppelkinderwagen hindurch gepasst hätte. Links davon gab es eine rote Klingel und ein kleines Schild lud ein, sich dort zu melden. Sie drückte auf den Knopf und wartete gespannt darauf, wer öffnen würde. Da es erst viertel vor neun war, rechnete sie mit einem kurzen Aufenthalt im Vorzimmer. Da schwang die Holztür weit auf und eine strahlende junge Frau kam auf sie zu.

„Du musst Linda Green sein!“ Ihr Lächeln war so freundlich, dass Lindas Nervosität wie von Zauberhand verschwand.

„Ja, das bin ich“, war alles, was sie herausbrachte. Die elfenhafte, blonde Schönheit streckte ihr ihre zarte Hand entgegen und lächelte noch mehr, obwohl Linda bezweifelte, ob das überhaupt noch möglich war. Ihre hellblauen Augen leuchteten, als wären sie alte Bekannte und Linda lächelte verlegen zurück.

„Ich bin Tina und wir kennen uns vom Telefon. Wir freuen uns sehr, dass du den Weg zu uns gefunden hast, liebe Linda. Deine Antworten haben uns neugierig gemacht und ich führe dich jetzt durch unsere Ausstellung“, erklärte ihr Tina.

Sie drehte ihr den Rücken zu und Linda folgte ihr wie ein Hündchen. Eigentlich fühlte sie sich eher wie ein Wolf, Tina war mindestens einen Kopf kleiner und wirkte sehr zierlich. Ihre blonden Locken wippten vor ihr auf und ab und Linda hätte gerne ihre Haare berührt; sie sahen aus wie reine Goldfäden. Die nächste Tür war aus mattem Glas und dahinter musste ein helles Licht sein. Es schien, als würde die Sonne im nächsten Raum auf sie beide warten.

„Ich hoffe, das ist nicht das Tor zum Himmel?“, scherzte Linda etwas verlegen und bereute ihren Spruch sofort, als Tina sie etwas irritiert ansah.

„Nein, nein“, entgegnete sie und ihr Schmollmund öffnete sich zu einem breiten Lächeln, „aber diesen Spruch muss ich mir für den nächsten Besucher merken.“

Beim Eintreten erwartete Linda helles Sonnenlicht, aber das Licht schien in der Glastür selbst zu sein, und der großzügige Raum war angenehm und gedämpft beleuchtet. Es war jedoch eher ein Saal, man konnte beim Eintreten das Ende nicht ausmachen. Auf der gegenüberliegenden Wand war ein schöner Wald mit einem plätschernden Bach projiziert. Vögel zwitscherten und die Sonnenstrahlen tanzten auf den Blättern. Es wirkte so echt, als stünde man mitten im Urwald.

Linda fühlte sich von dem riesigen Bild magisch angezogen und gleichzeitig geborgen. Die Stimmung im Raum war so idyllisch, dass die wenigen Sitzgelegenheiten neben der Tür in den Hintergrund traten. Der weiche, schwarze Teppichboden dämpfte die Atmosphäre zusätzlich und lenkte den Blick geschickt auf die Projektion.

„Hier zeigen wir dir, wie unser Projekt aussieht und was wir mit den Bewerbern anstreben.“ Tina ging ein paar Schritte und erklärte ihr, was es alles zu entdecken gab.

„Wir haben ein kleines Modell von unserer Idee anfertigen lassen, die Bilder an den Wänden zeigen dir die Umgebung und weiter hinten gibt es noch verschiedene Gegenstände zu begutachten. Ich lasse dich kurz allein und hole den Rest des Teams. Du darfst alles anfassen und genauer unter die Lupe nehmen, bis gleich“, sagte sie und verschwand durch die helle Glastür.

Linda wandte sich vom Eingang ab, denn es zog sie magisch zu einem kleinen Modell hin. Sie liebte diese Miniaturwelten und wollte sehen, ob es etwas Interessantes zu entdecken gab.

Es war eine langgestreckte Insel mit vielen Bäumen. Die Behausungen schienen in der Mitte rund zu sein und rechteckige Elemente ragten nach außen weg. Über die ganze Insel verteilt gab es mehrere solcher Gruppierungen und alle hatten fast identische Ausmaße. Es gab Feuerstellen, grüne Felder, kleine Käfige, viele Bäche und kleine Seen. Am Strand gab es einen langen Holzsteg und es waren ein paar kleine Boote daran vertäut.

Könnte das die Idee sein, eine Dorfgemeinschaft auf einer Insel? Robinson Crusoe kam ihr in den Sinn und sie schlenderte der Waldprojektion entlang. Auf kleinen Tischen gab es allerhand Handwerkszeug und einfache Hilfsmittel zu bestaunen. Es hatte etwas von einem Museumsbesuch, nur dass sie hier alles anfassen und genauer begutachten durfte.

Dann betrat Tina mit zwei Männern den Raum und stellte sie einander vor. Die zufriedene Ausstrahlung des Trios und die geschickte Einrichtung des Raums, ließen Linda ihre letzten Bedenken vergessen und sie entspannte sich. Die drei strahlten eine sympathische Dynamik aus, die Linda spüren ließ, dass diese Angelegenheit bestimmt kein Scherz war. Alles wirkte sehr professionell. Einer der Männer blickte sie mit seinen grünen Augen direkt an und fragte, ob ihr das Modell gefallen habe.

„Hast du gesehen, wie wir die Wohneinheiten gebaut haben?“ Seine Augen funkelten, was Linda dazu veranlasste, ihn als den dazugehörigen Architekten zu entlarven. Er stand lässig da und mit seinen ein Meter fünfundachtzig waren sie fast auf Augenhöhe. Sein kurzes braunes Haar war akkurat geschnitten und in der Mitte leicht aufgestellt. Er wirkte sportlich-elegant und sie schätzte sein Alter auf etwa dreißig. Was ihr allerdings immer schwerer fiel, denn der Bereich zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig war für sie schwierig zu erraten.

„Du meinst diese kleinen Gebilde mit dem runden Teil in der Mitte?“, fragte Linda.

„Genau diese, das sind die Einheiten für …“, aber Tina unterbrach ihn sanft und meinte: „Kommt doch alle erst mal zur Sitzgruppe, dann beginnen wir unser Interview mit Linda und du Tony, kannst ihr später alles im Detail erklären.“

Ihre feine und doch bestimmte Art gefiel Linda und sie ging mit ihnen die paar Meter zurück zur Sitzgruppe. Dort angekommen bekam jeder ein Glas Wasser und es wurden verschiedene Nüsse gereicht. Kim, der bis jetzt außer Hallo noch nichts gesagt hatte, saß nun auf der Vorderkante seines Sessels und seine sportliche Figur schien unter Strom zu stehen. Sein weißes T-Shirt spannte über seinen Schultern und Linda fragte sich, mit welchem Sport er sich so fit hielt. Bestimmt mit Surfen, dachte sie angesichts seiner schulterlangen blonden Haare. Mit seinen ein Meter fünfundneunzig war er der Größte im Raum und strahlte etwas Selbstbewusstes und Abenteuerliches aus.

Jetzt räusperte er sich und sie konzentrierte sich auf seine Stimme und nicht mehr auf seinen unverschämt gutaussehenden Body.

„Wir sitzen heute hier mit dir, liebe Linda, weil du anscheinend auf der Suche nach mehr in deinem Leben bist. Deine Antworten waren kurz und klar und mit deinem erlernten Beruf, deinem Alter, deinen Erfahrungen und deinem Wissen, bist du für uns eine spannende Ergänzung für die Gemeinschaft“, sagte er.

Zack, jetzt war sie verblüfft. Sie war eine spannende Ergänzung? So hatte sie in den letzten Jahren niemand mehr genannt. Eher hieß es: „Ach, Sie sind nicht mehr berufstätig?“ Oder: „Tut uns leid, mit ihrer langjährigen Abwesenheit in der Berufswelt sind sie für uns nicht erfahren genug.“ Oder noch schlimmer: „Oje, sie sind schon 48 Jahre alt?“ Das waren eigentlich Sätze, die sie gewohnt war. Doch nun war sie für diese drei jungen Menschen eine spannende Ergänzung?

Ihr Hochgefühl zauberte ihr ein Strahlen und eine leichte Röte ins Gesicht, ihre großen braunen Augen schienen im Raum zu funkeln.

Es folgte ein regelrechter Fragenkatalog über ihr bisheriges Leben und ihre Ansichten zu verschiedenen Themen. Tina, Anthony und Kim wechselten sich ab und machten sich viele Notizen. In der nächsten Stunde erzählte Linda über sich. Hin und wieder brachen sie in lautes Gelächter aus, wenn sie wieder eine lustige Anekdote aus ihrem Familienalltag preisgab. Linda musste ein paar Freudentränen verdrücken und war überrascht, wie wohl sie sich fühlte. Schließlich hatte sie diese drei Menschen noch nie zuvor gesehen.

Danach musste sie verschiedene Aufgaben lösen und war erstaunt, dass ihr Allgemeinwissen besser war, als sie gedacht hatte.

Dann war Anthony an der Reihe und konnte ‚seine‘ Häuser in allen Variationen vorstellen. Er war ja maßgeblich an den Entwürfen beteiligt und nannte sie liebevoll seine Babys. Jede Hausgemeinschaft verfügte über einen runden Gemeinschaftsraum in der Mitte, an den reihum fünf Tiny Houses angeschlossen waren. Die privaten Einheiten verfügten über eine kleine Sitzecke, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer. Bei Bedarf konnte ein weiteres Zimmer angebaut werden. Dieser Anbau war besonders für Familien mit Kindern gedacht. Der gemeinschaftliche Mittelpunkt beherbergte eine Küche mit mittiger Feuerstelle, einen großen Tisch mit Bänken und weitere Sitzgelegenheiten waren im übrigen Raum verteilt. Dreiteilige Glastüren gaben den Blick auf fünf hölzerne Veranden frei. Von dort aus führte jeweils eine Treppe in den Garten. Von oben sah es aus wie eine fünfblättrige Blume.

Kim erklärte ihr den Aufbau der Insel mit den Feldern und Gärten. Tina weihte sie in die Planung der Gemeinschaft ein und dann konnte Linda ihre Fragen stellen. Sie zückte ihr Notizbuch und schrieb sich allerhand auf. Das Projekt, für das sie warben, sollte noch in diesem Jahr starten. Linda könnte unter den Ersten sein. Was für eine Chance! In ihrem Bauch kribbelte es vor Aufregung und ihre Neugier wuchs.

Die Vision war einfach und simpel, aber auch sehr gewagt für die gegenwärtige Zeit. Der Plan sah vor, ausgewählte Menschen mit unterschiedlichen Talenten in einem kleinen Dorf zusammenzubringen. So sollte eine neue Inselgemeinschaft von 800 bis 1000 Menschen entstehen. Fernab der Zivilisation sollte sie nahezu autark funktionieren. Jeder bringt seine Gaben in das Gemeinschaftsleben ein und es wäre ein Geben und Nehmen. Einfach ausgedrückt: Zurück zu den Wurzeln, bevor die Technologie, Industrialisierung und Globalisierung das zwischenmenschliche Leben vergiftet hatten. Sie nannten das Projekt Harmonya und wollten den Zusammenhalt der Menschen wieder herstellen, wie er früher einmal war, in Harmonie.

Die Idee kam ausgerechnet von Tom Cooper, der in Boston als Immobilienmogul bekannt und schwerreich war.

„Tom verspürte eine wachsende Unzufriedenheit. Vor allem die ständige Erreichbarkeit stört ihn. So kreierte er dieses Projekt und stellte die Organisation von Harmonya auf die Beine“, erklärte Tina.

Linda hatte nun alle Informationen und konnte sich entscheiden. Vorausgesetzt das sympathische Trio würde sie auswählen und noch wichtiger, George würde mitkommen wollen!

Etwas benommen von der Informationsflut verabschiedete sich Linda von den dreien und machte sich auf den Weg nach draußen. Vor dem gläsernen Gebäude atmete sie die frische Luft ein und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. Am liebsten wäre sie sofort nach Hause gefahren und hätte ihre Sachen gepackt. Ein Leben auf einer Insel! Was für eine Aussicht!

Sie musste sich auf eine Bank setzten und nochmals die Broschüre hervorholen. Während sie die Gruppierungen studierte, klingelte ihr Handy.

„Hallo Linda, geht es dir gut?“, wollte George am anderen Ende wissen.

„Oh ja, ich sollte mich bei dir melden“, antwortete sie und konnte ihre Begeisterung nicht zurückhalten. „Es war einfach großartig, du glaubst nicht, was ich alles erfahren habe …“

Er unterbrach sie und erwiderte: „Das kannst du mir heute Abend erzählen, ich wollte mich nur vergewissern, dass bei dir alles in Ordnung ist. Ich habe gleich eine Besprechung und muss los. Lieb dich.“

Ihre Antwort: „Ich dich mehr“, hörte er wohl nicht mehr.

Sie war ein wenig enttäuscht, dass er keine Zeit für ihre aufregenden Neuigkeiten hatte. Terminstress, schoss es ihr durch den Kopf und sie schüttelte ihre Locken.

So saß sie nun auf der Bank und organisierte für den Abend ein Familienessen. Beide Kinder meldeten sich innert weniger Minuten. Offenbar war eine warme Mahlzeit von Mama und brisante Neuigkeiten Anreiz genug, um den Nachwuchs zurück ins Nest zu locken. Steven bevorzugte wahrscheinlich das erste, und Daphne war gegenüber Klatsch und Tratsch nie abgeneigt. Dann machte sie sich auf den Weg zum Bahnhof und überlegte, was sie für die Familie kochen könnte.

Die Nudeln mit viel Safran kochten und Linda deckte den Tisch. Sie hatte die Broschüre extra kopiert und diese in einer Mappe in der Küche deponiert. Zuerst würden sie alle essen, denn mit vollem Magen ließen sich die Gemüter der Greens nicht mehr so schnell erhitzen.

Linda erlebte diesen Abend wie in Trance. Das Gelächter, das leckere Essen und die herzliche Atmosphäre. Sie nahm alles wie durch einen Schleier wahr. Sie war immer noch gefangen von den Eindrücken des Tages, von dem jungen, dynamischen Team und der Aussicht auf ein völlig neues Leben. Gedankenverloren räumte sie den Tisch ab, während Daphne das Geschirr in die Maschine stellte. Anscheinend wollte sie die angekündigten Neuigkeiten bald erfahren, denn normalerweise hielt sie sich bei der Hausarbeit gerne zurück.

Dann ließ Linda die Bombe platzen und reichte jedem eine Kopie der Broschüre. Ihre Kinder hatten beide schon von dem Inselprojekt gehört und George schien sehr erstaunt, aber auch interessiert. Der Abend verlief ganz anders, als Linda es sich vorgestellt hatte. Die Broschüre wurde lebhaft begutachtet und die Vor- und Nachteile rege diskutiert. Schnell stellte Linda fest, dass die Meinungen gar nicht so weit auseinander lagen. Nur über die Bedingungen staunten die beiden Kinder nicht schlecht. Dass man einen so hohen Geldbetrag bezahlen musste, war ihnen nicht klar gewesen. Und die Aussicht auf ein Leben ohne Smartphone und Internet fanden beide unvorstellbar.

„Daphne könnte nie ohne Netflix leben!“, warf Steven ein und erntete dafür einen vernichtenden Blick von seiner jüngeren Schwester.

„Und du mit deinen Computerspielen?“, schoss sie zurück, „oder deinen Aktivitäten auf Instagram!“ Er hob beschwichtigend die Hände und meinte, dass er ja nicht auf einer Insel leben wollte. Zum Glück lebte er nun schon seit fünf Jahren in einer gut funktionierenden Männer- WG.

Auch Daphne war innerlich erleichtert, dass sie vor einem Jahr das häusliche Nest verlassen hatte und nur noch als außenstehende Beobachterin fungierte.

„Und wie kann man euch im Notfall erreichen?“, wollte sie wissen.

„Eigentlich nicht“, antwortete Linda etwas schuldbewusst. „Auf dem Festland gibt es einen Briefkasten. Aber der wird nur einmal im Monat geleert und im Notfall käme die Nachricht sicher zu spät.“

„Dann gibt es nicht mal eine Notfallverbindung über Funk oder so?“, wollte Steven wissen. Er sah sie erstaunt an.

„Soweit ich weiß, nicht. Es wird mindestes einen Arzt und eine Krankenschwester auf der Insel geben, und wenn ihr was braucht, müsst ihr das selbst organisieren, das nennt man dann Erwachsenenleben“, antwortete Linda mit einem Augenzwinkern. Sie versuchte instinktiv, kein schlechtes Gewissen aufkommen zu lassen. Ihre Kinder waren nun erwachsen und auf sich gestellt.

Nach der angeregten Diskussion stellte sich heraus, dass sowohl George als auch Linda sich ein Leben ohne diese Informationsflut und die ganze globale Vernetzung vorstellen konnten - zumindest rein hypothetisch.

Damit war der erste und wichtigste Schritt für Linda erfolgreich getan. Jetzt musste die Vision noch reifen und sie würden noch einige Zeit brauchen, um das Ganze genauer zu prüfen. Ihr Bauchgefühl hatte sich bereits dafür entschieden, doch ihr Verstand stellte sich vehement dagegen - noch. Diesen galt es nun mit positiven Argumenten zu füttern und weitere Pro-Punkte zu sammeln.

Und so stand Linda nun in ihrem geräumigen Haus und durchwanderte jedes Zimmer, Stockwerk für Stockwerk. Was würden sie alles mitnehmen wollen? Was benötigte sie überhaupt wirklich? Schon bei dieser Überlegung brachte sie ihr sonstiges Organisationstalent an ihre Grenzen.

Wovon könnte sie sich leicht trennen und was würde sie schmerzlich vermissen? Sie sah Bücher, die sie schon einmal gelesen hatte; die könnte sie gut verschenken. Dann gab es Vasen in allen Formen und Größen, Nippes, kleine Geschenke und Mitbringsel von überall her, auf die sie auch gut verzichten könnte. Wenn sie in ihre Schränke schaute, sah sie eine Flut von Dingen, die sich über viele Jahre angesammelt hatten.

Was konnte man nicht alles kaufen! Die Schnäppchenjagd hatte rund um die Uhr geöffnet. Genau von diesem Trödel, von dieser ganzen Konsumwelt wollte sie sich am liebsten verabschieden. Und doch musste nicht alles weggeworfen werden. Pro Person durften fünf vorgegebene Kisten mit auf die Insel genommen werden. Wenn Linda es sich vor ihrem geistigen Auge vorstellte, war da noch viel Platz.

Allerdings durfte nichts mitgenommen werden, was einen Stecker hatte. Kein Gerät, das mit Strom oder Batterien betrieben wurde, durfte mit auf die Reise, einfach nichts. Das würde das größte Hindernis für George werden, dachte Linda. Hatte er sich doch in den letzten Jahrzehnten ein ganzes Arsenal an Maschinen und technischen Hilfsmitteln zugelegt. Vor Jahren hatten sie sogar ihre Garage erweitern müssen, um all seine Trophäen unterbringen zu können. Konnte er das alles zurücklassen?

Aber um George kümmerte sie sich später. Zuerst musste sie herausfinden, ob SIE sich dieses neue Leben überhaupt vorstellen konnte. Also konzentrierte sich Linda wieder darauf, was sie unbedingt mitnehmen würde: Kleidung natürlich, Schuhe, ihre Bibel und ein paar andere, liebgewonnene Bücher, kleine Erinnerungsstücke wie die vielen Liebesbriefe von George, als es noch keine Smartphones gab. Etwas Schmuck, ein paar Fotos und Schreibutensilien. Das zugewiesene Haus würde über ein kleines Badezimmer verfügen, in dem auch die Utensilien für den täglichen Bedarf untergebracht waren. Also auch Bürsten und Shampoos. Kleidung und Schuhe würden wahrscheinlich schon zwei bis drei Kisten füllen. Aber was müsste sonst noch mit?

Jetzt, wo sie durch ihr riesiges Haus schritt, fiel es ihr erstaunlich schwer, sich zu entscheiden. Ihre große Orchideensammlung würde sie nicht mitnehmen können. Sie würden auf der Insel direkt in der Natur leben und wären sicher von einer reichen Pflanzenwelt umgeben. Dort würde sie ihre Sammlung bestimmt nicht vermissen. Doch welches neue Hobby würde sie dann haben? Bräuchte sie überhaupt noch eine Freizeitbeschäftigung wie im eigentlichen Sinne?

Sie bemerke, dass sie vom Virtuellen ins Praktische wechseln musste. Was benötigte man vor über 100 Jahren im Alltag? Nähzeug, Stoffe, Werkzeug, Schreibutensilien und schon gingen ihr die Ideen aus. Sie nahm noch einmal die bereits zerknitterte Broschüre zur Hand und las, was in Harmonya alles angeboten wurde und worauf man beim Packen verzichten konnte.

Es gab eine voll ausgestattete Gemeinschaftsküche, natürlich ohne Toaster und Mixer. Im Badezimmer gab es für den täglichen Bedarf: Kamm, Nagelfeile, Seife und spezielles Toilettenpapier. Es gab eine Werkstatt für alle, eine Dorfschule und eine Gärtnerei. Diese Gebäude waren voll ausgestattet mit allem, was man für den jeweiligen Betrieb benötigte. Somit konnte sie das Werkzeug wieder von der Liste streichen. So einfach würde die Auswahl doch nicht werden.

Ein kleiner Plan auf der Broschüre zeigte, wo die Häusergruppen standen und wie die Gemeinschaften auf der Insel verteilt waren. Die fünf Tiny Houses gruppierten sich um einen Gemeinschaftsraum. Zusammen bildeten sie eine sogenannte ‚Blume‘, welche nach einem dazu passenden Namen benannt wurde. Jede ‚Blume‘ bot Platz für bis zu 12 Personen. Diese nutzten gemeinsam die Mitte des Zentrums. Dort gab es eine Küche, Sofas und einen großen Essbereich. Schon diese Idee fand Linda sehr anziehend. Man würde zusammen kochen und die Gemeinschaft genießen, hätte aber trotzdem die Möglichkeit, sich bei Bedarf in die eigenen vier Wände zurückzuziehen.

Fünf dieser ‚Wohnblumen‘ standen im Kreis um einen Platz im Freien. Dort gab es ausreichend Bänke und Tische sowie mehrere Feuerstellen. Dort würden die gemeinschaftlichen Treffen stattfinden. Dazwischen gab es verschiedene Gärten und kleine Hühnerkäfige.

Auf der gesamten Insel gab es 15 solcher Formationen. Somit würde man auf über 800 Inselbewohner kommen. Verteilt waren die Wohneinheiten auf der ganzen Insel. Zahlreiche Bachläufe und Waldgruppierungen rundeten die Inselanlage ab. Dazwischen gab es größere Holzschuppen für die Unterbringung der Vorräte, die Schule, eine Werkstatt und vieles mehr.

Tom Cooper hatte die Inselgruppe vor vielen Jahren erworben. Eigentlich wollte er dort mit seiner Familie die Einsamkeit genießen, doch der Gedanke an eine große Wohngemeinschaft hatte ihn nicht mehr losgelassen.

Eine der Inseln sollte sein privater Rückzugsort fernab der Zivilisation werden. Doch seine erwachsenen Kinder waren von dieser Idee wenig begeistert gewesen. Nun stellte er genau diese Insel für sein Herzensprojekt Harmonya zur Verfügung und plante in Gedanken schon die Bebauung einer zweiten Insel. Seine Vision umfasste noch viele weitere Dorfgemeinschaften, denn er war sich sicher, dass die Nachfrage in Zukunft ins Unermessliche steigen würde. Erst einmal sollte das Pilotprojekt starten und beweisen, dass diese Lebensform genau den Nerv der Zeit trifft.

2. TOM COOPER

Es würde wieder heiß werden, und Tom war schon seit fünf Uhr wach. Eigentlich hätte er ausschlafen können, aber seine innere Uhr hatte sich noch nicht mit dem Frührentnerleben angefreundet.

Leise stand er auf, um seine Frau Yvonne nicht zu wecken und schlich ins Badezimmer. Durch das offene Fenster hörte er das leise Erwachen der Welt und die ersten Vogelgesänge hallten durch die ruhige Gartenlandschaft. Er beschloss, ein paar Bahnen im Pool zu schwimmen und erst dann in die Stadt zu fahren, zog seine Badehose an, griff seinen Bademantel und ging in den Garten.

Sachte legte er den Bademantel auf eine Liege und stieg in den Pool und genoss das kühle Nass. Durch die tägliche Bewegung im Wasser fühlte er sich fit. Auch mit seinen 60 Jahren war er ein attraktiver Mann. Er strahlte Zufriedenheit aus und war auf jeder Party ein gerngesehener Gast. Seine dunklen Locken, die breite Stirn und die strahlenden Augen zogen die Menschen in seiner Umgebung magisch an. Er schaffte es immer wieder, mit seiner freundlichen Ausstrahlung dafür zu sorgen, dass sich sein Gegenüber wohl und geschätzt fühlte und wirkte trotz seines Reichtums keineswegs arrogant oder überheblich. Nein, in seiner Nähe spürte man die Verbundenheit mit einem höheren Wesen. Dass er stressbedingt regelmäßig eine Mahlzeit ausließ, trug ein Übriges dazu bei, dass Tom mit seinen ein Meter fünfundachtzig von hinten wie ein Vierzigjähriger aussah. Nur seine grauen Schläfen und die ausgeprägten Lachfältchen um die Augen verrieten, dass er sich im letzten Drittel seines Lebens befand. Auf sein ansonsten schwarzes Haar war er sichtlich stolz. Schon sein Vater hatte die ersten grauen Haare erst mit weit über sechzig bekommen.

Nach fünfzig Minuten stieg er aus dem Wasser. Er genoss die morgendliche Stille und schloss für einen Moment die Augen, um das Vogelgezwitscher noch intensiver wahrzunehmen. Im Stillen dankte er Gott für diesen wunderbaren Morgen und dachte andächtig und voller Demut an sein gesegnetes Leben. Diese kleinen Momente stärkten ihn jeden Tag und er genoss es, zu wissen, dass er seine Visionen nicht alleine tragen musste.

Dann schlüpfte er in seinen Bademantel und ging zurück ins Haus. Dort duschte er und machte seine Morgentoilette. Im Ankleidezimmer zog er eine dunkelblaue Stoffhose, ein weißes Hemd und einen hellblauen Pullover an.

Als er den Raum verließ, duftete es bereits nach frischem Kaffee. Würde es ein Genuss werden oder eine weitere Enttäuschung? Seit Tagen probierte Yvonne mit der Kaffeemaschine seines Großvaters verschiedene Kaffeesorten und Zubereitungsarten aus. Gut, Kaffeemaschine war vielleicht nicht ganz das richtige Wort dafür, Tom würde es eher als ein Gestell für die Zubereitung einer braunen Brühe bezeichnen. Es gab einen Metallarm und eine runde Halterung, in die ein Papierfilter eingespannt werden konnte. Die richtige Menge an gemahlenem Kaffee zu finden, damit das Gebräu auch genießbar war, schien das größte Problem bei dieser Angelegenheit zu sein.

„Hoffentlich schmeckt er heute!“, rief ihm Yvonne zu. Mit ihrem rosafarbenen Schlafanzug und den langen, offenen blonden Haaren sah sie aus wie eine eifrige Schülerin bei einem Schulprojekt. Ihre bescheidene Größe von nur einem Meter fünfundfünfzig weckte in Tom noch immer den Beschützerinstinkt. Trotz ihrer zweiundfünfzig Jahren wirkte sie mindestens zehn Jahre jünger, als sie tatsächlich war.

Er dachte an die Zeit zurück, als sie sich ineinander verliebt hatten und er ihr die Volljährigkeit nicht hatte glauben wollte. Sie hatte so zierlich und jung gewirkt, dass Tom beim ersten Kuss keine Straftat hatte begehen wollen. Tatsächlich hatte sie ihm nach dem ersten gemeinsamen Kinobesuch auf der Schwelle ihres Elternhauses ihren Fahrausweis unter die Nase halten müssen. Danach war sie etwas gekränkt gewesen und er erleichtert, dass einer weiteren Verabredung nichts mehr im Wege stand. Ihre Stimme riss ihn aus seinen Erinnerungen.

„Das kann doch nicht so schwer sein!“, schimpfte sie der Verzweiflung nahe. „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es so eine Sisyphusarbeit sein kann, eine leckere Tasse Kaffee zu kochen!“ Sie raufte sich die Haare und ihre Wangen schimmerten rot. In den letzten Tagen war Tom nach dem ersten bitteren Schluck auf die Kapselmaschine ausgewichen und war froh, dass dort der Genuss garantiert war.

„Es wird ja wohl gute Gründe für die Entwicklung all der helfenden Küchenmaschinen gegeben haben“, erwiderte er und küsste sie auf den Nacken. Sie drehte sich um und schlang ihm die Arme um seine Taille.

„Wie lange warst du im Wasser?“, wollte sie wissen. „Warum, wärst du gerne mitgekommen?“, antwortete er lächelnd und wartete auf ihre Antwort.

„Nein, nein, ich mache lieber meine Yogaübungen auf dem Trockenen und auch nicht so früh am Morgen.“

Sie lächelte und sah sich die Kleidung ihres Mannes genauer an. Alles war zu ihrer Zufriedenheit. Sie gab ihm einen Kuss und widmete sich wieder der Zubereitung ihres Morgenkaffees. Yvonne konnte sehr hartnäckig sein und probierte unermüdlich verschiedene Bohnensorten und Mengen aus. Sie führte sogar eine Liste, um ihre Erfolge - im Moment waren es nur Misserfolge - zu dokumentieren. In ein paar Tagen oder Wochen würde sie sicher den Dreh raushaben, und dann könnte man das Gestell bestellen.

Die Inselpläne bestimmten in vielerlei Hinsicht den Alltag von Tom und Yvonne, eigentlich schon seit Monaten ziemlich intensiv. Ob im Kleinen, wie mit dieser Kaffeemaschine oder im Großen, es kostete sie beide viel Zeit und Geduld und dennoch blühten sie sichtlich auf. Die Aussicht auf ein Abenteuer auf ihrer Insel mit einer großen Gemeinschaft spornte sie beide an.

Nach dem Frühstück fuhr Tom in seine Lieblingsstadt Boston. Er liebte es, über den Highway zu fahren und die Wolkenkratzer zu sehen. Hier war er geboren worden, aber hier würde er bestimmt nicht sterben. Es gab einen Grund, warum er die Fahrt so genoss. Die Hin- und Rückfahrten zwischen seinem etwas außerhalb gelegenen Anwesens im Grünen und der lärmenden Großstadt waren gezählt.

Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, der seinen ersten Schultag vor sich hatte, aber noch fröhlich im Kindergarten spielte, wohl wissend, dass der Spaß bald vorbei sein würde und eine neue, aufregende Welt des Wissens auf ihn wartete.

Er parkte sein Auto in der Tiefgarage und stellte fest, dass die gesamte Etage leer war. Das wunderte ihn nicht, denn seit der Gründung seiner Immobilienfirma war er morgens der Erste und abends der Letzte, der kam und ging. Das hatte er schon früh von seinem Großvater und seinem Vater gelernt.

„Arbeite hart, Junge und kümmere dich gut um deine Angestellten“, waren die eindringlichen Worte seiner Vorfahren gewesen. Als sein Großvater 1900 die Zimmerei Cooper & Brothers in Boston gründete, waren geschickte Handwerker genauso gefragt wie heute. Hatte man sich einen guten Ruf erarbeitet, waren die Auftragsbücher prall gefüllt. Und diesen Ruf hatte man nur, wenn alle Arbeiter einen anständigen Lohn, fachliche Unterstützung sowie Respekt und Anerkennung vom Boss persönlich erhielten, so die einhellige Meinung seiner Väter.

So war Senior Thomas Cooper jeden Morgen durch die leere Werkstatt gegangen und hatte sich vergewissert, dass alles für den neuen Arbeitstag bereitstand. Wenn die ersten Arbeiter kamen, hatte er jeden persönlich mit einem festen Händedruck begrüßt. Und sich oft Zeit genommen für einen Schwatz über die Freuden und Sorgen der Mitarbeiter und ihrer Familien. Tom hatte das als kleiner Junge mit seinen großen braunen Augen beobachtet und früh verinnerlicht. Und abends war sich der Boss auch nicht zu schade, dem Hilfsarbeiter mit dem Reisigbesen zu helfen. Er hatte die Lampen am Abend gelöscht und die Arbeiter hatten sich vom Patron getragen gefühlt. Dieser Kreislauf hatte es der Familie Cooper ermöglicht, erfolgreich zu wirtschaften und es im Laufe der Jahre zu beträchtlichem Wohlstand zu bringen.

Als Tom mit dem Aufzug ins 30. Stockwerk fuhr, dachte er wehmütig an seinen Großvater. Wie hatte er ihn geliebt und was würde er wohl zu seinem verrückten Plan sagen? In letzter Zeit musste er oft an ihn denken, denn Tom strebte eine Lebensform an, die genau in die Zeit zurückreichte, in der sein Großvater das Licht der Welt erblickt hatte. Was würde er ihm raten? Bestimmt hätte er wertvolle Tipps und mit seinem handwerklichen Geschick die eine oder andere gute Idee zur Umsetzung seines Plans. Sicherlich könnte er einen exzellenten Kaffee kochen und weitere Hilfsmittel für den täglichen Bedarf bauen.

Die Aufzugtür glitt auf und Tom wischte seine Gedanken an seinen Großvater weg, indem er die ersten Schweißperlen mit dem Taschentuch von der Stirn tupfte und sich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrierte. Er ging durch die große Doppeltür und war sich sicher, dass sie einen hellgrünen Anstrich bekommen müsste, sozusagen ‚zurück zur Natur‘. Dann durchquerte er einen leeren Vorraum und kam zu einer Glastür. Die musste natürlich ersetzt werden, wollte er doch das dahinter liegende im Verborgenen halten.

Da stand er nun und blickte verzückt in die leergeräumten Büros. Diese Weite regte in ihm neuen Tatendrang und er schritt von Raum zu Raum. Da es nur wenige Wände gab und das gesamte Mobiliar bereits abtransportiert worden war, hatte man einen fantastischen Blick auf den Charles River.

Er genoss die Ruhe und doch glaubte er immer wieder, ein Telefon klingeln zu hören. War es nur Einbildung oder hatte sich das Geräusch mit dieser Umgebung fest in seinem Kopf verankert? Schon oft hatte er sich gefragt, ob die Kassiererin im Supermarkt abends, wenn sie nach getaner Arbeit zu Hause auf dem Sofa saß, auch noch das nervige Piepen des Scanners hören konnte. Jetzt war er sich ziemlich sicher.

Er ging weiter und dachte schon an den nächsten Arbeitsschritt. Hier würden die Interviews stattfinden. Der grandiose Blick vom 30. Stockwerk auf den Charles River müsste leider verdeckt werden. Tom wollte die Besucher mit seiner Vision verzaubern und nicht mit der Aussicht auf Boston. Er sah bereits die grüne Oase vor seinem geistigen Auge und hörte die Vögel zwitschern, was ein großer Fortschritt gegenüber dem nervtötenden Piepen in seinem Kopf sein würde.

Er schritt die Länge des Raumes ab und war erstaunt, dass es über vierzig Meter waren. Es würde ein hübsches Sümmchen kosten, die ganze Länge mit einer Leinwand auszustatten, um die prächtige Naturkulisse zu projizieren. Doch Geld spielte für ihn keine Rolle. Er war in den 90er Jahren genau zum richtigen Zeitpunkt in die Immobilienbranche eingestiegen und hatte in den letzten dreißig Jahren ein beachtliches Vermögen aufbauen können.

Er betrachtete den Raum und stellte sich vor, wo die Sitzgruppe hinkommen würde und wo das Modell am besten zur Geltung käme. Dann zückte er sein Handy und schrieb eine Nachricht an sein dreiköpfiges Team. Mit diesen drei jungen und klugen Köpfen würde er seine Vision in die Tat umsetzen. Und natürlich mit seiner Frau Yvonne!

3. YVONNE COOPER

Das Fischerboot tuckerte aus dem Hafen und Yvonne klammerte sich an ihre übergroße Gucci-Tasche. Hoffentlich wurde sie nicht seekrank, schoss es ihr durch den Kopf.

Sie liebte das Inselleben jetzt schon, aber die Hin- und Rückfahrt trieb ihr jedes Mal den Angstschweiß auf die Stirn. Vorsichtshalber hatte sie ihre Haare zu einem langen Zopf geflochten und einen Strohhut aufgesetzt. Der Zopf reichte ihr fast bis zur Hüfte, so dass sie von hinten, wie ein Schuldmädchen wirkte. Viele Jahre lang hatte sie ihre kleine, zierliche Statur und ihre dünnen Arme gehasst. Doch seit sie die Fünfzig überschritten hatte, fand sie Gefallen an ihrem federleichten Körper. Mit ihrer feingliedrigen Art wirkte sie jetzt noch kleiner, da Kim sie mit seinen über einen Meter neunzig und seinen breiten Schultern regelrecht in den Schatten stellte.

Er stand mit erhobener Brust an der Reling und konnte seine Freude nicht verbergen, streckte sein braun gebranntes Gesicht der Sonne entgegen und lächelte. Wo immer Kim auftauchte, strahlte er unbewusst Sicherheit und Freude aus. Mit seinen Sommersprossen und den zerzausten blonden Haaren verbreitete er immer ein wenig Urlaubsstimmung. Doch Yvonne wusste, dass viel Arbeit auf sie beide wartete. Obschon es die Sache erleichterte, wenn man sich gut miteinander verstand und gerne in dessen Nähe war.

Yvonnes Tochter hatte Kim in die Familie gebracht. Als Josephine in Australien war, hatte sie ihn in einem Surfcamp am Strand von Arrawarra kennen gelernt. Sie verbrachten den Sommer zusammen und flogen dann gemeinsam nach Boston.

Alle Coopers waren sofort von dem Sunnyboy begeistert und freuten sich für Josephine. Mit seinem gelernten Beruf als Gärtner und seiner Weltoffenheit hatte ihm Tom gleich einen Job in ihrem Projekt angeboten. Kim hatte spontan zugegriffen und Josephine hatte sich den nächsten Boy geschnappt und war mit Joshua wieder in die weite Welt hinausgezogen. Kim hatte die Trennung erstaunlich gut verkraftet und war von der Insel-Vision fasziniert gewesen, dass er beschlossen hatte, bei den Coopers zu bleiben. So war er seit Beginn dabei und mit seinem umfangreichen botanischen Wissen ein echter Glücksfang für sie.

Jetzt steuerte das Boot direkt auf den massiven Holzsteg zu, und Yvonne war erleichtert, dass das Meer sie gnädig überführt hatte. Kim sprang als erster vom Boot und reichte ihr die Hand.

„Darf ich bitten?“, scherzte er und lächelte über das ganze Gesicht. Er genoss es immer wieder, am Steg anzukommen und fühlte jedes Mal mehr ein Gefühl des nach Hause Kommens in seinem Herzen. Die Insel zog ihn magisch an und er überlegte kurz, woran das liegen mochte. War es die Natur oder waren es die Menschen, mit denen er hier arbeiten konnte? Dass er wieder mit Yvonne einen mehrtägigen Ausflug auf die Insel machen konnte, freute ihn besonders.

Sie war wie eine Mutter für ihn, und er genoss ihre Führsorge und ihre Entschlossenheit, die Arbeit anzupacken. Da er seine Mutter nie kennen gelernt hatte, schätzte er diese Verbindung zu Yvonne umso mehr. Immer wieder fragte sie ihn, ob er genug trinke, oder erinnerte ihn an seinen Hut, den er oft aufzusetzen vergaß.

Jetzt lächelte sie ihn an und nahm dankbar seine Hand.

„Aber gerne. Du bist ein richtiger Gentleman.“

Gemeinsam gingen sie den Steg entlang und freuten sich auf die ersten Schritte im Sand. Doch der begrüßte sie glühend heiß und beide rannten schreiend und lachend auf die Palmen zu. Die Schiffsbesatzung schaute den beiden schadenfreudig nach. Sie mussten nun viel Material auf die Insel hieven.

Als erstes erkundeten Yvonne und Kim die Insel und verschafften sich einen Überblick über den Stand der Dinge. Die Bepflanzung der Gärten gedieh prächtig und die üppige Blumenpracht bei den Häusergruppen erfreute besonders Yvonne. Hier gab es alles, was man für eine leichte und leckere Mahlzeit brauchte: Tomaten, Salat, Karotten, Gewürze und Zucchini. Die Flächen zwischen den Minihäusern waren so begrünt und dennoch sinnvoll genutzt. Yvonne hatte sich persönlich um die Blumenvielfalt gekümmert. Als gelernte Floristin wusste sie genau, welche Pflanze wo am besten gedeiht. Die Farbenpracht verschlug ihr beinahe den Atem, sie holte tief Luft und genoss die verschiedenen Düfte. Am liebsten wäre sie gleich ins nächste Haus gezogen und hätte die Insel nie wieder verlassen.

Als Tom die Inselgruppe vor vielen Jahren ersteigert hatte, wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie hier einmal eine kleine Welt, eine Gemeinschaft, erschaffen würden. Die ersten Ideen waren ihm kurz nach dem Kauf der Inseln gekommen und er hatte wochenlang vor sich hingebrütet. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, dass er einem Hirngespinst nachjagt. Doch seine Pläne waren immer konkreter geworden und dann hatte er angefangen, alles zu Papier zu bringen. Er hatte Listen erstellt und im Internet recherchiert, Pläne von seiner Vision gezeichnet und schließlich Yvonne in sein Geheimnis eingeweiht. Zuerst hatte sie es für einen Scherz gehalten, aber nach längerer Begutachtung der verschiedenen Unterlagen musste sie zugeben, dass die Idee reizvoll und gut durchdacht war. Die Begeisterung und die jugendliche Freude von Tom überzeugten sie schließlich, das Projekt voranzutreiben. Schnell hatten sie ein perfektes Team zusammengestellt und die Pläne wurden immer konkreter. Parallel dazu suchten sie einen Käufer für ihre Immobilienfirma und informierten ihre drei Kinder.

Die älteste Tochter, Jessica, weilte seit Jahren an der Universität und studierte Philosophie. Sie kam nur noch zu Thanksgiving und Weihnachten nach Hause und war froh, dass ihr Großvater Anderson einen großzügigen Fonds eingerichtet hatte, aus dem sie monatlich einen ansehnlichen Scheck erhielt. So konnte sie ein sorgenfreies Leben in New York führen und sich hin und wieder an der Uni blicken lassen. Yvonne hatte es längst aufgegeben, ihrer Ältesten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Jessy musste ihr Leben selbst organisieren und fand die Vorstellung, dass ihre Eltern in Zukunft auf einer Insel ohne Strom leben wollten, zum Lachen. Sie konnte sich die beiden nicht in einer Hütte vorstellen, wusste sie doch um den Wohlstand ihrer Familie. Es schien ihr egal zu sein, was ihre Eltern trieben, Hauptsache, der monatliche Scheck kam.

Jack war der Zweitgeborene und lebte in Afrika. Als junger Bursche hatte er eine Ausbildung zum Immobilienmakler absolviert und auch unter Toms Fittichen gearbeitet. Dann hatte er Anna kennen und lieben gelernt. Sie hatte als Ärztin eine Stelle in einem Hilfsprojekt angeboten bekommen und war sehr froh, dass Jack sie begleitete.

Yvonnes Freude hielt sich damals ebenso in Grenzen wie Toms. Beide hatten es nicht verstehen können, dass ausgerechnet Jack ein neues Leben in Afrika begann. Hätte er doch später das Familienimperium übernehmen können. Aber er blühte in Tansania auf, genoss seine Arbeit und konnte sich ein Leben in den USA nicht mehr vorstellen. Für Toms Projekt hatte er nur lobende Worte und konnte sich sogar vorstellen, die Insel zu besuchen.

Und dann war da noch ihr Nesthäkchen Josephine. Sie reiste seit ihrem Highschool-Abschluss um die Welt und verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit ihrem Instagram Account. Toms Verblüffung war damals groß gewesen, als er nach vielen Monaten feststellte, dass Jossy ihren monatlichen Fondsscheck nicht mehr einlöste. Zuerst hatte er gedacht, sie sei einem älteren reichen Mann auf den Leim gegangen, doch weit gefehlt. Mit ihrer märchenhaften Ausstrahlung, ihrem makellosen Body und den langen blonden Haaren bekam seine Kleine an einem Tag so viele Likes, wie seine Immobilienfirma im ganzen Jahr. Sie hatte schon einige namhafte Labels an Land gezogen und wusste, wie man einen Augenblick meisterhaft in Szene setzt. Tom und Yvonne saßen oft sprachlos vor ihren Smartphones und staunten über die sagenhaften Fotos ihrer begabten und fleißigen Tochter.

Für Jossy war allerdings der Gedanke an ein internetfreies Leben unvorstellbar. Die Idee einer Inselgemeinschaft hingegen fand sie genial, hatte sie oft in Surfcamps erlebt, wie friedlich so etwas sein kann.

Yvonne war froh, dass die Idee bei ihrem Nachwuchs überwiegend gut ankam. Waren die Familienjahre mit drei Kindern oft anstrengend und kräftezehrend gewesen, so wünschte sie sich für den letzten Abschnitt ihres Lebens noch einmal etwas Besonderes für sich und Tom. Mit dem Inselprojekt würde etwas ganz Neues und Einzigartiges auf sie zukommen. Sie war bereit dafür.

4. GEORGE GREEN

Schon seit Wochen schlich Linda durchs Haus, erstellte Listen und zettelte Diskussionen an. Sie schien noch nicht von der Idee überzeugt zu sein, alles hinter sich zu lassen und auf eine Insel zu ziehen. An einem Tag konnte sie nur positive Argumente in seine Richtung weisen, dann wieder überkam sie eine dunkle Vorahnung, was alles schief gehen könnte und ob es nicht doch zu gewagt wäre?

Für George war dieses ständige Auf und Ab anstrengend und ermüdend. Von seiner Frau war er gewohnt, dass sie die Dinge auf den Punkt brachte und dann mit Überzeugung vorantrieb. Aber dieses Mal schien alles etwas komplizierter zu sein. So fiel es George noch schwerer, sich mit dieser Vision anzufreunden. War er doch der trägere Teil dieser Ehe und froh, dass sie oft den Mast setzte. Nun musste er mitentscheiden, in welche Richtung es gehen sollte. Das Schlimme daran war, dass er nicht einmal mit Überzeugung sagen konnte, dass ihn sein jetziges Leben hundertprozentig glücklich machte.

In der Schule gab es immer mehr Konflikte zu lösen, und auch der Papierkram drumherum war in den letzten Jahrzehnten unnötig angewachsen.

Zu Hause legte er sein Smartphone nicht einmal auf der Toilette beiseite, nein, gerade dort genoss er die ungestörte Zeit für seine geliebten lustigen Tierfilmchen. Und mit einer Krimiserie nach der anderen verflogen die wenigen freien Stunden am Abend und er hatte noch nicht einmal eine kleine Radtour gemacht. So wunderte es ihn nicht, dass seine Vorderseite langsam, aber sicher ein kleines Feinkostgewölbe angesetzt hatte.

Die Aussicht auf ein Leben ohne technische Geräte kam für ihn eigentlich nicht in Frage. Er hatte Jahre dafür gebraucht, um sich sein kleines Handwerkerimperium aufzubauen, und nun wollte Linda alles zurücklassen und verschwinden, um wieder so zu leben wie vor hundert Jahren. Das schien für ihn das größte Problem zu sein. Warum gab es keinen Strom auf der Insel? In Dubai stampften sie ganze Städte aus dem Meer und versahen alles mit dem neuesten Schnickschnack, den der Markt hergab.

Insgeheim hoffte er, dass sie zur Vernunft kommen würde und er sich gar nicht entscheiden musste. Aber was würde er tun, wenn sie gehen wollte?

Die Zeichnung der Insel hatte ihn zwar angesprochen, und der Gedanke an ein einfacheres Leben reizte ihn. Aber er kannte niemanden, der so etwas schon einmal gemacht hatte, und so blieb seine Skepsis groß. Ohne Technik würde er wahrscheinlich eingehen wie eine Pflanze ohne Wasser. Aber ohne Linda würde er genauso vertrocknen. Sie war seine große Liebe und die Verbundenheit mit ihr gab ihm Kraft.

Jetzt hatte er zum Glück noch etwas Zeit und hoffte auf die richtige Eingebung bei seiner Frau. Inzwischen fand er es beängstigend, ihr bei der Entscheidungsfindung zuzusehen.

Nun suchte er die Broschüre auf seinem Schreibtisch und studierte die Insellandschaft zum gefühlten hundertsten Mal.

Auch die kleinen Häuser bereiteten ihm Sorgen. Mit seinen ein Meter neunzig konnte er sich kaum vorstellen, in so beengten Verhältnissen zu leben. Jetzt genossen sie die Privatsphäre in ihrem großen Haus und dem üppigen Garten. Und wer würde mit ihnen in der Gemeinschaft leben? Eigentlich hatte er sich auf einen ruhigen Lebensabend mit Linda gefreut. Jetzt wo die Kinder endlich aus dem Haus waren, genoss er die Ruhe, den freigewordenen Platz und die Unabhängigkeit.

Er merkte, dass er mit fortschreitendem Alter immer sensibler wurde. Obwohl ihn alle als humorvoll und hilfsbereit erlebten, brauchte er zunehmend seine Ruhe und zog sich in seiner Freizeit gerne in sein Büro oder seine Werkstatt zurück. Er mochte es auch nicht, jedes Wochenende Besuch im Haus zu haben. Das war ein weiterer Knackpunkt, weshalb er sich das Leben in einer großen Gemeinschaft kaum vorstellen konnte. Doch als er Linda seine Bedenken offenbarte, hatte sie für jeden seiner Kritikpunkte ein gutes Gegenargument parat.

„Wenn du Ruhe brauchst, kannst du fischen gehen oder wandern. Die Insel ist ja groß genug“, hatte sie geantwortet.

Es machte ihn nachdenklich, dass er seit Jahren nicht mehr geangelt hatte. Seit Steven nicht mehr zu Hause wohnte, gab es keine Wochenendausflüge mehr zum Willett Pond und er hatte keine Lust, allein zu fahren. Obwohl er seit seiner Kindheit zur Angelrute griff, liebte er sein Hobby noch mehr, als sein Sohn ihn auf den zweitägigen Ausflügen begleitete. Gemeinsam hatten sie die Zeit in der Natur genossen und abends den Fang am Lagerfeuer gebraten.

‚Zurück zur Natur‘ stand nun auf der Broschüre vor George und er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. War das ein Wink von oben?

Er raufte sich die kurzen, grau melierten Haare und rieb sich das Gesicht, als müsse er aufwachen, stand abrupt auf und ging ins Wohnzimmer.

Auf dem Sofa lag Linda und schlief tief und fest. Neben ihr stapelten sich Kisten und Dekoartikel. Sie hatte anscheinend das Handtuch geworfen und inmitten des Chaos kapituliert. Er schaute sich im Wohnzimmer um, und die ganze Einrichtung schien ihn förmlich zu erdrücken. Er fühlte sich wie in einem Puppenhaus, das langsam zu schrumpfen begann, die Möbel so eng zusammenrückten, dass ihr Hab und Gut aus den Schränken quoll und ihn wie einen Gefangenen erdrücken würden. Er musste so schnell wie möglich hinaus, lief eilends zur Verandatür, riss sie auf und trat in den Garten. Als er die feinen Grashalme unter seinen Füssen spürte, atmete er erleichtert auf und setzte sich ins Gras.

Was war nur los mit ihm? schoss es ihm durch den Kopf. War ihm dieses Sammelsurium an Material doch auch zu viel geworden? Er atmete noch einmal tief durch und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Da hörte er, wie die Tür wieder geöffnet wurde. Er hielt sein Gesicht weiter in die Sonne, die Augen geschlossen und wartete, bis sie zu sprechen begann. Sie hockte sich im Schneidersitz neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter.