Dreamland Billionaires - The Fine Print - Lauren Asher - E-Book
BESTSELLER

Dreamland Billionaires - The Fine Print E-Book

Lauren Asher

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die richtige Person zur richtigen Zeit kann alles verändern

Rowan Kane und seine Brüder sollen das milliardenschwere Imperium ihres Großvaters erben: Dreamland. Freizeitparks, Produktionsfirmen, Fünf-Sterne-Hotels, das alles könnte ihnen gehören. Doch wenn sie das Erbe antreten wollen, muss jeder von ihnen eine Aufgabe erfüllen. Rowan, der einstige Träumer, der sich seit Jahren hinter einem Maßanzug und einer eiskalten Fassade verbirgt, soll eine neue Attraktion für Dreamland entwerfen. Widerwillig macht er sich an die Arbeit und trifft auf die schlagfertige Zahra, die ihn mit ihrer quirligen Art fast in den Wahnsinn treibt. Im einen Moment diskutiert er hitzig mit ihr, im anderen kann er nur daran denken, ihr nahe zu sein. Sie weckt Gefühle in ihm, die er lange verdrängt hat. Aber er ist ihr Boss. Und er hat ein Geheimnis, das sie nie erfahren darf.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 552

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DASBUCH

Rowan Kane und seine Brüder sollen das milliardenschwere Imperium ihres Großvaters erben: Dreamland. Freizeitparks, Produktionsfirmen, Fünf-Sterne-Hotels, das alles könnte ihnen gehören. Doch wenn sie das Erbe antreten wollen, muss jeder von ihnen eine Aufgabe erfüllen. Rowan, der einstige Träumer, der sich seit Jahren hinter einem Maßanzug und einer eiskalten Fassade verbirgt, soll eine neue Attraktion für Dreamland entwerfen. Widerwillig macht er sich an die Arbeit und trifft auf die schlagfertige Zahra, die ihn mit ihrer quirligen Art fast in den Wahnsinn treibt. Im einen Moment diskutiert er hitzig mit ihr, im anderen kann er nur daran denken, ihr nahe zu sein. Sie weckt Gefühle in ihm, die er lange verdrängt hat. Aber er ist ihr Boss. Und er hat ein Geheimnis, das sie nie erfahren darf.

DIEAUTORIN

Lauren Asher hat eine überbordende Fantasie und verbringt ihre Freizeit mit Lesen und Schreiben. Ihr Traum ist es, an all die Orte zu reisen, über die sie schreibt. Sie genießt es, Figuren mit Ecken und Kanten zu erschaffen, die man einfach lieben muss. Wenn sie nicht gerade schreibt, durchforstet Lauren YouTube, schaut alte Episoden von »Parks & Recreation« und sucht nach neuen Restaurants auf Yelp. Sie arbeitet am liebsten direkt nach ihrem Morgenkaffee und würde nie ein Nickerchen verweigern.

LAUREN ASHER

DREAMLAND BILLIONAIRES

THE FINE PRINT

BAND 1

Roman

Aus dem Amerikanischen von Melike Karamustafa und Bettina Hengesbach

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe THEFINEPRINT erschien erstmals 2021.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 06/2023

Copyright © 2021. THEFINEPRINT by Lauren Asher

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Lisa Scheiber

Umschlaggestaltung: zero-media.net nach dem Originalcoverdesign von Books and Moods

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-30001-2V001

www.heyne.de

Playlist

 

Ain’t No Rest for the Wicked – Cage the Elephant

Oh, What a World – Kacey Musgraves

My Own Monster – X Ambassadors

Cloudy Day – Tones And I

Flaws – Bastille

Rare Bird – Caitlyn Smith

Lasso – Phoenix

Bubbly – Colbie Caillat

Believe – Mumford & Sons

Take a Chance On Me – ABBA

From Eden – Hozier

Could Be Good – Kat Cunning

R U Mine? – Arctic Monkeys

34+35 – Ariana Grande

Ho Hey – The Lumineers

Can’t Help Falling in Love – Haley Reinhart

Wildfire – Cautious Clay

White Horse (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Need the Sun to Break – James Bay

Landslide (Remastered) – Fleetwood Mac

Missing Piece – Vance Joy

Dreams – The Cranberries

Für die Mädchen, die davon träumen, einen Prinzen zu treffen, und sich am Ende in den missverstandenen Bösewicht verlieben

KAPITEL EINS

Rowan

Die letzte Beerdigung, die ich besucht habe, endete für mich mit einem gebrochenen Arm. Die Geschichte geriet in die Schlagzeilen, nachdem ich mich in das offene Grab meiner Mutter geworfen hatte. Seit diesem Tag sind zwei Jahrzehnte vergangen, und obwohl ich mich als Person vollkommen verändert habe, ist meine Aversion gegen das Trauern dieselbe geblieben. Aufgrund meiner Verantwortung, die ich als jüngster Angehöriger meines verstorbenen Großvaters trage, erwartet man jedoch von mir, dass ich während seiner Totenwache aufrecht und scheinbar ungerührt dastehe. Das ist beinahe unmöglich, weil meine Haut so juckt, als trüge ich einen billigen Anzug aus Polyester.

Meine Geduld schwindet langsam, während sich die Stunden dahinziehen, und Hunderte von Angestellten und Geschäftspartnern der Firma Kane mir ihr Beileid bekunden. Wenn es eines gibt, das ich noch mehr verabscheue als Beerdigungen, dann ist es, mit Leuten zu reden. Es gibt nur ein paar Menschen, die ich ertrage, und mein Grandpa war einer von ihnen.

Und jetzt ist er fort.

Das Brennen in meiner Brust wird stärker. Ich weiß nicht, warum es mich so sehr quält. Ich hatte Zeit, mich darauf einzustellen, während er im Koma lag, und dennoch kehrt das merkwürdige Gefühl hinter meinen Rippen jedes Mal, wenn ich an ihn denke, mit voller Wucht zurück.

Ich fahre mir mit einer Hand durch mein dunkles Haar, damit ich irgendwas zu tun habe.

»Herzliches Beileid, mein Sohn.« Ein namenloser Trauergast unterbricht meine Gedanken.

»Sohn?« Das eine Wort aus meinem Mund klingt so giftig, dass der Mann zusammenzuckt.

Er rückt nervös seine Krawatte zurecht. »Ich … nun … äh.«

»Sehen Sie es meinem Bruder nach. Er hat mit seiner Trauer zu kämpfen.« Cal legt mir eine Hand auf die Schulter und drückt sie leicht.

Der Wodka- und Minzegeruch seines Atems schlägt mir ins Gesicht, und ich schneide eine Grimasse. Mein mittlerer Bruder mag perfekt gekleidet sein in seinem edlen Anzug und mit dem makellos gestylten blonden Haar, aber seine rot umrandeten Augen erzählen eine ganz andere Geschichte.

Der Mann murmelt ein paar Worte, aber ich mache mir nicht die Mühe zuzuhören, sondern steuere den nächsten Ausgang an.

»Ich hab mit meiner Trauer zu kämpfen?« Auch wenn es mir nicht gefällt, dass mein Großvater gestorben ist, habe ich mit nichts zu kämpfen, außer mit diesem unangenehmen Sodbrennen.

»Locker bleiben. So was sagen Leute nun mal auf Beerdigungen.« Cals blonde Augenbrauen ziehen sich zusammen, während er mich fest ansieht.

»Ich brauche keine Entschuldigung für mein Verhalten.«

»Nein, aber du brauchst einen Grund dafür, unseren größten Investor für das Hotel in Shanghai zu verschrecken.«

»Verdammt.« Ich ziehe die Einsamkeit nicht ohne Grund vor. Small Talk erfordert zu viel Mühe und Diplomatie für meinen Geschmack.

»Kannst du wenigstens versuchen, noch eine Stunde nett zu sein? Zumindest bis die wichtigen Leute gegangen sind?«

»Ich versuche es doch schon.« Mein linkes Auge zuckt, während ich die Lippen zusammenpresse.

»Nun, dann streng dich mehr an. Für ihn.« Cal deutet mit dem Kopf zu dem Bild über dem Kamin.

Ich stoße zittrig die Luft aus. Das Foto ist während eines Familienausflugs ins Dreamland entstanden, als meine Brüder und ich noch Kinder waren. Grandpa lächelt in die Kamera, obwohl meine winzigen Arme fest um seinen Hals geschlungen sind. Declan steht an Grandpas Seite, verdreht die Augen, während Cal zwei Finger hinter seinen Kopf hält. Mein Vater zeigt ein seltenes nüchternes Lächeln, den Arm um Grandpas Schulter gelegt. Wenn ich mich konzentriere, kann ich mir Moms Lachen vorstellen, als sie das Foto geschossen hat. Auch wenn die Erinnerung an ihr Gesicht verschwommen ist, kann ich ihr Lächeln heraufbeschwören, wenn ich mich stark genug anstrenge.

Ein merkwürdiges Kratzen in meinem Hals bereitet mir Schwierigkeiten beim Schlucken.

Die letzten Allergiesymptome vom Frühling in der Stadt. Das ist alles.

Ich räuspere mich. »Er hätte diese ganze Show gehasst.« Obwohl Grandpa im Unterhaltungs-Business war, missfiel es ihm, im Mittelpunkt zu stehen. Dass all diese Menschen an den Rand von Chicago gereist sind, hätte ihn dazu veranlasst, die Augen zu verdrehen.

Cal zuckt mit den Schultern. »Gerade er wusste, was man von ihm erwartete.«

»Ein Networking-Event getarnt als Beerdigung?«

Cal hebt einen Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln. »Du hast recht. Grandpa wäre entsetzt, weil er immer behauptet hat, der Sonntag sei ein Tag der Ruhe.«

»Den Bösen ist keine Ruhe vergönnt.«

»Und noch weniger den Reichen.« Declan bleibt an meiner anderen Seite stehen. Er betrachtet die Menschenmenge mit unerbittlich gerunzelter Stirn.

Mein ältester Bruder hat eine Wissenschaft daraus gemacht, Menschen einzuschüchtern, und alle meiden den Blick aus seinen pechschwarzen Augen. Seine Anzüge passen zu dem schwarzen Haar, das zu seinem Mantel-und-Degen-Look beiträgt.

In gewisser Hinsicht bin ich neidisch auf Declan, weil die Leute für gewöhnlich zuerst mit mir reden. Fälschlicherweise halten sie mich für den nettesten Sohn, nur weil ich der jüngste bin. Ich wurde vielleicht als Letzter geboren, aber ich bin bestimmt nicht von gestern. Die Gäste nehmen sich nur die Zeit, mit uns zu reden, weil sie sicherstellen wollen, dass wir ihnen wohlgesinnt bleiben. Diese Art aufgesetzter Interaktion ist nichts Neues. Besonders wenn man bedenkt, dass alle Leute, mit denen wir verkehren, einen moralischen Kompass haben, der Richtung Hölle zeigt.

Ein unbekanntes Paar kommt auf uns zu. Die Frau holt ein Taschentuch hervor, um sich ihre trockenen Augen zu betupfen, während der Mann uns seine Hand hinhält.

Ich schaue darauf hinab, als könnte er mich mit einer Krankheit anstecken.

Seine Wangen röten sich, als er seine Hand wieder in die Tasche schiebt. »Ich wollte Ihnen mein Beileid bekunden. Es tut mir sehr leid. Ihr Großvater …«

Ich schalte mit einem Nicken auf Durchzug. Das wird ein fürchterlich langer Abend werden.

Alles nur für dich, Grandpa.

* * *

Ich blicke auf den weißen Umschlag hinab. Mein Name steht in der eleganten, kursiven Handschrift meines Grandpas darauf. Ich drehe den Brief um und sehe sein typisches Dreamland-Prinzessin-Cara-Siegel aus Wachs, das noch intakt ist.

Der Anwalt händigt meinen Brüdern die anderen Umschläge aus. »Jeder von Ihnen soll seinen Brief lesen, ehe ich mit Ihnen über Mr. Kanes letzten Wunsch und sein Testament spreche.«

Meine Kehle schnürt sich zu, als ich das Siegel breche und meinen Brief herausziehe. Datiert ist er auf den Tag genau eine Woche vor Grandpas Unfall vor drei Jahren, der zu seinem Koma geführt hat.

An meinen süßen kleinen Rowan, lese ich.

Ich unterdrücke ein Lachen. Süß und klein sind die letzten Worte, mit denen ich mich selbst beschreiben würde, da ich so groß bin wie ein NBA-Spieler, mit der emotionalen Palette eines Steins, aber Grandpa konnte oft eine glückselige Ignoranz an den Tag legen. Es war das Beste an ihm und auch das absolut Schlechteste, je nach Situation.

Auch wenn du jetzt ein Mann bist, wirst du in meinen Augen immer der gleiche kleine Junge bleiben. Ich erinnere mich an den Tag, an dem deine Mutter dich zur Welt gebracht hat, als wäre es gestern gewesen. Du warst der Größte von euch dreien, mit dicken Bäckchen und viel schwarzem Haar auf dem Kopf, um das ich dich stets beneidet habe. Du hattest eine kräftige Stimme und hast nicht aufgehört zu schreien, bis sie dich deiner Mutter übergeben haben. Als du in ihren Armen lagst, schien es, als wäre mit einem Mal alles in Ordnung auf der Welt.

Ich lese den Abschnitt noch zwei weitere Male. Es ist merkwürdig, dass Grandpa so ungezwungen über meine Mutter schreibt. Das Thema wurde in meiner Familie mit der Zeit zu einem solchen Tabu, dass ich mich irgendwann kaum noch an ihr Gesicht oder ihre Stimme erinnerte.

Ich weiß, dass ich aufgrund meiner Arbeit immer viel zu tun hatte und dass ich nicht so viel Zeit mit dir verbracht habe, wie ich es hätte tun sollen. Es war einfach, der Firma die Schuld dafür zu geben, dass ich körperlich und emotional so distanziert in meinen Beziehungen war. Als deine Mutter starb, wusste ich nicht recht, was ich tun sollte oder wie ich helfen konnte. Da dein Vater mich weggestoßen hat, habe ich mich voll und ganz der Arbeit verschrieben, bis mir alles andere gleichgültig wurde. Es funktionierte, als meine Frau starb, und es funktionierte, als deine Mutter auf eine ähnliche Weise von uns ging, aber mir ist bewusst, dass ich deinen Vater dadurch zum Scheitern verdammt habe. Und damit habe ich auch euch enttäuscht. Statt Seth beizubringen, wie man sein Leben nach einem großen Verlust weiterlebt, zeigte ich ihm, wie man an seiner Verzweiflung festhält, und das hat am Ende dir und deinen Brüdern nur geschadet. Dein Vater hat euch auf die einzige Art, die er kannte, großgezogen, und ich trage die Schuld daran.

Natürlich findet Grandpa eine Entschuldigung für Vaters Handeln. Grandpa war zu beschäftigt, um genau genug zu beobachten, was für ein Monster sein Sohn war.

Während ich diese Zeilen schreibe, lebe ich wieder in unmittelbarer Nähe von Dreamland und versuche, eine Verbindung zu mir selbst herzustellen. Etwas hat mich während der letzten zwei Jahre gestört, und ich konnte nicht ausmachen, was es war, bis ich hierhergekommen bin, um mein Leben neu zu beleuchten. Ich habe jemanden kennengelernt, der mir die Augen in Bezug auf meine Fehler geöffnet hat. Während die Firma wuchs, habe ich vergessen, warum ich sie ursprünglich gegründet hatte. Ich habe erkannt, dass ich von vielen glücklichen Menschen umgeben war und mich dennoch nie in meinem Leben so allein gefühlt habe. Und obwohl mein Name gleichbedeutend mit dem Wort Zufriedenheit ist, fühlte ich mich ganz und gar nicht so.

Eine unangenehme Empfindung krallt sich in meiner Brust fest und bettelt darum, herausgelassen zu werden. Es gab eine düstere Zeit in meinem Leben, als ich seine Worte nachempfinden konnte. Aber ich habe diesen Teil meines Gehirns abgeschottet, nachdem ich erkannt hatte, dass mich niemand außer mir selbst retten kann.

Ich schüttele den Kopf und konzentriere mich wieder auf den Brief.

Altwerden ist etwas Merkwürdiges, weil man eine neue Sichtweise auf die Dinge bekommt. Dieses aktualisierte Testament ist meine Art der Wiedergutmachung nach meinem Tod. Ich möchte meine Fehler ausmerzen, bevor es zu spät ist. Dieses Leben will ich für euch drei nicht. Verdammt, ich will es auch nicht für euren Vater. Also ist Grandpa hier, um den Tag zu retten, in richtiger Dreamland-Prinzen-Manier (oder Bösewicht-Manier, aber das hängt von deiner Sichtweise ab, nicht von meiner).

Jeder von euch bekommt eine Aufgabe, die er erfüllen muss, um nach meinem Tod einen Anteil der Firma zu erhalten. Habt ihr von dem Mann, der sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Märchen verdient, irgendetwas anderes erwartet? Ich kann euch die Firma schließlich nicht einfach schenken. Dich, Rowan, den Träumer, der aufgehört hat zu träumen, bitte ich um eine Sache …

Werde der Direktor von Dreamland und hole die Magie zurück. Um deine 18 Prozent der Firma zu erhalten, musst du Direktor werden und sechs Monate lang ein einzigartiges Projekt für mich leiten. Ich möchte, dass du die Schwachpunkte von Dreamland ausfindig machst und einen Erneuerungsplan erstellst, der meinem Andenken würdig ist. Ich weiß, dass du der richtige Mann für diesen Job bist, weil niemand, dem ich vertraue, es mehr liebt, etwas zu erschaffen, als du, auch wenn du diese Seite von dir über die Jahre vergessen hast.

Ich habe es geliebt, etwas zu erschaffen. Die Betonung liegt auf der Vergangenheitsform, denn ich werde auf keinen Fall wieder zeichnen, ganz zu schweigen davon, freiwillig bei Dreamland zu arbeiten.

Eine unabhängige Partei wird kontaktiert und gebeten werden, über deine Veränderungen abzustimmen. Wenn sie nicht genehmigt werden, dann gehen deine Anteile dauerhaft an deinen Vater über. Ohne zweiten Versuch. Und du kannst ihm die Anteile nicht abkaufen. So sieht es aus, kleiner Junge. Ich musste hart dafür arbeiten, den Namen Kane zu dem zu machen, was er heute ist, und es liegt an dir und deinen Brüdern, dafür zu sorgen, dass er für immer weiterlebt.

In ewiger Liebe

Grandpa

Ich betrachte die Tinte, bis die Wörter vor meinen Augen verschwimmen. Es ist schwer, mich auf das zu konzentrieren, was der Anwalt sagt, als er davon spricht, die Vermögenswerte aufzuteilen. Nichts davon spielt noch eine Rolle. Die Briefe legen jeden Plan auf Eis.

Declan bringt den Anwalt zur Tür, bevor er wieder ins Wohnzimmer kommt.

»Das ist ausgemachter Unsinn.« Ich nehme die Whiskeyflasche vom Kaffeetisch und fülle mein Glas bis zum Rand.

»Was musst du tun?« Declan setzt sich.

Ich erkläre meine bevorstehende Aufgabe.

»Das kann er nicht von uns verlangen.« Cal erhebt sich aus seinem Sessel und beginnt, auf und ab zu gehen.

Declan reibt sich mit einer Hand über die Bartstoppeln. »Du hast den Anwalt ja gehört. Entweder wir machen mit, oder meine Chance, CEO zu werden, ist verspielt.«

Cals Augen werden mit jedem seiner abgehackten Atemzüge größer. »Verflucht! Ich kann das nicht.«

»Was könnte schlimmer sein, als deinen Anteil der Firma zu verlieren?« Declan glättet seine Anzugjacke.

»Meine Würde zu verlieren?«

»Die existiert noch?«, versetze ich.

Cal zeigt mir den Mittelfinger.

Declan lehnt sich im Sessel zurück, während er einen Schluck aus seinem Whiskeyglas nimmt. »Wenn es irgendjemanden gibt, der ein Recht hat, verärgert zu sein, dann bin ich es. Ich bin derjenige, der jemanden heiraten und schwängern muss, um CEO zu werden.«

»Du weißt, dass Babys durch Sex entstehen, richtig? Ist das etwas, das du dir zutraust?« Cal zettelt einen Streit an, den er niemals gewinnen kann.

Declan hat seinen Ruf als Amerikas unerreichbarster Junggeselle nicht dadurch gewonnen, dass er mit vielen Frauen schlief.

Nun hebt Declan Cals Brief vom Boden auf und wirft einen gelangweilten Blick darauf. »Alana? Interessant. Ich frage mich, warum Grandpa es für eine gute Idee hielt, dass du wieder mit ihr zusammenkommst.«

Alana? Den Namen habe ich schon seit Jahren nicht mehr gehört. Was soll Cal denn mit ihr?

Ich strecke die Hand aus, um Declan den Brief abzunehmen, aber Cal reißt ihn ihm aus der Hand, bevor ich danach greifen kann.

»Genug davon. Und redet nicht noch mal von ihr.« Cal schäumt vor Wut.

»Wer mit dem Feuer spielt, muss damit rechnen, sich zu verbrennen.« Declan hebt sein Glas Richtung Cal. Sein Blick wandert zwischen uns beiden hin und her. »Ungeachtet dessen, was wir über die Sache denken, uns bleibt nichts anderes übrig, als uns Grandpas Wünschen zu fügen. Es steht zu viel auf dem Spiel.«

Ich werde niemals zulassen, dass unser Vater unsere Firmenanteile bekommt. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, mit meinen Brüdern zusammen die Kane Company zu führen, und ich habe nicht vor, gegen meinen Vater zu verlieren. Schließlich treibt uns etwas viel Mächtigeres als Geld an. Denn wenn wir eines von Seth Kane gelernt haben, dann, dass Liebe kommt und geht, aber Hass für immer bleibt.

KAPITEL ZWEI

Rowan

Meine neue Assistentin Martha ist schon seit einer Ewigkeit bei Dreamland tätig und hat für alle Direktoren des Unterhaltungsparks gearbeitet, auch für meinen Großvater. Die Umstellung, die mein Einstieg für sie bedeutet haben muss, hat sie gelassen gemeistert. Dass sie alles über jeden weiß, ist ein Bonus, und so habe auch ich meinen Umzug nach Florida entspannt über die Bühne gebracht.

Von Martha weiß ich, wo ich die meisten Angestellten von Dreamland an einem Ort antreffen kann, um mich offiziell vorzustellen. Da ich als Erster zum morgendlichen Meeting eintreffe, kann ich meinen bevorzugten Platz ganz hinten im Vortragssaal einnehmen, wo das Licht der Neonlampen nicht hingelangt und ich wie erwünscht in Dunkelheit gehüllt bin. Abseits von den neugierigen Blicken werde ich beobachten können, wie die Gruppe interagiert und wie die Führungskräfte Probleme angehen.

Zehn Minuten vor Beginn des Meetings kommen alle hereingeströmt und füllen die zahllosen Sitzreihen. Ich weiß nicht, welche Art von Energie ich ausstrahle, aber die Angestellten meiden die letzte Reihe und füllen die Plätze vorn und in der Mitte. Nur eine Person setzt sich auf den Stuhl vor mir. Der ältere Herr starrt mich an, als wäre es eine Unannehmlichkeit für ihn, dass ich in seinem Territorium Platz genommen habe, aber ich beachte ihn nicht.

Die Scheinwerfer vorn im Saal sind auf Joyce gerichtet, Managerin und Dreamland-Mutter. Sie hat einen Helm aus weißem Haar und blaue Augen, mit denen sie sich im ganzen Raum umsieht wie ein Drill Instructor. Ich weiß nicht, wie sie mich entdeckt hat, aber ihr Blick landet auf mir, und sie nickt mit zusammengepressten Lippen.

Joyce tippt auf ihr Klemmbrett. »Alles klar, Leute. Dann fangen wir mal an. Wir haben viel zu besprechen, bevor der erste Gast eintrifft, und wenig Zeit.« Sie erklärt die Tagesordnungspunkte und arbeitet selbstsicher zahllose Fragen ab. Während sie den Zeitplan für Juli mit seinen Paraden, Festivals und berühmten Besuchern durchgeht, holt sie kaum Luft.

Plötzlich wird die Tür hinter mir knarrend geöffnet.

Ich drehe mich um und schaue über die Schulter.

Eine jüngere brünette Frau huscht durch den kleinen Spalt herein, bevor sie leise die Tür hinter sich schließt.

Ich blicke auf meine Uhr. Wer ist sie, und warum kommt sie zwanzig Minuten zu spät?

Sie hat sich ein neonpinkes Skateboard unter den Arm geklemmt und sucht mit ihrem Blick den vollen Saal ab.

Ich nutze ihre Ablenkung aus, indem ich sie genau betrachte. Sie ist so schön, dass ich Schwierigkeiten habe, meine Aufmerksamkeit wieder auf die Unterhaltung vorn im Raum zu lenken. Es missfällt mir, und dennoch kann ich den Blick nicht abwenden. Ich lasse meine Augen über die Kurven ihres Körpers wandern, von ihrem feinen Hals bis zu ihren trainierten Oberschenkeln. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich balle meine Hände zu Fäusten und ärgere mich darüber, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper habe.

Reiß dich zusammen.

Ich atme ein paarmal tief durch, um meinen Herzschlag zu beruhigen.

Eine dunkle Locke fällt ihr vor die Augen. Sie streicht sie sich hinters Ohr, das mit goldenen Piercings geschmückt ist. Als würde sie meinen Blick spüren, schaut sie mich an – oder besser gesagt den leeren Platz neben mir. Sie tritt aus dem erleuchteten Türrahmen und kommt auf den dunklen Gang neben den Sitzreihen zu. Sie betrachtet die Stühle, als würde sie überlegen, wie sie mit so wenig Körperkontakt wie möglich auf den Platz neben mir gelangen kann.

»Hi. Entschuldigung.« Ihre Stimme ist weich und klingt, als käme sie nicht aus Florida. Dann atmet sie tief durch und schiebt sich Zentimeter für Zentimeter in meine Komfortzone.

Ich sage kein Wort, während ich mich an den Armlehnen festklammere, und erhasche einen guten Blick auf ihre Rückseite, die in ihrem legeren, aus Jeans und T-Shirt bestehenden Outfit gut zur Geltung kommt.

Es gibt einen Grund, warum Arbeitskleidung auf dem Firmengelände Pflicht ist, und diesen Grund starre ich gerade an. Mein Nacken wird heiß, und die Armlehnen ächzen unter dem Druck meiner Hände. Ihr Parfüm steigt mir in die Nase. Meine Augenlider schließen sich automatisch unter dem betörenden Duft – eine Mischung aus Blumen, Zitrusfrüchten und etwas, das ich nicht recht einordnen kann.

Sie quetscht sich mit der Eleganz einer neugeborenen Giraffe an meinen langen Beinen vorbei.

Da ich will, dass es schnell vorbeigeht, verschaffe ich ihr mehr Platz, indem ich mich aufsetze.

Mit meiner plötzlichen Bewegung bewirke ich allerdings nur, dass sie über meine Füße stolpert. Mit einer Hand hält sie sich an mir fest, um die Balance wiederzufinden, und verfehlt dabei meine intimste Stelle nur um wenige Zentimeter.

Ein Stromstoß schießt durch mein Bein, geradewegs in meinen Schritt.

Mist! Seit wann schafft es denn eine Berührung, so eine Reaktion in mir hervorzurufen?

Sie schaut mich mit großen Augen an, sodass ihre dichten Wimpern und ihre braunen Augen zur Geltung kommen. Ein paarmal blinzelt sie und beweist damit, dass sie zumindest grundlegende kognitive Funktionen besitzt. »Das tut mir schrecklich leid.« Ihre Lippen öffnen sich vor Schreck, als sie auf ihre Hand in meinem Schoß hinabblickt. Sie schnappt nach Luft und reißt die Hand von meinem Oberschenkel, wobei sie ihre Wärme und das merkwürdige Gefühl mitnimmt.

Der ältere Mitarbeiter schaut über die Schulter. »Würdest du dich wohl bitte endlich hinsetzen? Bei dem Lärm, den du immer machst, kann man kaum etwas verstehen.«

Den du immer machst? Gut zu wissen, dass dies ein Verhaltensmuster ist.

»Sicher. Ja«, stottert sie.

Dass sie in der Lage ist, ohne einen weiteren Unfall neben mir auf den Stuhl zu rutschen, betrachte ich als Wunder. Sie lässt ihren laut klimpernden Rucksack auf den Boden fallen, was für eine weitere Ablenkung sorgt. Metall rasselt und stößt aneinander, als sie sich nach unten beugt und den Reißverschluss öffnet.

Ich schließe die Augen und atme durch die Nase, um den dumpfen Schmerz zu vertreiben, der in meinen Schläfen pulsiert. Doch mit jedem Atemzug inhaliere ich nur noch mehr von ihrem Parfüm, sodass es unmöglich ist, sie auszublenden.

Während sie etwas in ihrem Rucksack sucht, streift sie mit dem Arm mein Bein. Ein ähnlicher Blitz wie zuvor schießt bei dieser Berührung an meiner Wirbelsäule hinab wie eine Hitzewelle, die irgendwo hinwill.

Überall, nur nicht dorthin, verdammt!

»Geht es etwas schneller?«, presse ich hervor.

»Sorry!« Sie wirkt beschämt, als sie endlich ihr Notizbuch hervorholt und sich abrupt hinsetzt. Das Skateboard rutscht ihr vom Schoß und kracht auf meine zweitausend Dollar teuren Schuhe.

Die Dinger wurden nicht grundlos vor Jahrzehnten im Park verboten. Ich trete die Schmuggelware weg und ausgerechnet vor die Knöchel des Mannes, der sie zurechtgewiesen hat.

»Komm schon, Zahra.« Der Mann dreht den Kopf nach hinten und wirft ihr einen vernichtenden Blick zu.

Zahra.

»Sorry, Ralph«, murmelt sie.

»Hör auf, dich zu entschuldigen, und fang an, pünktlich zu kommen.«

Ich kämpfe gegen den Drang an zu schmunzeln. Es gibt nichts, was ich mehr genieße, als wenn Leute für ihre Dummheiten zurechtgewiesen werden.

Sie beugt sich vor und legt dem Mann eine schlanke Hand auf die Schulter. »Kann ich es vielleicht mit frischem Brot wiedergutmachen, das Claire und ich gestern Abend gebacken haben?«

Brot? Bietet sie dem Mann tatsächlich Essen an, nachdem er wütend auf sie geworden ist?

Ralph zuckt mit den Schultern. »Wenn du auch noch ein paar Kekse springen lässt, werde ich mich bei Joyce nicht darüber beschweren, dass du schon wieder zu spät gekommen bist.«

Ich blinzele und betrachte schockiert den grantigen Mann mit den grauen Haaren.

»Ich wusste, dass du mich doch ein bisschen magst. Die Leute sagen, du seist gemein, aber ich glaube ihnen kein Wort.« Sie stößt ihn auf eine vertraute Art an der Schulter an.

Ich erkenne ihren Plan. Irgendwie hat sie es geschafft, den alten Ralph um den Finger zu wickeln, mit nichts als einem Lächeln und der Aussicht auf Backwaren.

Diese Frau ist gefährlich – wie eine Landmine, die man nicht sieht, ehe es zu spät ist.

Zahra nimmt ein Päckchen aus ihrem Rucksack und lässt es in Ralphs wartende Hände fallen.

Ralph grinst, sodass ein abgebrochener Schneidezahn zum Vorschein kommt. »Verrate niemandem unser Geheimnis. Ich könnte die Konsequenzen nicht ertragen.«

»Natürlich nicht. Das würde ich nie wagen.« Sie stößt ein leises Lachen aus, das in meiner Brust vibriert, als hätte darin jemand mit einem Vorschlaghammer auf einen Gong geschlagen.

Wärme breitet sich in meinem Körper aus, was mir eine Heidenangst einjagt.

Ihre weißen Zähne leuchten in der Dunkelheit, als sie Ralph ein strahlendes Lächeln schenkt. Irgendetwas in ihrem Blick lässt mein Herz rasen. Schön. Sorglos. Unschuldig. Als sei sie tatsächlich glücklich mit ihrem Leben, statt wie wir anderen nur so zu tun.

Meine Zähne schlagen zusammen, als ich verärgert den Atem ausstoße. »Sind Sie fertig? Hier gibt es auch Leute, die zuhören wollen.«

Das Weiße in Ralphs Augen wird groß, bevor er sich wieder umdreht und Zahra sich selbst überlässt.

»Tut mir leid«, flüstert sie.

Ich ignoriere ihre Entschuldigung und konzentriere mich wieder auf Joyce.

»Es wird im Vorstand ein paar große Veränderungen geben, die wir im Laufe der nächsten Woche besprechen. Sie werden dieses Quartal ein besonderes Auge auf uns haben.«

»Großartig. Das hat uns gerade noch gefehlt«, murmelt Zahra leise, während sie etwas in ihr Notizbuch kritzelt.

»Haben Sie ein Problem mit dem Firmenvorstand?« Ich weiß selbst nicht recht, was ich hören will oder warum es mich überhaupt interessiert.

Sie lacht in sich hinein, und ein weiteres merkwürdiges Gefühl macht sich in meiner Brust breit. »Die Frage ist, wer hat kein Problem mit dem Vorstand?«

»Warum?«

»Weil der Vorstand der Kane Company aus lauter alten Männern besteht, die rumsitzen und sich darüber unterhalten, wie viel Geld sie verdient haben, ohne die wirklich wichtigen Themen zu besprechen.«

»Und Sie sind Expertin auf dem Gebiet der Vorstands-Meetings?«

»Man muss kein Genie sein, um Rückschlüsse daraus zu ziehen, wie sie uns hier behandeln.«

»Wie behandelt man Sie denn?«

»Als wären wir nicht wichtig, solange wir dafür sorgen, dass sie jährlich Milliarden von Dollar verdienen.«

Falls sie meinen bösen Blick bemerkt, scheint er ihr nichts auszumachen. »Werden Angestellte nicht bezahlt, damit sie sich nicht beschweren?«

Sie schenkt mir ein Lächeln. »Tut mir leid, aber da muss die Firma noch was drauflegen, und da die meisten von uns nur den Mindestlohn verdienen, gehört es nicht zum Vertrag, die Klappe zu halten.« Sie klingt leichtherzig, was mich nur noch mehr ärgert.

»Das sollte es aber, und wenn es nur ist, um Sie davon abzuhalten, noch weitere ignorante Bemerkungen zu machen.«

Sie saugt die Luft ein und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Notizbuch, wodurch ich endlich die Ruhe bekomme, die ich mir wünsche.

»Das kommende Quartal wird anders als das letzte.«

Joyce’ Augen beginnen zu leuchten.

Ein paar Angestellte murren leise.

»Ach, kommt schon. Es ist die Wahrheit.«

Zahra stößt einen Laut aus, der tief aus ihrer Kehle kommt. Sie macht sich wieder Notizen, aber ich kann die Wörter in der Dunkelheit nicht entziffern.

»Sie glauben ihr nicht?« Was zur Hölle machst du hier, Junge? Sie hält endlich den Mund, und jetzt stellst du ihr Fragen?

Sie wendet sich mir abrupt zu, aber ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Weil nichts Gutes geschehen kann, jetzt wo Brady wirklich fort ist.« Ihre Stimme bricht.

Ich beiße die Zähne zusammen. Was bildet sie sich ein, meinen Großvater Brady zu nennen? Es ist beleidigend. »Der Park war im letzten Jahr erfolgreicher als jemals zuvor, daher ist Ihre Behauptung haltlos.«

Sie wippt auf nervtötende Art mit dem Knie. »Es geht nicht immer nur um Profit. Klar, der Park war erfolgreicher, aber zu welchem Preis? Niedrige Gehälter? Schlechtere Krankenversicherungen für Angestellte und unbezahlte Urlaubstage?«

Falls sie versucht, an meine Menschlichkeit zu appellieren, ist es vergeblich. Menschen in meiner Position führen nicht mit dem Herzen, weil wir mit so etwas Lächerlichem niemals zufrieden wären. Wir haben nicht vor, die Welt zu verbessern.

Wir haben vor, die Welt zu erobern.

Ich ändere meine Sitzposition und schaue sie an. »Sie klingen wie jemand, der keine Ahnung davon hat, wie man ein milliardenschweres Unternehmen führt. Nicht, dass mich das überrascht. Schließlich arbeiten Sie hier.«

Sie streckt die Hand aus und kneift mir in den Arm. Ihre kleinen Finger haben nicht genügend Kraft, um wirklichen Schaden anzurichten.

»Was zur Hölle war das denn?«, versetze ich.

»Ich wollte testen, ob das ein Albtraum ist. Aber leider ist diese katastrophale Unterhaltung real.«

»Wenn Sie mich noch einmal anrühren, werde ich Sie auf der Stelle feuern lassen.«

Sie erstarrt. »Aus welcher Abteilung haben Sie gesagt, kommen Sie?«

»Ich habe es nicht gesagt.«

Sie schlägt sich an die Stirn und wechselt in eine Sprache, die ich nicht verstehe.

»Und in welcher Abteilung arbeiten Sie?«

Sie setzt sich aufrechter hin und schenkt mir ein Grinsen, als hätte ich ihr nicht soeben mit Kündigung gedroht.

Bizarr.

»Ich bin Kosmetikerin im Salon Zauberstab.«

»Super. Dann machen Sie wenigstens nichts Wichtiges, es wird Sie also keiner vermissen.«

Ihr Stuhl knarrt, als sie sich darauf windet. »Gott, Sie sind so ein Arschloch.«

Joyce hätte sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um mich vorzustellen. Sie sagt meinen Namen, und alle Köpfe wenden sich unserer kleinen dunklen Ecke zu.

Ich erhebe mich von meinem Platz und schaue Zahra mit hochgezogener Augenbraue an.

Sie lässt den Kopf hängen, und ihre Brust bebt.

Vor Lachen? Was zur Hölle? Sie sollte sich entschuldigen und darum betteln, ihren Job behalten zu dürfen.

Joyce ruft erneut meinen Namen, und ich drehe den Kopf abrupt Richtung Bühne. Dann wende ich mich der Menschenmenge zu und entferne mich von Zahra. Ich muss mich nur auf eine Sache konzentrieren, und mein Ziel hat nichts mit einer Frau zu tun, die es gewagt hat, mich als Arschloch zu bezeichnen und auch noch darüber lacht.

KAPITEL DREI

Zahra

Ich schlage die Tür meines Schließfaches zu.

»Worüber regst du dich denn so auf?« Claire nimmt auf der Bank mir gegenüber Platz und zieht ihre flachen Schuhe an. Ihr dunkles schulterlanges Haar fällt ihr ins Gesicht, und sie streicht es nach hinten.

»Ich hab heute Morgen im Meeting den größten Idioten aller Zeiten kennengelernt. Und du wirst nicht glauben, wer es war.«

»Wer?«

»Rowan Kane.«

»Ist nicht dein Ernst!« Die braunen Augen meiner Mitbewohnerin weiten sich.

Ein paar Köpfe drehen sich in unsere Richtung. Mrs. Jeffries tastet suchend nach ihrer Kette mit dem Kreuz, während sie uns anstarrt.

»Claire.« Ich ächze.

»Er gehört sozusagen zur Dreamland-Königsfamilie. Du musst mir meinen Schock nachsehen.«

»Vertrau mir. Einige Dinge überlässt man lieber der Fantasie.«

Und all die niedlichen Geschichten, die Brady über seinen jüngsten Enkelsohn erzählt hat, waren tatsächlich nichts weiter als Fantasie. Rowan hat sich einen Ruf als rücksichtsloser Geschäftsmann gemacht, der dafür bekannt ist, in seinen Mitmenschen dasselbe Maß an Freude hervorzurufen wie es das Einschläfern von Tieren mit sich bringt. Zum ersten Mal ist er aufgefallen, als er die entscheidende Stimme gegen die Erhöhung der Mindestlöhne für Angestellte abgegeben hat. Wegen ihm zahlt die Kane Company ihren Angestellten weiterhin nur Pennys für ihre harte Arbeit. Seine Schreckensherrschaft hat sich über die Jahre verfestigt. Er hat die bezahlten Urlaubstage reduziert, unsere Krankenversicherung gegen ein System ausgetauscht, das eher schadet als hilft, und unzähligen Angestellten gekündigt. Rowan mag aussehen wie ein Engel, aber alles andere an ihm ist pure Sünde.

Claire zupft an meinem Kleid. »Los, erzähl schon! Riecht er so gut, wie er aussieht?«

»Nein.« Doch. Aber das werde ich Claire nicht verraten.

Rowan riecht nicht nur atemberaubend gut, sein Firmenfoto wird ihm auch absolut nicht gerecht. Er ist auf eine unzugängliche Art schön. Wie eine Marmorstatue umgeben von einem roten Samtband, das mich in Versuchung führt, mich für eine einzige Berührung auf verbotenes Territorium zu begeben. Seine Wangenknochen wirken wie gemeißelt, während seine Lippen so weich aussehen, dass man sie küssen will. Und danach zu urteilen, was ich gespürt habe, als ich ihn gekniffen und seinen Oberschenkel berührt habe, ist er äußerst muskulös. Er wirkt makellos und sieht mit seinem perfekt gestylten braunen Haar, dem edlen Anzug und den karamellbraunen Augen aus wie ein klassisch hübscher Junge. Allerdings nur, bis er den Mund aufmacht.

»Okay, lass uns die Tatsache vergessen, dass er ein Idiot ist, und mehr darüber reden, ob er Single ist oder nicht.« Sie klimpert mit den Wimpern.

»Ich dachte, er ist nicht dein Typ.« Ich stoße sie an der Schulter an, denn ich weiß, dass sie nicht auf Männer steht. Sie hat sich in der Highschool als lesbisch geoutet und seitdem keinen Mann mehr angeschaut.

»Mädel, ich frage wegen dir, nicht wegen mir.«

Ich streiche mit der Hand an meinem violetten Renaissance-Kostüm hinab. »Da er mir zu verstehen gegeben hat, dass mein Job wohl kaum so wichtig sei, dass man mich vermissen könnte, bin ich nicht interessiert. Ganz zu schweigen davon, dass er unser Chef ist.«

Auch wenn es bei Dreamland keine Richtlinien gibt, die Beziehungen verbieten, habe ich Rowan offiziell als tabu abgeschrieben. Ich kenne Romanzen dieser Art aus eigener Erfahrung und habe die Quittung dafür bekommen. Dank meines Ex-Freundes habe ich bereits das maximale Arschloch-Level, mit dem man im Leben in Berührung kommen sollte, erreicht.

»Mann. Was für ein Mistkerl.«

»Ach was. Ich kann nicht glauben, dass er unser neuer Direktor ist. Es ist einfach so plötz…«

»Sie gehen unsere Namen für die Anwesenheitsliste durch«, ruft Regina, die Salon-Managerin, vom Hauptgeschoss.

Claire und ich betreten die Etage, in der sich der Salon befindet, und stellen uns zusammen mit den anderen Angestellten in einer Reihe auf. Wir sind umgeben von einem Meer aus leeren bunten Stühlen und beleuchteten Frisiertischen, die auf Kinder warten, die den großen Traum haben, sich für ihren Dreamland-Besuch als Prinzessinnen und Prinzen zu verkleiden. Alle bleiben stehen, während die Aufgaben verteilt werden, bevor wir unsere Tische vorbereiten.

»Bereit?« Claire schaut von ihrem Frisiertisch aus zu mir herüber.

Ich greife nach meinem noch nicht eingestöpselten Lockenstab und schwinge ihn wie ein Schwert. »Ich bin für alles bereit.«

Henry, der heutige Aufseher, öffnet die Türen und lässt eine Horde Kinder und deren Eltern herein.

Angesichts der Kleinen, die mit einem strahlenden Lächeln und leuchtenden Augen die Kostüme an den Wänden bewundern, wird mir warm ums Herz.

Henry schiebt ein kleines Mädchen in einem Rollstuhl zu mir. »Hi, Zahra. Das ist Lily. Sie freut sich darauf, dass du sie heute in Prinzessin Cara verwandelst.«

Ich beuge mich vor und gebe Lily die Hand. »Bist du dir sicher, dass du ein Make-over brauchst?«

Sie nickt und lächelt.

»Bist du dir sicher, dass du nicht ohnehin schon eine Prinzessin bist?«

Lily unterdrückt ihr Kichern mit der anderen Hand. Das glatte blonde Haar fällt ihr ins Gesicht und schirmt ihre grünen Augen vor mir ab.

Ich tippe ihr auf die Nase. »Du wirst mir die Arbeit so leicht machen, dass mein Chef noch denkt, ich könnte zaubern.«

Lily lacht. Der Klang ist so herzallerliebst, dass ich nicht anders kann, als mit einzustimmen.

»Mir gefällt deine Brosche.« Sie zeigt auf die Emaille-Brosche über meinem Namensschild.

»Danke.« Ich betrachte schmunzelnd den Schriftzug Bee Happy neben der Biene. Meine kleine Rebellion gegen die Regeln zu unserer Arbeitskleidung kommt bei den Kindern immer gut an.

Ich mache mich an die Arbeit und beginne mit Lilys Haar. Ihre glatten Strähnen lassen sich nur schwer in klassische Prinzessin-Cara-Locken verwandeln, aber ich gebe nicht auf, ehe sie perfekt aussieht.

Ein merkwürdiges Prickeln läuft an meinem Rücken hinab. Ich wende mich dem Spiegel zu und streiche, weil ich nicht auf meine Hände achte, ein wenig violetten Lidschatten auf Lilys Wange.

»Hey!« Sie lacht.

»O Gott.«

»Was denn?«

Rowan steht neben dem Empfangstresen. Unter seinem intensiven Blick, den er mir im Spiegel zuwirft, erhitzt sich meine Haut, und meine Augen drohen, mir aus dem Kopf zu springen. Röte breitet sich auf meinen Wangen aus, und ich wende mich vom Schminktisch ab, um meine Reaktion zu verbergen.

»Ohh, du wirst ja ganz rot. Mommy passiert das auch manchmal bei Daddy.« Lilys Augen leuchten.

»Hmmm.« Was macht er hier? Werde ich gefeuert?

Lily erwischt mich dabei, wie ich Rowans Spiegelbild anstarre. »Magst du ihn?«

»Schhh! Nein!« Ich wische ihr die Schminke von der Wange.

»Ist es ein Geheimnis?«, flüstert sie.

»Ja!« In diesem Moment würde ich alles sagen, was sie dazu bringt, den Mund zu halten.

Ich wage es, noch einmal über die Schulter zu schauen. Der Blick des Armani tragenden Mistkerls ruht weiterhin auf mir; seine nun mürrische Miene jagt mir noch größere Angst ein.

Henry kommt unter dem Vorwand, Lily ein Trinkpäckchen anzubieten, zu meinem Frisiertisch. »Willst du mir vielleicht verraten, warum Mr. Kane nach dir fragt?«

»Weil ich ihn vorhin vielleicht verärgert habe?«

Um Henrys Augen bilden sich Sorgenfältchen. »Ich wollte nur rüberkommen und dich warnen – er stellt Regina alle möglichen Fragen über dich.«

Ich hoffe, Regina behält ihre persönliche Abneigung mir gegenüber für sich. Auch wenn sie nichts lieber tun würde, als sich über mich zu beschweren, spricht meine Leistung für sich selbst. Das Trinkgeld, das ich von meinen Kundinnen und Kunden erhalte, ist fast doppelt so hoch wie das der anderen, was sie nur noch wütender auf mich macht. Ich verstehe ihr Problem nicht. Ihre Tochter ist schließlich diejenige, die eine Affäre mit meinem Freund – mittlerweile Ex-Freund – hatte, als wir noch zusammen waren. Ich stelle nicht mal annähernd eine Bedrohung dar, weil ich Lance selbst in einem Schutzanzug nicht mehr berühren würde, ganz zu schweigen davon, wieder mit ihm zusammenzukommen.

Ich drücke meinen Rücken durch. Über Lance und Tammy nachzudenken, ruiniert nur meine Laune. So niedergeschlagen wie damals will ich nie wieder sein; ich weigere mich, mich selbst auf das Mädchen zu reduzieren, das dachte, es würde seinen College-Freund heiraten. Unsere gemeinsame Zukunft wurde zerstört, als ich erfahren habe, dass Lance ein Doppelleben mit Tammy führte.

Lass los. Zeig ihnen, dass sie dich nicht gebrochen haben, ganz egal, wie nahe sie dran waren.

»Ist das dein Prinz?«, Lily grinst.

Ich konzentriere mich wieder auf die Unterhaltung.

Henry hebt die Schultern. »Wir müssen abwarten, ob er sie mit in sein Königreich nimmt.«

Das Königreich, in dem der Mann lebt, ist die Hölle, und ich habe kein Interesse daran, es zu besuchen. Er ist ein Teufel im Designeranzug, mit einem Charakter, der dazu passt.

»Viel Glück. Das wirst du gebrauchen können.« Henry geht, nachdem er mir wie einem Kind den Kopf getätschelt hat.

Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, trifft Rowans emotionsloser Blick meinen. Ich zittere trotz der warmen Lichter des Frisiertisches unter seiner Beobachtung. Während des gesamten Make-overs schaffe ich es irgendwie, meine Miene unter Kontrolle zu halten, obwohl mir das Herz gegen den Brustkorb hämmert. Ich verwende all meine Energie darauf, meinen neuen Chef zu ignorieren, während ich Lily zur hübschesten Prinzessin im ganzen Park mache.

Als es fast an der Zeit ist, ihr mein Werk zu zeigen, drehe ich ihren Rollstuhl zur Mitte des Raumes und weg vom Spiegel. Ich nehme die letzten Handgriffe vor, ehe ich den Rollstuhl wieder zum Spiegel drehe, damit sie sich betrachten kann.

Ihre Augen werden feucht, als sie sich sieht.

»Du siehst wunderschön aus.« Ich beuge mich hinunter und umarme sie kurz.

»Danke.« Sie schaut stirnrunzelnd auf ihren Rollstuhl hinunter.

Mein Herz zieht sich zusammen, und ich wünsche mir, ich könnte mehr für Kinder wie Lily tun. Sie scheinen stets übersehen zu werden.

Ich lege meinen Arm um ihre Schulter und lächele in den Spiegel. »Du bist eine hübsche Dame. Ich wette, der ein oder andere wird dich tatsächlich für Prinzessin Cara halten, wenn du unseren Salon verlässt.«

»Wirklich?« Ihr gesamtes Gesicht erhellt sich wieder.

Ich tippe ihre Nase an. »Da gehe ich jede Wette ein. Und ich weiß, dass die anderen Kinder dich um diese tollen Räder beneiden werden, wenn ihnen die Füße schmerzen.«

Sie lacht. »Du bist witzig.«

»Wenn jemand bei dir mitfahren möchte, solltest du unbedingt Geld dafür nehmen. Versprochen?«

»Ehrenwort.« Sie reicht mir ihre Hand, um das Versprechen zu besiegeln.

Ich drehe mich um, um Lilys Eltern zu rufen. Doch mein Blick trifft auf Rowans. Hitze sammelt sich in meinem Bauch und breitet sich wie ein Lauffeuer auf meiner gesamten Haut aus.

Bekomme ich etwa Fieber? Ich wusste doch, dass das schniefende Kind, das ich gestern im Salon hatte, nicht nur an Heuschnupfen gelitten hat.

Lilys Eltern kommen herüber und schwärmen davon, wie toll sie aussieht. Während ihr Dad sich hinkniet, um mit ihr zu reden, dreht sich ihre Mutter zu mir um und umfasst zitternd meine Hand. »Vielen Dank, dass Sie sich um meine Tochter gekümmert haben. Sie hatte Angst, dass sie sich zu sehr von den anderen Mädchen unterscheiden würde, aber Sie haben sich besonders große Mühe gegeben, um ihren Tag zu etwas Besonderem zu machen.« Sie schließt mich in die Arme.

Ich erwidere die Umarmung. »Es war mir ein Vergnügen. Aber Lily hat es mir leicht gemacht, weil Ihre Tochter wirklich wunderschön ist, innerlich und äußerlich.«

Lilys Dad wird rot, während ihre Mom grinst. Mit einem letzten Blick in den Spiegel schieben ihre Eltern Lily aus dem Salon.

Ich drehe mich in die Richtung, wo Rowan und Regina gerade noch geredet haben, doch sie sind verschwunden. Mein Magen zieht sich zusammen.

Für den Rest des Tages ist mir dauerhaft übel. Ganz gleich, wie viele strahlende Kinder meinen Stuhl verlassen, ich werde das merkwürdige Gefühl in meinem Bauch nicht los. Ich bin mir nicht sicher, was Rowan vorhat, aber ich muss auf der Hut bleiben. Es gab eine Zeit, in der ich meine Intuition ignoriert habe, und diesen Fehler will ich nie wieder begehen.

KAPITEL VIER

Rowan

Dreamland mag auf der Idee basieren, Märchen zu verkaufen, aber mir bringt es nichts als Albträume und Erinnerungen mit schalem Beigeschmack. Die Energie an diesem Ort gibt mir ebenso das Gefühl zu ersticken wie die schwüle Luft in Florida. Trotz der Sommersonne läuft mir ein Schauer den Rücken hinab, als ich zu Prinzessin Caras Schloss hinaufblicke. Das architektonische Ungetüm, das dem Park meines Großvaters vor fast fünfzig Jahren seinen Erfolg beschert hat, erinnert mich an ein Leben, das ich längst vergessen habe.

Du musst darüber hinwegkommen, du wertloser Dummkopf. Konzentrier dich auf das, was wichtig ist.

Ich bin mir nicht sicher, warum mein Grandpa mich mit der Aufgabe betraut hat, einen Vergnügungspark zu optimieren, der seit achtundvierzig Jahren einwandfrei läuft. Die Tickets sind immer ausverkauft, und wir schöpfen die maximale Kapazität jeden Tag aus. Mit jedem Quartal steigt der Profit; ich frage mich also, was verbessert werden kann.

Um es simpel auszudrücken: Der Park ist perfekt. Fast zu perfekt. Als Vorsitzender unserer Tochtergesellschaft, einem Streaminganbieter, habe ich mich an einem einzigen Tag schon mit mehr Problemen auseinandergesetzt, als in diesem Park in einem Jahr auftreten. Aber da meine Aktien im Wert von fünfundzwanzig Milliarden Dollar auf dem Spiel stehen, werde ich jeden einzelnen Stein umdrehen, wenn ich dadurch Schwächen aufdecken und Dreamlands Stärken ausbauen kann. Es gibt keine andere Option. Meine Brüder zählen darauf, dass ich meinen Teil leiste, um die Zukunft zu sichern, und ich habe nicht vor, sie zu enttäuschen.

Ich verlasse die hölzerne Zugbrücke. Mein Atem geht wieder leichter, als ich mehr Abstand zwischen das Schloss und mich bringe.

Denk dran, wie viel besser das Leben sein wird, wenn du erst mal diese Stadt verlassen hast.

Dieser Gedanke hält mich bei Verstand in einer Welt, die auf nichts aufgebaut wurde als auf negativen Erinnerungen und zerbrochenen Träumen.

* * *

Meine Geduld schwindet mit jeder Hürde, auf die ich stoße. Nach mehreren aufeinanderfolgenden sinnlosen Meetings mit Dreamland-Angestellten will ich unbedingt herausfinden, an welchen Stellen die Leistung des Parks unzureichend ist. Aber seit meiner Ankunft vor achtundvierzig Stunden habe ich nichts Erwähnenswertes in Erfahrung gebracht.

Laut den Akten erreicht Dreamland mit jedem Quartal neue Ziele. Das Einzige, was ich von allen Angestellten gehört habe, war, dass man mehr fordert. Mehr Fahrgeschäfte. Mehr Fläche. Mehr Hotels. Mehr Platz.

Es gibt nur ein Team, das mir bei einer so groß angelegten Expansion helfen kann. Die Entwickler von Dreamland sind renommiert in der Welt der Unterhaltungsparks. Bei jeder Attraktion, jedem Lokal, jedem Souvenirladen und jeder Besucheraktivität in Dreamland hatten sie ihre Finger im Spiel. Daher möchte ich während der nächsten sechs Monate auch mit ihnen Seite an Seite arbeiten. Dass ich alles bis ins kleinste Detail kontrollieren will, wird ein gravierender Unterschied zu der entspannten Einstellung sein, die alle vom vorherigen Direktor gewohnt sind. Doch ehrlich gesagt ist mir das egal. Mit diesem Ansatz ist es mir gelungen, ein Streaming-Start-up in ein milliardenschweres Imperium zu verwandeln, und er wird mir auch hier helfen.

Ich betrete mein Büro und schließe die Tür hinter mir. Die beiden führenden Entwickler zucken in ihren Sesseln zusammen, ehe sie sich wieder sammeln.

Sam, dessen gesunder Menschenverstand ihm aus unerklärlichen Gründen geraten zu haben scheint, ein kariertes Hemd mit einer gepunkteten Krawatte zu kombinieren, kann mir kaum in die Augen sehen. Die Spitzen seines braunen lockigen Haares sind das Einzige, was ich von ihm sehe, während er in sein Notizbuch schreibt.

Jenny, die brünette stellvertretende Managerin, sitzt kerzengerade neben ihm, als könnte mich eine falsche Bewegung zum Explodieren bringen.

Ich nehme Platz. »Lassen Sie uns beginnen.«

Die beiden nicken einstimmig.

»Man erwartet von mir, dass ich einen neuen Plan für den Park ausarbeite, in dem unsere Schwächen aufgedeckt werden. Daher werden wir gemeinsam die Leistung von Dreamlands Attraktionen evaluieren und bestimmen, wie wir unseren Gästen noch mehr entgegenkommen können. In diesem Rahmen sollen bereits existierende Fahrgeschäfte renoviert werden, die Parkfläche soll vergrößert werden und Aufführungen und Wagenparaden sollen moderner werden, sodass sich die Kapitalerträge um fünf Prozent erhöhen – mindestens.«

Sams Augen werden doppelt so groß, während Jennys Miene starr bleibt.

»Meine Analyse im Vorfeld hat gezeigt, dass unsere Konkurrenten in den letzten Jahren schnelleres Wachstum erzielt haben. Und obwohl Dreamland jedes Quartal überdurchschnittliche Gewinne erzielt, möchte ich unsere Konkurrenz übertreffen und ihren Profit einfahren.«

Sam schluckt schwer, und Jenny kritzelt etwas in ihr Notizbuch.

Ich weiß ihr Schweigen zu schätzen, da ich zwischen den einzelnen Meetings nur wenig Zeit habe.

»Bei solchen Projekten dauert es Jahre vom Entwurf bis zur Umsetzung. Daher erwarte ich, dass Ihre beiden Teams Pläne entwickeln, die ich in sechs Monaten dem Vorstand präsentieren kann.«

Es war Declans Idee, den wahren Grund für meine Anwesenheit geheim zu halten. Er glaubt, dass die Leute mich sabotieren könnten, wenn ich meine eigennützigen Absichten für ein Projekt dieser Größenordnung bekannt gebe. Also wird keiner von der Position erfahren, die ich hier während der nächsten sechs Monate einnehmen werde. In ihren Augen werde ich der Direktor sein, von dem sie schon immer geträumt haben. In Wahrheit kann ich es nicht erwarten, endlich aus diesem Höllenloch herauszukriechen und nach Chicago zurückzukehren, um Declan als Finanzdirektor zu ersetzen.

»Sechs Monate?«, krächzt Jenny. Ihr weicht jegliche Farbe aus dem Gesicht.

»Ich nehme an, das wird kein Problem darstellen.«

Sie schüttelt den Kopf, aber ihre Hand, mit der sie den Stift hält, zittert.

»Ich habe vor, die Idee mit dem fünfzigsten Jubiläum zu verbinden und die Werbetrommel mit Inhalten zu rühren, die den Leuten zu Herzen gehen. Das Projekt sollte sowohl die junge als auch die alte Generation ansprechen, die mit Dreamland-Charakteren aufgewachsen ist. Es soll all das widerspiegeln, was mein Großvater an diesem Park geliebt hat, während wir uns außerdem in eine strahlendere – und modernere – Zukunft bewegen.«

Sam und Jenny nicken eifrig, hängen mir bei jedem Wort an den Lippen und schreiben in ihre Notizblöcke.

»Was immer getan werden muss, tun Sie es. Die Zeit läuft uns davon.«

»Wie hoch ist unser Budget?« Sams Augen leuchten.

»Wir sollten realistisch bleiben – also rund zehn Milliarden für den gesamten Park. Wenn Sie mehr benötigen, werden meine Bilanzbuchhalter einen Blick auf die Zahlen werfen.«

Sam verschluckt sich fast.

»Ich erwarte Resultate. Sonst sollten Sie sich besser beim Jahrmarkt bewerben.«

Jenny starrt mich an, während Sam seinen Blick auf den Teppich senkt.

»Sir, kann ich offen sprechen?« Jenny tippt auf überaus nervtötende Art mit dem Stift auf ihren Notizblock.

Ich schaue auf meine Uhr. »Wenn Sie es für absolut nötig halten.«

»Da Ihr Zeitplan recht straff ist, überlege ich, ob wir die jährlichen Angestelltenideen dieses Jahr früher annehmen können? So könnten die Entwickler mit neuen Ideen arbeiten, statt bei null anzufangen.«

Ich schaue sie blinzelnd an. Das jährliche Einreichen von Ideen bereitet einem nichts als Kopfschmerzen und erfüllt ausschließlich den Zweck, die Angestellten bei Laune zu halten. Wir haben genügend Entwickler, die schon seit Jahrzehnten für Dreamland arbeiten. Sie brauchen keinen nutzlosen Input von Niedriglohnmitarbeitern, die nichts darüber wissen, wie man einen Unterhaltungspark gestaltet.

Aber was, wenn jemand etwas einreicht, das den Entwicklern noch nicht in den Sinn gekommen ist?

Ich gehe Pro und Kontra durch, bis ich zu dem Schluss gelange, dass ich nicht viel zu verlieren habe. »Begrenzen Sie die Einsendungsphase auf zwei Wochen. Ich will, dass Sie beide die Ideen durchgehen und am Ende nur die besten auf meinem Schreibtisch landen.«

Jenny nickt. »Natürlich. Ich bin mir sicher, wir können gut einschätzen, wonach Sie suchen.«

Das ist zu bezweifeln, aber ich mache mir nicht die Mühe, Worte darauf zu verschwenden, sie zu korrigieren. »Machen Sie sich an die Arbeit.«

Jenny und Sam verlassen eilig den Raum, wo ich nun E-Mails beantworte und mich auf das nächste Meeting des Tages vorbereite.

* * *

»Mein Sohn.«

Ich bereue es auf der Stelle, den äußerst ungewöhnlichen persönlichen Anruf meines Vaters entgegengenommen zu haben. Meine Neugier war zu groß, weil er sich in Bezug auf das ganze Dreamland-Business bisher viel zu sehr in Schweigen gehüllt hat. So stellt sich mir die Frage, was er hinter den Kulissen plant.

Ich setze mich auf die Ledercouch gegenüber meinem Schreibtisch. »Vater.«

Wie wir uns anreden, ist nichts weiter als eine Show für öffentliche Auftritte.

»Wie läuft es mit Dreamland? Ich nehme an, du nimmst an unserem Vorstandsmeeting am Montag teil, ganz gleich, welche eigenen Pläne du hast.« Sein Tonfall klingt leichtherzig und zeigt, wie sehr er seine ruhige Fassade über Jahrzehnte perfektioniert hat.

Ich knirsche mit den Zähnen. »Warum interessiert dich das?«

»Weil mich dein plötzliches Vorhaben, nach dem Tod deines Großvaters Direktor zu werden, fasziniert.«

Hält er mich für so dumm?

Natürlich tut er das. Er macht sich über dich lustig, seitdem du auf der Welt bist.

»Rufst du aus einem bestimmten Grund an?«, frage ich mit gespielter Gleichgültigkeit.

»Ich wollte mich nach deinem Fortschritt erkundigen, nachdem ich mir den Finanzierungsantrag angeschaut habe, den du eingereicht hast. Zehn Milliarden Dollar sind nicht gerade wenig.«

Jeder Muskel in meinem Körper verhärtet sich. »Ich brauche deine Ratschläge nicht.«

»Gut. Ich wollte dir auch keine erteilen.«

»Gott bewahre, dass du dich einmal in deinem armseligen Leben wie ein richtiger Vater benimmst.«

»Interessante Wortwahl von meinem schwächsten Sohn.«

Mein Griff um das Telefon festigt sich. Es war dumm von mir, den Anruf meines Vaters aus reiner Neugier entgegenzunehmen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass sich selbst nach dem Tod meines Grandpas nichts ändern würde. Das Einzige, was mein Vater will, ist, mich daran zu erinnern, für wie unfähig er mich hält.

Er versucht nur, dich in den Wahnsinn zu treiben, das ist alles.

»Ich muss auflegen. Ich hab ein Meeting, zu dem ich nicht zu spät kommen kann.«

Nachdem ich das Telefonat beendet habe, atme ich mehrmals tief durch, um meinen Blutdruck zu senken. Ich bin nicht mehr der unbeholfene Junge, der sich nach einer richtigen Bindung zu seinem Vater sehnt. Wegen ihm habe ich meinen Verstand in eine Waffe verwandelt, statt ihn zu einer Schwäche werden zu lassen. Ganz gleich, wie sehr er sich bemüht, mich zu verletzen, ich werde immer als Sieger hervorgehen, weil das Kind, das er einst kannte, nicht mehr existiert. Dafür habe ich gesorgt.

KAPITEL FÜNF

Zahra

Claire lässt sich auf die Couch fallen und schiebt mir ihren Laptop auf den Schoß. »Das ist deine Chance.«

»Was?«

Sie betätigt die Pausetaste der TV-Fernbedienung und hält Der verführerische Herzog an, was ich mir in einem Serien-Marathon ansehe.

Ich lese die E-Mail, ehe ich ihren Laptop auf den Couchtisch stelle. »Auf keinen Fall. Das wird nicht passieren.«

»Hör mir doch erst mal zu.«

»Nein.«

»Doch! Du wirst dir meine Argumente anhören, ohne mich zu unterbrechen. So viel bist du mir, deiner besten Freundin und persönlichen Köchin, schuldig.« Sie wedelt mit ihrem Zeigefinger auf die gleiche Art herum, wie es meine Mutter tut.

»Mein Magen liebt dich vielleicht, aber meine Oberschenkel danken es dir ganz sicher nicht.«

Sie funkelt mich wütend an.

Ich verschränke die Arme. »Na schön. Ich gebe dir eine Chance.«

Sie rückt ihren winzigen Dutt zurecht. »Okay, ich verstehe ja, warum du zögerst. Das würde mir nicht anders gehen, wenn mich jemand so hintergangen hätte wie Lance dich.«

»Müssen wir wirklich über Lance sprechen?« Ein Kältegefühl macht sich in meiner Brust breit. Von einem Betrug wie diesem erholt man sich nur schwer.

Claires Lächeln gerät ins Wanken. »Ich erwähne ihn nur, weil das hier der letzte Schritt in deinem Prozess ist, ihn zu vergessen.« Sie deutet mit einer ausladenden Geste auf ihren Laptop, als könnte er alle Probleme dieser Welt lösen.

»Ich bin längst über ihn hinweg.«

»Das weiß ich, aber ein kleiner Teil von dir hat immer noch Angst, den Träumen hinterherzujagen, die er dir gestohlen hat.«

Er hat viel mehr gestohlen als nur meine Träume. Meine Augen brennen. »Ich träume nicht mehr davon, etwas zu erfinden.«

»Der Blödsinn, den er über dein Talent gesagt hat, war nur ein Ablenkungsmanöver, damit du nicht die gleiche Idee einreichst wie er. Das weißt du, oder?«

»Aber …«

»Nichts aber. Lance hat gelogen, weil er dich so lange zurückhalten wollte, bis er deine Idee klauen konnte.«

In der Theorie ergibt das Sinn, aber ich bin mir immer noch nicht sicher.

Claire nimmt meine Hand und hält sie fest. »Das ist deine Chance, dir selbst zu beweisen, dass nichts, was jemand anderes sagt, dich als Person definiert. Das können nur deine eigenen Handlungen.«

Meine Brust zieht sich zusammen. »Ich bin mir nicht sicher …«

Sie drückt meine Hand. »Komm schon. Reich nur ein klitzekleines Projekt ein. Das ist alles. Was ist das Schlimmste, was passieren könnte?«

»Nun, wo soll ich anfangen? Ich meine …«

Claire bedeckt meinen Mund mit ihrer Handfläche. »Das war eine rhetorische Frage.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Warum drängst du mich so sehr, etwas einzureichen?«

»Weil Freundinnen dazu da sind. Wir müssen uns gegenseitig aus unserer Komfortzone schubsen. Denn wenn du keine Angst hast …«

»Dann entwickelst du dich nicht weiter.« Ich erwidere ihr Lächeln.

»Also, was sagst du?«

Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und öffne eine E-Mail, die ich letzte Woche erhalten habe. »Apropos Komfortzone … Ich wollte noch über etwas mit dir sprechen, und nun scheint der perfekte Zeitpunkt gekommen zu sein. Denn wenn du keine Angst hast …«, necke ich sie.

»O nein.«

Mein Grinsen wird breiter. »Wenn ich einen Vorschlag einreiche, dann bewirbst du dich auf die Stelle im Royal Chateau. In der Küche ist was frei geworden, das nach deinem Namen schreit.«

Claires Lächeln verschwindet. »Es geht hier doch gar nicht um mich.«

»Wir sind ein Zweiergespann. Wenn ich mich an meine Grenze bringe, dann ziehst du mit.«

Das ist meine Chance, Claire zu helfen. Sie hatte nie vor, für immer im Salon Zauberstab zu arbeiten, aber sie hat sich bisher nicht wieder getraut, sich auf die Stelle zu bewerben, für die sie damals eine Absage erhalten hat.

»Dort kann ich mich nicht bewerben. Die haben einen Michelin-Stern.«

»Dann sind sie also die Besten – noch ein Grund mehr.«

»Aber ich habe keinen Abschluss von irgendeiner schicken französischen Kochschule.« Sie springt von der Couch auf.

»Nein, aber du hast einen Abschluss und während der Highschool und dem College ganz viel Erfahrung in der Gastronomie gesammelt.«

Sie wirft die Arme in die Luft. »Letzte Woche habe ich ein Blech Kekse anbrennen lassen.«

»Nur weil ich vergessen habe, den Timer zu stellen.« Ich lache.

»Das ganze Gebäude musste aufgrund des Feueralarms evakuiert werden. Nach der Aktion wird mir niemand mehr in der Küche über den Weg trauen.«

Ich lache erneut. »Sei nicht so dramatisch.«

Sie lässt sich wieder auf die Couch fallen und legt den Kopf auf meinen Schoß. »Dass du mich erpresst, war nicht geplant.«

»Wozu hat man denn Freundinnen?«

»Hm, ich weiß nicht, vielleicht für alles außer Kapitalverbrechen?«

Ich lächele. »Komm schon. Was sagst du?«

»Ich sage, dass du nervtötend gut drauf bist für jemanden, der noch vor fünf Minuten gegen die Idee war.«

»Ich nutze nur die Gelegenheit.«

»Und nur damit du es weißt, ich lasse mich ausschließlich darauf ein, weil ich eine Absage gut ertragen kann, wenn das bedeutet, dass du im Gegenzug wieder versuchst, deine Träume zu erfüllen.«

Mein Lächeln gerät ins Wanken. »Aber sicher. Genauso wie ich deinem Plan nur zustimme, weil ich auch wieder sehen will, dass du es versuchst. Wenn nicht, endest du noch wie Mrs. Jeffries und arbeitest im Salon, bis du mit neunzig in den Ruhestand gehst.«

Sie schürzt die Lippen. »Jetzt bist du mit Absicht gemein.«

Wir müssen beide lachen und schütteln einander zum Zeichen unserer Abmachung die Hand.

* * *

Die zerfledderten Seiten meines Ideen-Notizbuches durchzublättern, lässt bittersüße Erinnerungen in mir aufsteigen. Ich fahre mit den Fingern über Bradys kursive Handschrift auf den Seiten, die von unserem Brainstorming darüber stammen, wie das Nebula Land aussehen könnte, wenn es als neues Konzept innerhalb des Parks eröffnet werden würde. Er und ich haben Wochen daran gearbeitet, nachdem er meinen ersten Entwurf abgelehnt und behauptet hatte, ich könne es besser. Und er selbst wäre derjenige, der mir dabei helfen würde. Zusammen haben wir also einen Vorschlag entworfen, während er kurzzeitig zu meinem Mentor wurde.

Das Nebula Land sollte das Projekt werden, das mich zu einer Entwicklerin macht. Aber nach Bradys Unfall fühlte es sich falsch an, es einzureichen, daher habe ich gewartet. Ich war überrascht, als ich im Firmen-Newsletter etwas über meine Idee las. Lance hatte das Grundkonzept, das ich ihm anvertraut hatte, gestohlen.

Was würde Brady darüber denken, dass Lance unsere Idee umgewandelt hat? Das Fahrgeschäft sieht überhaupt nicht so aus wie in unseren Plänen. Meine Lunge brennt, als ich scharf die Luft ausstoße, und meine Augen werden feucht, während ich mit einem Finger über Bradys Zeichnung fahre.

Das Konzept von Lance zu kritisieren, bringt dich nicht weiter, was das Einreichen deiner eigenen Idee betrifft.

Ich schalte meinen Laptop ein, melde mich mit meinem Angestelltenkonto an und öffne das Portal des jährlichen Dreamland-Ideenwettbewerbs. Der blinkende Cursor im leeren Textfeld scheint mich zu verspotten, aber ich weigere mich aufzugeben. Claire glaubt an mich, und vielleicht ist es wirklich an der Zeit, dass ich Lance nicht mehr gestatte, mich davon abzuhalten, an mich selbst zu glauben.

* * *

Das war eine ganz schlechte Idee. Nach meinem ersten fehlgeschlagenen Entwurf habe ich beschlossen, dass Wein und ein gebrochenes Herz eine gute Kombination für meinen zweiten Versuch darstellen würden.

Update: Dem war nicht so.