Himbeereis am Fluss - Maria Parr - E-Book

Himbeereis am Fluss E-Book

Maria Parr

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Beschreibung

Eine ganz besondere Geschichte über das Großwerden Die großartige Vorlesegeschichte entführt Kinder ab 7 Jahren in das idyllische Norwegen. Sie erzählt von Ida und ihrem kleinen Bruder Oskar. Von Fluss-Safaris in der Frühlingssonne und verlorenen Vampiren in der Herbstdunkelheit. Von Muffins und Puderzucker, von Veränderung und Verlust und von dem, was manchmal kaum zu ertragen ist… Das bewegende Kinderbuch der preisgekrönten Autorin Maria Parr erinnert daran, dass das Leben eine Reise voller Abenteuer, Veränderungen und Wachstum ist. Die warmherzige und rasante Geschichte über das Großwerden berührt Kinder ab 7 Jahren und Erwachsene gleichermaßen. Eine wunderbare Hommage an das Leben, an Geschwisterbeziehungen und an die Orte, die wir lieben. Himbeereis am Fluss: Die kleinen und großen Momente des Erwachsenwerdens - Warmherzige Alltagsabenteuer: Stimmungsvolle Vorlesegeschichte über Geschwisterbeziehungen, Veränderungen und das Erwachsenwerden für Kinder ab 7 Jahren. - Wichtiges Thema Geschwister: Ida und ihr kleiner Bruder Oskar zeigen, wie tief und bedeutsam eine Geschwisterbeziehung sein kann. - Verlust und Veränderung: Sensible Themen werden kindgerecht, verständlich und empathisch dargestellt. - Emotional erzählt: Die preisgekrönte norwegische Autorin Maria Parr macht eine Liebeserklärung an das Leben – mit all seinen Höhen und Tiefen.Das berührende Kinderbuch erklärt Kindern ab 7 Jahren Themen wie Veränderung, Verlust und das Erwachsenwerden mit einer Leichtigkeit, die man selten findet. Es lädt dazu ein, das Leben in all seinen Facetten zu sehen und zu verstehen, was es heißt, zusammenzuwachsen. Eine großartige Geschichte für alle, die ihre Kinder für die wesentlichen Themen des Alltags sensibilisieren möchten.    

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Über dieses Buch

Ich heiße Ida und bin sieben Jahre alt. Zusammen mit meinem kleinen Bruder Oskar wohne ich in einem großen, roten Haus auf dem Hügel, das ein bisschen heruntergekommen ist, weil Mama und Papa nicht so gut darin sind, Dinge zu reparieren.

Oskar und ich gehen zusammen auf Safari im Wald, essen Himbeereis am Fluss und träumen von einem Trampolin im Garten. Außerdem mache ich mir ziemlich viele Gedanken. Vor allem darüber, warum Onkel Øyvind plötzlich einfach nicht mehr da ist …

In Erinnerung an Edit

Der Kleiderschrank

Oder: Wenn man mit der Erdkugel eins auf den Kopf kriegt

In unserem Dorf steht ganz oben auf einem Hügel ein großes rotes Haus. Es ist ein wenig unmodern, und hier und da funktioniert auch mal was nicht, denn Mama und Papa sind nicht besonders gut darin, Sachen zu reparieren oder alles in Ordnung zu halten, aber gleich daneben beginnt der Wald, und abends leuchten die Fenster gemütlich, warm und gelb. Das habe ich selbst gesehen, als ich einmal vom Fußballtraining nach Hause gekommen bin.

 

In dem Haus wohnen zwei Kinder, Oskar und ich. Wir teilen uns ein Zimmer im Keller. Ich schlafe oben im Hochbett und bin der Chef. Oskar schläft im unteren Bett und glaubt, er wäre der zweite Chef, aber eigentlich bin ich diejenige, die alles bestimmt. Ich bestimme, wann wir das Licht ausmachen, und ich bestimme, dass Oskar aufstehen soll, um das zu tun. Ich bestimme, ob das Fenster offen oder die Tür angelehnt bleiben soll. Und ich bestimme, wann wir miteinander reden und wann wir schlafen. Ich wünschte, ich könnte auch bestimmen, dass Oskar aufhört, zu schnarchen, denn wenn er damit einmal angefangen hat, hört er sich an wie ein kaputter Staubsauger. Aber leider kann ich ihn nur dazu bringen, indem ich ihn aufwecke, und damit wird es unten ja nicht ruhiger, um es mal vorsichtig auszudrücken.

 

Unser Zimmer ist groß und unordentlich, und es gäbe keine Probleme, würde Oskar nicht behaupten, es würde ein Monster in unserem Kleiderschrank sitzen. Besonders wenn es dunkel ist, ist er fest davon überzeugt. Aber es gibt keine Monster. Und wenn es sie gäbe, dann würden sie ganz bestimmt nicht in unserem Kleiderschrank wohnen. Wovon sollten sie denn dort leben?

»Von Socken«, erklärte Oskar, als ich ihn eines Abends danach fragte.

Er ist fünf Jahre alt und glaubt an so etwas. Ich bin drei Jahre älter und weiß es besser. Also guckte ich über die Bettkante und schaute mich im Zimmer um.

»Von Socken?«, wiederholte ich. »Na, dann ist doch der ganze Fußboden voll mit Monsterlieblingsspeisen.«

Mindestens zehn Paar Strümpfe lagen da unten. Wir ziehen sie uns immer aus, wenn wir auf dem Stockbett Zirkus spielen. Ein paar lagen auf dem Schreibtisch. Zwei guckten unter dem Bett hervor. Einer von Oskar war auf der Fußballlampe gelandet.

»Glaubst du etwa, dass diese Leckerbissen hier so friedlich liegen könnten, wenn im Schrank ein Monster wäre, das von Socken lebt?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete Oskar, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.

»Eben«, sagte ich. »Mach das Licht aus.«

Oskar lief zum Lichtschalter an der Tür und schaltete das Licht aus.

»Aber – Ida? Wenn das Monster nun nicht von Strümpfen lebt?«, fragte er nach einer Weile.

»Das tut es aber«, versicherte ich ihm. »Und außerdem gibt es keine Monster.«

»Okay«, seufzte Oskar.

Kurz darauf hörte ich das übliche Schnarchen von unten. Er hatte also keine Angst mehr und war eingeschlafen.

Monster, dachte ich resigniert.

Ich guckte zum Kleiderschrank. Jetzt, nachdem wir das Licht ausgemacht hatten, erschien er wie ein wuchtiger, dunkler Turm. Mit ein bisschen Fantasie, so wie Oskar sie hatte, war es gar nicht so schwer, sich vorzustellen, dass da drinnen ein Monster kauerte. Genug Platz gäbe es. Vor allem auf der Seite, auf der nur die gute Kleidung hing. Oskar und ich hatten uns schon tausendmal dort versteckt.

Angenommen, ich wäre ein Dieb, dann hätte ich mich ins Haus geschlichen, während diejenigen, die hier wohnten, in der Küche saßen und zu Abend aßen. Und dann hätte ich mich den ganzen Abend über in so einem Kleiderschrank versteckt. Und wenn es schließlich still wäre und alle schliefen, dann würde ich mich hinausschleichen und alles Mögliche stehlen.

Ich drehte mich im Bett auf die andere Seite, sodass ich den Schrank nicht mehr sehen konnte. Wie quatschig von mir, dass ich ausgerechnet jetzt auf diese Idee mit dem Dieb kommen musste, kurz bevor ich einschlafen wollte. Monster gibt es nicht, deshalb ist es Blödsinn, Angst vor ihnen zu haben. Aber Diebe gibt es. Das wissen alle.

 

War die Schranktür eigentlich geschlossen? Nein, die Tür stand tatsächlich einen Spalt offen. Aber das hatte sie doch vorher nicht getan, oder? Ich starrte auf die dunkle Spalte dahinten. Woher konnte ich eigentlich wissen, dass niemand in dem Kleiderschrank saß? War es nicht etwas merkwürdig, dass die Tür plötzlich ein Stückchen offen stand, so ganz von allein?

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Oskar schnarchte, der Bach rauschte, das Fenster knarrte, Mama und Papa liefen oben hin und her. All diese Geräusche waren ganz normal, aber im Kleiderschrank saß vielleicht ein Dieb. Mucksmäuschenstill.

Da wurde ich wütend. Wenn dem so war, durfte ich nicht einfach ruhig liegen bleiben. Lieber sollte ich aufstehen und die Sache mit dem Schrank überprüfen.

So leise ich konnte, kletterte ich vom Etagenbett hinunter. Auf dem Schreibtisch lag der Atlas. Er ist groß und schwer, mit einem Foto von der Erde auf der Titelseite. Mit dem kann man jemandem einen ordentlichen Schlag verpassen, dachte ich und hob ihn lautlos hoch.

Die freie Hand streckte ich nach dem Knauf der Schranktür aus. Doch genau in dem Moment hörte ich draußen auf dem Flur ein Geräusch! Jemand kippte den Kleiderständer um, auf dem wir die nasse Kleidung aufhängen. Der Dieb war rausgelaufen! Deshalb stand die Schranktür einen Spalt offen! Todesmutig sprang ich in den Schrank, direkt in die Arme eines gehäuteten Monsters. Wie wahnsinnig schlug ich um mich, bis ich begriff, dass es sich um Oskars Kuscheloverall handelte. Da konnte ich wieder atmen.

Aber warum war es plötzlich so still? Hatte der Dieb mich gehört? Ich hatte das Gefühl, einen Flummiball in der Brust zu haben, so heftig klopfte mein Herz.

Da fasste jemand den Türknauf außen an! Die Tür öffnete sich sperrangelweit!

»Nein«, brüllte ich und schlug mit dem Atlas zu.

Ich traf die dunkle Gestalt mitten auf der Stirn, und sie fiel zu Boden.

Oskar schreckte in seinem Bett aus dem Schlaf hoch.

»Monster!«, schrie er.

Ich heulte so laut ich konnte. Und die Gestalt auf dem Fußboden jammerte nur. Papa kam die Treppe wie eine Dachlawine heruntergestürzt.

»Was ist hier los?«, rief er und schaltete das Licht ein.

Da hörten wir alle auf, zu heulen.

Oskar saß aufrecht in seinem Bett, kreidebleich vor Schreck. Papa stand in der Tür, unsere größte Bratpfanne in den Händen. Und auf dem Boden, zwischen all den Strümpfen, lag Mama und hielt sich die Stirn. Da war ein großer roter Fleck, wo ich sie mit dem Atlas getroffen hatte.

»Im Namen aller rabiaten Raben und Krähen, Ida«, jammerte Mama und setzte sich auf. »Was machst du denn im Kleiderschrank?«

»Ich wollte nachgucken, ob da jemand drinnen ist«, antwortete ich kleinlaut.

Oskar holte tief Luft.

»Da drinnen? Aber du hast mir doch gesagt, dass es keine Monster gibt!«

»Keine Monster, du Dummi.«

Ich hoffe wirklich, dass meiner Familie schon klar war, dass ich nicht aufgestanden war, um nachzuschauen, ob da ein Monster im Kleiderschrank war.

»Andere Leute«, erklärte ich.

»Andere Leute?«, wiederholte Papa verwundert. »Im Kleiderschrank?«

»Ja, die Tür stand einen Spalt weit offen.«

Das Ganze war nicht so einfach zu erklären, jetzt, da das Licht brannte.

»Wenn ihr es unbedingt wissen wollt: Ich wollte nachgucken, ob da ein Dieb ist«, erklärte ich trotzig.

Da musste Papa ein wenig lächeln. Mama auch. Ich konnte sehen, was sie dachten. Sie dachten, dass ich genauso kindisch bin wie Oskar. Meine Wangen begannen, zu glühen. Und dadurch wurde alles noch schlimmer, denn jetzt glaubten sie auch noch, dass es mir peinlich war. Aber das war es nicht. Ich war einfach nur wütend.

Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen Monstern und Dieben. Die einen gibt es, und die anderen gibt es nicht. Sie sollten doch lieber froh darüber sein, dass ich Verantwortung übernommen hatte. Es wäre nicht besonders witzig für Mama und Papa gewesen, wenn all ihr Reichtum verschwunden wäre, nur weil keiner nachsah, ob sich nicht in der Zwischenzeit ein Dieb hereingeschlichen hatte.

Ohne sie auch nur anzusehen, verließ ich den Schrank und kletterte in mein Bett.

»Und was hast du gedacht?«, fragte Mama, schaute Papa an und nickte dann Richtung Bratpfanne. »Monster oder Dieb?«

»Ich?«, erwiderte Papa. »Nein …«

Er schwenkte die Bratpfanne hin und her, damit sollte es wohl etwas natürlicher aussehen, dass er sich mal eben mit der Bratpfanne in der Hand in ein Schlafzimmer begeben hatte. Aber es sah ganz und gar nicht natürlich aus.

***

Nach all dem Durcheinander war Oskar so aufgeregt, dass Mama sich zu ihm legen musste, damit er wieder zur Ruhe kam. Er drehte und wand sich da unten wie ein kleines Kätzchen. Mama versuchte, ihn zu beruhigen, und begann, zu singen. Sicher strich sie ihm auch über den Rücken.

Plötzlich wünschte ich mir, ich wäre noch klein und hätte so ein breites Bett mit Platz für die Eltern. Und dass ich gar nicht wüsste, dass es Diebe gab. Ich wünschte mir, ich würde stattdessen immer noch an Monster glauben.

»Ida? Willst du zu uns runterkommen?«, fragte Mama.

Eigentlich hätte ich Nein sagen müssen, aber dann kletterte ich doch die Leiter hinunter und legte mich an Mamas Seite.

Da war gerade noch genug Platz. Oskar schnarchte schon.

»Es ist ein Unterschied, ob man an Monster glaubt oder an Diebe«, sagte ich, denn das musste unbedingt noch mal gesagt werden.

Mama nickte.

»Angst zu haben, ist jedoch jedes Mal das Gleiche«, erwiderte sie. »Als du klein warst, hattest du Angst vor der Klobürste. Erinnerst du dich?«

Ehrlich gesagt, erinnerte ich mich nicht, aber es war schon witzig, sich das vorzustellen.

»Jetzt kannst du darüber lachen«, sagte Mama, »doch damals hattest du genauso viel Angst vor der Klobürste wie Oskar jetzt vor Monstern. Und wie du vor Dieben. Es ist jedes Mal etwas anderes, Neues, aber das Gefühl ist immer dasselbe.«

Ich nickte.

»Ich beispielsweise«, setzte Mama an, »ich habe Angst vor …«

»Pst«, sagte ich schnell.

Mama kann sehr gut Dinge erklären, oft geht sie dabei allerdings etwas zu weit und macht damit wieder alles kaputt. Ich wollte nicht wissen, wovor Mama Angst hatte. Wenn sie davor ein bisschen Angst hat, dann habe ich garantiert eine Riesenangst davor.

»Wie blöd ist das denn eingerichtet?«, sagte ich nach einer Weile.

»Was meinst du?«, fragte Mama schläfrig.

»Na, wenn wir vor einer Sache keine Angst mehr haben, dass unser Gehirn etwas Neues findet, vor dem wir Angst haben können, das noch gefährlicher ist, und so wird es immer schlimmer, je größer wir werden.«

»Mhm«, machte Mama.

Sie lag mit geschlossenen Augen da. Schlief sie? Mitten in diesem wichtigen Gespräch? Ich wollte schon empört in mein Bett hochklettern, als ich sie sagen hörte: »Wenn wir größer werden, haben wir oft jemanden, um den wir uns kümmern müssen. Dann geht es besser.«

»Wirklich?«

»Ja«, bestätigte Mama. »Wenn jemand einen hat, um den er sich kümmern muss, der kleiner und ängstlicher ist, dann ist irgendwie nicht mehr so viel Platz da, um selbst Angst zu haben. Deshalb habe ich mir auch jüngere Geschwister gewünscht, als ich klein war«, fügte sie hinzu.

Und dann erzählte sie, dass Onkel Øyvind, ihr großer Bruder, sie abends immer auf der Treppe zum Dachboden begleiten musste. Denn Mama glaubte, hinter der Tapete dort wohnte ein Gespenst, das durch einen Riss herauskam, wenn es dunkel war. Ich lachte.

»Aber jetzt muss ich auf Oskar und dich aufpassen, da traue ich mich, jede Treppe allein zu gehen. Ganz ohne Problem.«

Sie wickelte die Decke fester um uns, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, den ich so gerne mag. Irgendwie dankbar.

Als sie hochging, lauschte ich ihren Schritten. Das Fenster knackte. Der Fluss draußen rauschte. Und neben mir schnarchte Oskar wie ein alter Mann.

Ich dachte noch kurz an Diebe, an die Klobürste und an Papa mit der Bratpfanne. Aber dann kuschelte ich mich an Oskar und ließ mich in den Schlaf gleiten.

Der Einkauf

Oder: Wenn ein Fünfjähriger mit viel Haargel als Einziger gesund ist

Am nächsten Tag gab es Fisch. Was Oskar gar nicht mag.

»Ich mag das nicht«, sagte er.

»Du musst es wenigstens probieren«, entgegnete Mama.

»Nein«, erwiderte Oskar.

»Doch«, beharrte Mama.

Sie vermischte auf seinem Teller gestampfte Kartoffeln und geriebene Karotten mit gebratenem Fisch und einem dicken Klacks Sauerrahm.

Oskar verfolgte den Löffel mit dem Sauerrahm mit seinem Blick.

Ich fragte mich, wer wohl gewinnen würde.

»Ich mag das nicht«, sagte Oskar noch einmal. »Das ist eklig.«

»So reden wir nicht übers Essen, Oskar. Zwei Happen«, sagte Mama.

»Nein, danke«, entgegnete Oskar.

Papa räusperte sich.

»Zumindest ein Happen. Das schaffst du«, sagte er.

Aber nein. Das schaffte Oskar nicht.

»Ach, komm schon!«, schaltete ich mich ein. »Du musst einmal probieren. Das ist Familienregel.«

»Ich habe das schon vorher probiert«, erwiderte Oskar.

»Das gilt so nicht«, widersprach Mama und rührte noch mehr Sauerrahm drunter.

Glaubte sie etwa, dass Oskar vergessen würde, dass sich darunter gebratener Fisch befand, wenn sie ihn quasi unter einer Art weißer Moorschicht unsichtbar machte?

Eine Weile sagte niemand etwas. Wir aßen, Oskar aß nicht.

»Aber Oskar, das ist doch der Dorsch, den ihr, Onkel Bulle und du, im Winter am Fähranleger geangelt habt«, sagte Mama schließlich. »Mmh, lecker«, fügte sie noch hinzu.

»Ist das wirklich der Fisch?«, fragte Oskar verwundert.

»Ist das der Fisch?«, fragte ich auch. »Noch einmal?«, fügte ich hinzu.

Mama guckte mich nicht an.

 

Ich kann mich noch gut an den Tag im letzten Winter erinnern, als wir zusammen mit Onkel Øyvind und Onkel Bulle angeln waren. Bei mir hat während der gesamten Angeltour nicht ein Fisch angebissen, aber das war in Ordnung, solange die anderen auch nichts fingen. Ab und zu saß ich zusammen mit Onkel Øyvind auf einem Campingstuhl und trank heißen Kakao und versuchte, ihn zum Lachen zu bringen. Er hat nämlich so ein witziges Lachen. Ohne einen Ton, nur seine Schultern zucken. An dem Tag gelang mir das mehrere Male. Doch dann fingen Oskar und Onkel Bulle plötzlich diesen riesigen Dorsch, und sie vergaßen alles andere. Das war ein richtiger Kampf, ein Gezerre, den Fang auf den Kai zu kriegen. Oskar schrie und johlte, als hätten sie einen Hai am Haken, und wedelte so heftig mit der Angelrute hin und her, dass sich die Schnur in Onkel Bulles langem grauen Bart verwickelte. Da zuckten Onkel Øyvinds Schultern so sehr, dass er fast vom Campingstuhl kippte. Aber schließlich holten sie den Dorsch doch noch an Land. Onkel Øyvind stand auf und streichelte Onkel Bulle lachend die Wange, und beide nannten Oskar »unseren Meisterangler« und vergaßen ganz den Kakao. Und das war auch völlig in Ordnung – nur wieso wurden wir nie fertig mit dem Fisch? Jetzt hatten wir schon wochenlang über ihn geredet und ihn gegessen.