Holidays for future - Ben Lehman - E-Book

Holidays for future E-Book

Ben Lehman

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Beschreibung

Familie Wildmoser ist eine richtig große Familie. Aber das hatten die Eltern Jessica und Robert schon von Anfang an geplant. Fünf Kinder sollten es werden, damit sie eine ungerade Anzahl Familienmitglieder hätten und somit immer demokratisch abstimmen könnten, bspw. wenn es um so wichtige Entscheidungen geht wie die nächste Urlaubsreise. Die fünf Wildmoser-Kinder sind: Leoni, Arabella, Maximilian, Justusund Kiki. Nach einer dämlichen Diskussion mit ihrer nervigen Schwester Leonie fährt Arabella Rad, um sich abzuregen. Als sie nach einiger Zeit in die Klenzestraße einbiegen will, muss sie unerwartet scharf bremsen. Sie traut ihren Augen nicht: Vor ihr hält ein ungewöhnlich großer Omnibus. Arabella ist überrascht, denn so einen großen Bus hatte sie bisher noch nie gesehen. Er ist knallgelb und er trägt die Aufschrift X99. Alle anderen städtischen Busse haben sonst immer Ziffern. Aus dem Bus winkt ihr eine elegante Frau zu, in den schönen Bus mit dem dunkelhäutigen Fahrer mit Zylinder einzusteigen. Die Fahrgäste sind alle ungefähr in ihrem Alter! Doch Arabella traut sich nicht mitzufahren. Dieser seltsame Bus geht Arabella nun nicht mehr aus dem Kopf und natürlich muss sie sofort ihre Freundinnen fragen, ob die etwas darüber wissen, keine hat den Bus gesehen. Nur ihr Klassenkamerad Julian scheint mehr zu wissen. Sein Freund Paul, der Pulver-Paul, sei sogar schon mitgefahren! Doch so wie es aussieht, können nur ganz bestimmte Menschen den Bus überhaupt sehen und mitfahren – und das, obwohl er doch so gelb leuchtet und wirklich groß ist! Arabella hat die Neugierde gepackt, sie will wissen, was hinter dem seltsamen X99 steckt. Ob sie eine Busfahrt mitmachen soll oder sogar mehrere? Und ob es ihr gelingt, das Geheimnis um den Busfahrer und seine elegante Begleiterin zu lüften? Arabella steigt schließlich ein und kann plötzlich einen Schritt in die Zukunft wagen. Dieser X99 ist wie ein Traum, vielleicht ist er aber doch Wirklichkeit? Geht das alles mit rechten Dingen zu? Wer ist eigentlich diese ungewöhnliche Miss Miragoli? Und wieso ist da so ein ungewöhnlicher, vornehmer Fahrer Josua, der am Steuer des X99 einen Zylinder trägt und sich vor seinen Fahrgästen verbeugt? Sie erfährt plötzlich hautnah, wie hoffnungslos überfüllt alle beliebten Städte der Welt wie Venedig, Rom oder München sind. Ihre Schwester Leoni glaubt ihr natürlich kein Wort, nur der Vater denkt nach und meint, schon einmal was über Blueroom gehört zu haben. Kann so unsere Zukunft aussehen?

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Inhaltsverzeichnis

1. Die Wildmosers

2. Ein gelber Omnibus?

3. Urlaubsplanung

4. Überraschung?

5. X99

6. Ein irrer Typ

7. Die erste Fantasytour

8. Die Urlaubsentscheidung

9. Planungen

10. Jetzt geht’s richtig los

11. Alltag

12. Das Abenteuer

13. Was nun?

14. Zu guter Letzt

Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman Umschlag: © Copyright by Ben Lehman Verlag: Ben Lehman

Waldstraße 32

82335 Berg [email protected]

1. Die Wildmosers

In der heutigen Zeit gibt es immer seltener Großfamilien. Und die wenigen, die du in unserer mittleren Großstadt noch findest, haben es alles andere als leicht. Die Meinungen der Nachbarn über eine solch ungewöhnliche Familiengröße könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Palette reicht von Anerkennung über Stirnrunzeln bis hin zu Kopfschütteln. Ist das in diesen unsicheren Zeiten nicht äußerst verantwortungslos? Denken die denn nicht an die Zukunft ihrer Kinder? Oder haben sie vielleicht keine Ahnung von echter Familienplanung?

Die Wildmosers beurteilten solchen Tratsch allerdings von Anfang an ziemlich locker. Immerhin entsprach diese Familiengröße genau ihrem Wunsch, seit sich Robert und Jessica vor fünfzehn Jahren kennengelernt hatten. Genau über dieses Thema hatten sie nämlich nächtelang geredet und ihre Absicht schließlich in die Tat umgesetzt. Als die älteste Tochter, Leoni, zur Welt kam, waren sie restlos begeistert:

„Siehst du, es klappt!“, freute sich Jessica, nachdem sie die anstrengenden Tage überstanden hatte.

„Endlich ist der Anfang gemacht! Dann weiter so“, grinste Robert, „schließlich müssen wir irgendwann mal komplett sein.“

„Aber nicht schon morgen“, murmelte Jessica noch ziemlich schwach.

Seit genau fünf Jahren hatten sie nun ihr Wunschziel erreicht. Jahrelang befürchteten sie, dass sie sich ihr fünftes Kind in den Mond schreiben könnten. Doch vier Jahre nach ihrem vierten Kind, dem netten Justus, folgte als Nachzüglerin die kleine Anna, inzwischen auch schon fünf Jahre alt. Weil sie sich so sehr freuten und das kleine Mädchen so lustig aus ihrem pausbäckigen Gesicht schaute, nannten sie Anna einfach Kiki. Keiner kann sich heute noch genau erinnern, wie dieser Spitzname tatsächlich entstanden ist, doch er ist Anna bis zum heutigen Tage geblieben.

Damit bestand die vollzählige Wunschfamilie Wildmoser aus den Eltern Jessica und Robert sowie ihren Kindern Leoni (14 Jahre), Arabella (12 Jahre), Maximilian (11 Jahre), Justus (9 Jahre) und schließlich Kiki, also Anna (5 Jahre). Alle hatten dunkelblonde Haare. Leoni und Arabella trugen ihre Haare bis über die Schultern und banden sie oft zu einem Pferdeschwanz zusammen, manchmal hing er auf einer Seite über die Schulter. Maximilian hatte einen flotten Jungenschnitt und Justus‘ Haarlänge erinnerte mehr an ein Mädchen. Doch er wollte es so und diskutierte darüber mit niemandem. Kiki schließlich hatte einen lustigen Wuschelkopf.

„Mann, bin ich froh“, hatte vor fünf Jahren Robert gelacht. „Stell dir vor, Jessica, wir hätten das fünfte Kind nicht geschafft. Eine gerade Anzahl in der Familie ist doch sauschlecht. Da kriegst du nie und nimmer eine Mehrheit zusammen. Ab heute sind wir so richtig entscheidungsfähig. Bei uns wird es immer demokratisch zugehen. Meinst du nicht auch?“, sagte er mit deutlich erkennbarem Stolz.

Jessica nickte: „Ja, ja, mein lieber Robert. Allerdings sollten wir warten, bis Kiki sprechen gelernt hat. Vorher geht gar nichts.“

„Sie kann doch heute schon deuten, oder nicht? Ich verstehe sie immer. Die Bewegungen ihrer Hände erinnern mich manchmal an ein Orakel. Mein Vorschlag: Wenn es um eine Entscheidung geht, fragen wir natürlich auch Kiki.“

„Mann, oh Mann“, stöhnte Jessica. „Das kann ja lustig werden.“

„Und ob das lustig wird!“ Davon war Robert überzeugt.

Leoni, Arabella und Maximilian besuchten das Max-Planck-Gymnasium, Maximilian war gerade übergetreten. Justus bereitete sich auf den Übertritt vor und Kiki wollte unbedingt endlich auch zur Schule gehen. Sie konnte bereits lesen, wenn auch sehr langsam. Sie wollte einfach nicht noch länger warten.

Arabella war ein ebenso sportliches wie mutiges Mädchen, sie fürchtete sich vor nichts. Sie war auch unangefochten Klassenbeste und hatte mehrere gute Freundinnen. Zu ihren besten Freundinnen zählten die Mitschülerinnen Sophia, Laura und Franca. Sophia war ziemlich klein und gertenschlank, fast mager. Sie war mit Arabella gut befreundet, obwohl die beiden in einem dauernden Wettkampf als Klassenbeste lagen. Das tat ihrer Freundschaft jedoch keinen Abbruch. Zuweilen gewann Sophia in manchen Fächern. Doch der zweite Platz war ihr auf jeden Fall bombensicher. Ihre langen, schwarzen Haare trug Sophia manchmal offen, dann wieder zu einem oder zu zwei Zöpfen gebunden. Ihre großen, intelligenten Augen blickten durch eine viel zu große, dunkle Hornbrille. Diese Brille war ihr Markenzeichen. Laura dagegen war eher etwas pummelig, sie hatte ihre rotblonden Haare zu einer modernen Kurzhaarfrisur geschnitten. Immer wieder probierte sie eine neue Diät aus, musste jedoch jedes Mal entnervt aufgeben: „Nützt alles nichts“, stöhnte sie oft.

Francas Eltern waren italienische Einwanderer. Da sie in Deutschland geboren worden war, war Deutsch natürlich ihre Muttersprache. Trotzdem war sie zu Hause zweisprachig aufgewachsen. Sie konnte perfekt und akzentfrei italienisch sprechen und war darauf mächtig stolz. Auch im Unterricht glänzte Franca mit ihrem Wissen und Können.

Die vier Mädchen mochten ihren Mitschüler Johnny einigermaßen gern, auch, weil der sich immer wieder um die Gunst der Mädchen bemühte. Wegen seiner Intelligenz wurde er in der gesamten Klasse geschätzt, natürlich auch von Arabella und ihren Freundinnen. Anfangs waren sie ziemlich erstaunt, als Johnny erklärte, dass er in Deutschland geboren worden war.

„Wieso haben dich deine Eltern Johnny getauft?“, wollte Laura wissen. „Ich dachte, Johnny erlaubt unser Standesamt nicht. Hans könnte ich mir eher vorstellen, aber das wäre ganz schön altmodisch.“

„Vielen Dank, liebe Laura“, schimpfte Johnny. „Genau so heiße ich. Und wenn wir Freunde bleiben wollen, nennst du mich besser niemals mit diesem schrecklichen Namen. Verstanden?“

„Au verflixt“, ruderte Laura zurück. „Da bin ich jetzt mitten reingetreten.“

„Ist schon okay“, reagierte Johnny etwas netter und zog die Stirn in Falten.

„Dann reden wir besser über was Anderes.“

Johnny nickte zustimmend.

Arabella meinte daraufhin: „Ich bin zwar mit meinem Vornamen einigermaßen zufrieden, auch wenn er ebenfalls altmodisch ist. Aber er ist sehr selten.“ Die Freundinnen nickten. „Könnte schlechter sein“, fuhr sie fort, „aber Wildmoser ist der totale Wahnsinn.“

„Macht doch nichts“, tröstete sie Julia, eine weitere Freundin. „Vielleicht wirst du mal Fürstin oder Gräfin, dann kannst du deinen Geburtsnamen sowieso vergessen.“

„Klar“, Arabella schüttelte den Kopf. „Dann heiße ich vielleicht Arabella von Irgendwas, geborene Wildmoser. Wäre das nicht toll?“

„Darüber regen wir uns aber heute nicht auf“, warf Johnny ein. „Wir beide, Arabella, greifen dieses Thema erst dann wieder auf, wenn es einen wichtigen Grund gibt.“

„Das ist eine prima Idee“, stimmte Arabella zufrieden zu.

Der tägliche Weg zur Schule war inzwischen aufgrund genauester Planung in der Familie längst Routine geworden. Die jungen Wildmosers verließen morgens immer gemeinsam das Haus. Nur einhundert Meter entfernt, befand sich eine Bushaltestelle. Dort stiegen alle fünf in die Linie 86 ein und fuhren zwei Haltestellen, bis Siegesstraße. Kiki musste aussteigen, gegenüber der Haltestelle befand sich ihr Kindergarten. An der nächsten Haltestelle, Odeonsplatz, stiegen die übrigen vier Geschwister aus. Justus musste von dort ungefähr fünf Minuten bis zur Grundschule laufen, Leoni, Arabella und Maximilian stiegen in den Bus Nummer 35, der sie direkt zum Max-Planck-Gymnasium brachte. Leoni besuchte die achte Klasse, Arabella die sechste und Maximilian die fünfte Klasse.

Robert Wildmoser war Physiker und leitete ein angesehenes Institut. Jessica Wildmoser arbeitete halbtags bei einer Autofirma in der Buchhaltung. Mittags, auf ihrem Nachhauseweg, holte sie fast regelmäßig Kiki vom Kindergarten ab.

So hatte sich der Tagesablauf wunderbar eingespielt. Änderungen waren nur dann angesagt, falls etwas Außergewöhnliches geschah, wenn zum Beispiel eines der Familienmitglieder erkrankte, wenn der Kindergarten geschlossen hatte oder wenn Eis und Schnee den gesamten Verkehr in der immer schneller wachsenden Stadt zum Stillstand brachten.

Als scharf denkender Physiker hatte es Robert, der Vater, gemäß seiner früheren Absicht eingeführt, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Eines der wichtigsten Ereignisse war die jährliche Urlaubsplanung. Die Eltern hatten sich längst daran gewöhnt, dass es mehr als schwierig war, ein Urlaubsdomizil für eine siebenköpfige Familie zu finden. Ferienwohnungen in dieser Größe waren so gut wie nie zu finden. Ferienhäuser gab es natürlich, doch zum einen waren diese oft verflixt teuer, andererseits wurden selbst große Häuser gerne an alleinstehende Ehepaare vermietet. Was für ein Schwachsinn!

Das hatte Vater manch schlaflose Nacht gekostet, trotzdem schaffte er es jedes Jahr, wenigstens zwei verschiedene Urlaubsziele anzubieten, die überhaupt infrage kamen. Wenn er schließlich den Familienrat zur Abstimmung einberief, war er oft schon Tage vorher aufgeregt. Er wusste natürlich, dass bei sieben Personen immer ein klares Ergebnis sicher war. Mit seiner und Mutters Stimme konnte er die Richtung dann beeinflussen, wenn die Kinder zwei zu drei entschieden. Wenn jedoch das Ergebnis der Abstimmung zwei (Vater und Mutter) zu fünf (alle Kinder) ausging, verhielt er sich nie als Spielverderber, sondern akzeptierte das Abstimmungsergebnis.

Meistens fuhren sie mit ihrem Familienauto, einem nicht mehr ganz neuen VW-Bus mit neun Sitzplätzen, an den ausgewählten Urlaubsort. Nur ein einziges Mal hatten sie sich eine Flugreise nach Mallorca gegönnt. Doch da war einiges schiefgelaufen. Dafür war dort das Wetter jeden Tag herrlich gewesen.

Vor knapp einem Jahr hatte Arabella begonnen, Judo zu lernen. Leoni, ihre große Schwester, die sich seit einiger Zeit schon manches Mal schminkte, hatte dafür überhaupt kein Verständnis.

„Bei dir piept´s wohl, fällt dir nichts Besseres ein?“, kommentierte sie Arabellas Hobby in der ihr eigenen Art. „Das ist doch kein Sport für Damen!“

„Wieso Damen?“, wunderte sich Arabella. „Erstens sind wir noch keine Damen und außerdem ist Judo ein wunderbarer Sport.“

„Na ja“, antwortete Leoni, „natürlich bist du noch keine Dame.“ Dabei verzog sie vornehm ihre Mundwinkel.

„Aber du“, Arabella bekam zornig eine rote Birne, „solltest erst einmal lernen, mit dem Lippenstift umzugehen, bevor du von Dame sprichst. Schmierst doch immer drüber hinaus.“

„Weil du davon etwas verstehst“, maulte Leoni und verließ das Wohnzimmer.

Justus und Kiki hatten interessiert zugehört.

„Ich finde Judo nicht schlecht“, meinte schließlich Justus. „Vielleicht komme ich mit.“

„Ist doch mir egal.“ Arabella war noch ganz schön aufgebracht wegen ihrer Auseinandersetzung mit Leoni.

„Ich mach auch mit“, stimmte Kiki zu, die Justus oft nacheiferte. Sie bekam jedoch keine Antwort mehr. Arabella hatte es ebenfalls vorgezogen, das Wohnzimmer zu verlassen.

Arabella überlegte, wie sie am schnellsten den Ärger mit ihrer Schwester vergessen könnte. Sie zog ihre Schuhe an, warf eine leichte Jacke über und beschloss, eine Weile mit ihrem Fahrrad umherzufahren. Das half ihr immer bei Stress. Fahrradfahren war neben Judo ihre zweite Leidenschaft. Dann trat sie kraftvoll in die Pedale, bis der Schweiß aus allen Poren floss. In der Stadt gab es reichlich Fahrradwege, außerdem war der Stadtrand nicht weit entfernt. Sie schwang sich auf ihr pinkfarbenes Fahrrad und fuhr zuerst in Richtung Stadtmitte, später, als der Verkehr einfach zu widerlich wurde und der Gestank der Abgase immer unangenehmer, drehte sie um und fuhr in Richtung Stadtpark am Rande der Stadt. Sie achtete kaum auf ihren Weg und düste einfach immer weiter. Sie wusste natürlich, dass sie sich niemals verfahren würde. Langsam, wie erwartet, beruhigte sie sich. Am Stadtrand angelangt, blieb sie stehen und atmete in tiefen Zügen die würzige Luft des Parks ein. Als sie nach einiger Zeit weiter strampelte und an der nächsten Ecke in die Klenzestraße einbiegen wollte, musste sie unerwartet scharf bremsen. Beinahe hätte sie, noch immer tief in Gedanken, die linke Handbremse gezogen. Das wäre verdammt schlecht ausgegangen. Ihre Bremsen zogen immer perfekt und ein Blockieren des Vorderrads wäre die Folge gewesen. Garantiert hätte sie eine Hechtrolle über ihre Lenkstange gemacht, auch kein Problem dank Judo. Doch in letzter Sekunde erkannte sie den Irrtum und zog schnell und entschlossen die rechte Handbremse. Das Hinterrad blockierte und das Fahrrad rutschte zur Seite. Vor ihr bremste gerade ein ungewöhnlich großer Omnibus, der fast die gesamte Straßenbreite einnahm. Arabella war überrascht. So einen großen Bus hatte sie bisher noch nie gesehen. Vielleicht ein neues Versuchsfahrzeug der Stadt, um die anwachsenden Menschenmassen morgens und abends besser in den Griff zu bekommen? Auch die Farbe des Buses überraschte sie. Alle städtischen Busse waren weiß-blau lackiert. Dieser war knallgelb. Die Busnummer war X99, auch das war für sie neu. Alle städtischen Busse hatten immer Ziffern, ausgenommen manchmal ein S für Sonderfahrten. Aber ein X hatte sie noch nie gesehen. Vielleicht ein Bus aus einer anderen Stadt, dachte sie? Noch während Arabella überlegte, winkte ihr der merkwürdige, dunkelhäutige Fahrer freundlich zu. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte einen ebenfalls schwarzen Zylinder auf dem Kopf. Neben ihm stand eine sehr vornehme Dame, die Arabella zu sich winkte. Was sollte denn das bedeuten? Arabella schüttelte ungläubig den Kopf. Die vornehme Dame zuckte daraufhin mit den Schultern, dann setzte sich der Bus wieder in Bewegung. Ein Motorengeräusch vernahm sie nicht. Also doch irgendein neues Testfahrzeug, vielleicht mit Hybrid- oder Elektromotor oder so etwas Ähnlichem? Das musste sie ihren Eltern erzählen. Vater wusste garantiert, um was für ein neues Modell es sich dabei handelte. Dann auch noch fast lautlos! In letzter Sekunde blickte Arabella in den Bus. Da waren nur wenige Fahrgäste zu erkennen, doch alle ungefähr in ihrem Alter, Mädchen und Jungen. Dann bog er um die Straßenecke in die Oskar-von-Miller-Straße ein und war schnell verschwunden. Arabella hatte nicht gesehen, welchen Weg er weiter einschlug, doch das spielte keine Rolle. Sie schüttelte ein letztes Mal den Kopf, dann waren ihre Gedanken wieder mit anderen Problemen beschäftigt. Es war ja noch mal gut gegangen, dank ihrer blitzartigen Reaktion.

2. Ein gelber Omnibus?

Am späten Nachmittag brach Arabella zum Judotraining auf. Das Dojo war nur drei Straßenecken entfernt. Seit sie den gelben Gürtel erkämpft hatte, träumte sie immer öfter von großen, sportlich eindrucksvollen Leistungen, genauso, wie auch ihre Mitsportlerinnen. Wenn sie nach ihrem Training ein wenig den höheren Gurtträgern bei deren Übungen zuschaute, wurde ihr manchmal ganz schwindelig. Selbst Judoka mit blauen oder braunen Gürteln waren bereits sehr fortgeschritten und reagierten blitzschnell, ganz zu schweigen von den Meistern mit den schwarzen Gürteln. Überraschend viele Mädchen und Frauen hatten bereits hohe Gürtelfarben erkämpft. Zwei Mädchen, höchstens 20 Jahre alt, besaßen sogar einen schwarzen Gürtel, waren also bereits Judomeister. Arabella versuchte sich vorzustellen, was passieren könnte, wenn jemand versuchte, eines der beiden zarten, schlanken Mädchen mit schwarzem Gürtel irgendwo in einer einsamen Straße zu belästigen. Sie konnte ein belustigtes Kichern nicht unterdrücken, als sie sich ausmalte, dass dieser Typ wahrscheinlich nachher überhaupt nicht verstehen würde, was mit ihm geschehen ist. Nach so einem richtig tollen, abschließenden Kopfwurf würde er wahrscheinlich schrecklich wimmernd das Weite suchen.

„Worüber freust du dich so?“, wollte Jana wissen, die neben ihr saß. Sie trug ebenfalls einen gelben Gürtel.

„Stell dir vor, irgend so ein Typ greift nachts unsere Lissi an.“

„Um Gottes Willen, der Ärmste“, gackerte Jana, „das wäre für ihn garantiert der Schock seines Lebens.“

„Ich versuch schon lange, eine meiner Freundinnen zu Judo zu überreden“, sagte Arabella. „Es will aber keine.“

„Mir geht es ebenso“, antwortete Jana. „Das wäre so schön, dann könnten wir auch mal im Park üben oder im Sommer im Schwimmbad.“

„Mann, wäre das toll“, rief Arabella begeistert. „Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Vielleicht schaff ich es noch.“

Nach dem Abendessen fiel Arabella wieder ihr Erlebnis vom Nachmittag ein.

„Kennst du den neuen gelben Stadtbus?“, fragte sie ihren Vater.

„Wie? Was? Gelber Bus?“ Vater schien ahnungslos. „Kenn ich nicht!“ Er schüttelte den Kopf.

„Ja, den habe ich heute gesehen. Hätte mich beinahe umgefahren.“

„Waaaas?“ Der Vater sprang auf. „Was heißt umgefahren? Ist dir was passiert? Warst du in Gefahr?“

„Nein, nein, wirklich nicht“, beruhigte ihn Arabella. „Ich habe schon rechtzeitig gebremst. Aber er war riesengroß und gelb und fuhr fast lautlos.“

Der Vater blickte ziemlich ungläubig drein. Dann wandte er sich zur Mutter: „Kennst du einen gelben Bus?“

„Ich? Nein!“, antwortete die Mutter kopfschüttelnd. „Ist doch egal. Bei uns gibt es dauernd neues Zeug.“

„Ja, so wird es sein“, murmelte der Vater. Doch sie waren daran gewohnt, dass er Dinge, die er nicht erklären konnte, nicht so einfach beiseiteschob. „Ich werde mal nachfragen“, meinte er schließlich.

Arabella fügte noch hinzu: „Ich war so überrascht. Es war nämlich ein sehr freundlicher, dunkelhäutiger Fahrer. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte einen schwarzen Zylinder auf.“

„Schwarzen Zylinder auf? Der Busfahrer?“, wunderte sich der Vater. „Du hast dich gewiss geirrt. Oder es war ein Leichenwagen. Wer weiß, wo du mit deinen Gedanken warst.“

„Nein, ich habe mich nicht geirrt! Er hat mir auch zugewinkt, die vornehme Frau neben ihm ebenfalls. Die hat wirklich nur mich angeschaut, garantiert, war doch sonst weit und breit niemand.“

„Vielleicht wollten sie sich entschuldigen für ihre Unvorsichtigkeit. Das ist doch wohl das Mindeste, wenn er dich fast überfährt“, bemerkte ihre Mutter.

Maximilian, der sich sehr für Fahrzeuge aller Art interessierte, wollte alles wissen: „Wo genau hast du den großen gelben Bus gesehen?“

„Am Stadtpark, in der Klenzestraße“, antwortete Arabella.

„Die ist doch so schmal“, wunderte sich Maximilian.

„Ja eben. Deswegen war ich auch so überrascht, als der riesige Omnibus plötzlich vor mir stand.“

„Und der Motor war leise, sagst du? Kein Diesel?“, fragte Maximilian fachmännisch weiter.

„Ich habe überhaupt nichts gehört. Als wenn er gar keinen Motor hätte.“

Maximilian nickte, es schien ihm klar zu sein: „Ja, ja, ich weiß schon. Wahrscheinlich ein Hybrid- oder Elektromotor.“

„Das hatte ich auch gedacht.“

„Du kennst diese Motoren auch?“ Maximilian war überrascht.

„Glaubst du vielleicht, nur du kennst dich mit Autos aus?“

Maximilian murmelte noch ein paar fachmännische Begriffe. Dann war das Thema erledigt.

Am nächsten Tag in der Pause redete Arabella mit ihren Freundinnen Laura und Sophia: „Übrigens hatte ich gestern wieder Judotraining“, bemerkte sie mit vielsagendem Blick.

„Ganz schön anstrengend, oder?“, meinte Laura.

Arabella nickte: „Schon. Aber das ist einfach super. Du lernst bereits nach kurzer Zeit, wie du einen Angriff abwehren kannst.“

„Und was bringt dir das?“, wollte Sophia wissen.

„Ha! Viel! Stell dir vor, dich greift einer an.“

„Mich hat noch nie einer angegriffen“, bemerkte Laura.

Arabella hatte ihre Freundinnen genau dort, wo sie sie haben wollte: „Mich auch noch nicht. Aber wenn es mal passiert. Wenn du mich zum Beispiel verprügeln möchtest, dann kannst du dir nicht vorstellen, wie …“

„… du spinnst ganz schön“, ging Laura auf. „Warum sollte ich dich verprügeln?“

„Nur angenommen, Laura! Wenn wir mal keine Freundinnen mehr wären. Oder sonst jemand. Ich habe dich doch nur als Beispiel genannt.“

„Ich finde das prima!“

Die Mädchen schossen herum, hinter ihnen stand grinsend Johnny.

„Wieso belauschst du Gespräche anderer Leute?“, wollte Sophia wissen.

„Tu ich gar nicht“, verteidigte sich Johnny, „ihr plärrt herum, dass es jeder mitkriegt.“

Arabella bekam eine rote Birne: „Oh, wie peinlich. Danke für den Hinweis, Johnny.“

Johnny nickte verständnisvoll: „Ist schon in Ordnung. Ich denke auch schon lange darüber nach. Judo ist einfach Klasse. Und wenn du mal Meister bist, kannst du jeden umhauen.“

„Na, na“, bremste ihn Arabella. „Du hast bestimmt keine Ahnung, was das für ein langer und anstrengender Weg ist.“

„Weiß ich sehr wohl. Immerhin habe ich einen Freund, der auch Judoka ist. Der hat einen grünen Gürtel und erzählt immer total begeistert von Judo.“

„Also bitte“, wandte sich Arabella an ihre Freundinnen. „Jetzt hört ihr es auch von Johnny. Wir haben uns bestimmt nicht abgesprochen, stimmt`s?“

„Wirklich nicht“, bestätigte Johnny.

„Willst du uns vielleicht überreden mitzumachen?“, wollte Laura wissen, die sofort den Braten gerochen hatte.

Arabella schüttelte den Kopf: „Doch nicht überreden. Überzeugen, sonst nichts. Ich fände das toll, wenn wenigstens eine von euch mitmachen würde. Als starke Frau hast du alle Vorteile auf deiner Seite.“

„Hast du auch einen grünen Gürtel?“, wollte Johnny wissen.

„Nein, noch nicht“, zögerte Arabella und wollte schnell das Thema wechseln, da sie von grün noch zwei Stufen entfernt war. „Du bist doch so sportlich, Laura.“

„Aber einen weißen Gürtel hast du nicht mehr, oder?“, bohrte Johnny weiter.

„Nein wirklich nicht“, antwortete Arabella genervt. „Wir können darüber ein andermal reden, Johnny. Ich möchte mit meinen Freundinnen noch was Anderes besprechen.“

„Ja, ja“, brummte Johnny, „ich geh ja schon.“

„Hast du was gegen Johnny?“, wollte Sophia wissen, als der beleidigt abgerauscht war.

„Nein, überhaupt nicht. Aber ich möchte mit ihm nicht über Judo und Gürtel reden. Er hat doch keine Ahnung.“

Die Freundinnen nickten zustimmend.

„Ich wollte euch noch was Anderes fragen“, fuhr Arabella fort. „Gestern hatte ich mit meinen Eltern eine Diskussion. Die haben mir nichts geglaubt.“

„Wovon redest du?“, wollte Laura wissen.

„Weil ich so einen merkwürdigen Stadtbus gesehen habe.“

„Seit wann machst du dir Gedanken über Omnibusse? Das ist doch total unwichtig“, antwortete Sophia.

„Schon“, stimmte Arabella zu. „Es war aber echt komisch.“

„Dann erzähl!“, forderte Laura sie auf.

„Ist eigentlich nichts Besonderes. Nur weil er so riesengroß war und gelb und die Liniennummer X99 hatte. Das ist schon alles.“

„Einen gelben Bus habe ich noch nie gesehen“, bemerkte Sophia. „Ist mir aber auch egal. Von mir aus können sie ihre Busse wie Papageien vom Amazonas anmalen.“

„Meine ich auch“, stimmte Laura zu. „Ich dachte, du willst über was Wichtiges mit uns reden.“

„Es ist nicht wichtig, ich habe mich nur über den Fahrer gewundert, weil er dunkelhäutig war und einen schwarzen Anzug und einen schwarzen Zylinder trug. Das war schon sehr auffallend. Wenigstens für mich.“

„Dann war es bestimmt eine Sonderfahrt mit wichtigen Leuten“, vermutete Laura.

„Kann ich mir nicht vorstellen. Die paar Fahrgäste waren ungefähr so alt wie wir.“

„Ach!“

„Genau, diesen gelben Bus habe ich auch gesehen und mich gewundert“, mischte sich Julian ein, der zufällig neben ihnen stand und zugehört hatte.

„Du auch?“, rief Arabella. „Endlich jemand, der mir glaubt.“

„Natürlich glaube ich dir“, antwortete Julian, „hab ihn schließlich selbst gesehen.“

„Und wo?“

„In der Klenzestraße.“

„Ich auch, Julian.“

„Ich weiß sogar noch mehr!“, grinste Julian.

„Mann, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ Arabella war genervt.

„Sehr viel weiß ich aber nicht“, zögerte Julian.

„Das ist aber eine tolle Info“, brummte Laura. „Diese Jungen!“

Julian überhörte die Bemerkung: „Also, das ist nämlich so“, begann er. „Ich habe einen Freund, der ist schon mal mitgefahren.“

„Was! Sogar mitgefahren?“, wunderte sich Arabella.

„Und wohin?“ Nun wurde auch Sophia aufmerksam.

„Weiß ich nicht“, ruderte Julian zurück. „Mein Freund hat so komisch rumgeredet, dass das streng geheim sei und was weiß ich. Aber ich frag ihn nochmal, wenn ich ihn das nächste Mal treffe.“

Arabella winkte ab: „Ist schon gut. Also ich denke, dieser blöde Bus kam aus einer anderen Stadt.“

„So wird es sein“, nickte Laura. „Und wir quatschen ewig rum.“

„Na ja“, warf Sophia ein, „dann ist das ja endlich geklärt.“

Arabella beendete dieses Thema: „Ich wollte mit euch nur darüber reden, weil es mir meine Eltern nicht geglaubt haben.“

„Meine Eltern glauben mir auch oft nichts.“ Sophia zuckte die Schultern.

„Eben!“, bestätigte Laura.

„Der Unterricht geht jetzt weiter.“ Sophia setzte sich bereits in Bewegung.

Kurz vor der Englischstunde flüsterte Laura ihrer Nachbarin Arabella zu: „Ich überleg es mir.“

„Was denn?“

„Judo.“

„Du kannst gerne mal zuschauen“, flüsterte Arabella zurück.

„Okay!“

3. Urlaubsplanung

Am Abend sprach Arabella ihren Vater wieder an: „Hast du irgendwas über den gelben Bus herausgekriegt?“

Der Vater schüttelte den Kopf: „Leider nein. Kennt keiner. Hat sicher nichts zu bedeuten.“

Leoni war genervt und mischte sich ein: „Hast du keine anderen Gedanken als irgendeinen doofen Omnibus?“

„Natürlich, liebe Schwester.“ Arabella schüttelte ärgerlich den Kopf. „Man wird doch wohl mal fragen dürfen. Aber ich sag schon nichts mehr.“

Maximilian hatte interessiert zugehört: „Wir können doch morgen alle mal in die Klenzestraße fahren. Ich möchte ihn auch mal sehen. Vielleicht kommt er wieder.“

„Ohne mich“, murrte Arabella. „Du hast doch gehört, dass Leoni davon nichts mehr hören möchte.“

„Hat sie aber nicht zu mir gesagt“, widersprach Maximilian.

Leoni verzog genervt ihren geschminkten Mund: „Gilt aber auch für dich, Maxi. Mich interessieren im Augenblick mehr die Französische Revolution und das Heilige Römische Reich. Aber da könnt ihr natürlich nicht mitreden. Ganz zu schweigen von den sauschweren Matheproblemen meiner Altersstufe.“

Der Vater hob den Kopf und nahm die Lesebrille von der Nase: „Ich denke, diese Bemerkung war unnötig, Leoni. Maximilian hat in Mathe immer eine Eins. Du eher selten.

---ENDE DER LESEPROBE---