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Hui Buh ist immer noch das einzig behördlich zugelassene Gespenst von Burgeck, und geht mit seinen dilettantischen Gruselversuchen nicht nur König Julius mächtig auf den Geist. Wenn Hui Buh nicht endlich eine überzeugende Grusel-Show auf die Beine stellt, steht das Schloss vor dem finanziellen Ruin! Da trifft es sich gut, dass plötzlich die kleine Hexe Ophelia vor der Tür steht: im Gepäck das Necronomicon – das mächtigste, böseste (und wahrscheinlich auch gerissenste) Zauberbuch der Welt. Das ist die Gelegenheit für Hui Buh, endlich gruselig zu werden! Blöd nur, dass Ophelia ihn nicht einen winzigen Spruch ausprobieren lässt. Denn das würde sofort die hinterhältige Erla auf den Plan rufen, die allen Hexen mithilfe des Necronomicons die Lebenszeit stehlen will. Erla hat bereits Ophelias Mutter entführt und nun können nur noch Hui Buh und König Julius helfen. Wird es ihnen gelingen, den Hexenwald zu durchqueren, Ophelias Mutter zu befreien, und Hui Buhs größten Grusel-Traum endlich zu erfüllen?
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Seitenzahl: 97
eISBN 978-3-649-64089-9
© 2022 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,Hafenweg 30, 48155 MünsterAlle Rechte vorbehalten, auch auszugsweiseHui Buh 2 © by RatPack Filmproduktion GmbHCover- und Innengestaltung: Anne Sent,unter Verwendung von Bildern von www.shutterstock.com
Satz: Helene Hillebrand
www.coppenrath.de
Die Print-Ausgabe erscheint unter der ISBN 978-3-649-64016-5.
Als Hörspiel bei
www.play-europa.de
Verflixt und zugespukt!
Hexen, Hexen
Grandios grauenhafter Grusel
Familienbande
Ophelias Geheimnis
Am Ende der Welt
Die Falle schnappt zu
Knusper, knusper, knäuschen
Die nackte Wahrheit
Fledermauskacke
In den Kerker mit ihnen!
Pinke Einhörner
Das lustigste Gespenst der Welt
Manche Leute sagen, es gibt Gespenster.
Manche Leute sagen, es gibt keine Gespenster.
Ich aber sage: Hui Buh ist ein Gespenst!
Schloss Burgeck war kein gewöhnliches Schloss. Zahllose Legenden rankten sich um das alte Gemäuer. Wer sich tiefer in sein Inneres wagte, fand Geheimgänge, verborgene Kammern, uralte Schätze und noch viele andere rätselhafte und gefährliche Dinge. Mit seinen Zinnen und Türmchen thronte es auf einem Felsen, der zwischen Wäldern und Seen lag.
Tagsüber, wenn die Sonne schien, war es prächtig anzusehen. Nachts, wenn es dunkel wurde und der Mond das Land mit kaltem Licht betupfte, wurde es zu einem waschechten Spukschloss, denn dann geisterte das einzig behördlich zugelassene Gespenst durch seine Mauern: Hui Buh, das Schlossgespenst!
Hui Buhs Zuhause war die Fledermausturmkammer. Hier türmte sich schrecklich viel Gerümpel, stets überzogen von einer dicken Schicht Schmutz, Staub und Spinnweben. Das braucht ein Gespenst, um sich wohlzufühlen. In der Mitte des Turms stand eine vermoderte Holztruhe, in der sich Hui Buh nach seinen anstrengenden Spuknächten ausruhte.
Und hier nun beginnt unsere Geschichte.
Es war ein trüber Herbstnachmittag. Dunkle Wolken schoben sich über Schloss Burgeck zusammen und die Luft schmeckte nach Regen. Im Fledermausturm war es finster und still. Plötzlich, wie von Geisterhand, öffnete sich eine wurmstichige Truhe. Eine seltsame Gestalt entstieg ihr. Sie trug eine löchrige Kutte und verbarg ihr Gesicht unter einer Henkersmaske.
»Huuuuuuiiiiii Buuuuhhhhh«, heulte die Gestalt und fuchtelte dabei wild mit ihren Armen herum. Sie schwebte aus der Kiste empor, stieg hoch und höher, jammerte und stöhnte, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte … und rumste mit dem Kopf gegen einen Holzbalken.
»Autsch! Verflixt und zugespukt!«, fluchte das Gespenst und rieb seinen schmerzenden Schädel. Als es zu Boden sank, stolperte es über seine Kutte und plumpste rücklings wieder in die Truhe. Der Deckel krachte herunter und fiel ihm auf die Finger.
»Auuuu! Vertückt, selbst meine vermoderte Holztruhe hat sich gegen mich verschworen.« Das Gespenst riss sich die Henkersmaske vom Kopf. Hui Buh kam zum Vorschein. Mit seiner Pagenfrisur und seinem Brustpanzer erinnerte er an den verwegenen Ritter Balduin, der er einst als Mensch gewesen war. Jammernd hielt er seine Finger. »Charles! Das tut weh! Kannst du bitte pusten?«
Charles stürmte aus seinem Versteck hervor. Wie immer war der engste Vertraute des Königs in seinem cremefarbenen Anzug eine makellose Erscheinung. »Mon Dieu, was ist das?«, rief er mit seinem französischen Akzent. »Isch sagte doch klar und deutlisch: Erst die Kopf abnehmen, dann erst kommt die unheimlische Geistergergeheul!«
»Ach wirklich?« Hui Buh machte ein verdattertes Gesicht und studierte das Büchlein mit seinen Notizen.
»Vertückt, du hast recht. Hier steht es: Erst nehme ich den Kopf ab, dann kommt mein gruseliges Geistergeheul. Dieser Text ist aber auch wirklich verspukt kompliziert. Wie soll sich das einer alles merken? Und hier, fühl mal meine Hand. Die ist gar nicht so eiskalt wie sonst. Das muss das Lampenfieber sein, von dem die sterblichen Schauspieler immer sprechen.«
Charles atmete tief durch und versuchte, die Fassung zu bewahren. Als Adjutant des Königs war er einiges gewöhnt, aber Spukproben mit Hui Buh waren eine ganz eigene Herausforderung. »Oui. Sagen wir, es sind die Fieberlampen.«
Hui Buh war sehr aufgeregt. Seit Tagen schon probten er und Charles für die große Spukshow, die am nächsten Tag in der Eingangshalle von Schloss Burgeck stattfinden sollte. »Sag mal ehrlich, Charles: Wie war ich? Grandios grauenhaft gruselig? Schrecklich schlotterig schaurig? Fabelhaft furchtbar fürchterlich?«
Bevor Charles sich stoppen konnte, platzte es aus ihm heraus: »Wie war die Untergang von die Titanic? Ein Katastroph natürlisch!«
Hui Buh ließ die Schultern hängen. Er wollte so gern das gruseligste Grauen von Burgeck sein. Leider war er als Gespenst eine komplette Niete. Jeder seiner Spukversuche endete im Chaos. Nicht mal die kleinen Mäuse in der Fledermausturmkammer hatten Angst vor ihm.
Plötzlich war von ferne ein Hupen zu hören. Hui Buh flitzte zum Fenster und blickte hinunter auf die gewundene Straße, die zum Schloss führte. Mehrere Autos näherten sich.
»Sieh nur, Charles! Die ersten Gäste! Sie sind gekommen, um mich zu sehen! Schnell, wir müssen Julius wecken!«
Bevor Charles ihn bremsen konnte, war er auch schon durch die Wand geflitzt. Mit einem Seufzer eilte der Adjutant ihm nach.
König Julius der 111te lag mit zerzausten Haaren auf seinem Bett und schnarchte. Er hatte es nicht mal geschafft, sich auszuziehen, und trug noch immer den Anzug vom Vortag. In der Hand hielt er ein Bild von seiner Königin Konstanzia. Vor gar nicht langer Zeit waren die beiden noch ein glückliches Paar gewesen. Doch seit Konstanzia Schloss Burgeck verlassen hatte, war Julius ein Bild des Jammers.
Hui Buh flitzte durch die Wand. »Juhuuulius!«, rief er. »Aufstehen, alte Königstomate!«
Charles kam dazu, straffte seinen Anzug und räusperte sich. »Majestät, isch melde gehorsamst: Die ersten Gäste sind hier!«
Hui Buh drehte eine Pirouette vor lauter Begeisterung. »Das müssen Hunderte sein, Tausende, ach was, Melonen! Und sie sind alle wegen der großen Spukshow hier. Na los, hoch mit den müden Knochen!«
Stöhnend wurde Julius wach und blinzelte. »Bin ich tot?«
Charles seufzte. »Isch fürschte nein, Majestät.«
Die Antwort schien Julius nicht zu gefallen. Mühsam setzte er sich auf und kratzte seinen verwilderten Bart.
»Morgen ist unsere große Premiere! Du musst die Gäste begrüßen, sie warten schon auf dich!«, rief Hui Buh.
Julius bemerkte, dass er noch immer Konstanzias Bild in seinen Händen hielt, und versteckte es hastig unter der Bettdecke. Charles tat höflich so, als hätte er nichts gesehen, und begann schnell damit, den König herzurichten, damit er einigermaßen ansehnlich aussah.
Hui Buhs Begeisterung war unterdessen nicht zu bremsen. »Ich sage dir, Julius, das wird ein gigantomanischer Erfolg! Das gruseligste Spukdinner aller Zeiten! Die werden Bücher über mich schreiben.«
Julius zog eine Grimasse. »Du hast genau einen Versuch, Hui Buh! Wenn das schiefläuft, wird es keine weitere Vorstellung geben, verstanden?«
»Ach was. Ich sage dir, nach der Premiere werden uns die Leute die Bude einrennen. Oh, ich sehe schon die Schlagzeilen: ‚Hui Buh, das gruseligste Grauen, der Schauer aller Schockgefrosteten, der Terror aller Terrier, hat die Spuklatte ganz weit nach oben gelegt! Kein Gespenst ist gruseliger als er!«
Julius tauschte einen zweifelnden Blick mit Charles. »Wie war denn eure Probe?«
»Grandios!«, rief Hui Buh.
Charles lächelte gequält und Julius wusste Bescheid. Er ließ die Schultern hängen. »Warum habe ich mich nur darauf eingelassen?«
Charles brach ein Stück Holz aus der Lehne eines alten Stuhls und warf es ins Kaminfeuer. »Nun, sagen wir: damit wir nischt mehr heizen müssen mit die Möbel, Majestät.«
»Richtig. Wir brauchen das Geld«, seufzte Julius.
»Oh, Majestät, Ihr werdet sehen: Es wird alles gut«, sagte Charles.
Julius war jedoch viel zu deprimiert, um sich von ihm aufmuntern zu lassen. »Meine Ehe mit Konstanzia ist ruiniert. Schloss Burgeck hat keine Königin mehr. Ich habe mich gehen lassen und mein ganzes Vermögen ist weg …«, jammerte er.
»Du hast doch immer noch mich!«, grinste Hui Buh.
Julius seufzte. Hui Buh war zwar sein Freund, aber es gab auch Tage, an denen er ihm mächtig auf den Geist ging. Tage wie dieser. »Richtig, auch das noch. Ich habe immer noch dich.«
Beleidigt verschränkte Hui Buh die Arme vor seinem Brustpanzer. »Das klingt aber nicht gerade nach einem Kompliment.«
Julius warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und griff nach seiner Jacke. »Ich gehe nach unten und begrüße unsere Gäste. Benimm dich, Hui Buh! Und keine Spukversuche vor der Show.«
»Oh, nicht mal ein klitzekleiner, winziger Mini-Spuk?«, maulte Hui Buh.
»Spar dir das für morgen. Ich will keinen Ärger.« Julius bemühte sich um ein strenges Gesicht, was Hui Buh allerdings nicht im Mindesten beeindruckte.
»Vielleicht hast du recht. Ein wahrer Künstler sollte sein Talent nicht unnötig vergeuden. Aber unsichtbar zuschauen darf ich ja wohl. Huiiiii Buuuuuh!«
Das Gespenst flitzte durch die Wand und riss ein Regal mit, das polternd zu Boden krachte.
Julius fühlte sich sehr müde. »Ich hätte früher nicht so gut auf meine Gesundheit achten sollen, dann hätte ich jetzt wenigstens die Aussicht auf einen frühen Tod. Kommen Sie, Charles. Begrüßen wir die Gäste.«
Während die beiden zur Eingangshalle hinuntergingen, dachte Julius bei sich: »Das wird niemals gut gehen.«
Er ahnte nicht, wie recht er behalten sollte.
Die dunkle Gasse schimmerte im Licht des vollen Mondes. Der hell erleuchtete Eiffelturm, die Kathedrale von Notre Dame, der Fluss Seine mit seinen wundervollen Brücken und Laternen, an dessen Ufern verliebte Paare flanierten, all das schien plötzlich weit weg. In diesem Teil der Stadt war Paris so dunkel, dass es unheimlich war.
Die kleine Hexe Ophelia umklammerte ihren Zauberstab und folgte ihrer Mutter durch die Finsternis. Die beiden rannten, so schnell sie konnten, doch das unheimliche Flattern kam immer näher.
»Wir müssen uns verstecken!«, keuchte Maria.
Ophelia blickte zu ihrer Mutter auf. Sie war die schönste und mutigste Frau, die sie kannte. Es kam nicht oft vor, dass sie nervös wurde. Doch in diesem Augenblick hatte sie Angst. Ophelia nahm ihre Hand und folgte ihr durch die Gasse auf eine menschenleere Straße. Vor ihnen lag eine Reihe von Häusern. Fieberhaft suchten sie nach einem Versteck, einem Durchgang oder Mauervorsprung, hinter dem sie in Deckung gehen konnten. Wenn sie nicht schleunigst von der Straße verschwanden, waren sie verloren.
»Hier rein!«, rief Maria. Sie deutete auf eine Tür, die zerstört in den Angeln hing. Ophelia trug einen kleinen Kinderkoffer bei sich. Sie drückte ihn fest an ihre Brust und folgte ihrer Mutter.
Sie fanden sich in einem alten Waisenhaus wieder, das dem Verfall überlassen worden war. Im Korridor türmten sich Möbel. Sämtliche Türen waren verschlossen.
Zum Glück waren Ophelia und ihre Mutter zwei waschechte Hexen. So ein klappriges Türschloss konnte sie nicht aufhalten. Maria zückte ihren Zauberstab, berührte mit seiner Spitze die Klinke und die Tür flog auf. Sie schob Ophelia in den Raum, der früher mal ein Schlafsaal gewesen war. Verwaiste Kinderbettchen standen noch an der Seite. Es war so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Rasch verschloss Maria die Tür hinter sich und schob mit der Kraft ihrer Magie einen Schrank davor. »Hier sind wir in Sicherheit«, sagte sie.
In diesem Augenblick hörten beide das Flattern der Krähen.
»Sie haben uns doch gefunden. Wir sitzen in der Falle«, flüsterte Ophelia. Marias Gedanken rasten. Sie musste eine Entscheidung treffen. Rasch zog sie ein großes ledernes Paket unter ihrem Mantel hervor und drückte es ihrer Tochter in die Hand.
Ophelias fragender Blick verwandelte sich in Entsetzen, als ihr bewusst wurde, was das bedeutete. »Mama … du lässt mich allein?«
Maria packte ihre Tochter an den Schultern und sah sie ernst an.
»Hör genau zu, mein Schatz. Geh zu Hui Buh auf Schloss Burgeck. Sag ihm, dass du Hilfe brauchst. Sag ihm, wir sind alle in großer Gefahr.«
»Aber …«