"Ich bin nicht von der Zeitlichkeit" - Betty Paoli - E-Book

"Ich bin nicht von der Zeitlichkeit" E-Book

Betty Paoli

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Beschreibung

Das "Best of" ihrer Werke holt die Wiener Autorin Betty Paoli in den Kanon zurück. Einst war Betty Paoli im ganzen deutschen Sprachraum berühmt für ihre leidenschaftliche Lyrik, die zeitgenössische Kritik stellte sie auf eine Stufe mit Annette von Droste-Hülshoff. Paolis Gedichte wurden in Schulbücher aufgenommen und heute erleben sie auf Lyrikportalen im Netz ein Revival. Als erste Berufsjournalistin Österreichs verfasste Paoli scharfsinnige und unterhaltsame Kritiken zu Kunst, Literatur und Theater, war meinungsbildend im Kulturbetrieb und Vorbild für die nächste Generation schreibender Frauen. Ihre Essays erschienen in den wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen und wurden lebhaft diskutiert. Die Auswahl mit Kommentar und Nachwort gibt Einblick in das vielfältige Œuvre dieser herausragenden Autorin.

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Betty Paoli

»Ich bin nicht von der Zeitlichkeit!«

karins.wozonig, geboren in Graz, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Anglistik / Amerikanistik und Germanistik in Wien und Los Angeles, forscht und publiziert zur deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts und zu Literaturtheorien. Sie lebt in Wien. Im Residenz Verlag erschienen : »Betty Paoli – Dichterin und Journalistin. Eine Biographie« (2024).

Betty Paoli

»Ich bin nicht von der Zeitlichkeit!«

Ausgewählte Werke – Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karin S. Wozonig

Residenz Verlag

Der Verlag dankt für die Unterstützung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

www.residenzverlag.com

© 2024 Residenz Verlag GmbH

Salzburg – Wien

Alle Rechte, insbesondere das des auszugsweisen Abdrucks und das der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

Grafische Gestaltung, Satz : Kevin Mitrega, Schriftloesung

Korrektorat : Eva-Maria Kronsteiner

Gesamtherstellung : Pustet, Regensburg

ISBN ePub :

978-3-7017-4730-6

ISBN Printausgabe :

978-3-7017-1797-2

INHALT

GEDICHTE

AN DIE MÄNNER UNSERER ZEIT

AN DLLE. SOPHIE LÖWE

EMPFINDUNGEN AM ENDE EINES MASKENBALLS

MEINE JUGEND

VERHÄNGNISS DER KUNST

DIE DICHTERIN

FORDERUNG

DAS TODTE KIND

ZU SPÄT!

DUNKLE EINSAMKEIT

DER BLUMENSTRAUSS

BEKENNTNISS

ICH

KEIN GEDICHT

DIE PYTHIA

GHASEL

EINES ABENDS

WAHRHEIT IN DER DICHTUNG

ZUR ERKLÄRUNG

GLEICHNISS

MIT DIR!

ERKENNTNISS

WANDLUNG

GABE

PSYCHE

RATH

BERUHIGUNG

WARNUNG

DER ORIENT

MELANCHOLIE

BEWÄLTIGUNG

IN’S ALBUM EINER BRAUT

O FRAGE NICHT!

ERSATZ

BRIEFE AN EINEN VERSTORBENEN

[LASS MICH VOR DIR NIEDERSINKEN]

[O DUNKLES AUGE! ZAUBERVOLLE NACHT]

[SPRICH IHN SO LEICHT NICHT AUS, DEN ERNSTEN SCHWUR]

[O GLÜCK! DER LIEBSTE IST ZU MIR GEKOMMEN]

[IM TIEFSTEN INNERN]

CENSOR UND SETZER

ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF

EIN BRIEF

[JA, ES IST EIN WUNDERBARES LEBEN]

AN ***

[WIR HABEN IM GEDANKENFLUG]

[DER STRAHL, DER SÜSS AUS DEINEM AUGE]

[DIE HERRSCHAFT, DIE DIR ÜBER MICH GEGEBEN]

[KURZ WAR DIE ZEIT DER WONNE]

[VOM HAUCH DER NACHT UMWEHT]

TRENNUNG

AUF EINER NÄCHTLICHEN FAHRT

MEINE TODTEN

ES WAR ZU LEICHT

GEWONNENE EINSICHT

MEINE GRABSCHRIFT

[AN ANASTASIUS GRÜN ZUM 11. APRIL 1876]

AN ADALBERT STIFTER

DEN POESIEVERÄCHTERN

RÜCKBLICK

AM 5. SEPTEMBER

WAS NOT THUT

IM WALDE

DER VERSUCHER

DIE NATURALISTISCHE SCHULE

PARAPHRASE

AUFGEGEBEN

EITLER WUNSCH

DER HERBSTE VERLUST

WARUM VERSTUMMT DAS LIED?

ANNA. NOVELLE

KRITIKEN, ESSAYS, FEUILLETONS

GEDICHTE VON ANNETTE V. DROSTE-HÜLSHOFF

STUDIE ÜBER GRILLPARZER

NEUE LYRIK

ZERLINE WÜRZBURG

UNSERE MODEN

UNSERE STADT

UNSERE GESELLIGKEIT

EINE ZEITFRAGE

EIN EINSAMER ABEND

ANHANG

EDITORISCHE NOTIZ

KOMMENTAR

NACHWORT

ZEITTAFEL

Betty Paoli, Lithographie von August Prinzhofer, 1848

Sei an jedem neuen Tag Neuen Kampfs gewärtig.

Meißelschlag um Meißelschlag macht das Bild erst fertig.

Gedichte

AN DIE MÄNNER UNSERER ZEIT

Halb Scherz, halb Ernst

Spotten hör’ ich Euch und zürnen ob der Frauen Wankelmuth,

Ob in zarten Mädchenherzen gar zu leicht entbrannter Glut,

Ob der Leere, die da waltet in so manches Weibes Sinn,

Und wie leicht es Lieb’ und Treue gibt für Erdenlust dahin;

Ob der Flachheit und des Unwerths uns’rer jetz’gen Frauenwelt,

Wie sie einzig nur verehren, was dem Auge wohlgefällt;

Wie sie – doch genug der Frevel! Rede stehen will ich Euch,

Eurer Klage Antwort geben, und sie werde Euch sogleich.

Lästert feindlich nicht die Frauen! Schmäht Ihr sie, so schmäht Ihr Euch,

Denn es sind der Frauen Herzen einem reinen Spiegel gleich:

Selber ist er ohne Makel, doch das Spiegelbild seyd Ihr;

Will nun dieses nicht gefallen, ey, was kann das Glas dafür?

Seht, es ähneln Frauenherzen ungeschliffenem Demant:

Bildet liebend ihn und sorglich eine kunstverständ’ge Hand,

Wird er klare Strahlen sprühen, wird er leuchten hell und hehr,

Wird er Glanzeswogen werfen, wie ein glutentflammtes Meer.

Doch wie anders, wenn den Demant unberuf’ne Hand verdarb,

Wenn durch ungeschicktes Walten all’ sein Glanz gar schnell erstarb;

Traun! der Stein war wunderprächtig, aber dennoch ist er hin,

Weil dem Mann, der ihn behandelt’, fehlte kunstgewandter Sinn.

Ihr seyd uns’re Herr’n und Meister! Ja, wir bilden uns an Euch,

Um von Euch geliebt zu werden, möchten wir Euch werden gleich,

Ey, und seltsam ist es, wahrlich! daß wir, Euer Conterfey,

Nun das Ziel von Euerm Zürnen und von Eurer Spötteley.

Sollen Frauen sich veredeln, möget edler werden Ihr,

Möget bannen aus dem Busen wilder Leidenschaften Gier,

Mögt zuvor erst selber werden, wie die Frauen sollten seyn,

Fehlerfrey und ohne Mängel, und im Herzen treu und rein.

Ob dieß jemals wird geschehen? Ach, ich glaub’ es nimmermehr!

Manches Jahr noch wird sich senken in der Ewigkeiten Meer,

Doch wohl nimmer wird man schauen, daß Ihr fühlt, wie’s unrecht sey,

And’rer Fehler zu bekritteln, wenn man selbst nicht fehlerfrey.

AN DLLE. SOPHIE LÖWE,

als Giulietta in Bellini’s Oper : »I Montecchi ed i Capuletti.«

Was süß sich je der Liebe Mund entschwungen,

So wunderbar, wie nur ihr Mund es tönt,

Von Deinen Lippen ist es uns erklungen,

Durch Deine holde Anmuth noch verschönt.

Was Bitt’res je ein Menschenherz durchbebet,

Lebendig taucht es auf in Deinem Schmerz,

Und auf dem Fittich Deiner Seufzer schwebet

Die Seele hoffend, sehnend, himmelwärts.

Vereint nicht durftest Du Romeo werden,

Geschaffen warst Du nicht für Erdenglück,

Darum nach Höh’rem auch, als dieser Erden,

Hebt gläubig sich Dein schmerzumflorter Blick. –

O selig’ Loos! Nun bist Du ihm verbunden,

Der Erde Macht, sie trennet euch nicht mehr;

Nach ird’scher Trennung todesbittern Stunden,

Umrauscht euch nun ein ew’ges Wonnemeer!

EMPFINDUNGEN AM ENDE EINES MASKENBALLS

Vorbei ist nun die frohe, der Lust geweihte Nacht,

Entflohn sind die Gestalten voll Reiz und bunter Pracht;

Ich steh’ allein im Saale, der erst noch so gefüllt,

Worin so strahlend glänzte mach lieblich Frauenbild.

Verschwunden sind die Masken, sie haben abgelegt

Die bunten Trachten, welche sie heute noch bedeckt.

Doch nein! nicht abgelegt, sie haben nur vertauscht

Die falschen Trugeshüllen, die kürzlich sie umrauscht.

Sie werden morgen prunken, wie heut, im Maskenkleid,

Auch morgen sich verstellen, sich täuschen so wie heut,

Auch morgen, ohne Larven, noch immer Masken seyn,

Auch morgen sich ergötzen an Trug und Neckerei’n. –

Wie ward wol diesen Abend gelöst so manches Band,

Das noch vor wenig Stunden zwei Herzen hold umwand,

Geknüpft so manches neue – doch, Mädchen, glaubet mir!

Nie fest sind solche Bänder, geknüpft im Ballgewirr.

Sie sind ja nur gewoben aus Lust und leichtem Scherz,

Umschlingend wol die Sinne, doch fesselnd nie das Herz,

Oft tilgt der nächste Morgen schon ihre fahle Spur

Und dem betrog’nen Busen bleibt die – Enttäuschung nur!

MEINE JUGEND

Ein Frühling, dem’s an Blüthen

Und Sonnenglanz gebricht,

Durcheis’t von Sturmeswüthen,

Erhellt von Blitzeslicht;

Ein Trauern sonder Hoffen,

Von Schmerzensnacht umhüllt:

Da gab ich, wahr und offen,

Euch meiner Jugend Bild.

VERHÄNGNISS DER KUNST

O könnte ich dich von mir werfen,

Du Fluch des Sang’s, der auf mir ruht!

Du Todesstahl, der, sich zu schärfen,

Erglüht in meines Herzens Blut

Und alsbald dann in meinen Thränen

Die Kühlung suchet, die ihm Noth –

Zerstört hat mich dein gleißend’ Höhnen:

Ich lebe nicht und bin nicht todt.

Ich lebe nicht! denn auf der Erde

Wall’ ich umher ein fremder Gast;

Bin heimathlich an keinem Herde,

Bin nicht geliebt und nicht gehaßt;

Hab’ keinen Antheil an den Gaben,

Woran die Menschheit sich erfreut,

Was sie erquickt, kann mich nicht laben –

Ich bin nicht von der Zeitlichkeit!

Ich bin nicht todt! denn tief im Herzen

Regt sich der Wunsch noch glühend heiß

Nach heit’rer Freude Frühlingsscherzen,

Nach frischen Glückes jungem Reis;

Noch dränget sich mir auf die Frage,

Ob ich allein dem Schmerz’ geweiht,

Ich hoffe, wünsche und verzage –

Ich bin nicht aus der Ewigkeit!

Und dieses martervolle Schwanken,

Dieß Fremdseyn an jedwedem Ort’,

Dieß Himmelstürmen der Gedanken,

Dieß Sehnen nach dem Grabesport’;

Dieß Heimweh, das des Lebens Blüthe

In ihrem ersten Keime brach,

Im einst so friedlichen Gemüthe

Riefst du es, Lied, allein nur wach!

Du ließest mich das Jenseits ahnen

Und seiner Wonnen Göttlichkeit;

Ich schwebte hin auf Sternenbahnen,

Ich trank vom Quell’ der Seligkeit,

Und als gleichwie mit Blitzesschnelle

Das Traumbild dann entflohen war,

Stand an des Paradieses Schwelle

Ich aller Erdenhoffnung baar.

Denn nichts kann mir die Erde bieten,

Was jenen Wonnen käme nah’,

Die oft ich in des Lied’s Gebieten

So himmlisch hold erblühen sah!

Doch, nach den ewigen Gesetzen,

Uns fesselnd an die Erdenbahn,

Will sich im Glück’ die Brust noch letzen,

Die’s fühlen nicht noch missen kann.

So leb’ ich fort ein stetes Sterben

Im Schwanken zwischen Dort und Hier,

Ein unermüdlich’ Qualerwerben,

Ein Traumesseyn im Tagsgewirr’,

Ein einsam’ Leben der Verbannung

Inmitten dieser lauten Welt,

In dunkler Nacht, die nur die Ahnung

Als Stern jetzt, jetzt als Blitz erhellt.

DIE DICHTERIN

Viel Muth braucht man in unsern Tagen,

(Ja Muth! nicht nur Beruf allein),

Sich an die Lira noch zu wagen,

Hat man das Unglück Weib zu sein.

Als Geißel in des Lebens Kreisen

Bezeichnet man die Dichterin,

Allein, wie dieses zu erweisen,

Will mir doch nimmer in den Sinn.

Horcht doch des großen Meisters Worten:

»Wem in dem deutschen Dichterwald

Die Gabe des Gesangs geworden,

Der singe, daß es weithin schallt!« –

In einem Bunde will er sehen,

Der Musa Kinder all vereint,

Er gibt dabei nicht zu verstehen,

Daß er die Söhne nur gemeint.

Daß aus so mancher Frauenfeder

Erbärmliches geflossen sei,

Viel Verse, ach! von denen jeder

Verrenket kreischt: »Gott steh’ mir bei!«

Dieß als Verleumdung abzuweisen,

Wär’ ein unwürdig Truggeschäft,

Doch saget, ob in euern Kreisen

Ihr nicht auch solche Muster trefft? –

Und wenn die einz’ge Wahl mir bliebe,

(Im Grund Wahl zwischen Strick und Schwert!)

Weh! zwischen Liedern matter Liebe,

Und zwischen jenen, wo versehrt

Der Musa strahlendes Gefieder

Durch Diatriben lichterloh,

Dann zög’ ich vor die matten Lieder

Der groben à la so und so. –

Warum soll jene Stimme eben,

Die in so mancher herben Pein

Den Andern sanften Trost kann geben,

Nicht zum Gesang’ berufen sein?

Und jene Hand, die nassen Augen

Enthüllt ein höheres Asyl,

Die sollte nimmer dazu taugen,

Zu rühren an das Saitenspiel?

Wer sich das Dichten kann verwehren,

Hat sich zum Dichten nur gemüht!

Wenn Wonnen mein Gemüth verklären,

So werden sie in mir zum Lied,

Wenn höhrer Schmerz mein Sein durchdringet,

Schallt er aus meines Herzens Grund,

Und wenn die Seele in mir singet,

Singt auch, ohn’ daß ich’s will, der Mund.

Nie hörte man mein Lied ertönen,

Zum Ruhme eitler, ird’scher Macht,

Nie sah man es der Lüge fröhnen,

Stumm blieb’s in einer Sündennacht;

Doch mit der Sterne Flammenzungen,

Mit jeder Blum’, die strahlt und blüht,

Hat es den Hymnus mitgesungen,

Der betend durch die Schöpfung zieht!

FORDERUNG

Und trennt uns jetzt des Schicksals Haß,

Muß fort ich zieh’n allein,

So leb denn wohl, mein Freund, doch laß

Mich nicht vergessen sein.

Gehst ohne mich Du nun durch’s Thal

Und durch den frischen Wald,

Wo wir beim Morgensonnenstrahl

So oft vereint gewallt;

Und trittst Du hin zum grünen Strand,

Der liebend uns umschloß,

Hin, wo auf meine bleiche Hand

Heiß Deine Thräne floß;

Dann schenke, wenn’s so kommen muß,

Daß ich ersetzt bei Dir,

Den Andern jeden Liebesgruß,

Doch einen Seufzer mir.

DAS TODTE KIND

So frühe schon vollendet?

Verblühet schon im Keim?

Der Gott, der Dich gesendet,

Rief Dich so bald schon heim?

Du warst so schön im Leben,

Und bist’s noch mehr im Tod,

Wie Blumen sich erst heben

Beim letzten Abendroth!

Nicht, wie bei andern Leichen,

Faßt mich ein schaurig Weh,

Wenn ich in Deine bleichen,

Holdsel’gen Züge seh’;

Denn in der kurzen Stunde,

Die Du bei uns verweilt,

Hat keine Schicksalswunde

Dein kleines Herz ereilt!

Und in dem kurzen Tage,

An dem Du sah’st das Licht,

Begriffst Du nicht die Klage,

Die uns die Brust zerbricht.

Im kurzen Zeitenraume,

Der Dir für hier gesteckt,

Ward nicht vom Lebensschaume

Die Seele Dir befleckt.

So, ohne Schmerz und Fehle,

Und ohne Gram und Schuld,

Rief Dich, daß nichts Dich quäle,

Zu sich der Gottheit Huld!

So bist du eingegangen

In Deinem Unschuldskleid,

In Deiner Freuden Prangen

Zu ew’ger Seligkeit!

ZU SPÄT!

Es hat dein schönes Angesicht

Des Scheidens Hauch getrübt;

Du starbst dahin und wußtest nicht,

Wie tief ich dich geliebt!

Denn kärgliche Minuten nur

Hast du bei uns verweilt,

Und bist sodann auf höh’rer Spur

Mir rasch vorangeeilt.

Das ist es, was mit bitterm Weh

Die Seele mir bewegt,

Und auf des Herzens tiefem See

Stets neuen Sturm erregt.

Nicht daß so früh zu reinerm Glück

Du zogst in’s höh’re Land,

Wohin die Sehnsucht fromm den Blick

Still hoffend hält gewandt,

Wohin jedweder Ruf der Lust,

Wohin jedwedes Lied

Und jeder Schmerz der Menschenbrust

Als leuchtend Opfer zieht!

Doch daß so traumesähnlich mir

Dein theures Bild entschwand,

Bevor ich meine Liebe dir,

Die flammende, gestand!

Und daß ich von dem Trost gebannt,

Der Glück mir wär’ im Schmerz,

Daß du begriffen und erkannt

Mich und mein treues Herz.

DUNKLE EINSAMKEIT

Als meine Mutter krank und nach der letzten Reise,

Da ward verändert viel auf mannigfache Weise.

Zuerst befahl der Arzt, die Blumen wegzutragen,

Die gerne sie gepflegt in frühern bessern Tagen.

Dann ward dem Tageslicht der Eingang auch verwehrt –

Es hieß, damit die Ruh der Kranken ungestört.

Und als der Priester kam, die Hostie ihr zu reichen,

Da mußte selbst ihr Kind aus ihrem Zimmer weichen.

So, losgerissen längst, und längst schon im Entschweben

Verhauchte sie zuletzt nur einen Schein von Leben. –

Auch mir ward nach und nach Duft, Licht und Lieb’ genommen,

Ich lieg’ in stiller Nacht – wird wohl der Tod bald kommen?

DER BLUMENSTRAUSS

Es rührte mich bis zum Bedauern

Der abgewelkte, fahle Strauß,

Den ich durchnäßt von Regenschauern

Heut liegen sah vor meinem Haus.

Die Lilien, die Anemonen,

Die Hyacinthen farbenreich,

Sie neigten ihre welken Kronen,

Die armen Rosen sahen bleich.

Entschwunden war ihr Duftgepräge

Vom herbstlich kalten Regenguß,

Und drüber schritt die eil’ge Menge

Mit plumpem, unachtsamen Fuß.

Da dacht’ ich träumerisch der Stunden,

Wo dieser Strauß, jetzt so durchnäßt,

Jetzt so versehrt, einst ward gewunden,

Ach Gott! wer weiß, für welches Fest?!

Wer weiß, mit welchen frohen Scherzen

Man ihn zu formen war bemüht?

Wer weiß, an welchem sel’gen Herzen

Er duft- und farbenreich geglüht?

Wer weiß, welch stille Liebesbothen

Sich bargen in dem bunten Laub? –

Und jetzt liegt er am schmutz’gen Boden,

Der Winde und des Wetters Raub!

Ein Bild so mancher Seelenblüthe,

Auf Gottes heil’ger Flur gepflückt,

Und von des Ew’gen Huld und Güte

Mit Duft und Farbenglanz geschmückt.

Sie strebt sich strahlend zu entfalten

Mit unentweihtem Blumensinn;

Da fassen sie der Welt Gewalten,

Und schleudern sie zu Boden hin.

Und drüber setzt das Volk, das stumpfe,

Mit rohem Scherz, ach! und wer denkt,

Daß in dem ekeln, trüben Sumpfe

Solch eine Blume eingesenkt?!

BEKENNTNISS

Ihr fragt, warum so einsam mir verflossen

Des Lebensfrühlings blüthumdrängte Zeit,

Warum ich von dem Bunde ausgeschlossen,

Dem andre Herzen freudig sich geweiht,

Warum ich ohne Sehnsucht, ohne Klage

Freywillig jedem Liebesglück entsage?

Wohl steh’ ich einsam in dem Weltgewühle,

Wo keine Brust sich an die meine legt,

Doch nur, weil ich den eignen Adel fühle,

Und weil mein Geist, von würd’gem Stolz bewegt,

Sich leichter zum Entbehren kann entschließen,

Als Glück, das seiner unwerth, zu genießen.

Soll ich herab von meiner Höhe steigen,

Entsagen meinem Rechte, meinem Rang,

Um mich vor einem Irdischen zu neigen,

Der nie verstände meines Herzens Drang?

Soll kindisch ich ein Wahngebild vergöttern,

Um es, enttäuscht, dann wieder zu zerschmettern?

Wollt’ ich auch hemmen meines Ich’s Entfaltung,

Beschränken meinen freyen Wolkenzug,

Mich unterwerfen fremden Geist’s Gestaltung,

Es wär’ ein thöricht eitler Selbstbetrug!

Und könnt’ auch Er in meiner Näh’ erwarmen,

Ich bliebe einsam doch in seinen Armen!

Und banger noch als jetzt müßt’ ich verzagen

In meines Innern düstrer Siedeley,

Denn ohne Antwort blieben meine Fragen

Und ohne Wiederhall mein Seelenschrey!

Entweihet würde mein geheimstes Wesen

Zum Räthsel, das man spielend sucht zu lösen. –

Wie eine Jungfrau fürstlichen Geschlechtes

Entschlossen wählt des Klosters Einsamkeit,

Eh’ sie, vergessend ihres stolzen Rechtes,

Ungleichem Bündniß sich mit Niedern weiht,

Mag meine Seele leichter Lieb’ entbehren,

Als durch gemeine Neigung sich entehren.

Und weil ihr ferne blieb der würd’ge Freyer,

Auf den sie hoffte, doch jetzt nicht mehr harrt,

Hüllt sie sich still in ihren Nonnenschleyer –

Ein dunkler Purpur ist er andrer Art.

Entsagen lieber jedem Freudenbilde,

Als einen Flecken auf dem Wappenschilde!

ICH

Ich kann, was ich muß! o seltnes Geschick!

Ich will, was ich muß – o doppeltes Glück.

Mein Herz ist an Stärke dem Felsen gleich,

Mein Herz ist, wie Blumen, sanft und weich.

Mein Wesen gleicht Glocken von strengem Metall:

Schlag kräftig d’ran, gibt es auch kräftigen Schall.

Mein Geist stürmt auf eiligem Wolkenroß hin;

Mein Geist spielt mit Kindern mit kindlichem Sinn.

Ich weiß, was ich will! und weil ich es weiß,

Drum bann’ ich’s zu mir in den magischen Kreis.

Ich weiß, was ich will! das ist ja die Kraft,

Die sich aus dem Chaos ein Weltall entrafft.

Ich weiß, was ich will! und wenn ich’s erreich’,

Dann gelten der Tod und das Leben mir gleich.

KEIN GEDICHT

A vingt-cinq ans le cœur se

brise ou se bronze.

Chamfort.

O, wäre mir das heitre Loos gefallen,

Das still beglückend andern Frauen fällt,

In schirmender Beschränkung hinzuwallen

Durch eines engen Kreises kleine Welt;

Mein Herz gleich einer Blume zu verschließen,

Vor jedem Sturm und jedem Weh der Zeit,

Des Lebens Freuden harmlos zu genießen

In ahnungsloser Unbefangenheit!

Doch anders hat sich mein Geschick gewendet,

Ein Kampfplatz nur war meine Lebensbahn;

Der Kindheit Blüthenruh ward mir entwendet

Und hingeopfert einem eitlen Wahn!

In starrem Zwang verflossen jene Tage,

In strenge Regeln ängstlich eingeschult,

Indessen meines jungen Herzens Klage

Um frische Luft und Sonnenlicht gebuhlt.

Ich rang dawider, doch es war vergebens,

Und als ich nun entwachsen jener Zucht,

Da drang die feindlich finstre Macht des Lebens

Wild auf mich ein mit ihrer ganzen Wucht.

Mich schirmte keines Freundes treues Lieben,

Durch meinen Frost drang keines Herzens Glut,

Und in die Fremde ward ich fortgetrieben

Ohn’ andre Stütze als den eignen Muth.

Was ich bedurfte, mußt’ ich selbst erringen,

Auskämpfen selber jeden herben Streit,

Und drückend lasteten auf meinen Schwingen

Die schweren Fesseln der Nothwendigkeit.

Weh Jedem, der in seinem Thun und Lassen

Dem inneren Gesetz nicht folgen kann!

Mein Unglück läßt sich in zwei Worte fassen:

Ich war ein Weib und kämpfte wie ein Mann!

Daß ihm am Tag der Schlacht die Wehr nicht fehle,

Erwarb mein Geist sich Schärfe, Kraft und Licht,

Doch blüthenlos blieb meine ernste Seele –

Im Waffenkleid pflegt man der Blumen nicht.

Nur ein Mal wagt’ ich, Besseres zu hoffen;

Verheißend lag vor mir ein schönes Glück;

Doch kaum erblüht, sank es, zu Tod getroffen,

Und eine Wunde nur blieb mir zurück.

So glitt, fast ungeahnt an mir vorüber

Des Liebefrühlings träum’rische Gestalt,

Und trüber ward mein Sinn und immer trüber,

Mein Herz, gleichwie die Todten, schwer und kalt.

Und wie vom Hauch der herbstlich scharfen Winde

Sich rauh verhärtet manch ein zartes Reis:

So legte sich um mein Gemüth die Rinde

Des Lebensüberdrusses starr, wie Eis.

Und nun, da schon mein bess’res Theil im Grabe,

Da meine Stirn des Zweifels Brandmal trägt,

Nun, da ich es schon fast vergessen habe,

Was einst so stürmisch meine Brust bewegt;

Nun, da im Lebenssande meine Zähren

Versickert längst, da ich mit stolzem Sinn

Nichts mehr vermissend, Alles kann entbehren,

Tritt deine Liebe leuchtend zu mir hin!

Suchst du denn Rosen unterm Leichentuche,

Und grünes Laub am blitzzerschellten Stamm?

Zu spät! der Segen wird an mir zum Fluche –

Mein Schicksal ist ein andrer Bileam!

O warum bist du damals nicht gekommen,

Als ich nach Liebe suchte, nach ihr rief?

Jetzt kann mir dein Erscheinen nicht mehr frommen,

Denn meine Sonne steht schon allzutief! –

Das Weib, das aus den häuslichen Bezirken

Heraustrat in das brausende Gewühl,

Mit eigner Hand zu schaffen und zu wirken,

Gezwungen zu beherrschen sein Gefühl;

Das, fortgetrieben von den heim’schen Laren,

Auf mühevoller, ruheloser Flucht,

Durch rauhe Wirklichkeit gelernt, erfahren,

Was andre Frau’n zu denken nie versucht;

Das, wie Ödip, mit unheilvollem Munde

Des dunklen Räthsels düstre Lösung fand,

Vor der die Sphynx des Glaubens sich zur Stunde

Verzweifelnd stürzet von dem Felsenrand: –

Das mag wohl ferner mit erschloss’nen Augen

Rasch vorwärts streben auf der Bahn zum Licht,

Zum Forschen, zum Erkennen mag es taugen;

Allein zum Lieben und zum Küssen nicht!

Und darum ist’s, daß ich von dir begehre:

Laß mich allein mit meinem Geistesschmerz!

Der Liebe Lust, der Liebe Grameszähre,

Sie füllen nicht mein abgrundtiefes Herz!

Du aber stehst in deiner Jugend Prangen,

Um welche nie ein trüber Schatten floß,

Dein Auge flammt, es blühen deine Wangen –

Drum geh’ und suche dir ein bess’res Loos!

Und denke nicht, daß ich dein frommes Werben

Hochmüth’gen Sinn’s verworfen und verschmäht!

Ich sage dir ja nur, was man im Sterben

Zu allem Glücke sagt: Zu spät! zu spät!

DIE PYTHIA

Ich dichte nicht in frohen Stunden –

Mein Leben ist an solchen leer!

Ich dichte nicht, um zu gesunden –

Genesung gibt’s für mich nicht mehr.

Ich dichte nicht, um zu erstreben

Des Ruhmes gleißnerische Pracht,

Die statt Unsterblichkeit zu geben,

Ein zweytes Mal nur sterben macht.

Ich dichte nicht, um mich zu krönen

Mit meiner Leiden Dorngeflecht;

Die Menge würde mich verhöhnen

Und sprechen: Es geschah Dir Recht!

Mein Lied quillt aus demselben Borne,

Aus dem das Wort der Pythia brach,

Als rauh und wild im Siegerzorne

Der Macedonier zu ihr sprach.

Des Schicksals nachtumflorten Willen,

Der Zukunft keimevollen Grund

Sollt’ ihm ihr Seherspruch enthüllen,

Allein verschlossen blieb ihr Mund.

Doch nichts kann sein Verlangen wenden,

Nichts beugen seinen starren Sinn!

Mit frevelhaft vermess’nen Händen

Faßt er die bleiche Priesterin.

Zum Schlunde, dunkel unergründlich,

Drängt er sie zürnend mit Gewalt,

Bis: »Ja! du bist unüberwindlich!«

Sie angst- und zorndurchschauert lallt. –

So ward’, was jemals ich gesungen,

Den Blick gerichtet himmelwärts,

Mir nur erpreßt und abgedrungen

Vom wilden Überwinder, Schmerz.

GHASEL

»Ghasel! was magst du wohl, so fragt’ ich lange, sein?

Soll ich, dein Wesen zu ergründen, bange sein?« –

So fragend hab ich dich erkannt und du kannst nun

Kein dunkles Räthsel mehr dem Dichterdrange sein.

Ich weiß nunmehr: du sollst, aus tiefster Brust gehaucht,

Ein frischer West um glüh’nde Liebeswange sein,

Du sollst dem schönen Freund, zu dessen Preis du tönst,

Ein fürstlich reicher Schmuck, womit er prange, sein.

Sollst seines edlen Schatzes köstlichster Demant,

Und seines königlichen Purpurs Spange sein,

Ein unzerreißbar Netz, aus laut’rem Gold gefügt,

In das sich Reiz und Huld für stets verfange, sein!

Du sollst, Ghasel! mit deinem süßen Echospiel

Ein Wiederhall vom ew’gen Liebesklange sein!

EINES ABENDS

Als dunkle Purpurrose möcht’ ich sprießen,

Damascus Kind, an farb’gen Blumenwänden,

Und meiner Düfte seelenvolles Grüßen

Als Opferhauch zu dir, mein Dichter! senden.

Balsamgewürzt vom Schlaf auf Lotospfühlen,

Möcht’ ich als Lufthauch zärtlich dich umwallen,

Die Fiebergluten deiner Stirne kühlen

Und deine ew’gen Lieder wiederhallen.

Als Nachtigall möcht’ ich vom Baume klagen,

Der dich mit seinem Schattenzelt erquicket,

Als Welle möcht’ ich an das Ufer schlagen,

Dem deines Wandelns Spuren eingedrücket.

Als süßes Traumbild möcht’ ich dich beschleichen,

Als Trostoasis deinem Blick begegnen,

Als Muse möcht’ ich dir den Lorber reichen,

Und dich mit einem Weihekusse segnen!

Allein als Tochter dieser dunkeln Erde,

Der höh’re Loose streng versagt geblieben,

Kann nichts ich bringen zu dem Opferherde,

Als meines Dichterherzens tiefes Lieben.

Du aber wirst in dieser reinen Gabe

Den ersten Gruß der Muse nicht vermissen,

Du wirst darin der Rosen würz’ge Labe,

Des Traumes milden Trost zu finden wissen.

Und fühlen wirst du, daß die Freuden alle,

Die einzeln unser flücht’ges Seyn verschönen,

Mit graberöffnendem, gewalt’gem Schalle

In einem Liebeswort zusammentönen.

WAHRHEIT IN DER DICHTUNG

Oftmals glaubt’ ich, daß nicht mir zum Frommen

Mir geworden sei des Liedes Gabe, –

Aber jetzo hab’ ich wahrgenommen,

Daß sie meiner Seele beste Labe.

Könnt’ ich singen nicht, müßt’ ich zurück

Pressen nun mein schmerzvoll Liebesglück,

Dürfte nicht mit glühendem Bekennen

Dein mich nennen.

Also trennt die Welt vereinte Seelen,

Daß nur im geheimnißvollen Sange

Ich dir lust- und leidvoll darf erzählen

Von des Busens ewig regem Drange,

Daß ich meiner Liebe Flammengruß

Erst in Reim und Verse bringen muß,

Um ihn vor der Menschen bösen Willen

Zu verhüllen!

Daß ich dich, der herrlich steht im Leben

Wie ein Halbgott aus versunknen Zeiten,

Mit den Nebelflören muß umgeben,

Die sich rings um Ideale breiten,

Daß ich wie von leerem Traume nur

Sprechen darf von unserm heil’gen Schwur,

Von der festgeschlossnen Geistesehe

Glück und Wehe!

Und so stelle ich die Welt zufrieden,

Die nur in der Dichtung Lieb’ gestattet,

Die sich von Begeistrung ausgeschieden,

Weil sie für den Flug viel zu ermattet,

Die im Liede schön und herrlich nennt,

Was sie in der Wirklichkeit verkennt,

Nur in ihm des Herzens sehnend Streifen

Mag begreifen.

Nimmer werd’ der Schleier ihr zerrissen;

Ihrem Irrthum will ich nichts erwidern,

Du allein, mein Freund, nur du sollst wissen,

Daß du Quell von allen meinen Liedern;

Daß jedweder Laut von meinem Mund

Einer ew’gen Wahrheit treue Kund’,

Bis mein Sang, dir liebend zugewendet,

Jenseits endet!

ZUR ERKLÄRUNG

Du schiltst, daß ich mein Leben verträumt,

Statt froh es zu genießen?

Daß ich die Blumen zu pflücken versäumt,

Die rings am Wege sprießen?

So sprechend dünkst du dich klug, wie klug!

Daß Bess’res du erkoren

Indeß an Wahn und Täuschung und Trug

Ich Jahr um Jahr verloren.

Glaub mir! es hielt mich des Traumes Macht

So ehern nicht umschlungen,

Daß ich nicht manchmal plötzlich erwacht

Aus seinen Dämmerungen.

Doch sieh! da schien mir all euer Glück

Nur Glitzern flücht’gen Schaumes,

Und, Schön’res suchend, floh ich zurück

In’s gold’ne Reich des Traumes!

GLEICHNISS

An Fanny F.

Wenn sich ein leichtbeschwingter Gast,

Von Maienluft geletzt,

Auf einen blüthbehangnen Ast

In kurzer Ruh gesetzt,

Und er dann wieder flieget fort:

Erbebet leis’ der Baum,

Und streut der Blüthen duft’gen Hort

Hin auf den grünen Raum.

Der Baum bin ich, der Vogel du,

Du anmuthreiche Fee!

Ich feire süße Schmerzenruh’

In deiner holden Näh’;

Doch seh ich dich von dannen geh’n,

Wird meine Sehnsucht wach,

Und meines Liedes Blüthen weh’n

Dir in die Ferne nach!

MIT DIR!

Nimm mich mit, wohin dein Fuß

Auf des Lebens Pfaden gehet,

Denn da weht mir Heimathsgruß,

Wo dein süßer Athem wehet.

Nimm mich mit, wenn kühn dein Geist

Fliegt durch alle Himmelsräume

Und zur Erde, die verwaist

Bringt des Jenseits goldne Träume.

Nimm mich mit, wenn in’s Gefecht,

Wo du heldenherrlich streitest,

Für der Menschheit heilig Recht,

Du, ein edler Ritter, schreitest.

Nimm mich mit, wenn still gebückt

Zu der tiefen Geisterquelle,

Deine Seele sich erquickt

Mit des Denkens Lebenswelle.

Nimm mich mit, es sei dein Theil

Wonne, Jammer, Leben, Sterben!

Nimm mich mit in’s ew’ge Heil

Und in’s ewige Verderben!

ERKENNTNISS

Daß ich dich liebe tief und heiß,

Das hab’ ich oft empfunden,

Wenn deiner Nähe Zauberkreis

Glückathmend mich umwunden;

Wenn mich dein Arm so fest umschlang,

Dein Wort in seiner Süße

Zu meinem tiefsten Herzen drang

Wie tausend Jenseitsgrüße.

Doch daß du selbst mein innerst Sein,

Und Herz von meinem Herzen,

Daß du nur in der Seele mein

Wach rufest Lust und Schmerzen,

Daß du ein heil’ger Engel bist,

Für mich als Mensch geboren,

Das weiß ich erst seit kurzer Frist:

Erst seit ich dich verloren.

WANDLUNG

Willst du erschau’n, wie viel ein Herz kann tragen,

O blick’ in mein’s!

So reich an Wunden, vom Geschick geschlagen,

War wohl noch kein’s.

Doch mitten in den wüthendsten Orkanen

Erhob ich mich,

Und schritt dahin auf meinen fernen Bahnen –

Wie stark war ich!

Wie ward mir doch nun so mit einem Male

Die Kraft geraubt?

Es trotzte muthig dem Gewitterstrahle

Mein stolzes Haupt,

Doch als du zu mir sprachst mit leisem Grüßen:

»Ich liebe dich!«

Da sank ich still und weinend dir zu Füßen –

Wie schwach bin ich!

GABE

Alles hinzugeben

Ist der Liebe Brauch;

Nimm denn hin mein Leben,

Und mein Sterben auch!

Aller meiner Lieder

Sanften Schmeichellaut,

Die ein Eden wieder

Sich aus Schutt erbaut;

Alle Lichtgedanken,

Die an Glück und Leid

Kühn sich aufwärts ranken

In die Ewigkeit.

All mein stilles Sehnen,

Innig dir vertraut,

Das in sel’gen Thränen

Auf dich niederthaut!

Nimm, daß nichts dir fehle,

Wenn die Stunde ruft,

Meine ganze Seele

Hin als Opferduft!

PSYCHE

Begeisterndes Glück!

Es sank von den schmerzlichen Werken,

Von allen den qualvollen Müh’n

Die irdische Hülle in Schlummer dahin.

Und ich darf zurück,

Im himmlischen See mich zu stärken!

Am Tage da hält mich mein Kerker fest,

Da bin ich zurück in den Busen gepreßt,

Zur Qual und zum Weh für uns Beide;

Denn Psyche erträgt die Gefangenschaft nicht,

Und ich rüttle am Gitter, bis daß es zerbricht,

Wenn im Kerker ich allzu viel leide.

Da bin ich versenkt in den blutigen Strom,

Ich, die in der Himmel hell leuchtendem Dom

Gewohnt bin, auf Strahlen zu schweben!

Befleckt bin ich da von zerfallendem Staub,

Ich, der einst die Sterne als goldenes Laub

Verklärend die Stirne umgeben!

Drum bin ich so selig, wenn endlich die Nacht

Vermittelnd die Pforten der Erde bewacht,