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David Rokeah und sein Werk stehen für eine ganze Generation israelischer Dichter und Dichterinnen. Er wurde 1916 in eine Vielsprachenwelt im damaligen Lemberg, dem heutigen Lwiw hineingeboren. Er beherrschte Jiddisch, Hebräisch, Polnisch und Deutsch.1934 wanderte er ins damalige Palästina aus und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Dichter des jungen Staates. Seine Gedichte wurzeln in der jüdischen Tradition der Kabbala, des Chassidismus und nehmen zugleich die Erfahrung des 20. Jahrhunderts mit auf: die Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums, den mühsamen Aufbau eines neuen Staates, die Vielsprachigkeit.
Die größte Wirkung entfalteten David Rokeahs Gedichte in Deutschland. Wie ist das zu erklären? Michael Krüger, der Übersetzer, Autor, Verleger und nahe Freund des Dichters, zeigt, wie Rokeah seine Gedichte im Wesentlichen selbst ins Deutsche übersetzte – zusammen mit der lyrischen Avantgarde jener Zeit: Hans Magnus Enzensberger, Paul Celan, Erich Fried und anderen. Im Rückblick zeigt Michael Krüger eine einzigartige historische Konstellation auf: Zur modernen hebräischen Lyrik gehört wesentlich die Zweisprachigkeit – ein Brückenschlag vom Deutschen ins Hebräische.
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Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2025
David Rokeah
Ich wandle Einsamkeit um in Worte
Gedichte
Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Michael Krüger
Aus dem Hebräischen von Paul Celan und unter Mitwirkung des Autors übertragen von Henriette Beese, Benigna Chilla, Renate Döring, Ruth Geyer, Friedrich Dürrenmatt, Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Walter Helmut Fritz, Michael Krüger, Nelly Sachs, Gerhard Schoenberner, Franz Wurm
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eBook Jüdischer Verlag Berlin 2025
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe im Jüdischen Verlag
© dieser Ausgabe Jüdischer Verlag GmbH, Berlin, 2025
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Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg
Umschlagabbildung: Rawpixel Ltd.
eISBN 978-3-633-78285-7
www.suhrkamp.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Informationen zum Buch
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
1 Poesie
Spinnweb
I
II
III
Frühherbst
I
II
III
IV
Jerusalem-Tagebuch
I
II
III
IV
V
VI
Nisan
I
II
III
Stunde des Taus
Abend im Dorf
I
II
III
Morgenstunde des Wanderers
Mosaik
Einsamkeit
Jerusalem
Zwischen Frühling und Sommer
Würfel
2 Von Sommer zu Sommer
Aus Meinem Tagebuch
1
2
3
4
5
6
Die Mauer
Mein Vater
Gebet
Negev
Fledermaus
Traum
Mein Esel
Nur einmal
Kriegszeit
Jetzt erst
Eine ganze Nacht lang
Chamsin
Ich ein Buch
Winternacht
Was kommt
3 Ijara
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
4 Kein anderer Tag
5 Wo Stachelrosen wachsen
Vita
I
II
III
IV
V
Herbst 1971
Wo die Vernunft aussetzt
Ich sah
Blind der Baum
Lerne
Du lässt mich gehen
Halte mich
Nicht Finsternis
Traumknoten
Bring zueinander
In meinen Wanderungen
Pinien
Was ich zu Ende brachte
Amen
Tage
Zürich
Du
Dieser Stein
Schreibt
6 Jerusalem
Kantate
I
II
III
IV
Wir
Wie eine Muschel
Meine Sinne
Eine Pinie sein
Allein
Paul Celan
7 Du hörst es immer
Das unsichtbare Herz
Ich trete
Nachträglich hör ich
Einmal in Jerusalem
Am Meer
Außerhalb des Traums
Der Nußbaum
Alchemie des Wissens
Nicht Tag nicht Nacht
Erzschichten
Die Hand, die schreibt
Der Zeit zuhören mit Kafka
Nur Augen
Zeit Nichtzeit
Acht Etüden
1
2
3
4
5
6
7
8
Nachwort
1
2
3
4
Übersetzer
Editorische Notiz
Informationen zum Buch
Du fragst nach der Zahl der Tore
In Jerusalem. Ich zähle: sieben
Tore geöffnet für dich, vier
Tore verriegelt für mich, ein goldenes
Tor für den zögernden Messias
Aus: Kein anderer Tag
Alle Winde der Welt kommen
und wehen in Jerusalem-Tagebuch
Aus einem Reisebrief von Obadja aus Bertinoro
Es gibt einen Gang für die Stimme
und einen Gang für das Feuer
Bereschit Raba, 7
Manchmal ist das Herz sichtbar,
und manchmal ist es unsichtbar
Schir Haschirim Raba, 5
Der Weg steigt vom Meer auf
wie einst. Weiße Pfeile schleudert dir
der Mandelbaum gegen die durstigen Augen.
Am Hang das Haus kniet nieder auf Krokusblüten.
Die Tür, von dir versperrt, will sich nicht öffnen.
Vor meinem Fenster die Fliederzweige
schärfen in ihrer Blindheit
die Angst, die keine Worte hat,
den finstern Zweifel der Nacht,
der sein Spinnweb ausspannt
zwischen der Lampe von deinem Haus
und meinem Fenstergitter.
Ich wollte ändern den Gang der Dinge,
die Erinnerung fliehen,
das Zaudern stillen
und Mut fassen.
Zapfen brach ich, die grünten vor meinen Augen.
Deine zuckenden Pinien rührten mich nicht.
Der Wind war heiß in meinen Händen,
heiß wie geraubte Diamanten waren die Zapfen.
HME
Das Licht stirbt über dem Wasser
Die Zeit schwimmt wie Schatten von Schilf
Deine Stimme im Ostwind
versilbert das Laub des Ölbaums.
Nachts gärt der Wein im Dunkel des Kellers
Nacht der ungeschlachten Einsamkeit
die wächst wie eine zähe Distel
am kahlen Hang, an den Seiten des Weges zum Meer.
Fledermausblindheit: Stunde des welken Falls
die bohrt in mein Ohr viele Nadeln
bis der Krampf der verwundeten Erde die Stimme erhebt.
Deine Stimme
die treibt wie ein Blitz meine Augen
hinauf an den Novemberfichten.
Ich sah
deine Stimme
hüpfen im Dunkeln
wie einen Leuchtkäfer
zwischen den Trieben der Weide
Stimme der schwindenden Nacht
die ging am Meeresufer
wie ein Pinsel
mit Mennig gesättigt.
EF
Sieben Nächte
wartete ich im langen Korridor meiner Herberge
auf das Lied deiner Nacht.
Siebenmal hoffen.
Horchen
zur Quelle unter dem Stein.
Im Tiefland ohne Schatten
wandern die Berge dem Mond nach.
Schuld meiner unfruchtbaren Nacht
Disteln die nicht blühen wollten
Die wilde Taube
liebt den Sims meines Fensters.
Der Adler auf der Klippe
schärft sein Auge zur Taube hin.
Die Blumen sterben langsam in der Vase.
Arm die Hand
die den Kummer meiner Hand nicht hört
Auf der Handfläche reiten die Wolken
zum Sandland das in Flammen steht.
Das Meer ist ein Wolkenbruch
der die Blitze fortspült
Zwischen den rauchenden Bergklüften
pfeift der Wind –
Schienen die schüttern nach dem verspäteten Zug.
Die Nacht in den Schroffen.
Die Adler.
Die Pinien wie Schilf
in meinem wandernden Schlaf
Die Nonnen von Ejn-Karem
die während des Gebetes Korallen zählen
gehören der Nacht
nach dem Regen
EF
Zwischen Farnen nächtigt das Licht
das Akazien zur Blüte treibt.
Die im Dunkeln verästelte Wurzel
ersehnt die Wurzel
deren Adern die Sonne trinken.
In der Nacht die ohne Erinnerung ist
und ohne Schatten
rühren die Wurzeln der Zypresse
ans Holz der Wiege.
Zapfen unter dem Kissen.
Drückende Luft
der Berge. Drückende Nacht.
Rauch zwischen den Spänen.
Die Träume werden zu Stein.
Tausender Liebhaber Neid in den Lungen des Meeres.
EF
Heute nacht werden wir auf den Felsen schlafen,
da werden die Wellen
unsere Träume aufjagen
und der Leierkasten wird spielen
bis kühl wird unser Blut
das im Sandwind entbrannte
und ein klarer Morgen kommt
nüchtern wie das Wissen
und die Stunde des Taus
EF
Im Umkreis meines Traumes
fallen Fichtenzapfen
auf Staubwege.
Auf einem Wagen Heu
wird eine Nacht voll Kleeduft
ins Dorf gefahren.
Der Gott der Kinderzeit
knackt Nüsse in der Scheune –
im Bienenkorb Feiertagshonig.
Zwielicht der Grenze.
Wohin ist der Schatten der über den Zaun geblüht hat?
Eine Heckenrose in ihrem Nebel von Duft.
Unser Glück verloren im Flackern der Sterne.
Anschlag des Meeres – Klage.
Das Ufer felsig. Von oben fällt Tau.
Stunde der Begnadung.
Staunen über prophezeiende Stille.
Die Zapfen werden gesammelt.
Nußschalen.
Eine Hand, die Dunkelheit aufspürt
klimpert Liebe auf deinem Kopf.
EF
Stunde, die nicht wiederkehrt.
Schritte, verloren im wüsten Dunkel.
Dein Dasein, ganz, auf der Waage
in dieser Nacht, da du
entwichen der Kammer Einsamkeit,
durch die Märkte gestreift bist,
hast du gelöscht die letzte Laterne.
Ich sprach: Den Händlern, die
in aller Frühe erwacht, an ihren Ständen
Kastanien aufs Feuer setzen für den neuen Tag,
werde ich meine Träume verkaufen.
Aber die Mähne der Träume, flammend
wie Sehnsucht,
rührte die Obsthändler nicht.
Sie fragten: was wiegt das Fleisch,
das unter der Mähne bebt?
Zur Windmühle bist du gegangen. In ihre Flügel
strömt ein der Morgen,
im Wirbel des Rades löst sich dein Traum.