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Achill sitzt zornerfüllt in seinem Zelt – und lässt die Griechen im Stich. Denn nur mit ihm können sie ihren Krieg gegen Troja gewinnen, so die Prophezeiung. Wir alle kennen das Ende dieser ersten Auseinandersetzung zwischen West und Ost, haben das Trojanische Pferd vor Augen oder Brad Pitt in voller Rüstung. Und viele können noch den Anfang der Ilias zitieren – auf Griechisch. Aber wer hat dieses monumentale Werk ganz gelesen und könnte den Plot skizzieren? Diese Auswahlausgabe versammelt die berühmtesten Stellen in deutscher Versübersetzung. Mit Einleitung und Zwischentexten ergibt sich ein wunderbarer Überblick über das Gesamtwerk.
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Seitenzahl: 133
Homer
Die berühmtesten Stellen
Reclam
Die Textauszüge folgen mit geringfügigen Änderungen der Ausgabe: Homer: Ilias. Übers., Nachw. und Reg. von Roland Hampe. Stuttgart: Reclam, 1979 [u. ö.]. (Reclams Universal-Bibliothek. 249.)
2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
Coverabbildung: Hektor ist im Kampf gegen Achill gefallen. Gemälde von Antonio Galliano, 1815. Caserta, Reggia Di Caserta Palazzo Reale (© akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Dagli Orti)
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2023
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962107-4
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014236-3
www.reclam.de
Vorwort
1. GESANG ∙ Streit Achills und Agamemnons
2. BIS 4. GESANG ∙ Schiffskatalog. Mauerschau. Bruch der Eide
5. UND 6. GESANG ∙ Heldentaten (Aristie) des Diomedes. Hektor und Andromache
7. UND 8. GESANG ∙ Zweikampf zwischen Hektor und Aias. Bestattung der Toten. Bau von Mauer und Graben
9. GESANG ∙ Die Bittgesandtschaft an Achilleus
10. UND 11. GESANG ∙ Kundschaftergänge auf troischer und griechischer Seite. Heldentaten des Agamemnon (Aristie)
12. BIS 14. GESANG ∙ Kampf um die Mauer und um die Schiffe. Eingreifen des Poseidon. Trug der Hera
15. GESANG ∙ Zeus lässt die Troer wieder siegen. Kampf bei den Schiffen
16. GESANG ∙ Patroklie
17. UND 18. GESANG ∙ Der Heldenkampf des Menelaos um die Leiche des Patroklos. Die Trauer des Achilleus. Hephaistos schmiedet ihm neue Waffen
19. GESANG ∙ Achilleus entsagt dem Zorn
20. UND 21. GESANG ∙ Die Götterschlacht. Die Schlacht am Fluss
22. GESANG ∙ Hektors Tod
23. GESANG ∙ Die Bestattung des Patroklos und die Leichenspiele
24. GESANG ∙ Die Lösung Hektors
Zehn Lektüretipps
In medias res gehen, ohne lange Vorgeschichte sogleich mitten hinein ins Geschehen, das gilt bis heute als Vorzug jeder Darstellung, nicht nur der dichterischen. Der römische Dichter Horaz hat den Ausdruck geprägt, um Homer und seine Ilias lobend abzusetzen von anderen Epikern, die bei ihrer Darstellung des Trojanischen Krieges ab ovo anfangen, mit dem Ei der Leda, aus dem Helena geboren wurde, die den Krieg verursachte. Homer aber fängt nicht bei ›Adam und Eva‹ an; er präsentiert dem Hörer keine chronologische Erzählung der zehn Kriegsjahre, sondern eine eigene Fassung. »Den Zorn singe mir, Muse, des Peleussohnes Achilleus, den unheilbringenden, der so viele Leiden den Achaiern [den Griechen] schuf […], von da an, als sich die beiden im Streit entzweiten, der Atride, der Herrscher der Männer, und der göttliche Achilleus.« Eine Episode nur im jahrelangen Völkerringen vor Troja, die Homer zu einem Bild des Gesamtgeschehens ausweitet. Dessen Grundzüge konnte er als bekannt voraussetzen. So nennt er den Anführer der Griechen, Agamemnon, lediglich den »Atriden«, den Atreussohn.
Die Geschichte vom Trojanischen Krieg war seinen Hörern aus Sage und Dichtung geläufig. Sie stammte aus der mykenischen Epoche, die bis etwa 1200 v. Chr. dauerte und zu Homers Lebenszeit, um 750 v. Chr., längst untergegangen war. Doch hatte sich die Kunde von Göttern und Helden und dem Krieg um eine mächtige Stadt am Hellespont auch über die folgenden dunklen Jahrhunderte erhalten. Nur so konnte Homer glaubwürdig von einer einst bedeutenden Königsstadt Troja erzählen, auch wenn sie zu seiner Zeit in Trümmern lag. Einen Vergleich bietet das Nibelungenlied, dessen Dichter seinem Publikum um 1120 das Königreich der Burgunder in Worms vor Augen stellen konnte, das 437 von den Hunnen zerstört worden war. Auch hier hatten die Spuren großen Heldentums, an ein einstiges Machtzentrum geknüpft, in Sagen und Liedern dunkle Jahrhunderte überdauert.
Die Ereignisse des Trojanischen Krieges hatten ihren Ausgangspunkt im Parisurteil: Paris, der Sohn des Königs Priamos von Troja, auch Alexandros genannt (»der Beschützer«, denn als Hirte hatte er die Herde beschützt), hatte beim Schönheitswettstreit der drei Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite Letzterer, der Liebesgöttin, den Siegespreis zuerkannt. Aphrodite hatte ihm dafür die schönste Frau der Welt versprochen, Helena, die Tochter des Zeus. Paris entführt sie bei einem Besuch in Sparta ihrem Gatten Menelaos. Die Griechen brechen zu einem Feldzug auf, als ihr Ersuchen, Helena zurückzugeben, von Paris und Priamos abgelehnt wird. Der Bruder des Menelaos, Agamemnon, der Herrscher von Mykene, führt die Griechen an, viele tapfere Helden folgen ihm, wie Nestor, der König von Pylos, schon alt, aber ein unentbehrlicher Ratgeber. Dann Diomedes, kriegerisch wie sein Vater Tydeus, einer der ›Sieben gegen Theben‹, dazu der gewaltige Aias, Odysseus, klug und tapfer, aus Ithaka, und der stärkste Held, der junge Achill. Er ist Anführer der Myrmidonen, Sohn des Königs Peleus aus Phthia in Thessalien und der Meergöttin Thetis. Einer Weissagung zufolge bietet sich ihm die Wahl zwischen einem langen, aber ruhmlosen Dasein zu Hause und einem kurzen ruhmreichen Leben vor Troja. Zu Achill gehört sein Freund und Waffengefährte Patroklos.
Die Troer stehen unter der Führung des Priamossohnes Hektor, des tapfersten Troers. Mit ihm kämpfen seine Brüder, darunter Paris/Alexandros und viele Bundesgenossen des weithin angesehenen Königs Priamos. Vom Berg Ida kommt Aineias (Aeneas), der Sohn der Göttin Aphrodite und des Anchises, ebenfalls aus dem troischen Königsgeschlecht.
An der Küste der Troas, der Landschaft um Troja, schlagen die Griechen ein Schiffslager auf. Die befestigte Burg von Troja, Ilion, vermögen sie nicht einzunehmen und kämpfen daher vor den Mauern der Stadt. Trotz aller Anstrengungen gelingt die Eroberung von Troja erst im zehnten Kriegsjahr durch eine List, das Trojanische Pferd. Im Innern des angeblichen Weihegeschenks für die Göttin Athene gelangen Griechen in die Stadt. Nachts verlassen sie ihr Versteck im Schutz der Dunkelheit und lassen ihre Kampfgenossen in die Stadt. Diese wird zerstört, die Einwohner werden getötet oder in die Gefangenschaft geführt. Die Griechen kehren heim, mit der wiedergewonnenen Helena, und erleiden auf der Rückfahrt und bei der Heimkehr vielerlei Schicksale: der Stoff für Nóstoi, Heimkehrergeschichten, wie die Odyssee.
Homer beschränkt sich in der Ilias auf eine Episode aus dem neunten Kriegsjahr, die aber bedeutungsvoll wird, da sie zum Fall des Stadtbeschirmers Hektor führt. Und schicksalhaft verknüpft ist mit seinem Tod auch der des größten Griechenhelden Achill. So vermag der Dichter einen Ausblick auf das Ende zu geben, in kunstvoller Spiegelung statt chronologischer Abfolge.
Zur Handlung auf der menschlichen Ebene tritt bei Homer die Welt der Götter, die vom Olymp herabschauen und aktiv ins Geschehen eingreifen. Die beim Parisurteil gekränkten Göttinnen Hera und Athene sind die eifrigsten Helfer der Griechen, ebenso wie Poseidon, während Apollon der Schutzgott der Troer ist. Zeus, auch Kronion, der Kronossohn, genannt, hat eine übergeordnete Rolle als Schützer und Wahrer der elementaren Regeln des menschlichen Zusammenlebens, des Gastrechts und der Eide: Paris hat sich schuldig gemacht, indem er das Gastrecht brach, und die Troer teilen diese Schuld, da sie sich weigerten, Helena zurückzugeben. Der oberste Gott hat daher Troja/Ilion dem Untergang geweiht. Die Handlung läuft jedoch nicht geradlinig darauf hin, auf »den Tag, da das heilige Ilion hinsinkt«, vielmehr wird durch Homers Ansatz beim Zorn des Achill eine Gegenbewegung eingeleitet. Achill, durch Agamemnon in seiner Ehre gekränkt, zieht sich grollend vom Kampf zurück. Erst wenn die Troer, nun ungehindert auf der Siegesbahn, bis zu seinen Schiffen vorrücken, will er wieder kämpfen. So geschieht es, mit dem Ergebnis, dass Homers Ilias weitgehend ein Heldenepos ohne Held ist.
Einundfünfzig Tage wird um Troja gekämpft, sechs Handlungstage werden ausführlich dargestellt, und nur an einem einzigen dieser Tage beweist der Hauptheld seine vielgepriesene Tapferkeit. Homer befreit dadurch die Handlung von der erdrückenden Überlegenheit des Göttersohnes Achill.
Er kann die Bühne frei machen für die einzelnen Kämpfer, auch die in zweiter Reihe. Alle können ihre areté, ihre Tapferkeit und Tüchtigkeit, beweisen und Ehre und Ruhm gewinnen, woran sich noch ihre Nachkommen erfreuen. Das gilt nicht nur für die Griechen, sondern auch für die Troer. Zeus gewährt die Bitte der Thetis, ihrem Sohn Achill Genugtuung zu erweisen, indem er den Troern den Sieg verleiht. So können auch auf troischer Seite Heldentaten vollbracht werden, vor allem von Hektor. Der Ratschluss des Zeus ist freilich nur befristet, und der Augenblick des höchsten Triumphs leitet die Gegenoffensive ein, indem Achill wieder in den Kampf eingreift. Seine Genugtuung hat er reichlich erlangt, doch ist sie ihm nichts mehr wert, da sie das Leben seines besten Freundes Patroklos gekostet hat. Darf man die eigene Ehre über das Wohl der anderen, der Kameraden, der Gemeinschaft stellen? Diese Frage kann und will Homer als epischer Erzähler nicht explizit beantworten. Durch mancherlei Hinweise regt er freilich seine Zuhörer zum Nachdenken darüber an.
Für diese waren Ehre und Gefolgschaftstreue und mögliche Konflikte zwischen beiden Werten durchaus von Interesse. Heldenlieder und Epen wurden an Adels- und Fürstenhöfen vorgetragen, und die Zeit Homers, um 750/700 v. Chr., war eine Epoche allgemeinen Aufbruchs, die bisher fest gefügte Hierarchien infrage stellte. Der Adel sah sich als Wahrer der Tradition, und hierzu gehörten die überlieferten Geschichten vom Heldentum vergangener Zeiten, von den großen Taten der Vorfahren. Diese konnten aber nur als Muster einer Identität lebendig bleiben, wenn sie in neuartiger, ›aktueller‹ Ausformung vorgetragen wurden. Homer bot Anregungen und Denkanstöße durch seine Darstellung einer problematischen Heldengröße und Hinweise auf Möglichkeiten einer ›Konfliktstrategie‹, im individuellen Bereich wie auch innerhalb der Gemeinschaft.
In künstlerischer Hinsicht wirkte er durch seinen genialen Kunstgriff, eine Episode herauszugreifen und das Gesamtgeschehen in Vorblicken und Rückblenden, in Spiegelung, Parallelisierung und Steigerung einzubeziehen. Eine solch neue, differenzierte Art der Dichtung, die sich aller erzähltechnischen, narratologischen Mittel bedient, setzt freilich eine schriftliche Fixierung voraus, und man weiß inzwischen, dass die Schrift, ein vom Phönizischen abgeleitetes griechisches Alphabet, seit 750 v. Chr. schon verbreitet war. Auf einem Trinkgefäß, das auf Ischia, dem griechisch besiedelten Pithekussai, gefunden und auf 735–720 v. Chr. datiert wurde, findet sich eine dreizeilige Versinschrift, in der auf den großen, reichverzierten Becher Nestors angespielt wird (vgl. Ilias 11,632–637): ein Indiz für eine frühe Schreib- und Lesefertigkeit.
Homer hat zwar sein Epos vermutlich mündlich vorgetragen, wie die Dichter und Sänger vor ihm, er hat aber, gewissermaßen auf der Schwelle zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, mit dem Gedicht vom Zorn des Achill statt vom Trojanischen Krieg etwas absolut Neues geschaffen. Er arbeitet mit dem Repertoire der mündlichen Dichtung, die formelhafte Wendungen bereithält wie stehende Beiwörter für tapfere Helden, glänzende Waffen oder schnelle Pferde. Diese Formeln können sich erweitern zu typischen Szenen wie Ankunft, Opfer, Mahlzeit, Morgen und Abend. Vor allem in der Bewährungsprobe des Helden, der Aristie (von áristos, »der Beste«), finden sich solche festen Elemente, wie Rüstungsszenen oder die Form der Paränese: Ermunterung zum Kampf durch Kameraden oder die Helfergottheit, die dem Helden Mut einflößt. Der Formelschatz entlastete den Sänger wie sein Publikum; beide fanden im Gewohnten einen Ruhepunkt. Homer freilich gebraucht die Formelverse oft als Leitmotive, oder er variiert die typischen Szenen, so dass sie einen besonderen Beziehungsreichtum erhalten. Er verbindet damit »dichterische Kunst und poetisches Handwerk« (Harald Patzer, Dichterische Kunst und poetisches Handwerk im homerischen Epos, Wiesbaden 1972), und sein Epos gleicht einem kunstvollen Gewebe, wie dem der Helena in Troja, in das viele Kämpfe der Troer und der Achäer hineingewirkt sind.
Als Schöpfer eines solch weiträumig komponierten Werkes, das die Elemente des mündlichen Heldensangs ins strukturierte Großepos überführt, steht Homer für uns am Anfang der abendländischen Literatur. Aber dies bedeutet nur, dass er seine Vorgänger, die der Reihe nach, ab ovo, erzählten, in den Schatten gestellt hat. Zum Vergleich mag Goethes Faust dienen, der zur einzig gültigen und einzig noch bekannten Darstellung der Figur des Doktor Faust geworden ist.
Verwendet wurde die Übertragung Roland Hampes in deutsche Hexameter – bei Eigennamen liegt die Betonung auf der dementsprechend erforderlichen Silbe, meist (wie es sich über das Lateinische eingebürgert hat) auf der vorletzten (Bsp.: Achílleus) oder, wenn diese kurz ist, auf der drittletzten (Bsp. Príamos).
Göttin, singe mir nun des Peleussohnes Achilleus
unheilbringenden Zorn, der tausend Leid den Achaiern
schuf und viele stattliche Seelen zum Hades hinabstieß
der Heroen, sie selbst zur Beute machte den Hunden
und den Vögeln zum Fraß – Zeus’ Ratschluss ging in Erfüllung –,
seit die beiden zuerst sich in Streit und Hader entzweiten,
Atreus’ Sohn, der Gebieter im Heer, und der edle Achilleus.
Schon im zehnten Jahr kämpfen die Griechen, auch Achäer, Argeier oder Danaer genannt, gegen die Troer und versuchen vergebens, die gut verteidigte Stadt einzunehmen. Sie halten sich schadlos, indem sie Städte in der Umgebung erobern und ihre Bewohner als Kriegsgefangene wegführen, wie die Tochter des Apollonpriesters Chryses. Dieser kommt mit reichen Gaben, um sie auszulösen. Doch Agamemnon (Atreus’ Sohn), der sie als Siegesbeute besitzt, weigert sich und schickt den Priester mit Schimpfworten und Drohungen weg. Chryses betet zu Apollon, der zur Strafe eine Pest ins Griechenlager schickt. Achill beruft eine Heeresversammlung ein, und der Seher Kalchas nennt den Grund für die Seuche. Agamemnon gibt nach, fordert aber sogleich einen Ersatz, da er sonst ohne ein Ehrengeschenk sei. Daraufhin macht sich Achill Luft in lang aufgestautem Groll. Agamemnon nehme ja ohnehin alle Beutestücke für sich, während er, Achill, und die anderen sich im Kampf mühten und plagten. Der Streit eskaliert; Agamemnon erklärt, er werde sich zum Ersatz für die Chrysestochter Achills Kriegsgefangene Briseïs holen, um seinen Vorrang zu wahren. Angesichts dieser Missachtung und Ehrenkränkung will Achill zunächst sogleich das Heerlager verlassen und heimkehren. Dann beschließt er, sich vom Kampf zurückzuziehen.
Es spricht Achill:
»[…] und also lautet der mächtige Eidschwur:
Alle Söhne Achaias, sie sollen sich noch nach Achilleus
sehnen, und du wirst ihnen nichts nützen, sosehr du dich abhärmst,
wenn da unter den Händen des männertötenden Hektor
viele sterben und fallen und du dich im Innern zernagend
grämst, weil du nicht geehrt den besten aller Achaier.«
So sprach Peleus’ Sohn und warf das Zepter zu Boden,
das mit goldenen Buckeln beschlagne, und setzte sich selber.
Agamemnon lässt Briseïs aus Achills Zelt holen.
Ungern ging die Frau mit ihnen. Aber Achilleus
sonderte von den Gefährten sich ab und setzte sich weinend
nieder am Ufer der See und sah aufs unendliche Meer hin;
und er erhob die Arme und betete laut zu der Mutter:
»Mutter, da du mich nur für ein kurzes Leben geboren,
sollte mir der Olympier doch wohl Ehre verbürgen,
der in der Höhe donnernde Zeus; nun ehrt er mich gar nicht.
Hat doch des Atreus’ Sohn, der mächtige Herr Agamemnon,
mich entehrt; der behält das Geschenk, das er selber mir wegnahm.«
Weinend sagte er dies, und die hehre Mutter vernahm ihn,
die bei dem greisen Vater saß in den Tiefen des Meeres.
Und rasch tauchte sie auf aus dem grauen Meere wie Nebel,
setzte sich nahe bei ihm, dem Tränen Vergießenden, nieder,
streichelte ihn mit der Hand und sprach und sagte die Worte:
»Kind, was weinst du so? Welch Leid ist ins Herz dir gekommen?
Sprich und verbirg mir nichts, damit wir beide es wissen.«
Achill fordert die Mutter (Thetis) auf, Zeus zu bitten, er möge den Troern beistehen, bis sie die Griechen zu ihren Schiffen zurückgetrieben haben. Dann wird Agamemnon seine Verblendung und sein Unrecht einsehen.
Darauf entgegnete ihm Thetis, Tränen vergießend:
»O mein Kind, was zog ich dich auf und gebar dich zum Unglück?
Könntest du bei den Schiffen hier doch tränen- und leidlos
sitzen, dieweil dein Lebenslos so kurz dir bemessen.
Nun wird ein früher Tod dir werden und Jammer vor allen;
wahrlich zu schlimmem Geschick hab ich dich in den Hallen geboren.
Dieses Wort dem Zeus, dem donnerfrohen, zu sagen,
geh ich zum schneebedeckten Olympos, ob er mir folge.
Du aber bleib bei den Schiffen, den schnell hinfahrenden, sitzen,
zürnend auf die Achaier; hör ganz und gar mit dem Kampf auf.«
Thetis bringt ihre Bitte bei Zeus, dem Kronion/Kroniden/Kronossohn, vor:
Und sie fand den Kroniden, den Donnerer, fern von den andern
sitzend auf höchstem Haupt des gipfelreichen Olympos.
Und sie setzte sich vor ihn hin und berührte die Kniee
mit der Linken und fasste ihn dann am Kinn mit der Rechten;
flehend sagte sie dann zu Zeus, dem Kroniden, dem Herrscher:
»Vater Zeus, wenn je ich dir nützte unter den Göttern,
sei es mit Wort oder Werk, gewähre mir dieses Verlangen:
Ehre mir meinen Sohn, dem bald schon zu sterben bestimmt ist;
den hat nun entehrt des Heeres Herr Agamemnon,