Im Brauerhause - Theodor Storm - E-Book

Im Brauerhause E-Book

Theodor Storm

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Beschreibung

Im Brauerhause gehört zu den unbekannteren Werken von Theodor Storm, ist aber bis heute lesenswert! Auszug: Es war in einem angesehenen Bürgerhause, wo wir am Abendteetisch in vertrautem Kreise beisammen saßen. Unsere Wirtin, eine Fünfzigerin von frischem Wesen, mit einem Anflug heiterer Derbheit, stammte nicht aus einer hiesigen Familie; sie war in ihrer Jugend als wirtschaftliche Stütze in das elterliche Haus ihres jetzigen Mannes, unseres trefflichen Wirtes, gekommen und hatte in solchem Verhältnis dort gelebt, bis der einzige Sohn so glücklich gewesen war, sie als seine Ehefrau bleibend festzuhalten. Das Vertrauen, womit des Bräutigams Mutter gleich nach der Hochzeit der Jüngeren ihren eigenen Platz im Hause einräumte, hatte diese nun schon manches Jahr über das Leben ihrer beiden Schwiegereltern hinaus gerechtfertigt. Bei ihrem jetzt den Siebzigern nahen Ehemann selber begann schon das Greisenalter seine leise Spur zu ziehen; aber wo ihm eine Kraft versagte, da suchte sie unbemerkt die ihre einzusetzen; wo ihrerseits eine Entsagung nötig oder auch nur erwünscht schien, da blickte sie nur mit um so freundlicheren Augen auf ihren Mann und blieb bei ihm allein, wenn andere dem Vergnügen nachgingen. Der alte Herr selber war nicht von vielen Worten; aber die ruhige Sicherheit einer gegenseitig bewährten Liebe war in diesem Hause allen fühlbar, und alle fühlten sich dort wohl.

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Im Brauerhause

Im BrauerhauseAnmerkungenImpressum

Im Brauerhause

Es war in einem angesehenen Bürgerhause, wo wir am Abendteetisch in vertrautem Kreise beisammen saßen. Unsere Wirtin, eine Fünfzigerin von frischem Wesen, mit einem Anflug heiterer Derbheit, stammte nicht aus einer hiesigen Familie; sie war in ihrer Jugend als wirtschaftliche Stütze in das elterliche Haus ihres jetzigen Mannes, unseres trefflichen Wirtes, gekommen und hatte in solchem Verhältnis dort gelebt, bis der einzige Sohn so glücklich gewesen war, sie als seine Ehefrau bleibend festzuhalten. Das Vertrauen, womit des Bräutigams Mutter gleich nach der Hochzeit der Jüngeren ihren eigenen Platz im Hause einräumte, hatte diese nun schon manches Jahr über das Leben ihrer beiden Schwiegereltern hinaus gerechtfertigt. Bei ihrem jetzt den Siebzigern nahen Ehemann selber begann schon das Greisenalter seine leise Spur zu ziehen; aber wo ihm eine Kraft versagte, da suchte sie unbemerkt die ihre einzusetzen; wo ihrerseits eine Entsagung nötig oder auch nur erwünscht schien, da blickte sie nur mit um so freundlicheren Augen auf ihren Mann und blieb bei ihm allein, wenn andere dem Vergnügen nachgingen. Der alte Herr selber war nicht von vielen Worten; aber die ruhige Sicherheit einer gegenseitig bewährten Liebe war in diesem Hause allen fühlbar, und alle fühlten sich dort wohl.

Am heutigen Abend jedoch wollte das gewohnte Gespräch, worin man sich sonst über Stadt- und Landesangelegenheiten mit Behaglichkeit erging, noch immer nicht in rechten Fluß geraten; denn in einer unserer Nachbarstädte war früh am Morgen etwas Ausnahmsweises und Entsetzliches, es war die Hinrichtung eines Raubmörders dort vollzogen worden, und die Luft schien mit diesem Unterhaltungsstosse so erfüllt, daß kaum etwas anderes daneben zur Geltung kommen konnte. Hier war nun überdies noch ein abergläubischer Unfug im Gefolge der Exekution gewesen; ein Epileptischer hatte von dem noch rauchenden Blute des Justifizierten trinken und dann zwischen zwei kräftigen Männern laufen müssen, bis er plötzlich, von seinen Krämpfen befallen, zu Boden gestürzt war. Dennoch galt dies Verfahren als ein untrügliches Heilmittel seiner Krankheit. Und noch zu anderen Kuren und sympathetischen Wundern sollten Haare, Blut und Fetzen von der Kleidung des Hingerichteten unter die Leute gekommen sein.

An unserem Teetisch erhob sich darüber ein lebhaftes Durcheinanderreden; all diese Dinge wurden gleichzeitig als unzulässig und strafbar, als verabscheuungswürdig und als lächerlich bezeichnet. Nur unsere verehrte, sonst so teilnehmende Wirtin saß plötzlich so still und in sich versunken, daß endlich alle es bemerken mußten.

Als wir sie eben darauf ansahen, rief ihre älteste Tochter zu ihr hinüber: »Mutter, du denkst gewiß an Peter Liekdoorns Finger!«

»Ja, ja, Peter Liekdoorn!« sagte nun auch der alte Herr; »das ist eine Geschichte! Erzähl sie nur, Mutter, deine Gedanken kommen sonst ja doch nicht davon los, und zu verschweigen ist ja nichts dabei!«

»Nein, mein Vater,« sagte die alte Dame; »es ist ja einstens auch genug davon geredet worden.«

Dann sah sie uns alle der Reihe nach mit ihren freundlichen Augen an, und als auch wir dann baten, begann sie in ihrer mitteilsamen Weise: »Mein seliger Vater hatte, wie das Ihnen allen wohl bekannt ist, eine Brauerei; keine bayrische, wie sie heutzutage sind; es wurde nur Gutbier und Dünnbier gebraut; aber beides war gut für den Durst und nicht so gallenbitter wie das jetzige, das nicht einmal zu einer Biersuppe zu gebrauchen ist.«

Wir lachten, und sie lachte herzlich mit uns.

»Das Geschäft«, fuhr sie dann fort, »war noch von Großvaters Zeiten her und lange das einzigste am Ort gewesen; im Jahre meiner Konfirmation aber wurde von einem reichen Bäcker noch ein zweites etabliert. Wenn man hinten aus unserem Brauhaus auf den Weg hinaustrat, konnte man am Nordende der Stadt das neue rote Dach über den Gartenbäumen scheinen sehen; und ich glaube freilich nicht, daß mein Vater, und noch viel weniger, daß unser alter Brauknecht Lorenz es eben mit Vergnügen sah; aber unser Bier hatte doch seinen alten Ruf, und die Kundschaft blieb groß genug, daß wir alle satt hatten und mein Vater jedem zahlen konnte, was er schuldig war.

Da, nicht lange nachher, geschah es, daß auch bei uns ein ganz abscheulicher Kerl hingerichtet wurde. Wie er eigentlich hieß, weiß ich nicht einmal; aber die Leute nannten ihn ›Peter Liekdoorn‹; denn er hatte nichts gelernt und suchte sich deshalb als Hühneraugen-Operateur durchzuhelfen. Nun, ich hätte den Kerl nicht an meinen Hühneraugen haben mögen! – Da er viel Branntwein trank und wenig in der Tasche hatte, so brachte er seine eigene fast neunzigjährige Tante ums Leben, von der er wußte, daß sie einen Strumpfsocken mit Banktalern in ihrem Bettstroh aufbewahrte; aber bevor er noch einen davon ins Wirtshaus tragen konnte, so hatten sie ihn schon fest und auf der Fronerei; und endlich war denn auch sein Prozeß zu Ende; er sollte draußen auf dem Galgenberg enthauptet und dann sein Körper auf das Rad geflochten werden. Und das war wohl verdient; denn die alte Tante hatte den Bengel, der eine Waise war, vor Jahren mit Not und Hunger aufgezogen, und die Banktaler hatte sie sich zum ehrlichen Begräbnis aufgespart.

Wie ich schon sagte, hatten wir derzeit noch unsern alten Brauknecht Lorenz, der wie das Geschäft selbst auch noch von meinem Großvater stammte; eine treue, fromme Seele! Über sein Wandbett hatte er sich mit Kreide den halb plattdeutschen Spruch geschrieben:

Lorenz Hansen is mein Nam; Gott hilf, daß ich in'n Himmel kam!