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»Bei Arno Strobels Thrillern brauchen Sie kein Lesezeichen, man kann sie sowieso nicht aus der Hand legen.« Sebastian Fitzek Kommissar Max Bischoff hat Angst. Um seine Schwester Kirsten, die sich bereits seit Wochen nicht mehr sicher fühlt. Ein Unbekannter beobachtet sie, weiß, wo sie sich aufhält, schickt ihr bedrohliche Nachrichten. Und dann passiert das, was Max immer gefürchtet hat. Der Unbekannte bringt Kirsten in seine Gewalt und will Max zwingen, sich selbst zu opfern. Tut er das nicht, wird Kirsten sterben. Max Bischoff findet sich in der schlimmsten Hölle wieder, die man sich vorstellen kann. Soll er sein eigenes Leben retten oder das seiner Schwester? Ein echter »Strobel« mit einer gewohnt starken psychologischen Note und dem toughen jungen Ermittler Max Bischoff, der in seinem dritten Fall die schlimmste Entscheidung seines Lebens treffen muss.
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ARNOSTROBEL
Thriller
Als Oberkommissar Max Bischoff den Brief zum ersten Mal liest, traut er seinen Augen nicht. Der Absender schreibt, dass er Max’ Schwester Kirsten in seiner Gewalt hat. Und dass er ihr weh tun wird. Wie sehr, das hängt von Max ab. Keine Polizei, keine Mitwisser, sonst stirbt Kirsten. Max kennt nur eine Person, die eine persönliche Rechnung mit ihm offen hat. Alexander Neumann. Ehemaliger Kollege und psychopathischer Mörder. Ist Neumann wieder auf freiem Fuß? Was hat er vor? Entgegen den Anweisungen bittet Max umgehend seinen Partner Horst Böhmer um Hilfe. Doch der Entführer hat seine Augen und Ohren überall. Er bestraft Kirsten und lockt Max in eine Falle. Danach ist Max auf der Flucht, gejagt von den eigenen Kollegen. Und er steht vor der schlimmsten Entscheidung seines Lebens: Soll er seine Schwester retten oder sich selbst?
Der dritte Fall für Oberkommissar Max Bischoff in Düsseldorf
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Arno Strobel liebt Grenzerfahrungen und teilt sie gern mit seinen Lesern. Deshalb sind seine Thriller wie spannende Entdeckungsreisen zu den dunklen Winkeln der menschlichen Seele und machen auch vor den größten Urängsten nicht Halt. Seine Themen spürt er dabei meist im Alltag auf und erst, wenn ihn eine Idee nicht mehr loslässt und er den Hintergründen sofort mit Hilfe seines Netzwerks aus Experten auf den Grund gehen will, weiß er, dass der Grundstein für seinen nächsten Roman gelegt ist. Alle seine bisherigen Thriller waren Bestseller. Arno Strobel lebt als freier Autor in der Nähe von Trier.
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Außerdem bei FISCHER Taschenbuch erschienen:
»Der Trakt«, »Das Wesen«, »Das Skript«, »Der Sarg«, »Das Rachespiel«, »Das Dorf«, »Die Flut«, »Im Kopf des Mörders – Tiefe Narbe«, »Im Kopfdes Mörders – Kalte Angst«
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[Widmung]
[Motto]
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
Nachwort
Wichtiges Update
Für
Alex, Burkhard, Cilly, Doro, Elke S., Helmut, Jürgen, Manuela, Marion, Dominik, Pete, Tanja und Udo
Danke für eure Freundschaft.
Auch und gerade in Zeiten, die etwas schwieriger waren.
Niemals sind wir einsamer
als in unserer Verzweiflung.
Else Pannek
Der Raum ist modrig kalt. Und er ist schmutzig.
Der Gestank nach Fäulnis und Verwesung ist von einer derart aufdringlichen Intensität, dass ihr Magen sich auch nach Stunden bei jedem Atemzug heben möchte.
Es heißt, die Zeitspanne, bis man auch den schlimmsten Geruch nicht mehr wahrnimmt, betrage etwa drei Minuten. So lange dauert es, bis der olfaktorische Sinn sich adaptiert, wie es im Fachjargon genannt wird. Das hat sie vor kurzem noch in einem Magazin gelesen.
Der Autor des Berichts hat offenbar noch nie längere Zeit in einem Dreckloch wie diesem gesessen.
Zum hundertsten Mal schaut sie sich um, lässt den Blick über den Müll wandern, der große Teile des Bodens um sie herum bedeckt. Die trübe Helligkeit, die kraftlos durch das vor Dreck starrende, winzige Oberlicht sickert, lässt die Konturen vor sich hin faulender Essensreste zwischen zerknitterten Plastikflaschen und halbverwesten Rattenkörpern gnädig ineinanderfließen. Über alledem liegt eine Schicht aus schmierigem Staub.
Sie weiß nicht, in welcher Gegend das Haus steht, in dessen Keller sie eingeschlossen ist. Sie weiß nicht einmal, in welcher Stadt sie sich befindet.
Er hat ausgesehen wie ein Paketbote, als er vor ihrer Wohnungstür stand, doch sobald sie die Tür geöffnet hatte, ist er wie ein böser Schatten über sie gekommen. Dann war es dunkel um sie geworden. Wieder aufgewacht ist sie hier unten, in diesem Loch.
Das Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssels lässt sie hochschrecken. Ihr Pulsschlag beschleunigt sich, mit hämmerndem Herzen starrt sie auf die rostige Stahltür, die sich unter furchtbarem Quietschen in den Angeln bewegt. Es klingt wie der Schrei eines wahnsinnigen Mädchens.
Er betritt den Raum. Jeder seiner Schritte wird begleitet vom Schmatzen und Knirschen des Unrats, den seine klobigen Stiefel unter ihren Sohlen zermatschen.
Kurz vor ihr bleibt er stehen, schaut auf sie herab.
Reglos, ausdruckslos. Die schwarzen Haare sehen in dem schummrigen Licht unnatürlich aus, das Gesicht scheint wächsern wie das einer Puppe.
Er zeigt mir sein Gesicht, denkt sie. Das ist nicht gut.
Aber sie muss sich zusammenreißen.
»Ich bitte Sie«, sagt sie, und ihre Stimme klingt in ihren Ohren dabei nicht hysterisch und nicht weinerlich. Lediglich das leichte Vibrieren darin könnte Rückschlüsse auf ihre Angst zulassen, aber dafür muss man sie schon sehr gut kennen.
»Sprechen Sie mit mir. Sagen Sie mir, was Sie von mir wollen. Diese Facebook-Nachrichten … sie stammen von Ihnen, nicht wahr? Mir kommt es vor, als suchten Sie nach etwas. Ich bin sicher, wir werden eine Lösung finden, auch ohne dass Sie unser beider Leben zerstören. Aber bitte, reden Sie mit mir.«
»Es geht nicht um dich.« Es sind die ersten Worte, die er sagt, seit er sie aus ihrer Wohnung entführt hat. Kalt und bar jeder Emotion, und doch wecken sie einen kleinen Hoffnungsschimmer in ihr. Wenn sie es schafft, dass er sich mit ihr unterhält, wird es ihm schwerer fallen, ihr etwas anzutun. So hofft sie zumindest.
»Um wen geht es Ihnen? Und um was?« Es kostet sie Kraft, es wie eine ganz normale Unterhaltung klingen zu lassen, aber sie wird ihm ihre Angst nicht zeigen. »Vielleicht kann ich …«
»Es geht um deinen Bruder. Ich werde ihn durch die Hölle schicken.« Er sagt es, als hätte sie ihn nach der Uhrzeit gefragt. »Ich werde ihn so sehr leiden lassen, dass er sich den Tod wünscht. Wenn es dazu erforderlich ist, dass er weiß, dass du leidest, dann wirst du leiden. Es liegt an ihm.«
Noch immer redet er ohne jede Intonation, fast wie ein Roboter.
Sie schluckt mehrmals gegen die aufkommende Panik an. Dieses monotone Aufsagen aneinandergereihter Wörter macht ihr mehr Angst als alles andere. So spricht kein auch nur halbwegs normaler Mensch.
»Aber … warum?« Sie spürt, dass die Kräfte sie verlassen, mit denen sie ihren Verstand beisammen- und die Panik draußen hält. »Was verlangen Sie von ihm?«
»Er muss dein Leben mehr lieben als seines und mehr als das von jedem anderen. Wenn er zögert, gehst du noch vor ihm durch die Hölle.«
Sie konzentriert sich auf die Worte, versucht, sie trotz der brennenden Angst zu verstehen, die immer höher in ihr lodert, aber sie findet den Sinn darin einfach nicht.
»Gib mir deine Hand.«
»Warum? Ich … ich kann nicht aufstehen, das wissen Sie doch.« Ein Gefühl sagt ihr, dass er etwas mit ihr vorhat. Etwas Schlimmes. Dass sie ihm die Hand nicht geben soll.
Die Panik legt unausweichlich ihre Klauen um ihren Hals und drückt zu.
»Gib mir deine Hand«, fordert er erneut.
»Was wollen Sie von meinem Bruder?« Sie versucht, ihn mit Therapeutenstimme abzulenken. »Bitte, sagen Sie es mir? Vielleicht …«
Die Bewegung ist so schnell, dass sie erst versteht, was geschehen ist, als ihre linke Hand schon in seiner liegt.
Er zieht so heftig an ihrem Arm, dass sie fast zu Boden fällt, dreht sich etwas zur Seite und klemmt ihren Unterarm zwischen seiner Brust und seinem Oberarm ein. Mit der freien Hand greift er in die Tasche seiner Jacke. Sie braucht einen Moment, bis sie den Gegenstand erkennt, den er hervorzieht. Ihre Augen weiten sich, gleichzeitig versucht sie, ihren Arm freizubekommen. »Was … haben Sie damit vor?«
Er antwortet nicht.
Als er nach ihrem kleinen Finger greift, ihn seitlich abspreizt und die Rosenschere ansetzt, reißt sie den Mund auf und schreit.
Max stand reglos da und starrte auf den Brief. Er las ihn ein zweites Mal, ließ die Hand mit dem Blatt sinken, den Blick ins Leere gerichtet, und hob sie gleich darauf wieder an, während sein Verstand fieberhaft nach einer anderen Erklärung als der offensichtlichen suchte.
Ein drittes Mal hangelte sein Blick sich widerwillig von Wort zu Wort.
Bischoff!
Ich sollte dir jetzt sagen, dass deiner Schwester nichts geschehen wird, wenn du meinen Befehlen Folge leistest. Aber das kann ich nicht. Ich finde, eine derart intime Beziehung, wie wir sie in nächster Zeit zueinander haben werden, verdient schonungslose Ehrlichkeit. Deshalb sage ich dir, ganz egal, was du tust oder lässt – ich werde ihr weh tun. Die Frage ist also nicht, ob sie leiden muss, sondern, wie sehr. Und ob sie am Ende überlebt.
Du wirst bald einen Menschen töten. Entweder einen Fremden oder deine Schwester. Es liegt an dir.
Ach, und halte dich an die Regeln. Du kennst das ja: keine Polizei – außer dir natürlich – und kein Wort zu irgendwem. Sonst schicke ich dir deine Schwester zurück. Stück für Stück.
Cyrano de Bergerac sagte einst: Die Welt mag untergehen, wenn ich mich nur rächen kann.
Ich sage: Du hörst von mir.
Da erst gab sein Verstand es auf, nach Anzeichen für einen schlechten Scherz oder nach irgendwelchen anderen Erklärungen zu suchen, und akzeptierte die unausweichliche Eindeutigkeit der Botschaft. Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, ballten sich Max’ Hände wie im Krampf zu Fäusten, zerknüllten das Papier und ließen die Worte darauf zu einem unleserlichen Wirrwarr werden.
Ganz egal, was du tust oder lässt – ich werde ihr weh tun … Die Welt mag untergehen, wenn ich mich nur rächen kann.
Ein Name erschien plötzlich wie ein Fanal vor seinem geistigen Auge, dann ein Gesicht, vom Hass zu einer Fratze verzerrt. Der einzige Mensch, den Max kannte, der aus Rache zu so etwas fähig wäre, war Alexander Neumann. Ehemaliger Kollege, psychopathischer Mörder. Max hatte damals nicht nur den entscheidenden Hinweis geliefert, der Neumann überführte, er hatte ihn bei der Verhaftung auch im letzten Moment davon abgehalten, sich seine Dienstwaffe in den Mund zu stecken und abzudrücken, um sich dem zu entziehen, was ihn im Gefängnis erwarten würde. Polizisten rangierten im Knast noch eine Stufe unter Kinderschändern. Sie waren Freiwild, mit dem jeder machen konnte, was er wollte, und dem niemand half.
Und obwohl er eine Prostituierte nicht nur getötet, sondern sich anschließend ausgiebig und phantasievoll an ihrer Leiche vergangen hatte, war Neumann nicht in eine forensische Psychiatrie, sondern in den normalen Strafvollzug gekommen. Dafür hatte der Gutachter gesorgt, der ihn für voll schuldfähig befunden hatte. Und die Aussagen von Leuten, die ihn kannten. Auch Max’ Aussage.
Er sah Neumann wieder vor sich, die Handgelenke hinter dem Rücken aneinandergefesselt, von zwei Kollegen gepackt, die ihm die Arme noch ein Stück weiter nach hinten verdrehten, als es notwendig gewesen wäre. Einer aus ihren eigenen Reihen, der so ein abscheuliches Verbrechen beging, verdiente keine sanfte Behandlung.
Max sah wieder den hasserfüllten Blick, mit dem Neumann ihn angestarrt und in dem ein irres Feuer gelodert hatte. Hörte noch einmal seine Stimme.
Was immer jetzt kommt, ich werde es überleben. Irgendwie. Und dann komme ich zurück, und ich werde dich da treffen, wo es dir am meisten weh tut. Ich werde dir so viel Schmerz zufügen, dass du dir wünschen wirst, tot zu sein.
»Du verdammtes Schwein«, stieß Max aus, knallte das zusammengeknüllte Papier mit der flachen Hand auf den Tisch und zog seine Dienstwaffe aus dem Gürtelholster. Eine völlig unsinnige Geste, die ihm aber ein winziges Stück Halt gab.
Sein Blick fiel auf ein Bild von Kirsten und ihm, das auf der Anrichte stand. Er war neben ihrem Rollstuhl in die Hocke gegangen und hatte gemeinsam mit ihr um die Wette gestrahlt, als ihr Vater auf den Auslöser drückte. Das war zwei Jahre her. Einer der wenigen Familienausflüge mit ihren Eltern. Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen. Für sie ebenso wie für ihn. Ihre Eltern … Wenn ihre Mutter etwas von dem erfuhr, was gerade geschah, würde sie vor Angst um Kirsten sterben.
»Wenn du ihr was antust …« Erst flüsterte er es, dann, nach einem kurzen Moment der Stille, schrie er es gegen die Wände von Kirstens Wohnung, als würde der Entführer sich dort irgendwo versteckt halten. Aber er schrie auch gegen das explosive Gemisch aus Zorn und Angst an, das in ihm tobte. »Wenn du ihr etwas antust, du gottverdammter Irrer, dann bringe ich dich um!«
Sein Atem ging stoßweise, als er sich umwandte und den Blick auf der Suche nach einem Hinweis durch den Raum schweifen ließ. Aber da war nichts. Alles sah aus wie immer.
Max steckte die Pistole wieder ein, machte ein paar Schritte auf die Wohnungstür zu, ging in die Hocke und betrachtete den Parkettboden. Die Spurensicherung würde den Bereich mit einem speziellen Staubsauger abfahren, in dessen feinem Filter alles hängen blieb, selbst Haare oder kleinste Partikel.
Keine Polizei, sonst schicke ich dir deine Schwester zurück. Stück für Stück.
Keine Spurensicherung.
Er erhob sich und griff nach seinem Smartphone. Nein, er würde ganz sicher nicht im Präsidium anrufen, denn wenn sein Chef, Polizeirat Gorges, von der Sache erfuhr, würde er Max sofort abziehen, weil er persönlich involviert war.
Nach zweimaligem Läuten war Böhmer am Apparat. »Was gibt’s?« Seine Stimme klang kraftlos und müde, was wenig verwunderlich war, schließlich hatten sie gerade erst die Ermittlungen zu einer extrem brutalen Mordserie abgeschlossen, die ihre ganze Energie gekostet hatte. Aber das interessierte Max in diesem Moment nicht. Ihn interessierte gerade überhaupt nichts außer der Frage, was dieser Irre Kirsten angetan hatte oder ihr noch antun würde.
»Wir müssen uns sofort sehen.«
»Was ist los?«
»Nicht am Telefon.«
»Hm … also gut. Bei dir?« Böhmer schien zu spüren, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste, und verzichtete auf weitere Fragen.
»Nein, besser nicht«, entgegnete Max. Vielleicht beobachtete der Kerl seine Wohnung. »Lieber bei dir, geht das?«
»Okay.«
»Bis gleich.« Max legte auf und steckte erst das Telefon und dann den zerknitterten Zettel ein. Das widersprach allem, was er einmal über die Vorgehensweise bei der Beweissicherung gelernt hatte, aber wer auch immer hinter der Entführung steckte, war sicher nicht so bescheuert gewesen, seine Fingerabdrücke auf dem Papier zu hinterlassen.
Er brauchte eine Viertelstunde bis zu Böhmers Wohnung in Volmerswerth, in der ihm zweimal aus anderen Fahrzeugen heraus die geballte Faust gezeigt wurde, weil er den Fahrern die Vorfahrt genommen hatte. Er ignorierte es. Seine Gedanken kreisten ununterbrochen um diesen einen Satz.
Ganz egal, was du tust oder lässt – ich werde ihr weh tun.
Böhmer schien in unmittelbarer Nähe des Eingangs auf Max gewartet zu haben, denn höchstens zwei Sekunden nachdem er die Klingel betätigt hatte, schwang die Tür auf und sein um einen halben Kopf kleinerer, stämmiger Seniorpartner stand ihm gegenüber. Seinem Gesicht war deutlich die Erschöpfung anzusehen, das logische Resultat der letzten Tage.
»Komm rein!«, sagte Böhmer und trat zur Seite.
Max ging an ihm vorbei durch den kurzen Flur ins Wohnzimmer, einem überwiegend in biederen Brauntönen eingerichteten Raum, der sich ebenso gut im Haus seiner Eltern hätte befinden können. Vielleicht Überbleibsel von Böhmers Noch-Ehefrau, die wenige Monate zuvor ausgezogen war.
Aber dafür hatte Max gerade keinen Sinn. Er ließ sich in einen der braunen Polstersessel fallen und sah Böhmer entgegen, der auf ihn zukam und, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihm stehen blieb. »Also?«
»Kirsten ist entführt worden.«
Alle Müdigkeit war mit einem Schlag aus dem Gesicht seines Partners verschwunden. »Scheiße. Bist du sicher?« Während Böhmer sich auf die Couch sinken ließ, zog Max den Brief aus der Jackentasche und legte ihn auf den Tisch.
Böhmer ergriff ihn wortlos und las.
»Das klingt nach jemandem, der eine dicke Rechnung mit dir offen hat«, mutmaßte er, als er ihn gelesen hatte. Den Brief behielt er in der Hand. »Denkst du, es ist der Gleiche, der sie schon eine Weile über Facebook belästigt?«
Bereits seit Monaten hatte Kirsten immer wieder dubiose Nachrichten über verschiedene Social-Media-Kanäle erhalten, überwiegend über Facebook. Max hatte die Sache zwar ernst genommen, die Entschlossenheit des Kerls aber offensichtlich unterschätzt. Ein fataler Fehler, wie sich jetzt zeigte.
»Wer denn sonst? Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich weiß, wer dahintersteckt.«
Böhmer nickte wissend. »Du denkst an den Kollegen, den du damals hochgenommen hast, richtig? Du hast mir erzählt, dass er dir Rache geschworen hat.«
Max nickte.
»Ist der denn wieder auf freiem Fuß?«
»Ich weiß es nicht, aber das lässt sich ja herausfinden. Hilfst du mir?«
Böhmers linke Braue schob sich nach oben. »Was ist das denn für eine Frage? Natürlich helfe ich dir. Ich rufe gleich Gorges an und stelle eine Soko zusammen, dann …«
»Nein!«
»Wie, nein?«
»Hast du nicht gelesen, was er geschrieben hat?«
»Ja, keine Polizei, blablabla. Ich bitte dich, das gehört doch zum Grundvokabular jedes Entführers.«
»Und was ist mit dieser anderen Stelle?« Mit einer hastigen Bewegung griff Max nach dem Zettel, suchte den entsprechenden Abschnitt und las laut vor: »Ganz egal, was du tust oder lässt – ich werde ihr weh tun. Die Frage ist also nicht, ob sie leiden muss, sondern, wie sehr. Und ob sie am Ende überlebt.«
Er ließ das Blatt wieder sinken und legte es auf dem Tisch ab. »Er bringt sie um, wenn wir offiziell ermitteln. Und wer weiß, was er ihr vorher antut.« Max dachte an die Tatortfotos von damals. An die furchtbar zugerichtete, geschändete Frauenleiche. Sein Magen zog sich so schmerzhaft zusammen, dass er aufstöhnte.
»Er wird sie nicht umbringen, und das weißt du auch. Er will sich an dir rächen, er möchte sein Spiel mit dir spielen. Dazu ist es notwendig, dass Kirsten lebt.«
Max tippte mit dem Finger auf den Brief vor sich. »Und was ist damit: Ganz egal, was du tust oder lässt – ich werde ihr weh tun?«
»Es tut mir leid, und ich weiß, wie schwer das für dich sein muss, aber … Max, du bist Polizist, du weißt es doch selbst.« Böhmer senkte den Kopf, zwei, drei Atemzüge lang, dann trafen sich ihre Blicke wieder. »Du solltest das, was er geschrieben hat, wörtlich nehmen. Was immer er mit ihr vorhat, das tut er so oder so. Auch wenn du gar nichts unternimmst. Es macht keinen Unterschied.«
»Für dich vielleicht«, entgegnete Max mit leiser Stimme. »Für mich macht es sehr wohl einen Unterschied, ob er sie verschont, quält oder gleich umbringt.«
»Hast du eigentlich das kleine Detail überlesen, in dem er schreibt, dass du einen Menschen umbringen wirst?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Und?«
»Was, und?«
»Was gedenkst du zu tun, wenn er damit droht, deine Schwester zu töten, falls du nicht einwilligst?«
»Ich gedenke, den Kerl zu finden, bevor es so weit kommt«, wich Max aus. Mit dieser Frage hatte er sich noch nicht beschäftigt und wollte es auch jetzt nicht tun.
Böhmer schnaufte. »Du bist Kriminaloberkommissar der Mordkommission und fällst mir permanent auf die Nerven mit deinen Täterprofilen und der Denkweise dieser Arschlöcher. Jetzt geh mal so wie sonst auch an diese Sache ran, und dann beantworte dir selbst die Frage, ob es wirklich einen Unterschied macht, ob wir das offiziell anpacken oder nicht. Außer der Tatsache, dass wir weitaus bessere Chancen haben, wenn der ganze Polizeiapparat hinter uns steht.«
»Du hast ja recht, aber da ist noch etwas anderes. Wenn wir es offiziell machen, bin ich aus dem Fall sofort raus, das weißt du. Und ich kann auch nichts auf eigene Faust unternehmen, weil Gorges mich dann auf Schritt und Tritt beobachten lassen wird, um genau das zu verhindern.«
»Ja, und wenn ich mir anhöre, was du hier von dir gibst, hat er sicher recht damit. Ich rufe den Chef jetzt an, und dann wird die volle Maschinerie in Gang gesetzt, um Kirsten zu finden.«
Wütend sprang Max auf. »Nein, das tust du nicht. Zumindest, wenn dir auch nur ansatzweise etwas an unserer Partnerschaft liegt. Und an unserer Freundschaft.«
Als Böhmer ihn daraufhin nur mit ernster Miene ansah, fügte Max leiser hinzu: »Horst, wenn du jetzt Gorges anrufst und der Kerl tut Kirsten etwas an, hast du sie umgebracht.«
Lange sahen sie einander in die Augen, fast so, wie man es früher in der Schule getan hatte, um herauszufinden, wer als Erster lachen musste. Nur, dass hier niemandem zum Lachen zumute war.
Schließlich schlug Böhmer die Augen nieder und nickte. »Also gut. Versuchen wir es auf deine Art. Aber über eines musst du dir im Klaren sein.« Erneut trafen sich ihre Blicke. »Wenn er sie trotzdem tötet, wird dich für den Rest deines Lebens die Frage quälen, ob sie vielleicht hätte gerettet werden können, wenn wir den ganzen Polizeiapparat zur Verfügung gehabt hätten.«
»Wenn er sie tötet«, erwiderte Max mit rauer Stimme, »ist mir mein Leben egal.«
Auf dem Weg nach Hause zermarterte Max sich das Hirn, was er tun konnte, um das zu verhindern, was der Entführer angekündigt hatte: dass Kirsten leiden musste. Aber sosehr er sich auch konzentrierte, es fiel ihm nichts ein, außer auf alles einzugehen, was er von ihm verlangte. Zumindest für den Moment. Es würde ihm also nichts anderes übrigbleiben, als darauf zu warten, dass der Mistkerl sich meldete.
Obwohl er ziemlich sicher war, dass nur Neumann dahinterstecken konnte, bemerkte er, dass er noch allgemein von dem Entführer dachte. War ihm die Regel, dass jeder als unschuldig angesehen werden muss, solange nicht seine Schuld bewiesen ist, schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen? Wer sonst sollte für diese Schweinerei in Frage kommen?
Über die Pfeiltasten der Lenkradsteuerung ließ er das Telefonbuch auf dem Display anzeigen und wählte Böhmers Nummer, doch der Anschluss war besetzt. Max hoffte inständig, dass sein Partner ihren Chef nicht doch noch informierte.
Keine zwei Minuten später rief Böhmer zurück.
»Hast du schon versucht herauszufinden, ob und wann Alexander Neumann entlassen worden ist?«, begann Max das Gespräch ohne einleitende Floskeln.
»Max, du bist gerade eben erst bei mir …«
»Machst du es bitte gleich? Es ist wichtig, und wenn ich anfange nachzuforschen, wird man mir unnötige Fragen stellen wegen seiner Drohung von damals.«
»Denkst du nicht, dass man dich benachrichtigt hätte, wenn er rausgekommen wäre? Die wissen doch von der Drohung gegen dich.«
»Die vom Vollzug? Das glaube ich nicht. Wir haben das damals nicht an die große Glocke gehängt.«
»Wie auch immer, ich kümmere mich darum.«
»Danke. Ich werde nachher Gorges anrufen und ihm sagen, dass ich ein paar Tage Urlaub brauche.«
»Ich denke ja immer noch …«
»Horst, bitte! Ich muss das auf meine Weise versuchen.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Ich werde darauf warten, dass er mich kontaktiert und mir sagt, was genau er eigentlich von mir will. Vielleicht ruft er mich ja an. Wenn ich mit ihm reden kann, ergibt sich eventuell eine Möglichkeit, ihn umzustimmen.«
Max wusste selbst, dass die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering war. Dazu war der Mistkerl schon zu weit gegangen.
»Was er von dir möchte, hat er ja schon in seiner ersten Nachricht geschrieben. Fehlen nur noch die Details.«
»Warten wir es ab. Melde dich bitte gleich, wenn du was über Neumann in Erfahrung gebracht hast, okay?«
»Ja, mache ich«, erwiderte Böhmer.
»Danke. Bis dann.«
Nachdem er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, warf Max den Schlüssel in die Schale, die auf der Kommode gleich danebenstand, und hob die Post vom Boden auf. Zwei Umschläge, ein normaler Brief von seiner Versicherungsgesellschaft und eine braune DIN-A5-Luftpolsterversandtasche ohne Absender. Sein Name war auf einen ausgeschnittenen und aufgeklebten Zettel gedruckt worden. Keine Adresse, keine Briefmarke.
Sein Herz begann, gegen die Rippen zu hämmern. Schon als er mit fahrigen Bewegungen den Umschlag an der Oberkante aufriss, bemerkte er, dass sich etwas anderes als ein Brief darin befinden musste. Etwas Kleines, Festes.
Als Erstes zog er ein Blatt Papier heraus, bei dessen Anblick ihm flau im Magen wurde. Auf der Oberseite des einmal gefalteten Blattes glotzte ihm ein dunkler Fleck entgegen wie ein unheilvolles Auge. Max hatte in seinem Leben schon genügend eingetrocknete Blutflecke gesehen, um ihn entsprechend einzuordnen.
Bevor er das Blatt auseinanderfaltete und die Nachricht darauf las, zog er die Oberkanten des Umschlags auseinander, sah hinein und … hätte ihn fast fallen lassen. Dort, zwischen der Folie im unteren Bereich des Umschlags eingeklemmt, aber doch deutlich erkennbar, lag ein Finger.
Max stöhnte auf und taumelte rückwärts gegen die Wand, wo er sich, die Versandtasche wie eine tickende Bombe in der erhobenen Hand haltend, schwer atmend anlehnte und seine Gedanken zwang, sich zu ordnen.
Er war, verdammt nochmal, Polizist. Was auch immer geschah, es half Kirsten wenig, wenn er in Panik geriet und nicht mehr klar denken konnte.
Nach einem tiefen Atemzug richtete er den Blick erneut in die Tüte. Der Größe nach zu urteilen handelte es sich um den kleinen Finger einer Frau. Um Kirstens kleinen Finger.
Max schaffte es, sich von der Wand abzustoßen und – den Umschlag in der einen und das gefaltete Blatt in der anderen Hand – in die Küche zu gehen. Dort zog er mit zittrigen Händen einen frischen Gefrierbeutel aus einer Schublade, legte ihn auf die Arbeitsplatte und hielt die Öffnung der Versandtasche schräg darüber, so dass der Finger herauskullerte und auf dem Plastik liegen blieb.
Max wusste, dass das, was dort vor ihm lag, von seiner Schwester stammte, auch wenn die Haut mittlerweile grau und der Nagel dunkel war. Er erkannte es an der Form.
Ihm wurde übel bei dem Gedanken, er musste gegen einen plötzlich einsetzenden Würgereiz ankämpfen.
Als er seinen Magen wieder halbwegs unter Kontrolle hatte, betrachtete er den Wundrand, an dem die Haut oval zusammengequetscht und ein Stück weit in die Wunde gedrückt war. Das sah nach einer Zange aus. Ihm wurde erneut schlecht, er musste sich abwenden und mehrmals schlucken.
Ohne den Finger noch einmal anzusehen, nahm er ein Glas aus einem Hängeschrank, füllte es mit Wasser aus dem Hahn und trank einige große Schlucke. Die kalte Flüssigkeit tat ihm gut.
Nachdem er das Glas abgesetzt hatte, fühlte er sich gewappnet für den Brief. Er faltete ihn auf der Arbeitsplatte auseinander und begann zu lesen.
Bischoff!
Du hast mit deinem Partner geredet. Das hat zwei Dinge zur Folge. Eine Strafe für deine Schwester und ein Zeichen meinerseits, dass ich halte, was ich verspreche.
Du hast sicher sofort erkannt, dass es sich bei meinem Geschenk um den kleinen Finger deiner Schwester handelt. Und sicher wirst du daraus schlussfolgern, dass beim nächsten Mal, wenn du nicht exakt das tust, was ich dir sage, ein weiterer Finger folgen wird, habe ich recht? Das ist allerdings nur zum Teil richtig.
Spielst du Schach? Dann kennst du sicher auch die Geschichte mit den Reiskörnern, wovon eines auf dem ersten Feld liegen soll, zwei auf dem zweiten, vier auf dem nächsten, dann acht und so weiter. Genau so machen wir es auch.
Du hast einen Finger bekommen, als Nächstes wirst du das Doppelte, also zwei Finger, bekommen. Dann vier, dann … sind Kirstens Finger bis auf einen kleinen Rest von dreien auch schon alle ab. Das heißt, wir müssen dann mit den Zehen weitermachen und danach die Arme und Beine dazunehmen.
Die Zeilen verschwammen vor Max’ Augen, auf seiner Stirn bildete sich kalter Schweiß. Er schüttelte den Kopf, ein lächerlicher Versuch, das aufkommende Schwindelgefühl zu vertreiben. Als es ihm nicht gelang, legte er die Unterarme auf der Arbeitsplatte ab und ließ die Stirn auf die gegeneinandergepressten Hände sinken. So verharrte er, bis er das Gefühl hatte, weiterlesen zu können. Als er sich aufrichtete und den Blick wieder auf die Wörter zwang, hätte er nicht sagen können, ob zwischenzeitlich eine Minute vergangen war oder zehn.
Ich kann dir versichern, mir die medizinischen Fähigkeiten angeeignet zu haben, die nötig sind, den Blutfluss so weit zu stoppen, dass deine Schwester nicht stirbt, auch wenn nur noch der Torso von ihr übrig ist. Nun ja, um die nutzlosen Beine ist es ja nicht schade.
Ich frage mich gerade, ob du mitgezählt hast und weißt, nach wie vielen Verfehlungen deinerseits es so weit ist. Ich will dir helfen: Schon nach dem vierten Mal ist deine Schwester quasi auf das Wesentliche reduziert. Du solltest dir ab jetzt also jeden deiner Schritte genau überlegen.
Aber genug der Plauderei, hier kommt eine gute Nachricht für dich: Ich gestatte dir Unterstützung von einer Kollegin. Heute um achtzehn Uhr rufst du Verena Hilger an und erzählst ihr, was geschehen ist. Mach ihr auch klar, dass ein Wort von ihr zu irgendwem – auch zu ihrem Horst – für Kirsten die gleichen Konsequenzen haben wird wie ein Fehlverhalten deinerseits. Wenn du sie nicht erreichst, versuche es wieder. So lange, bis du sie am Apparat hast. Es ist wichtig, dass du noch heute mit ihr sprichst und sie bittest, dir zu helfen.
Jeden weiteren Kontakt zu Horst Böhmer unterlässt du ab sofort. Wenn du meine Anweisungen nicht exakt ausführst, habe ich morgen früh ein weiteres Präsent für dich. Den Inhalt kennst du.
Ach, ich vergaß völlig zu erwähnen: Leider fehlte mir die Zeit, ein Anästhetikum für eventuell notwendige Eingriffe zu besorgen.
Du hörst von mir.
Max drehte den Kopf zur Seite. Er konnte es keine Sekunde länger ertragen, die Zeilen anzusehen, die dieser Irre geschrieben hatte. Er schloss die Augen, konzentrierte sich auf seinen Atem und versuchte, die Bilder wegzuwischen, die sich unablässig in sein Bewusstsein drängen und ihm in aller Deutlichkeit zeigen wollten, wie dieser Wahnsinnige eine Zange an Kirstens Finger ansetzte, wie sich ihr Gesicht verzerrte vor namenloser Angst und vor Schmerz.
Nur nicht durchdrehen. Kirstens Leben konnte davon abhängen, dass sein Verstand einwandfrei funktionierte. Er musste tun, was der Entführer von ihm verlangte. Wenn er auch nicht verstand, warum ausgerechnet Hilger ihm helfen sollte, so war doch alles besser, als vollkommen allein dazustehen.
Was Böhmer betraf … Max hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte, aber ein kurzer Seitenblick auf den Finger überzeugte ihn davon, dass es besser war, sich an die Vorgaben zu halten.
Zu ihrem Horst hatte der Entführer geschrieben. Woher wusste er, dass sich zwischen der Oberkommissarin und Horst Böhmer im Laufe der letzten Wochen etwas angebahnt hatte? Entweder hatte er Böhmer ebenso wie Kirsten und ihn beobachtet oder aber über interne Kanäle erfahren, was sich im Präsidium abspielte.
Max warf einen Blick auf die Küchenuhr. Kurz nach vier, also noch fast zwei Stunden, bis er Verena Hilger anrufen würde. Zeit genug für ein Gespräch mit Gorges.
Bevor er jedoch die Nummer seines Chefs aus dem Adressbuch seines Handys heraussuchte, überwand er sich, packte den Finger in die Tüte, auf der er lag, und verstaute sie in einem Fach der Kühlschranktür.
Auf dem Weg ins Wohnzimmer grübelte er darüber nach, warum der Entführer wollte, dass er ausgerechnet Verena Hilger anrief. Die Oberkommissarin war erst seit knapp drei Monaten bei ihnen und kam aus Köln, wo sie ebenfalls als Ermittlerin der Mordkommission tätig gewesen war. Köln … lag da vielleicht der Schlüssel?
Max hatte unmittelbar nach seiner Ausbildung mit Neumann in Köln zusammengearbeitet, als der den Mord beging. Sie waren beide an die Kölner Dienststelle ausgeliehen worden, weil die für einige Monate unterbesetzt war. Gut möglich, dass Hilger und Neumann sich aus dieser Zeit kannten.
Und wenn das so war, wie gut kannten sie sich? Was, wenn Neumann – immer vorausgesetzt, er war Kirstens Entführer – seine Insider-Informationen aus dem Präsidium von Verena Hilger bekommen hatte? Was, wenn das alles zu seinem, zu ihrem Plan gehörte? Ihre Versetzung nach Düsseldorf, das Techtelmechtel mit Böhmer …
Max wischte sich mit beiden Händen mehrmals über das Gesicht. Das konnte, das durfte einfach nicht sein. Er bildete sich ein, über eine recht gute Menschenkenntnis zu verfügen, und schätzte Verena Hilger als einen offenen und ehrlichen Menschen ein, der sich unmöglich derart verstellen könnte.
Und dennoch … seine Überlegungen waren folgerichtig. Wenn er sich jetzt an sie wandte, damit sie ihm half, könnte sie Neumann über jeden seiner Schritte genau informieren.
Was immer der auch mit ihm vorhatte.
Max dachte an Böhmer, der wahrscheinlich gerade in diesem Moment Nachforschungen über Neumann anstellte. Auf sein Drängen hin.
Falls es wirklich Alexander Neumann war, der Kirsten entführt hatte, und falls Verena Hilger tatsächlich mit ihm unter einer Decke steckte, würde der Entführer bald erfahren, dass Böhmer sich nach ihm erkundigte, und daraus vielleicht schlussfolgern, dass Max gegen seine Anweisung noch immer mit ihm in Kontakt war. Sehr viele falls und vielleicht, und dennoch konnte das Grund genug für Neumann sein, Kirsten weiter zu verstümmeln.
Der Gedanke ließ Max aufstöhnen. Mit einer hastigen Bewegung packte er sein Handy, öffnete den Kurzwahlspeicher und tippte auf den Namen seines Partners.
»Ja, ich bin’s noch mal«, meldete er sich, als Böhmer das Gespräch annahm.
»Gibt’s was Neues?«
»Ich wollte dir nur sagen, dass es besser ist, wenn du doch nichts unternimmst«, erwiderte Max ausweichend. »Ich werde selbst herausfinden, ob Neumann wieder auf freiem Fuß ist.«
»Er hat sich gemeldet und von dir verlangt, dass du das sagst.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Es zu leugnen wäre unsinnig gewesen.
»Ja. Halten wir uns also zumindest für den Moment daran, okay?«
»Ich tue mich schwer damit, Anweisungen psychopathischer Arschlöcher zu befolgen. Bist du sicher, dass du das möchtest?«
»Ich möchte nicht, Horst, ich muss.«
»Also gut. Aber überlege dir gut, was du tust. Du kannst nicht allein mit dem Kerl fertigwerden. Er hat deine Schwester in seiner Gewalt und ist dir damit haushoch überlegen. Er kann quasi alles von dir verlangen.«
»Das weiß ich selbst. Aber ich kann nicht riskieren, dass er ihr etwas antut, deswegen werde ich erst einmal alles machen, was er verlangt.«
Darauf entgegnete sein Partner nichts mehr, und erst, als Max schon nachfragen wollte, ob er noch am Apparat war, sagte Böhmer: »Ich kann bei den Nachforschungen behutsam vorgehen, so dass ein Außenstehender unmöglich etwas davon mitbekommt.«
Ein Außenstehender vielleicht nicht, dachte Max.
»Nein. Wer weiß, welche Kanäle er noch irgendwo bei der Polizei hat. Ich kann das nicht riskieren, versteh mich doch.«
Wieder entstand eine Pause, in der Böhmer nachzudenken schien, bevor er sagte: »Melde dich, wenn ich dir doch irgendwie helfen soll.«
»Das tue ich. Danke.«
Max beendete das Gespräch und betrachtete eine Weile das Display, auf dem noch immer Böhmers Name stand.
Ihr Verhältnis war anfangs nicht das allerbeste gewesen, weil Böhmer nicht viel von Max’ Ermittlungsansatz gehalten hatte, unter Berücksichtigung psychischer Aspekte und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen an Mordfälle heranzugehen. Er hatte die Versuche seines Juniorpartners, sich in die Köpfe der Täter zu versetzen, als reine Zeitverschwendung abgetan. Max wiederum hatte Böhmers Art, Ermittlungen zu führen, als antiquiert abgestempelt. Mit der Zeit hatten sie jedoch erkannt, dass die Unterschiede in ihrer Denkweise kein Hindernis, sondern im Gegenteil sogar ein Gewinn für sie beide waren und ihrer Ermittlungsarbeit guttaten. Und ausgerechnet jetzt, wo es nicht um einen Fremden, sondern um seine eigene Schwester ging, musste Max auf die Erfahrung seines Partners verzichten.
Das Gespräch mit Gorges war kurz und verlief so, wie Max es sich vorgestellt hatte. Sein Chef zeigte Verständnis dafür, dass Max nach dem letzten Fall, der wegen der Brutalität der Morde und der erschütternden Auflösung allen Beteiligten an die Nieren gegangen war, ein bisschen Ruhe brauchte.
Sie beendeten das Gespräch mit der Abmachung, dass Max sich nach ein paar Tagen wieder melden würde.
Er legte das Telefon zur Seite, ließ sich gegen das Polster der Couch sinken und legte mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken.
Seine kleine Schwester. Entführt von einem Psychopathen, der sie gequält und verstümmelt hatte, nur um ihm, Max, zu beweisen, dass er es ernst meinte.
Als ob das Schicksal Kirsten nicht schon genug geprüft hatte mit dem Unfall, bei dem ein betrunkener Autofahrer sie vom Fahrrad gerissen und in den Rollstuhl katapultiert hatte. Bruch des vierten Brustwirbels, Verletzung des Rückenmarks. Querschnittsgelähmt. Acht Jahre alt war sie damals gewesen.
Als er dieses schmächtige Mädchen mit den traurigen Augen, zu dem seine Schwester geworden war, zum ersten Mal in dem viel zu großen Krankenhaus-Rollstuhl gesehen hatte, so klein und zierlich, dass sie verloren darin hing, hatte es ihm fast das Herz gebrochen.
Aber Kirsten hatte schnell gelernt, ihren Alltag zu meistern, und es geschafft, das Leben trotzdem so positiv und optimistisch zu sehen, dass sie ihn immer wieder mit ihrer Lebensfreude verblüffte und ihn sogar damit ansteckte, wenn es ihm nicht gutging.
Jetzt befand sie sich in den Händen eines Wahnsinnigen und musste stellvertretend für ihren Bruder leiden, weil der es sich in den Kopf gesetzt hatte, Polizist zu werden und die Menschen vor genau solchen Individuen zu beschützen.
Max hob den Kopf und starrte blicklos an die gegenüberliegende Wand.
Welch ein heroischer Ansatz. Welch ein idiotischer Gedanke.
In den letzten beiden Jahren hatte er gesehen und am eigenen Leib gespürt, wozu Männer und auch Frauen fähig waren. Menschen, die diese Bezeichnung nicht verdienten, weil sie keinen Funken Menschlichkeit in sich trugen und weil das, was sie von Tieren unterschied, sie auch nicht menschlicher machte: Kein Tier tötet aus reiner Mordlust ein anderes.
Ja, sie hatten einige dieser Wahnsinnigen gefasst und ihrem abartigen Treiben ein Ende bereitet. Um dann festzustellen, dass sie den Kampf gegen eine Hydra führten, der für jeden abgeschlagenen Kopf gleich zwei neue nachwuchsen. Und was war der Preis, den er schon dafür bezahlt hatte und gerade wieder zahlte? War es das wert?
Max ließ sich zur Seite sinken, legte den Kopf auf die Armlehne der Couch und schloss die Augen.
Es dauerte nicht lange, da zogen Bilder vor seinem inneren Auge vorbei, Erinnerungen an glückliche Momente mit Kirsten, an Abende mit leckerem Essen und langen Gesprächen. An Diskussionen, in denen sie ihn nicht nur einmal mit ihrer ruhigen, sachlichen Art überzeugt hatte, dass er sich gerade auf dem Holzweg befand. Von ihrer Art, die Dinge zu sehen, hatte er schon einiges gelernt, obwohl er der Ältere von ihnen war. Wieder tauchten Bilder auf. Eine Aneinanderreihung von Momenten, die sie zusammen verbracht hatten. In denen sie sich in jeder Minute bewusst waren, welch großes Glück es war, einander zu haben. Er durchlebte all diese Momente noch einmal. Er lachte, er weinte …
Als er die Augen wieder öffnete und ihm klarwurde, dass er eingeschlafen war, schreckte er auf und sah mit heftig klopfendem Herzen auf die Uhr. Zehn vor sechs. Das war knapp.
Fast hätte er den Anruf bei Verena Hilger verpasst.
Er fühlte sich benommen und schüttelte den Kopf, um die bleierne Schwere loszuwerden, die ihn umfangen hielt, doch das brachte nichts. Also stand er auf und ging leicht schwankend ins Bad, wo er sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Nachdem er das Prozedere mehrmals wiederholt und sich abgetrocknet hatte, fühlte er sich schon etwas wacher.
Die Hände auf den Rand des Waschbeckens abgestützt, betrachtete er sein Spiegelbild und wäre über sein Aussehen erschrocken gewesen, hätte er sich in diesem Moment auch nur einen Deut dafür interessiert. Graue halbmondförmige Schatten hatten sich unter seinen Augen gebildet, die Haut war fahl, fast bleich. Selbst die dunkelblonden kurzgeschnittenen Haare wirkten stumpf. Er sah nicht aus wie zweiunddreißig, sondern eher wie sechzig.
Er wandte sich ab. Vier Minuten vor sechs.
Zurück im Wohnzimmer, griff er nach seinem Handy, vergewisserte sich, dass Böhmer sich nicht mehr gemeldet hatte, und öffnete das Adressbuch.
Max ließ es so lange läuten, bis die Voicemailbox sich anschaltete, dann legte er auf. Vielleicht war Hilger noch im Präsidium und hatte ihr Handy leise gestellt. Kurz dachte er darüber nach, sie dort anzurufen, ließ es aber bleiben. Er hatte keine Lust, einem Kollegen irgendwelche Erklärungen geben zu müssen, falls sie doch nicht dort war. Er würde ein paar Minuten warten und es dann noch mal unter ihrer mobilen Nummer versuchen.
Max brauchte sieben Versuche und eine Dreiviertelstunde, bis sie sich endlich meldete.
»Max!« Sie klang außer Atem. »Ich bin im Studio und habe gerade eine Stunde Jumping hinter mir. Ich habe gesehen, dass du schon mehrfach versucht hast, mich zu erreichen, und wollte dich gleich zurückrufen. Geht es um den letzten Fall? Wenn du jemanden zum Reden brauchst oder ich dir sonst irgendwie helfen kann …«
Max fühlte sich von Verenas Redeschwall überfahren und brauchte eine Weile, ehe er sie unterbrach.
Konnte diese Frau mit einem rachsüchtigen Psychopathen unter eine Decke stecken? Nun, da er ihre Stimme hörte, bezweifelte er das noch mehr als zuvor.
»Nein, es geht um etwas anderes. Meine Schwester, Kirsten … sie ist entführt worden.«
»O mein Gott!« Die Bestürzung, die in ihrer Stimme mitschwang, war entweder echt, oder Verena Hilger bot ihm gerade eine oscarreife Schauspielleistung. »Wann? Ich habe im Präsidium noch gar nichts davon gehört. Das ist ja furchtbar.«
»Das kannst du auch nicht, weil man dort nichts davon weiß. Der Entführer hat gedroht, sie zu Tode zu quälen, wenn ich die Dienststelle einschalte.«
»Aber das sagen diese Typen doch alle. Glaubst du wirklich, er würde das tun?«
»Ja, das glaube ich.« Max erzählte ihr vom Inhalt des Umschlags und des Briefes, der dabeigelegen hatte.
»Das ist ja grauenhaft«, sagte Hilger leise.
»Ja, das ist es.«
»Was sagt Horst dazu?«
»Er akzeptiert meine Entscheidung.«
»Aber warum ich? Woher kennt er mich, und warum sollst du ausgerechnet mich anrufen und um Hilfe bitten?«
»Du kommst doch aus Köln. Warst du vor dreizehn Jahren dort auch bei der Kripo? Und sagt dir der Name Alexander Neumann etwas?«
»Ja, damals war ich schon bei der Mordkommission. Und selbstverständlich sagt der Name mir was. Das war dieser Abschaum in Polizeiuniform, der eine junge Frau getötet und dann ihre Leiche geschändet hat. Ich habe es bewusst nie erwähnt, aber ich weiß auch, dass du damals die entscheidenden Hinweise gegeben hast, die zu seiner Verhaftung geführt haben. Und dass du … Moment … denkst du, er könnte dahinterstecken? Das würde vielleicht auch erklären …«
»Warte!«, unterbrach Max sie. »Bleib dran, da klopft jemand an.« Er nahm das Handy vom Ohr und blickte auf das Display. Anonym. Max wechselte zu dem Anrufer und hielt Hilger in der Warteschleife.
»Du hast deine Kollegin offenbar erreicht.« Die Stimme klang dumpf und war schwer verständlich, als hätte der Anrufer das Telefon in ein Tuch gewickelt. Auf jeden Fall aber gehörte sie dem Kerl, der Kirstens Finger mit einer Zange abgequetscht hatte, dessen war er sicher. Max’ Herz begann so sehr zu rasen, dass der Puls gegen sein Trommelfell zu pochen schien.
»Wenn Sie meiner Schwester noch einmal …«
»Halt den Mund!«, unterbrach der Mann ihn harsch. »Und lass diese kindischen Drohversuche. Hör mir genau zu und unterbrich mich nicht, wenn du morgen kein weiteres Päckchen bekommen möchtest. Du wirst deiner Kollegin jetzt sagen, dass du ihr einen Besuch abstattest. Sagen wir, in einer Stunde, dann hat sie Zeit genug, nach Hause zu fahren und sich zu duschen.«
Er wusste also, dass Hilger beim Sport war. Warum sollte Max sie genau zu dieser Zeit anrufen?
»Ich melde mich in einer Stunde wieder. Dann solltest du bei ihr sein und auf Lautsprecher stellen, denn was ich zu sagen habe, wird sie ebenso interessieren wie dich. Ich verspreche dir, du wirst eine Überraschung erleben. Falls Böhmer auch nur in der Nähe ist oder irgendetwas davon erfährt, verliert deine Schwester zwei weitere Finger.«
Im nächsten Moment hatte er aufgelegt.
Max’ Verstand lief auf Hochtouren. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Entführer um Neumann handelte, wurde immer größer. Hilger war damals bei der Mordkommission gewesen. Wenn der Kerl jetzt eine Nachricht für sie beide hatte, konnte das nur bedeuten, dass auch sie von seinen Racheplänen betroffen war. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, holte er sie aus der Warteschleife.
»Bist du noch da?«
»Ja, natürlich. Gibt es was Neues?«
»Das war der Entführer«, erklärte er. »Er sagt, ich soll zu dir kommen. Er ruft in einer Stunde wieder an und hat mir etwas zu sagen, das du mithören sollst.«
»Ich soll mithören?«
»Ja.«
»Dann muss es ja was mit dem Fall von damals zu tun haben.«
»Das denke ich auch. Was sagst du? Kann ich zu dir kommen?«
»Natürlich. Hast du meine Adresse?«
»Nein, ich weiß nur, dass du irgendwo in Lierenfeld wohnst.«
Sie nannte ihm ihre Anschrift.
»Welche Rolle hast du damals bei Neumanns Verhaftung gespielt?«, fragte Max, nachdem er Straße und Hausnummer notiert hatte.
»Keine bedeutende. Ich war eine kleine Kommissarin und nur dabei, als wir ihn dem Haftrichter vorgeführt haben.«
»Warum zieht er dich dann in die Sache mit hinein?«
»Das werden wir wohl bald erfahren«, mutmaßte sie. »Dann sehen wir uns also gleich bei mir?«
»Ja. Ach, noch was. Er sagte, wenn Horst was davon erfährt oder in der Nähe ist, wird er Kirsten etwas antun. Und ich weiß, dass er es ernst meint.«
»Dieses Schwein. Keine Angst, ich sage nichts.«
»Danke. Dann also bis nachher.«
Max legte das Smartphone zur Seite und starrte auf einen Punkt des Parketts.
Warum Verena Hilger, wenn sie doch fast nichts mit dem Fall damals zu tun gehabt hatte? Und was konnte der Entführer damit gemeint haben, Max würde eine Überraschung erleben?
Was hatte dieser Mistkerl vor?
Während die bunten Häuserfassaden der Hauptstraße im Südosten Düsseldorfs an ihm vorbeizogen, grübelte Max erneut darüber nach, was seine Kollegin mit alldem zu tun haben konnte, doch er kam immer wieder zum gleichen Ergebnis: Es konnte nur mit ihrer damaligen Zugehörigkeit zur Kölner Kripo zusammenhängen, womit dann auch klar war, um wen es sich bei Kirstens Entführer handelte.
Horst hatte Max erzählt, dass Hilger ein Apartment in der dritten Etage eines schönen fünfgeschossigen Altbaus in Lierenfeld bewohnte, und wie Max sah, hatte er nicht übertrieben. Die Front im Stil der Gründerzeit strahlte in reinem Weiß und ließ vermuten, dass sie vor kurzem erst gestrichen worden war.
Er parkte seinen VW CC auf der gegenüberliegenden Straßenseite und betrat den angenehm sauberen und gepflegten Flur durch den unverschlossenen Hauseingang. Einen Lift gab es trotz der offensichtlich auch im Inneren durchgeführten Modernisierungsarbeiten nicht, so dass er wenig später schwer atmend vor Hilgers Tür stand.