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Die verborgene Welt der magischen Wesen entdecken
Göttinnen und Götter, Feen, Elfen, Baumgeister, Zwerge und Nixen – in zahlreichen Kulturen sind sie seit Urzeiten wegweisende Begleiter der Menschen. Ihr universelles Wissen und ihre inspirierende Weisheit schenken uns Orientierung und helfen, Antworten auf die großen und kleinen Fragen des Lebens zu finden.
In diesem zauberhaften Handbuch entführt dich Hexe Claire in die faszinierende Welt der magischen Wesenheiten. Sie zeigt, wie du dich mit deren machtvollen Energien verbinden kannst, um dein spirituelles Wachstum und deine magische Praxis um völlig neue Dimensionen zu bereichern.
Mit stimmungsvollen Ritualen und praktischen Übungen für die Kommunikation mit deinen unsichtbaren Begleitern.
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Seitenzahl: 293
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das Buch
Göttinnen und Götter, Feen, Elfen, Baumgeister, Zwerge und Nixen – in zahlreichen Kulturen sind sie seit Urzeiten wegweisende Begleiter der Menschen. Ihr universelles Wissen und ihre inspirierende Weisheit schenken uns Orientierung und helfen, Antworten auf die großen und kleinen Fragen des Lebens zu finden.
In diesem zauberhaften Handbuch entführt dich Hexe Claire in die faszinierende Welt der magischen Wesenheiten. Sie zeigt, wie du dich mit deren machtvollen Energien verbinden kannst, um dein spirituelles Wachstum und deine magische Praxis um völlig neue Dimensionen zu bereichern.
Die Autorin
Aufgewachsen inmitten einer reichen Fülle von alten, geheimnisvollen Bräuchen, interessierte sich Claire schon früh für die spirituelle Kraft der weißen Magie. Heute ist die Lebensberaterin und praktizierende Hexe eine der erfolgreichsten Autorinnen zum Thema Magie. Claire lebt in Leipzig.
www.hexe-claire.de
Claire
Im Reich dermagischen Wesen
Verbinde dich mit deinen Begleitern aus der unsichtbaren Welt
Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
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Erste Auflage 2024
Copyright © 2024 by Ansata Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte sind vorbehalten.
Redaktion: Dr. Diane Zilliges
Fotografien und Illustrationen Innenteil: Stephan John
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
Umschlagmotive: © igoriss / iStock / Getty Images Plus; © Ari Mulyadi / iStock / Getty Images Plus; © Adyna / iStock / Getty Images Plus; © SERHIIPSAROV / iStock / Getty Images Plus
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-31427-9V001
www.Integral-Lotos-Ansata.de
Inhalt
Einleitung
Ein Blick zurück
Hier und anderswo
Wo wir mit diesem Buch einsteigen
Kurz zu Begriffen und Formulierungen
So viele Wesenheiten – und du mittendrin
Warum mit Wesenheiten arbeiten?
Geisterbeschwörung ist alltäglich – wir nennen es bloß nicht so
Ein weites Feld: Schamanismus, Animismus, Spiritismus, Geisterglaube
Geistwesen-Klassen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Gottheiten, Geistwesen und anderen
Archetypen oder eigenständige Wesen?
Die Seele als Geistwesen
Seele da – Seele weg
»Was hat dich denn da geritten?« Die Seele und ihre Besucher von auswärts
Der weit verbreitete Wunsch nach Exotik und seine spirituellen Ursachen
Was ist Einbildung, was ist echt?
Etikette im Umgang mit Geistwesen
Wie man gute Beziehungen zu den unterschiedlichsten Wesenheiten pflegt
Geben und Nehmen – Das Gesetz der Gegenseitigkeit in traditionellen Kulturen
In Ähnlichkeiten denken
Lebendige Verbindungen
Gute Opfergaben
Gemeinsame Verabredungen finden
Gesunde Grenzen wahren
Ehrlichkeit und Respekt
Diskretion ist Ehrensache
Der Fehler Nr. 1 in der Zusammenarbeit mit Wesenheiten
Die verschiedenen Möglichkeiten, in Kontakt zu sein
Unsichtbar, aber nicht immer Freunde
Nicht verrückt, nur verbunden
Die Verbundenheit pflegen: Grundgedanken
Verschiedene Arten der Kontaktpflege
Die Ebene der Beziehungen
Günstige Zeitpunkte für spirituelle Aktivitäten
Wie findest du deinen Weg und »deine« Wesenheiten?
Fünf bewährte Ansätze, um passende Wesenheiten zu finden
Alte Mythen im Hier und Heute einbeziehen
Mit einer Prise Humor geht alles leichter
Pantheons und Traditionen mischen? -Ja, nein, vielleicht?
Kultureller Diebstahl und das Thema Aufrichtigkeit
Die Idee von Leitkräften im Leben
Zwei Hinweise für Phasen von Unsicherheit und Unklarheit
Spiritueller Welpenschutz
Die »dunkle Seite der Macht«
Alles Einhorn-Konfetti? Nein, das Universum hat nicht nur darauf gewartet, uns zu Diensten zu sein
Wie sicher ist es, sich mit der geistigen Ebene zu befassen?
Gefahren, um die unsere Vorfahren noch wussten
Gesunde Grenzen ziehen
Kompromisse
Unruhige Verstorbene früher und heute
Erzürnte Naturgeister in der Umgebung
Flüche, Böser Blick, Klatsch, Gedankenpfeile & Co.
Reality-Check: Bin ich Blender-Spirits aufgesessen?
Orakel als Möglichkeit der direkten Kommunikation
Spezialisten und ganz normale Leute: Wer orakelt wann und wie?
Was fragt man ein Orakel am besten?
Womit orakeln?
Korrespondenzen & Praxis
Die vier Elemente
Die Bedeutung der sieben Planeten
Korrespondenzen der sieben Planeten
Die sieben Planetenkräfte einbeziehen
Lokale Naturkräfte – auch mal in der Ferne
Sich mit den Geistern der Elemente gut stellen
Allgemeine Ideen für Opfergaben und Geschenke
Korrespondenzen nach Themengebieten
Abschließende Gedanken
Weiterlesen und informieren
Über die Autorin
Einleitung
Die Beschäftigung mit spirituellen Wesenheiten scheint auf den ersten Blick anderen Kulturen näherzuliegen als unserer. Wir dürfen nicht vergessen, dass bei uns über viele Jahrhunderte eine Wesenheit als Himmelschef betrachtet wurde, die frei heraus erklärt, dass sie keine anderen Wesenheiten neben sich duldet. Aber wie das immer so ist mit der Theorie und der Praxis: So hatten die Menschen eben keine Götter neben diesem einen, sondern Heilige, und die große Göttin schlüpfte kurzerhand bei Maria unter den Sternenmantel.
Ein Blick zurück
Nicht nur im Volksglauben der einfachen Menschen lief einiges an Verehrung spiritueller Wesen mehr oder weniger unter der Hand weiter. Auch in der Hochmagie mit ihren Evokationen und Invokationen von Wesenheiten ging es ziemlich munter zu. Bei der alten Technik der Evokation wurden Geistwesen im Außen beschworen, bei der Invokation (wörtlich in-vocare: »hinein-rufen«) sogar in den Körper der Praktizierenden gebeten, bis dahin, dass Menschen die Gestalt eines Gottes oder einer Göttin annahmen. So unterschiedlich die äußere Form auch sein mag, diese Praktiken sind der schamanischen Besessenheitstrance nicht unähnlich.
Später im traditionellen Wicca ab den 1950ern fand sich die Technik des »Herabziehens des Mondes«, bei der die Kraft und die Botschaften der Mondgöttin durch die Hohepriesterin fließen. Auch das hat starke Ähnlichkeiten zu alten Traditionen, in denen sich die Geister und Götter zeitweise den Köper einer Person leihen, um durch sie hindurch zu sprechen und zu wirken.
Zeitlich noch vor dem Wicca erlebte der Spiritismus eine intensive Blüte und auch wenn es hier jede Menge Scharlatane gab, ist er im Kern eine ernsthafte Sache. In den beiden Weltkriegen wurden spiritistische Sitzungen häufig genutzt, um herauszufinden, ob Angehörige noch lebten. Diese Dinge waren kein Selbstzweck oder spirituelles Entertainment, sie wurden oft aus ernsthaften Beweggründen mit großer Hingabe betrieben.
Selbst eine materialistische Kultur wie unsere, in der die ursprünglichen Traditionen über viele Jahrhunderte unterdrückt wurden, fand also ihre Wege, mit anderen Wesenheiten zu arbeiten. Es scheint, dass wir einfach nicht anders können. Die geistige Seite braucht uns und wir brauchen sie. Dem gerecht zu werden war, wie bereits angesprochen, nicht immer einfach. Die alten Okkultisten mussten ihre Arbeit ins Gewand christlich-kabbalistischer Traditionen oder der antiken Philosophie hüllen. Doch selbst dann konnte schnell der Vorwurf der Ketzerei im Raum stehen.
Ganz ähnlich war es in der Spiritualität der einfachen Leute. Der heilige Petrus zum Beispiel war im Brauchtum lange Zeit ein nur knapp versteckter Donar bzw. Thor. Bis heute fällt Himmelfahrt immer auf einen Donnerstag (den Wochentag des Donar) und war im Brauchtum auf vielfältige Weise mit Ziegen, den heiligen Tieren des Gottes, verbunden. Die enge Verbindung zum Biertrinken hat sich sogar bis heute erhalten, auch wenn sich die meisten Vatertags-Feiernden dieser Hintergründe nicht mehr bewusst sind. Petrus mit dem Himmelsschlüssel oder Donar mit dem himmlischen Hammer, fürs Wetter waren sie beide zuständig, das ließ sich gut vereinen.
Hier und anderswo
Vieles zu unserem Thema hier lässt sich noch herausfinden und recherchieren, manche Bräuche werden bis heute gelebt oder erneut ins Leben gerufen. Vieles ist aber auch verloren gegangen, besonders das Wie und das Warum der alten Traditionen sind manchmal schwer zu ergründen. In Sagen, Überlieferungen und in der Brauchtumsforschung finden sich zahlreiche wertvolle Hinweise. Manchmal kann man das große Ganze dahinter erahnen, manchmal bleibt es vage.
Es macht einen Unterschied, ob man weiß, wie ein Baumgeist, ein Bergwesen oder die mächtigen Geister des Wassers angesprochen werden wollen, oder ob man es eben nicht weiß. Eine Freundin beispielsweise erzählte einem traditionellen Schamanen, dass sie ihre Opfergaben in die Mitte eines Flusses geworfen hatte, damit sie die Wassergeister gut erreichen. Der Schamane winkte ab und meinte: So lieber nicht. Stell es dir so vor, als würdest du den Flussgeistern damit von oben etwas an den Kopf werfen. Leg die Opfergaben besser am Ufer ab … Scheinbar nur ein kleines Detail, das aber einiges verändert. Wir finden solche Hinweise selten, wenn wir zu hiesigen Wegen der Verehrung von Wesenheiten recherchieren, was uns meist zu alten Büchern führt. In ihnen wurde das alte Wissen bewahrt, zum Glück, aber man kann Büchern keine Fragen stellen und sie kommen auch nicht auf einen zu und sagen: Hier machst du etwas falsch, so wird das nichts.
Wenn es um die gelebte Praxis geht, hatte ich oft das Gefühl, vor Rätseln zu stehen. Als würde ich hier und da ein paar kostbare alte Stofffetzen finden, aber um sie zu einer schönen neuen Decke zusammenzunähen, die auch wirklich wärmt, brauchte ich einen starken verbindenden Stoff, der die Fetzen halten kann. Diesen tragenden festen Stoff – um in diesem Bild zu bleiben – fand ich durch die Unterstützung von Menschen, die aus traditionellen Kulturen stammen oder eng mit ihnen zusammengelebt haben.
Denn machen wir uns nichts vor:
Auch wenn sich viele von uns spirituellen Ideen öffnen (was wunderbar ist), stehen wir am Anfang.
Anderswo werden die Menschen in Kulturen groß, in denen das Spirituelle das Normalste der Welt ist. Die Existenz von Göttern und Göttinnen, Geistwesen, Naturgeistern und einem lebendigen Universum als großem Ganzen sind dort Alltagswissen. Die Leute wachsen mit einer Kosmologie und spirituellen Konzepten auf, die sie dann tief in sich tragen. Und der vielleicht größte Unterschied zu uns: Ihre Mitmenschen teilen diese Konzepte. Spiritualität ist bei uns oft an Gefühle des Unverstandenseins gekoppelt. Man hat vielleicht Freunde, die sich ebenfalls dafür interessieren, aber sonst?
Stell dir vor, du läufst durch deinen Alltag und jeder, der dir begegnet, hat seine eigenen Schutzgottheiten. Und das nicht erst seit gestern, schon seine und auch deine Vorfahren vor vielen hundert Jahren haben sie verehrt. Deine Arbeitskollegen haben, genau wie du, einen Hausaltar, der täglich mit Blumen und duftenden Räucherungen bedacht wird. Auf dem Weg zur Arbeit kommst du an mehreren Schreinen vorbei und weil du heute ein wichtiges Gespräch hast, zündest du an einem deiner Lieblingsschreine ein Licht und ein Räucherstäbchen an. Es ist dieser eine kleine Schrein, dessen gute Geister dir bisher immer geholfen haben, sie werden es auch diesmal wieder tun.
Abends findet die jährliche Prozession zu Ehren der Schutzgottheit deiner Stadt statt. Eine Verkäuferin vom Aldi ist unter den Frauen, die Blumen streuen, deine Kinder freuen sich seit Tagen auf die Süßigkeiten, die in die Menge geworfen werden, und dein Mann hat im nächsten Jahr vielleicht die Chance, als Träger der Figur der Gottheit besonderen Segen zu erwirken. Du entdeckst deinen Hausarzt vorn unter den Fahnenträgern. Morgen hast du einen Termin bei ihm und ihr werdet sicher auch über die gelungene Prozession reden.
Du hast dir über die Göttinnen und Götter deiner Region kein Wissen anlesen müssen, sie stehen in Saft und Kraft vor dir, seit du denken kannst, als lebendige Tradition, die dir von deinen Eltern und deiner ganzen Umgebung vermittelt wurde. Du giltst nicht als esoterischer Sonderling, weil du dich mit spirituellen Dingen beschäftigst, weil das jeder in deiner Umgebung tut, die einen mehr, die anderen weniger.
Wenn du in die falsche Richtung abbiegst und in energetische Stromschnellen gerätst, gibt es erfahrene Praktikerinnen und Praktiker, die dir helfen, zurück ans sichere Ufer zu kommen. Du musst nicht auf eigene Faust rätseln, wie es im Fall von Herausforderungen besser gehen könnte. Es ist kein Problem, erfahrene Personen zu finden, die auf den ersten Blick erkennen, wo es hakt, und dir weiterhelfen können.
Wie klingt das für dich?
Wenn man diesen Blickwinkel erwähnt, kommen manchmal Argumente, wie: Ja, das mag in rückständigen Ländern vielleicht ganz nett sein, aber für uns als rationale Menschen ist das unmöglich und würde einen kulturellen Rückschritt in abergläubische Zeiten bedeuten. Doch was ist zum Beispiel mit Japan? Ein Hochtechnologie-Land, in dem niemand etwas dabei findet, an berühmten Tempelanlagen zu beten und Glücksbringer für die ganze Familie mitzubringen. Zumal immer offensichtlicher wird, wie sehr uns das spirituelle Element hierzulande fehlt. Die Liste der seelischen Leiden wächst beständig, während die Lebensumstände deutlich komfortabler sind als noch vor ein paar Jahrzehnten. Kann es sein, dass uns etwas Tiefergehendes abhandengekommen ist, das weit über äußerliche Annehmlichkeiten hinausgeht?
Wo wir mit diesem Buch einsteigen
Über die Jahre wurde mir immer klarer bewusst, an wie vielen Ecken und Enden uns – um auf dieses Bild zurückzukommen – der tragende, stabile Stoff fehlt. Einiges wurde mit Hingabe, Erfindergeist und Inspirationen der guten Geister wieder auf die Beine gestellt. Und doch fehlt viel. Der springende Punkt ist: Wir wissen noch nicht einmal, dass es fehlt. Man kann auch Älteste, die einen anleiten und korrigieren, nicht einfach aus dem Boden stampfen.
Also machte ich mich auf die Suche nach Ältesten unterschiedlicher Kulturen, die auf eine Art und Weise lehren, die authentisch ist, aber gleichzeitig auch darauf abzielt, uns mit unseren eigenen Wurzeln zu verbinden. Auf meinen Wegen konnte ich direkt von einem nepalesischen und mongolischen Lehrenden und einer Lehrerin, die eng mit der Tradition der Ultschen verbunden war, lernen. Und wer weiß, wo mich die guten Geister noch hinschicken, um mehr zu verstehen und mein Bild vom großen Ganzen zu erweitern. Aber natürlich weiß ich auch, wer ich bin und wo ich herkomme. Es bringt nichts, wenn wir blind die Traditionen von anderswo nachspielen. Um authentisch zu sein, müssen wir mit dem arbeiten, was wir sind und was uns umgibt. Dann können wir »zwischen den Kulturen« lernen.
Wie ein solches Lernen funktionieren kann? Ein traditioneller Lehrer drückte es so aus: Hinter allen Schleiern sitzt dasselbe Göttliche. Glaubt ihr wirklich, meinte er scherzhaft, im Himmel sitzen zehn verschiedene Götter nebeneinander und je nach Religion fühlt sich einer zuständig? Es gibt nur eine Quelle. Auf unserer menschlichen Ebene spielen die unterschiedlichen Traditionen eine Rolle, aber wir sollten nicht vergessen, dass wir in dasselbe Universum schauen.
Womit wir beim Sinn dieses Buches angekommen wären: Es möchte dazu anregen, unsere eigenen Traditionen wertzuschätzen und neu zu beleben. Es möchte dazu beitragen, die Löcher und Lücken in dieser »Decke« mit bewährtem Wissen zu füllen, das andere mit uns teilen.
Im Mittelpunkt stehen hier gute und verlässliche Beziehungen zu den Spirits, weil sie der Mittelpunkt einer lebendigen Spiritualität sind.
Wir hier im Westen lenken unseren Fokus schnell auf Techniken oder die verwendeten Gegenstände eines spirituellen Weges. Die erste Frage, wenn sich jemand für einen spirituellen Weg interessiert, lautet oft: Was brauche ich für Zubehör?
Natürlich hat das seine Berechtigung, aber das Wichtigste ist das Herz. Dort fangen die Beziehungen zur geistigen Welt an, die uns tragen. Man kann noch so viele spirituelle Techniken stapeln, Einweihungen hamstern und die teuersten authentischen Ritualgegenstände aus aller Welt sammeln: Ohne die Verbindung zu den Spirits ist das nur Fassade.
Es geht darum, die Leere zu füllen, und diese spirituelle Leere ist in der westlichen Welt mit Händen zu greifen. Wir werden mit dem Gedanken groß, dass die Welt aus Dingen besteht. Tote Materie, wohin man schaut. Vor nicht allzu langer Zeit hat man noch nicht einmal Tieren eine Seele zugestanden, von Pflanzen und anderen Wesenheiten der Natur ganz zu schweigen. Nachdem wir die ganze Welt für tot erklärt haben, wundern wir uns, warum uns so unbehaglich zumute ist.
Mittlerweile verstehen immer mehr Menschen die wahren Zusammenhänge und interessieren sich aufrichtig dafür. Der nächste Schritt ist die Praxis, dass wir auf greifbare, gelebte Art und Weise damit arbeiten, damit wir uns als Teil dieser lebendigen Welt auch wieder aktiv in das große Geflecht des Lebens einbringen. Damit wir sozusagen nicht mehr nur die große Zehe eintauchen, sondern mit unserem ganzen Wesen eingebunden sind.
Die Beziehungen zur spirituellen Ebene sind, wie alle anderen Beziehungen, aktives Teilnehmen am Leben. Kein Mensch lebt in einem Goldfischglas. Wir sind auf so viele Arten miteinander und mit allen nur denkbaren Wesen verbunden! Wir stecken jederzeit mittendrin im großen Ganzen. Wir müssen nur noch aufwachen und uns dessen bewusst werden.
Gedanken, Hinweise und Herangehensweisen dazu liefert dieses Buch. Es behandelt damit ein großes Thema mit vielen Facetten. Damit wir uns nicht verzetteln, habe ich die Dinge in den Mittelpunkt gestellt, an die wir hierzulande authentisch und gut anknüpfen können. Suche und finde, was dich ruft. Hier zu lesen, ist vielleicht der Beginn einer lebenslangen Entdeckungsreise.
Kurz zu Begriffen und Formulierungen
Zunächst ein Wort zu den Geschlechtsbezeichnungen: Ich verwende der Einfachheit und Lesbarkeit halber abwechselnd mal das eine und mal das andere Geschlecht, wenn bestimmte Rollen von beiden Geschlechtern ausgeübt wurden und werden.
Zu den Begriffen wie Geist, Wesen, Gott, Spirit und so weiter: Wir schauen uns die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Geistwesen in diesem Buch natürlich genau an. Ich benutze abwechselnd verschiedene Begriffe, um sie zu bezeichnen, weil es sich schnell eintönig liest, wenn ich immer nur von »Wesenheiten« rede. Für unser Empfinden stehen Gottheiten oft eine Etage über den Spirits, aber streng genommen sind sie eine Erscheinungsform von bewusster Energie unter vielen – so gesehen sind auch sie Spirits. Um unserer hiesigen Denkweise Rechnung zu tragen, benutze ich das Wort Gottheiten, wenn direkt sie gemeint sind.
Verhältnismäßig selten verwende ich das Wort »Geister«, weil wir dabei schnell alle möglichen lustigen Ideen im Kopf haben, die mit dem Eigentlichen wenig zu tun haben. Vermutlich wäre für die meisten, die in unserer Kultur groß geworden sind, eine Beschreibung wie »Energie mit Bewusstsein in verschiedenen Größenklassen und Ausprägungen« am leichtesten zu fassen. Wir sind manchmal ganz schöne Kopftierchen – in gewisser Weise sind das die Geister, die uns am nächsten sind.
So viele Wesenheiten – und du mittendrin
Die Arbeit mit Wesenheiten ist das Herz so gut wie aller spirituellen Wege. Und auch bei uns fragen sich immer mehr Menschen: Wenn ich zum Beispiel meine Wünsche ins Universum sende, wer hört sie dann eigentlich? Wer oder was sind die Kräfte, die darauf reagieren? In welchen Beziehungen stehen sie zu mir und zueinander? Gibt es eine Systematik dahinter - und wenn ja, wie sieht sie aus?
Lass uns solche Themen genauer betrachten.
Warum mit Wesenheiten arbeiten?
Solche Fragen beschäftigen uns Menschen seit uralten Zeiten: Wer sind diese unsichtbaren Anderen im großen Spiel des Lebens und wie kann man mit ihnen umgehen? Wie und wo fließen ihre Energien, wie gehen sie ineinander über? Welche Kräfte sind miteinander verträglich und welche gegensätzlich?
Sich etwas beim Universum zu wünschen, gilt in »fortgeschrittenen« spirituellen Kreisen als oberflächliche Mainstream-Spiritualität. Darüber kann man streiten. Ich finde, dass sich etwas ganz Wesentliches in dieser Praxis wiederfindet, nämlich das alte Wissen darum, dass alle Dinge miteinander verbunden sind. Die alten Germaninnen bezeichneten dieses alles verbindende Netz des Lebens als Wyrd, als »das, was wird«.
Dieses Netz des Lebens ist keine anonyme Energieautobahn. Es lebt, denn es ist das Leben. Und was lebt und wirkt, das hat auf die eine oder andere Art auch eine Persönlichkeit (wir werden bei den Seelenbegriffen noch dazu kommen). Wenn wir in diesem Zusammenhang von Energie reden, geht es also um Kräfte mit Bewusstsein. Das ist gerade in unserem Kulturkreis eine gedankliche Herausforderung. Schnell steht man vor Fragen wie: Bilde ich mir dieses mögliche Gegenüber nur ein oder ist es Realität? Wie kann ich herausfinden, was eher meiner Fantasie entspringt und was wirklich Hand und Fuß hat? Manchmal sind da auch Bedenken: Wenn ich anfange, mit Geistwesen zu arbeiten, öffne ich damit vielleicht die sprichwörtliche Büchse der Pandora und ziehe Dinge an, die ich gar nicht in meinem Leben haben möchte?
Das sind wichtige und berechtigte Fragen und wir werden sie in diesem Buch näher beleuchten, denn viele hegen den Herzenswunsch, tiefer in diese Materie einzusteigen. Die unverbindliche Konsumkultur à la »Manifestieren Sie schnell all Ihre Wünsche« macht eben nicht wirklich satt. Es geht um mehr als nur Unterstützung in Krisenzeiten oder in den Wechselfällen des Lebens. Es geht darum, getragen zu werden und jeden Tag diesen Halt zu spüren.
Es geht darum, nicht durch ein kaum durchdrungenes Netz der Möglichkeiten zu kullern, sondern zu wissen, wo wir hingehören und wer uns verlässlich zur Seite steht, und damit eine allgemeine Standfestigkeit im Leben zu entwickeln, mit der uns so schnell nichts umhaut.
Nach spirituellem Verständnis befinden wir uns ohnehin mittendrin im großen Netz, im Wyrd. Die Frage ist, ob wir bewusst damit umgehen oder uns von den Umständen hin und her werfen lassen. Wollen wir ewig im rationalen Kopf bleiben und das große Netz des Lebens zwar immer mal erahnen, aber bestenfalls die besagte große Zehe in dieses Thema eintauchen? Oder wollen wir uns auf die Kräfte der Natur einlassen – eben auch auf ihre subtilen Kräfte – und das Leben vollumfänglich bewusst gestalten?
Kopf und Herz oder Seele schließen einander dabei nicht aus. Der rationale Kopf braucht das spirituelle Empfinden der Seele als Ausgleich, genau wie die Seele die klugen Gedanken des Kopfs braucht. Es geht bildlich gesprochen darum, nicht mehr auf einem Bein durchs Leben zu hopsen, sondern gut ausbalanciert mit beiden Beinen zu gehen. Dann wirft uns so schnell nichts um.
Geisterbeschwörung ist alltäglich – wir nennen es bloß nicht so
Normalerweise scheint die archaische Welt der Geisterbeschwörung ziemlich weit weg von unserem Alltag zu sein. Möglicherweise ist das aber nur eine Frage des Blickwinkels. Nehmen wir zum Beispiel Musik und Performance, die seit den ersten Schamaninnen und Animisten zur menschlichen Kultur gehören, um Geister zu beschwören, Stimmungen zu fördern und den Geist empfänglich für eine bestimmte Form von Energie zu machen.
Heute passiert das Ganze meist über Bühnenshows mit allem Drum und Dran. Ich sehe da wenig Unterschied zu den traditionellen Geisterbeschwörungen, außer dass das Heilige (in dem Fall die Musik) auch hier mittlerweile hochkommerziell ist und seine heilenden Aspekte eher diffus in Richtung tröstender Liebessongs und Ähnlichem gehen. Niemand wird bestreiten, dass bei einem Konzert von Rihanna eine andere Energie beschworen wird als beim deutschen Schlager. Taylor Swift oder Depeche Mode – alles nur eine Frage der Energie. Die Menschen gehen zu Konzerten, weil sie in einer bestimmten Energie baden und sie in sich aufnehmen wollen. Das Image einer Band oder eines Stars (inklusive »schamanischer« Verkleidung in Form des typischen Looks der Performer) ist die visuelle Beschreibung der Geister, die sie mit ihrer Musik beschwören.
Auch die Erfahrungen, die Künstler machen, sind in gewisser Weise ähnlich tiefgreifend wie die von Schamanen. Über Jimmy Page von Led Zeppelin ist beispielsweise bekannt, dass er bei einem Konzert bis zu zwei Kilo Gewicht verloren hat. Anschließend war er einerseits ausgelaugt und andererseits so aufgedreht, dass er Stunden gebraucht hat, um wieder runterzukommen – ein Phänomen, von dem viele Künstler berichten. Die Energie der Masse, die während der Konzerte zu ihnen auf die Bühne strömt, kann einerseits süchtig machen, ist andererseits aber nicht leicht auszuhalten.
Viele Schamaninnen werden nach einer großen Performance mit Trommel sofort von ihren Helfern abgeschirmt, um sich erholen zu können. Fragen können frühstens am nächsten Tag gestellt werden. Auch wenn sich die Performance heutiger Musiker selten an eine einzelne Person oder Familie richtet, um zu heilen oder Dinge in Erfahrung zu bringen, bewegen sie etwas in den Leuten. Fast jeder hat bestimmte Stilrichtungen oder Künstler, deren Musik ihn wieder aufbaut, wenn es ihm gerade nicht so gut geht.
Die Musik ist nur ein Beispiel unter vielen. In der Kunst, aber auch in der Werbung finden sich viele Methoden, mit Bildern, Emotionen und Stimmungen einen gewünschten Effekt zu erzielen. Auch wenn die Absichten nicht tiefgründig sind, geht es dabei letztendlich um die Beschwörung und Lenkung von Energie, und wenn’s nur zu dem Zweck ist, das Geld der Kundinnen in die Taschen eines Kosmetikkonzerns zu leiten. Dir würden dazu interessantere Dinge einfallen? Dann lass uns weitergehen und ein paar grundsätzliche Begriffe unter die Lupe nehmen.
Ein weites Feld: Schamanismus, Animismus, Spiritismus, Geisterglaube
Es gibt unterschiedliche spirituelle Wege, die den Themenbereich dieses Buches streifen, sodass ein kleiner Überblick nicht schadet. Da wäre zuerst der Animismus, also der Glaube, dass alles im Universum auf seine eigene Art und Weise beseelt und lebendig ist. Er wird oft als erste Religion der Menschheit bezeichnet. Dabei ist »auf eigene Art und Weise« entscheidend: Wir Menschen werden uns in einen Stein vermutlich niemals so ganz hineindenken können.
Auch die Moderne ist für diese Weltanschauung kein Hindernis. In Japan kommt schon mal der Shinto-Priester, wenn die Großrechneranlage unerklärliche Mucken macht. Die Ultschen am Amur-Fluss sehen in den Stromleitungen die »elektrischen Leute« am Arbeiten und das nicht, weil sie nicht verstehen würden, was Strom ist, sondern weil sie neben den physikalischen Phänomenen immer auch die geistige Ebene sehen.
Sie haben eine 8000 Jahre alte Tradition in der Arbeit mit Geistern. Wer sollte hier also von wem lernen?
Wir Westler stolpern in diesem Zusammenhang oft über unsere tief verinnerlichte Trennung von Geist und Materie. Hier ist das Heilige und dort der Alltag. Auf dieses Thema werden wir noch öfter im Buch zurückkommen, weil es wichtig ist, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Man kann leider nicht einfach vom Kopf her beschließen, es von nun an anders zu machen. Die Vorstellung von toter Materie ist tief in unserer kulturellen DNA verankert und es braucht ein paar Anläufe, bis man dem Leben aus tiefstem Herzen mehr Facetten zugestehen kann.
Du kannst es auch als verschiedene Ebenen derselben Situation betrachten, so wie es beispielsweise die isländische Elfenbeauftragte Erla Stefansdottir beschrieben hat: Die Ebene der Geistwesen ist wie ein anderer Kanal im Radio, den man wählt. Wenn man seine Antennen nicht darauf ausrichtet, könnte man denken, es gäbe ihn gar nicht, aber sobald man auf Empfang ist, kommen die Signale deutlich an.
Der Animismus geht zudem davon aus, dass nicht nur sicht- und greifbare Phänomene beseelt sein können. Sonst würde es keinen Ahnenglauben geben, der in diesen Traditionen besonders gepflegt wird. Die Verstorbenen wären mit ihrem Ableben einfach verschwunden, worauf das materialistische Weltbild ungeachtet unzähliger anderslautender Erfahrungen beharrt. Gerade die Beseeltheit bringt es mit sich, dass eben jene Seele nach dem Tod zu neuen Abenteuern weiterzieht.
Der Begriff des Schamanismus wird mittlerweile nicht mehr so lose verwendet, wie das früher üblich war. Vor nicht allzu langer Zeit hat man alles in diesen Topf geworfen, was irgendwie mit Geistwesen und Natur zu tun hatte. Mittlerweile sieht die Forschung deutliche Unterschiede und nicht zuletzt werden die Stimmen der indigenen Praktizierenden endlich selbst gehört. Der bis heute zum Thema viel zitierte Forscher Mircea Eliade hat zum Beispiel in seinem ganzen Leben keinen einzigen Schamanen gesehen, geschweige denn mit einem gesprochen.
Schamanismus wird nun deutlich klarer gesehen. Er umfasst Traditionen, in denen manche Menschen von Geistwesen zum Vermittler auserwählt wurden. Diese Menschen können geistige Reisen unternehmen und werden bei Bedarf von ihren verbündeten Geistwesen in Besitz genommen (Besessenheitstrance), die auf diese Weise durch sie hindurch arbeiten. Diese Geistwesen sind in den meisten Fällen die Geister früherer Schamaninnen und Schamanen.
Dabei teilt der Schamanismus die animistische Weltsicht. Man kann also Animist sein, ohne schamanisch zu wirken, aber kein Schamane sein ohne Animismus. Übrigens ist nicht eines besser als das andere. Wir sind so sehr an den unscharf definierten Begriff des Schamanismus gewöhnt, dass viele annehmen, das wäre das große Ziel, da geht es auf jeden Fall hin, wenn man mit guten Geistern arbeiten will. Doch der Schamanismus ist nur eine animistische Tradition unter vielen und sie alle haben ihren Wert und ihre Kraft.
Der Spiritismus befasst sich vor allem mit der Arbeit mit Geistern von Verstorbenen. In dieser Hinsicht steht er dem klassischen Schamanismus nahe, denn im klassischen Schamanismus arbeiten wie gesagt vor allem die Geister schamanischer Ahnen durch die Praktizierenden hindurch. Es gibt auch Tier- und Naturgeister, aber im Gegensatz zum westlichen Neoschamanismus sind traditionell meist die Ahnen die entscheidende Quelle der Kraft, was erklärt, warum schamanische Begabung meist Familienlinien folgt.
Ich denke, wir mussten hierzulande auf Natur- und Tiergeister ausweichen, weil genau diese Ahnen bei uns fehlen. Wir haben eben keine Schamaninnen-Großmutter und keinen Schamanen-Urgroßonkel, die nach dem Tod rituell eingebunden wurden, sodass sie später geistig durch uns hindurch wirken können. Wieder bei der Natur anzufangen war da nur folgerichtig.
Auch im Spiritismus gibt es Formen der (kompletten oder teilweisen) Übernahme des Körpers des Mediums durch die geistige Welt, wodurch Botschaften hörbar gemacht oder über das »automatische Schreiben« und Ähnliches offenbart werden können. Ähnlich wie im Schamanismus dreht sich diese Arbeit um Heilung und Balance. Allerdings muss ein Spiritist nicht unbedingt an Naturgeister glauben.
Umgekehrt ist der klassische Schamanismus ausgesprochen vorsichtig, wenn es um die Zusammenarbeit mit (kürzlich) Verstorbenen geht. Das erinnert an alte germanische Vorstellungen, nach denen man Angst hatte vor Verstorbenen, die nicht loslassen und sich an die Lebenden heften, um durch sie hindurch weiter an der Welt der Lebenden teilhaben zu können, was die Lebenskraft der Betroffenen schwächt. Wer ernsthaft Spiritismus betreiben will, tut also gut daran, von erfahrenen Personen zu lernen.
Geistwesen-Klassen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Gottheiten, Geistwesen und anderen
Geistwesen in unterschiedliche Klassen zu unterteilen ist nie ganz einfach. Es fühlt sich ein bisschen so an, als wollte man eine Wolke mit einem Lineal vermessen. Trotzdem brauchen wir etwas zum Anfassen, wenigstens einen Umriss, denn verschiedene Größenklassen und Einflussbereiche gibt es durchaus und die liegen oft ganz wörtlich in der Natur der Sache.
Nicht jede Wesenheit kann in jedem Bereich wirken. Der Geist eines Berges kann durchaus auch an anderen Orten zu Hilfe kommen (oder jemandem, wenn er verstimmt ist, eine Lektion erteilen), aber er wohnt primär in genau dem Berg, dessen geistig-materielle Dimension er durchwirkt. Eine Liebesgöttin wirkt im Bereich der Liebe, jemand wie Thor beherrscht das Wetter und schlägt sich mit den Kräften der Riesen herum. Wobei er selbst zur Hälfte Riese ist, was zeigt, wie fließend diese Dinge sein können. Einem Gott des Handels und der schnellen Kommunikation, wie Merkur, sollte man nicht mit melancholischem Tiefgang kommen.
In Japan kennt man den Ausdruck kami, der Gottheiten, aber auch lokale Naturgeister oder die Seelen von Verstorbenen umfasst. Zudem gehört alles dazu, was ein starkes Gefühl in uns weckt, wie große Freude, Angst, einen Schreck oder emotionale Ergriffenheit. Das ist eine runde Sicht der Dinge, denn letztendlich geht es um bewusste Energie in verschiedenen Ausprägungen und Größen, die für uns unterschiedlich relevant sein kann.
Nicht immer müssen zum Beispiel die großen Göttinnen die richtigen Ansprechpartnerinnen sein. Aus der Geschichte weiß man, dass so etwas im nordischen Kulturkreis sehr praxisbezogen gesehen wurde. So erklärt der britische Archäologe Neil Price in Bezug auf Magie und Mentalität der Wikinger, dass für die Menschen die Naturgeister rund um ihr Gehöft wichtiger sein konnten als die großen Götter. Es kam (und kommt) immer darauf an, wie man lebt und was im eigenen Leben wichtig ist.
Da gibt es zum Beispiel die überlieferte Geschichte einer Völva, die erfolgreich den Spirit der Heringsschwärme zurück in einen Fjord ruft, damit die Menschen wieder etwas zu fischen haben, was ihre Lebensgrundlage war. Alles ist auf seine Art wichtig. Die Menschen brauchten in diesem Moment eben nicht den großen Thor oder die strahlende Freya, sondern einen wohlgesonnenen Herings-Spirit.
Wir neigen aufgrund unserer kulturellen Prägung dazu, entweder die eine große Kraft suchen zu wollen, die alles für uns regeln kann, oder ein Pantheon von Göttern im Blick zu haben, wie man es aus der klassischen Antike kennt. Die klassische Antike war aber auch noch um einiges vielfältiger, damals wusste man neben den Göttern um jede Menge Naturgeister auf unterschiedlichen Ebenen.
Wenn wir auf die nordische Gedankenwelt der Wikingerzeit zurückkommen, gab es nach Neil Price im Wesentlichen die Asen und die Wanen als Göttergeschlechter und dazu sechs Geistwesen-Klassen:
Diener der Götter (wie Odins Raben Hugin und Minin, Freyas Katzen oder Thors Ziegen);
Wesenheiten von kosmischer Dimension, wie die Nornen, die über allem stehen;
Riesen als Urkräfte der Natur und Vorgänger der Götter;
lokale Naturgeister wie Trolle, Zwerge und Elfen;
Geister, wie die Disen, die magiekundigen Personen zur Verfügung stehen;
Geister des Menschen, wie Fylgjur, Harmingjur, Hamr und Hugr, die bezüglich des Glücks auf dem Lebensweg, dem Schicksal eines Menschen und als Schutzgeister eine Rolle spielen. Auch Verstorbene fallen in diese Kategorie, beispielsweise als Draugr, als unruhige Tote und Wiedergänger, die wir heute als erdgebundene Seelen oder Ähnliches bezeichnen würden.
Obendrein konnten die Übergänge ziemlich fließend sein, so ist Freyas Bruder Freyr auch als Elfenkönig bekannt und die Wanen als ältere Naturgötter stehen generell den Naturwesenheiten sehr nahe.
Das ist nur ein mythologisches Beispiel unter vielen und es zeigt, dass man nicht versucht hat, am Reißbrett ein bestimmtes System zu entwerfen. Man hat die Natur und das Leben beobachtet und daraus Schlüsse darauf gezogen, welche Kräfte am Werk sein müssen. Der Grundgedanke dahinter ist, dass alles auf seine Art belebt ist und seine eigene Art hat zu wirken. Götter und Wesenheiten sind nicht erfunden, sondern gefunden. Jeder, der in ihren Wirkkreis kommt, erfährt sie.
Man könnte damit auch sagen, dass Götternamen Bezeichnungen für bestimmte Lebensthemen und Kräfte sind.
Den meisten ist heutzutage der Schutzengel geläufig, wobei Engel deutlich älter sind als unsere kirchlichen Vorstellungen davon, das ursprüngliche griechische Wort angelos bedeutet einfach nur »Bote«.
Auch die Geister von Verstorbenen und die Ahnen spielen eine wichtige Rolle, wobei die Ahnen älter sind. Sie sind die kollektive Kraft der geläuterten Vorfahren, während die Verstorbenen oft noch nicht lange gegangen sind. Mit Verstorbenen arbeitet man eher, um alte Konflikte und energetische Verstrickungen zu lösen und ihnen ein gutes Weiterziehen zu ermöglichen. Sie haben in gewisser Weise noch mit sich zu tun und werden erst später zu Ahnen, die man um Rat fragen kann.
Wobei die klassische Ahnenverehrung durchaus mehrdeutig ist. Da schwingen nicht nur Liebe und Unterstützung mit. In traditionellen Kulturen gibt es auch den Aspekt, dass man sie beschwichtigen will und sich mit ihnen gut stellen möchte. Erzürnte oder vergessene Ahnen gelten als gefährlich und können die Quelle vieler Leiden sein, die sich erst legen, wenn die Ahnen wieder auf angemessene Weise in die Welt der Lebenden einbezogen werden. Ein Gedanke, der sicher auch in unserer Kultur eine Überlegung wert ist.
Das Konzept der vergöttlichten Ahnen kennt man auf der ganzen Welt. Herausragende Personen wurden auch nach dem Tod um Hilfe gebeten. Wenn sie diese gewährt haben, wurden die Anfragen häufiger und mit der Zeit bekamen sie den Status von Gottheiten. Der westafrikanische Shango war ein König, der auf diese Weise zum Orisha wurde (eine Mittlergottheit zum höchsten Göttlichen). Auch Jesus passt gut in das Konzept der vergöttlichten Ahnen, genau wie die Heiligen, die eine Art Halbgott-Status haben.
Daneben finden sich die Elfen und Naturgeister als Kräfte der Natur. Auch die Herrengeister von Orten spielen eine wichtige Rolle. In Bezeichnungen wie Vater Rhein finden wir bis heute Anklänge daran, dass unsere Beziehungen zur Natur nicht immer unpersönlich waren. Herrengeister oder Herrinnengeister sind die »Leute«, die für ein Gebiet oder eine bestimmte Sache zuständig sind, sie können sowohl männlich als auch weiblich sein. Das ist ein Konzept, das bei uns oft übersehen wird, dabei kennen wir es vom Gefühl her ebenfalls. Nehmen wir nur das Lebensgefühl, das man mit bestimmten Städten verbindet, wie Paris, Berlin, London oder Los Angeles.