Immensee (Ein Meisterwerk des poetischen Realismus) - Theodor Storm - E-Book

Immensee (Ein Meisterwerk des poetischen Realismus) E-Book

Theodor Storm

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Beschreibung

Immensee, ein Werk des renommierten Autors Theodor Storm, präsentiert sich als ein beeindruckendes Beispiel poetischen Realismus. In dieser Novelle erzählt Storm die Geschichte von Elisabeth und Reinhard, die sich in ihrer Kindheit in Immensee treffen und Jahre später wiederbegegnen. Der Autor fängt mit subtiler Sprache die emotionalen Konflikte und Sehnsüchte der Protagonisten ein, während er gleichzeitig die natürliche Schönheit der Umgebung beschreibt. Storms einfühlsamer Stil und seine Fähigkeit, die menschliche Psyche präzise zu erkunden, machen Immensee zu einem Meisterwerk der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. Theodor Storm, ein bekannter deutscher Autor des 19. Jahrhunderts, war selbst Jurist und verbrachte einen Großteil seines Lebens in Schleswig-Holstein. Seine Erfahrungen mit der norddeutschen Landschaft und seiner eigenen romantischen Enttäuschung spiegeln sich in seinem Werk wider. Als Vertreter des poetischen Realismus setzte Storm sich kritisch mit der Gesellschaft seiner Zeit auseinander und schuf literarische Werke von zeitloser Schönheit und Tiefe. Für Liebhaber der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts ist Immensee von Theodor Storm ein absolutes Muss. Diese bewegende Novelle lädt den Leser ein, sich in die Welt der Protagonisten zu vertiefen und bietet einen tiefgreifenden Einblick in die menschliche Natur und die Macht der Erinnerung.

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Seitenzahl: 48

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Theodor Storm

Immensee

(Ein Meisterwerk des poetischen Realismus)

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-7583-474-4

Inhaltsverzeichnis

Der Alte
Die Kinder
Im Walde
Da stand das Kind am Wege
Daheim
Ein Brief
Immensee
Meine Mutter hat’s gewollt
Elisabeth
Der Alte

Der Alte

Inhaltsverzeichnis

An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter, wohlgekleideter Mann langsam die Straße hinab. Er schien von einem Spaziergang nach Hause zurückzukehren; denn seine Schnallenschuhe, die einer vorübergegangenen Mode angehörten, waren bestäubt. Den langen Rohrstock mit goldenem Knopf trug er unter dem Arm; mit seinen dunkeln Augen, in welche sich die ganze verlorene Jugend gerettet zu haben schien und welche eigentümlich von den schneeweißen Haaren abstachen, sah er ruhig umher oder in die Stadt hinab, welche im Abendsonnendufte vor ihm lag. – Er schien fast ein Fremder; denn von den Vorübergehenden grüßten ihn nur wenige, obgleich mancher unwillkürlich in diese ernsten Augen zu sehen gezwungen wurde. Endlich stand er vor einem hohen Giebelhause still, sah noch einmal in die Stadt hinaus und trat dann in die Hausdiele. Bei dem Schall der Türglocke wurde drinnen in der Stube von einem Guckfenster, welches nach der Diele hinausging, der grüne Vorhang weggeschoben und das Gesicht einer alten Frau dahinter sichtbar. Der Mann winkte ihr mit seinem Rohrstock. »Noch kein Licht!« sagte er in einem etwas südlichem Akzent; und die Haushälterin ließ den Vorhang wieder fallen. Der Alte ging nun über die weite Hausdiele, dann durch einen Pesel, wo große Eichschränke mit Porzelanvasen an den Wänden standen; durch die gegenüberstehende Tür trat er in einen kleinen Flur, von wo aus eine enge Treppe zu den oberen Zimmern des Hinterhauses führte. Er stieg sie langsam hinauf, schloß oben eine Tür auf und trat dann in ein mäßig großes Zimmer. Hier war es heimlich und still; die eine Wand war fast mit Repositorien und Bücherschränken bedeckt; an der anderen hingen Bilder von Menschen und Gegenden; vor einem Tische mit grüner Decke; auf dem einzelne aufgeschlagene Bücher umherlagen, stand ein schwerfälliger Lehnstuhl mit rotem Sammetkissen. – Nachdem der Alte Hut und Stock in die Ecke gestellt hatte, setzte er sich in den Lehnstuhl und schien mit gefalteten Händen von seinem Spaziergange auszuruhen. – Wie er so saß, wurde es allmählich dunkler; endlich fiel ein Mondstrahl durch die Fensterscheiben auf die Gemälde an der Wand, und wie der helle Streif langsam weiter rückte, folgten die Augen des Mannes unwillkürlich. Nun trat er über ein kleines Bild in schlichtem, schwarzen Rahmen. »Elisabeth!« sagte der Alte leise; und wie er das Wort gesprochen, war die Zeit verwandelt – er war in seiner Jugend.

Die Kinder

Inhaltsverzeichnis

Bald trat die anmutige Gestalt eines kleinen Mädchens zu ihm. Sie hieß Elisabeth und mochte fünf Jahre zählen; er selbst war doppelt so alt. Um den Hals trug sie ein rotseidenes Tüchelchen; das ließ ihr hübsch zu den braunen Augen.

»Reinhard!« rief sie. »Wir haben frei, frei! Den ganzen Tag keine Schule und morgen auch nicht.«

Reinhard stellte die Rechentafel die er schon unterm Arm hatte, flink hinter die Haustür, und dann liefen beide Kinder durchs Haus in den Garten und durch die Gartenpforte hinaus auf die Wiese. Die unverhofften Ferien kamen ihnen herrlich zustatten. Reinhard hatte hier mit Elisabeths Hilfe ein Haus aus Rasenstücken aufgeführt; darin wollten sie die Sommerabende wohnen; aber es fehlte noch die Bank. Nun ging er gleich an die Arbeit; Nägel, Hammer und die nötigen Bretter lagen schon bereit. Währenddessen ging Elisabeth an dem Wall entlang und sammelte den ringförmigen Samen der wilden Malve in ihre Schürze; davon wollte sie sich Ketten und Halsbänder machen; und als Reinhart endlich trotz manches krumm geschlagenen Nagels seine Bank dennoch zustande gebracht hatte und nun wieder in die Sonne hinaustrat, ging sie schon weit davon am anderen Ende der Wiese.

»Elisabeth!« rief er. »Elisabeth!« Und da kam sie und ihre Locken flogen. »Komm«, sagte er, »nun ist unser Haus fertig. Du bist ja ganz heiß geworden; komm herein, wir wollen uns auf die neue Bank setzen. Ich erzähl’ die etwas.«

Dan gingen sie beide hinein und setzten sich auf die neue Bank. Elisabeth nahm ihre Ringelchen aus der Schürze und zog sie auf lange Bindfäden; Reinhard fing an zu erzählen: »Es waren einmal drei Spinnfrauen…«

»Ach«, sagte Elisabeth, »das weiß ich ja auswendig; du mußt auch nicht immer dasselbe erzählen.«

Da mußte Reinhart die Geschichte von den drei Spinnfrauen steckenlassen, und statt dessen erzählte er die Geschichte von dem armen Mann, der in die Löwengrube geworfen war. »Nun war es Nacht«, sagte er, »weißt du, ganz finstere, und die Löwen schliefen. Mitunter aber gähnten sie im Schlaf und reckten die roten Zungen aus; dann schauderte der Mann und meinte, daß der Morgen komme. Da warf es um ihn her auf einmal einen hellen Schein, und als er aufsah, stand ein Engel vor ihm. Der winkte ihm mit der Hand und ging dann gerade in die Felsen hinein.«

Elisabeth hatte aufmerksam zugehört. »Ein Engel?« sagte sie. »Hatte er denn Flügel?«

»Es ist nur so eine Geschichte«, antwortete Reinhart, »es gibt ja gar keine Engel.«

»O pfui, Reinhart!« sagte sie und sah ihm starr ins Gesicht. Als er sie aber finster anblickte, fragte sie ihn zweifelnd: »Warum sagen sie es denn immer? Mutter und Tante und auch in der Schule?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete er.

»Aber du«, sagte Elisabeth, »gibt es denn auch keine Löwen?«

»Löwen? Ob es Löwen gibt! In Indien; da spannen die Götzenpriester sie vor den Wagen und fahren mit ihnen durch die Wüste. Wenn ich groß bin, will ich einmal selber hin. Da ist es vieltausendmal schöner als hier bei uns; da gibt es gar keinen Winter. Du mußt auch mit mir. Willst du?«

»Ja«, sagte Elisabeth, »aber Mutter muß dann auch mit und deine Mutter auch.«