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In seinen Kurzgeschichten vermag Tschechow Momentaufnahmen aus dem Leben zu skizzieren und so eindrücklich und lebhaft zu vermitteln, dass der Leser sich in die verschiedensten Lebenssituationen und Menschen im Russland des späten 19. Jh. versetzt sieht. Bei Tschechow kommen Charaktere jeder sozialen Schicht und Berufsgruppe, jeden Alters und jeder Lebenslage zu Wort - der studierte Arzt schöpft dabei aus seinem Umgang mit Patienten und seinen zahlreichen Reisen.
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Seitenzahl: 299
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ANTON PAWLOWITSCH TSCHECHOW(1860–1904) wurde in Taganrog geboren und wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf. Aufgrund eines Stipendiums konnte er 1879 ein Medizinstudium in Moskau aufnehmen, das er 1884 abschloss. Mit Beginn seines Medizinstudiums widmete er sich auch intensiv seiner schriftstellerischen Tätigkeit und veröffentlichte Humoresken, Kurzgeschichten und Miniaturen in diversen Zeitschriften – zunächst meist unter dem Pseudonym »Antoscha Tschechonté«. Trotz seines Studiums war er als Arzt fast ausschließlich ehrenamtlich tätig – seine Haupteinnahmequelle war die Schriftstellerei. Weltweites Ansehen erlangte er neben seinen zahlreichen Kurzgeschichten vor allem durch seine Bühnenstücke wie Der Kirschgarten, Onkel Wanja, Die Möwe und Die Drei Schwestern. Er starb 1904 im Schwarzwald-Kurort Badenweiler an den Folgen seiner langjährigen Tuberkuloseerkrankung.
Zum Buch
In seinen Kurzgeschichten vermag Tschechow Momentaufnahmen aus dem Leben zu skizzieren und so eindrücklich und lebhaft zu vermitteln, dass der Leser sich in die verschiedensten Lebenssituationen und Menschen im Russland des späten 19. Jahrhunderts versetzt sieht. Bei Tschechow kommen Charaktere jeder sozialen Schicht und Berufsgruppe, jeden Alters und jeder Lebenslage zu Wort – der studierte Arzt schöpft dabei aus seinem Umgang mit Patienten und seinen zahlreichen Reisen. Neben einer Auswahl an Humoresken der frühen 1880er Jahre, in denen man den typisch scherzhaften Ton Tschechows antrifft, sind auch tragische und dramatische Erzählungen seiner späteren Schaffensphase vertreten und geben einen Einblick in die Facetten seines literarischen Werkes.
Anton Tschechow schrieb nicht einen großen russischen Roman à la Tolstoi oder Dostojewski – er schrieb über 250 kleine Erzählungen und beherrschte die Kunst der Kurzgeschichte wie kaum ein anderer. Er gilt damit zu Recht als Meister der russischen Short Story. Dem scherzhaft-ironischen, elegant-klaren Stil seiner Miniaturen, Anekdoten und Alltagsbeobachtungen, dem typischen »Tschechow-Ton«, liegt die unterhaltsame und doch bedeutungsreiche Leichtigkeit besonders seines frühen Erzählwerks zugrunde. Hauptberuflich tätig als Arzt, nutzte er die Erfahrungen im Umgang mit seinen Patienten für seinen zweiten Beruf, den er nicht minder leidenschaftlich ausübte: »Die Medizin ist meine gesetzliche Ehefrau, die Literatur – meine Geliebte. Wenn mir die eine auf die Nerven fällt, nächtige ich bei der anderen. Das ist meinetwegen unanständig, aber dafür nicht langweilig.«
»Einer der wenigen Schriftsteller, die man, ähnlich wie Dickens oder Puschkin, immer wieder von neuem Leben kann.« Lew Tolstoi
Anton Tschechow
In der Sommerfrische
Anton Tschechow
Meistererzählungen
Aus dem Russischen übersetztvon Alexander Eliasberg und Wladimir Czumikow
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014Der Text wurde behutsam revidiert nach den Ausgaben München 1920, Leipzig 1901 und 1910 Redaktion: Anna Schloss, marixverlag Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH Hamburg Berlin Bildnachweis: © Heidrun Gellrich/fotolia eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0466-0
www.verlagshaus-roemerweg.de/Marix/
»Keine Literatur kann in puncto Zynismus das wirkliche Leben übertreffen.«
Anton Pawlowitsch Tschechow
IN SEINEM KLEINEN KOPF ISTEINE EIGENE WELT
Eine Bagatelle
Grischa
Zu Hause
Die Jungens
EIN SCHÖNES LEBEN HABEN WIR!
In der Sommerfrische
Der Redner
Ein Glücklicher
Eine schreckliche Nacht
Der Gast
Der Dicke und der Dünne
Aus dem Regen in die Traufe
Das Drama
Mnemotechnik
GEDANKEN AN GLÜCK,GESPRÄCHE ÜBER LIEBE
Die Dame mit dem Hündchen
Agafja
Ohne Auslagen
Was Fräulein N.N. erzählt
DAS INDIVIDUUM NIMMT PLATZ
Plappertasche
Ein bekannter Herr
Der Dramatiker
Die letzte Mohikanerin
Eine Schutzlose
GESCHICHTEN IN GRAU
Wolodja
Der Typhus
Gram
DER MENSCH DENKT UND GOTT LENKT
Die Verleumdung
In den Chambregarnies
Der böse Knabe
Ein Chamäleon
Der Orden
Die Rache
Misslungen
Nikolai Iljitsch Beljajew, ein Petersburger Hausbesitzer und Turfbesucher*, ein wohlgenährter, rosiger junger Mann von etwa zweiunddreißig Jahren, kam eines Spätnachmittags zu Frau Olga Iwanowna Irnina, mit der er ein Verhältnis, oder, wie er es zu nennen pflegte, einen langen und langweiligen Roman hatte. Und in der Tat: die ersten interessanten und begeisterten Kapitel dieses Romans waren durchgelesen; und die Seiten, die nun folgten, zogen sich in die Länge, ohne etwas Neues oder Interessantes zu bieten.
Olga Iwanowna war nicht zu Hause, und unser Held legte sich in Erwartung aufs Sofa im Salon.
»Guten Abend, Nikolai Iljitsch!«, erklang eine Kinderstimme. »Die Mama kommt gleich. Sie ist mit der Sonja zur Schneiderin gegangen.«
Im gleichen Salon lag auf einem anderen Sofa der Sohn Olga Iwanownas, Aljoscha, ein etwa achtjähriger, schlanker, wohlgepflegter Junge, wie nach einem Modebilde mit einer Samtbluse und langen schwarzen Strümpfen bekleidet. Er lag auf einem Atlaskissen und reckte, offenbar einen Akrobaten, den er neulich im Zirkus gesehen hatte, nachahmend, bald den einen und bald den anderen Fuß in die Höhe. Wenn seine schönen Beine ermüdeten, machte er dasselbe mit den Armen, oder sprang hastig auf, stellte sich auf alle Viere und versuchte, sich auf den Kopf zu stellen. Das alles machte er mit dem ernstesten Gesicht, keuchend vor Qual, als wäre er selbst nicht froh, dass der liebe Gott ihm einen so unruhigen Körper gegeben hatte.
»Ach, guten Abend, mein Freund!«, sagte Beljajew. »Bist du da? Ich hatte dich gar nicht bemerkt. Geht es der Mama gut?«
Aljoscha, der mit der rechten Hand die linke Fußspitze ergriffen und die unnatürlichste Pose angenommen hatte, drehte sich um, sprang auf und blickte hinter dem großen, üppigen Lampenschirm Beljajew an.
»Was soll ich Ihnen sagen?«, begann er achselzuckend. »Der Mama geht es eigentlich niemals gut. Sie ist eine Frau, und den Frauen tut doch immer etwas weh.«
Beljajew begann, um sich die Zeit zu vertreiben, Aljoschas Gesicht zu betrachten. Solange er bei Olga Iwanowna verkehrte, hatte er dem Jungen niemals Beachtung geschenkt und seine Existenz förmlich übersehen: da steht so ein Junge herum, doch wozu er da ist und welche Rolle er hier spielt, – daran wollte er nicht einmal denken.
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