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Man trifft sich immer zwei Mal im Leben ... Pressesprecher Logan McOwen vereint sämtliche Traummann-Attribute in sich. Trotzdem kommt er beim anderen Geschlecht auf keinen grünen Zweig. Ausgerechnet als er mit seiner Frauensuche auf dem Tiefpunkt angekommen ist, taucht Caitlin vor ihm auf. Die Rothaarige ist hübsch und sexy und so gar nicht auf den Mund gefallen. Es gibt da nur ein Problem: Die beiden sind sich schon einmal begegnet, allerdings in einer etwas pikanten Situation … Roseport Lovers: Teil 3 der "Roseport Lovers" Reihe von Maja Keaton. Alle Bücher der Reihe sind in sich abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden!
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Seitenzahl: 385
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Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.
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alle Rechte vorbehalten.
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Ein halbes Jahr später
Roseport Lovers - Küsse vom Doc
Über OBO e-Books
Für Julia, die so lange warten musste ;)
„Was hältst du davon, wenn wir uns persönlich treffen?“ Wohlwollend betrachtete Logan McOwen die hübsche Brünette auf dem Bildschirm, die sich mit der Zunge über die herzförmigen Lippen fuhr. Zu seinem Entzücken öffneten sich ihre Kulleraugen noch weiter und sie nickte erfreut.
Dass sie dazu mit einer Stimme, die Glas zur Explosion bringen könnte, „Aaah! Das wäre toll!“ kreischte, ignorierte er. Er war ohnedies ziemlich damit beschäftigt, sich nicht anmerken zu lassen, dass angesichts ihrer unübersehbaren Reize nicht nur seine Augen wuchsen. Es war einfach der Wahnsinn, wie die Frauen im Internet rangingen.
Um runterzukommen, nahm er einen Schluck von dem gut gekühlten Weißwein, der neben ihm auf dem Tischchen stand. Inzwischen war es angebracht, den Tablet-PC ausschließlich auf seinen Oberkörper zu richten. Zumal Kelly, wie die Brünette hieß, sich rückwärts von ihrem eigenen Bildschirm wegbewegte. Somit bekam er immer mehr von ihrem ausgesprochen rassigen Körper zu sehen, der alles andere als züchtig verhüllt war. Der Ausschnitt ihrer Bluse beispielsweise ließ tiefe Einblicke in eine schnuckelige Gebirgslandschaft zu.
„Ich würde dich gern zum Essen einladen“, fiel er ihr ins Wort, denn sie war bereits wieder bei ihrem heutigen Lieblingsthema: Staubsaugerbeutel. So beeindruckt er sonst von Kelly war, aber wenn er ihr langweiliges Gefasel weiterhin unterstützte, indem er von Zeit zu Zeit nickte, kam er hier nie weiter.
„Essen“, kreischte sie erfreut. „Gibt es bei euch denn auch Salat? Ich muss nämlich dringend drei bis fünf Kilo abnehmen.“
Was glaubte dieser Augenschmaus eigentlich, was die Leute in seiner Heimat aßen? Irish Stew zum Frühstück, Mittag- und Abendessen? „Hier kriegst du alles, was dein Herz begehrt. Was hältst du von Cäsar-Salat? Morgen Abend hätte ich Zeit.“
„Morgen Abend?“, überlegte sie mit in den Mund gestecktem Ringfinger.
Machte sie das eigentlich extra? Jetzt ließ sie den Finger auch noch kreisen. Logan schluckte hart, wenngleich er für einen kurzen Augenblick dachte, dass es eventuell nicht sehr geschickt gewesen war, ihr seinen wahren Wohnort zu verraten. Doch dieser Moment der Geistesgegenwart verpuffte augenblicklich, als eins ihrer Händchen mit den langen, weiß geränderten Fingernägeln wie zufällig über ihre Bluse fuhr, genau über die Stelle, wo der Stoff spannte. War da etwa gerade ein zusätzlicher Knopf aufgesprungen?
„Oder hast du jetzt Hunger auf eine kalorienfreie Salatplatte?“, platzte es aus ihm heraus.
„Es ist bald Mitternacht“, kam es verwundert zurück.
Logan räusperte sich. Er musste sich mal ein bisschen zusammennehmen. Er war doch kein Tier, das beim Anblick einer heißen Frau wild wurde. Aber da steckte seine Linke schon in seiner Hose.
„Lass uns telefonieren“, brachte er mit einem gequälten Lächeln hervor. „Das ist persönlicher als diese Video-Chats.“
„Dann kannst du mich ja gar nicht mehr sehen“, gab Kelly großäugig und geistreich zurück.
„Kelly, du bist eine so reizende Frau ... Ich will nicht, dass diese Begegnung in eine ... schmutzige Richtung abgleitet.“
„Du bist süß“, flötete sie und spitzte ihr Mündchen, dass das Teil in seiner Hose freudig zuckte.
„Also, dann rufe ich dich an.“ Er zückte einen Finger, um den Video-Chat zu beenden. Dass auch er ihre Reize dann nicht mehr direkt vor Augen haben würde, war ein weitaus erträglicherer Gedanke als der, dass ihr sicher nicht entgehen würde, wenn er gleich seine Linke auf und ab bewegte.
Doch kurz bevor sein Finger auf das rote Gespräch-beenden-Symbol niedergehen wollte, poppte ein weiterer Video-Chat auf dem Bildschirm auf. Die blonde Elizabeth meldete sich und sein rechter Zeigefinger landete mehr oder weniger vollautomatisch auf dem grünen Gespräch-annehmen-Symbol.
Mist. Das war gar nicht gut. Das schlechte Gewissen, das ihn seit einigen Tagen quälte, weil er sich zwei Frauen warm hielt, baute sich mahnend vor ihm auf. Er grinste scheinheilig in das kleine Kameraloch oben an seinem Bildschirm und schaltete den Ton ab. Zwar war es äußerst kontraproduktiv für das Leben unterhalb seines Bauchnabels, dass er nun beide Hände zum Schreiben brauchte, aber das war leider nicht zu ändern. Warum war er auch so blöde und nahm den Chat mit Elizabeth an, wenn er mit Kelly noch nicht fertig war?
„Ist bei dir auch das Bild weg?“, tippte er in das linke Textfeld, kopierte die Frage und fügte sie auf der rechten Seite des Bildschirms ein.
„Ja.“
„Ja.“
Mit Wehmut dachte Logan an seine Erektion, die sich gerade verabschiedete. Wie schön hätte er sie gemeinsam mit Kelly am Telefon abbauen können! Oder mit Elizabeth.
Er konnte sich einfach nicht entscheiden. Äußerlich waren beide Frauen Granaten und er hatte sein Glück kaum fassen können, als sie sich beinahe gleichzeitig auf sein Profil bei Find Your True Love, einem Dating-Portal für Singles mit Niveau und ernsten Absichten, gemeldet hatten. In den vergangenen Tagen hatte er mit beiden Frauen zahlreiche Nachrichten getauscht und war mit beiden täglich im Video-Chat gewesen. Mit der blonden Elizabeth hatte er sogar so etwas wie Oral-Sex gehabt – wenn man das Gerede so bezeichnen wollte. Auf alle Fälle hatte die Blondine es geschafft, ihm sein bestes Teil hochzuquatschen, und er hatte sich dazu hinreißen lassen, sich in ihrer virtuellen Gegenwart einen runterzuholen. Wenn auch außerhalb des für Elizabeth sichtbaren Bereichs.
Aber sie war auch nicht ohne gewesen, hatte sich vor seinen Augen die Brüste geknetet und ihn damit gewissermaßen zu seinen Handlungen animiert. Elizabeths Möpse hatten ein zwar deutlich kleineres Maß als die moppeligen Kugeln von Kelly. Aber auf die Größe kam es ihm nicht an. Beide Frauen hatten einen gleichermaßen anregenden Vorbau. Die eine in Kugelform, die andere eben in Form neckischer Hütchen.
Er musste sich endlich persönlich mit ihnen treffen. Wenn er sie live erlebte, würde er sich zwischen ihnen entscheiden können.
Obwohl Logan nicht verhehlen konnte, dass er Gefallen an der Frauenauswahl fand, die williger war als er je zu träumen gewagt hatte, nervte sein Gewissen unaufhörlich und ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass er Kelly und Elizabeth auch im Bett testen wollte, bevor er sich festlegte, welche von ihnen er ganz offiziell daten würde. Denn das wollte er. Er wollte Schluss machen mit der belanglosen Herumvögelei. Immerhin war er über dreißig und er war es wirklich leid, als einsamer Wolf durchs Leben zu ziehen.
Seine letzte feste Beziehung lag drei Jahre zurück. Seitdem hatte er mangels einer ernstzunehmenden Alternative nur unverbindliche Affären gehabt. Irgendwann verlor so etwas einfach seinen Reiz. Nichtsdestotrotz wollte er sich natürlich die netteste und schärfste Lady für sein restliches Leben sichern.
Sowohl Kelly als auch Elizabeth hatten studiert und erweckten auch sonst überwiegend den Eindruck, als wären sie nicht auf den Kopf gefallen. Ja, mit einer von beiden wollte er es ernsthaft versuchen. Aber im Bett musste es eben auch stimmen. Noch so eine Pleite wie mit Rosy wollte er nicht erleben. Rosy war süß und lieb gewesen, doch an die Katastrophen im Bett wollte er lieber nicht zurückdenken.
„Ich würde dich gern morgen zum Essen ausführen“, kam er nochmals auf das Thema zurück, das Kelly und er vor dem „Tonausfall“ andiskutiert hatten. Er tippte es links und kopierte es zusätzlich ins rechte Chat-Fenster hinein.
„Ich liebe Steaks“, kam es zurück.
Wollte Kelly nicht vorhin noch Salat, weil sie sich zu dick fand? Er trank noch einen Schluck Wein.
„Was immer du willst ... Ich möchte dich näher kennenlernen“, schrieb er. Da es in seinem Heimatort außer Mrs. Vannickles Café nur den Pub gab, würde er die Damen nacheinander nach Newport einladen, wo reichlich gute Restaurants zur Auswahl standen. Da konnten sie sich dann kurzfristig für eins entscheiden.
„Was hältst du davon, wenn wir uns vor dem Essen noch irgendwo treffen?“, las er als nächstes.
Kelly legte ja reichlich Eigeninitiative an den Tag.
Ach nein, Moment, die Nachricht stand ja rechts, im Fenster von Elizabeth.
Ooops ... Keinen Wein mehr! Er musste aufpassen, damit er da nichts durcheinander brachte.
„Woran denkst du?“, schrieb er neutral zurück und wartete auf Antworten, die auch gleich kamen. Beinahe zur selben Zeit poppten sie rechts und links auf dem Bildschirm auf.
„Du hast mir doch von Roseport vorgeschwärmt. Die schönen Klippen würde ich gern sehen. Was hältst du von einem romantischen Spaziergang?“, wollte Elizabeth wissen.
„Am besten wir treffen uns an einem gut zu findenden Ort und dann zeigst du mir dein Boot“, schlug Kelly vor.
Na, aus dem Boot wurde nichts! Das Boot war ein Erbstück mit Tradition. Wie schon sein Großvater und dessen Vater vor ihm, würde er erst die Frau mit auf das Boot nehmen, für die er sich endgültig entschieden hatte. Die Frau seines Lebens. Ob Kelly diese Frau war, würde sich erst noch herausstellen müssen. Das musste er nicht jetzt und hier diskutieren. Und schon gar nicht mit einer Frau, die er vielleicht nur einmal live sehen würde.
„Perfekt!“, antwortete er, so dass er den Text für beide Frauen verwenden konnte. „Ich schicke dir morgen die Wegbeschreibung.“
Dann drehte er den Ton ab und stellte die Bildübertragung wieder an. Lange musste er nicht warten, bis er mit zwei tollen Frauen zur selben Zeit heißen Bildschirmsex hatte. Und das Beste daran war, dass er keine von beiden dazu animieren musste. Das machten die beiden Schnuckelchen schon von ganz allein.
* * *
„Heilige Mutter Gottes, ist das schön! So wunderschön! Ganz zauberhaft! Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll! Man möchte tausend Augen haben.“ Mrs. McDonald seufzte ausgiebig. Und weil es so schön war, wiederholte sie die Entzückensbekundung samt Seufzer gleich nochmal. Vielleicht auch zwei- oder dreimal. Als krönenden Abschluss brachte sie dann auch noch den Klassiker unter den Sprüchen glücklicher Urlauber: „Hach, wenn Engel reisen ...“
Ihre Tochter verdrehte die Augen.
Ganz unrecht hatte die Mutter zwar nicht. Dieser Teil Irlands war von einer einzigartigen Schönheit, die Caitlin allerdings eher eigenartig nennen würde. Selbstmörderklippen, ein tosendes Meer, in dem sie nicht mit einem Rettungsring um den Bauch plantschen wollte, und endlose Wiesen, die so grün waren, dass Caitlin sofort den Glauben daran verlor, dass Grün die Farbe der Hoffnung sein sollte. Das alles mochte irgendwelche Wandersleute in helle Aufregung versetzen. Oder eben ihre Mutter. Doch auch wenn die Sonne seit ihrer Ankunft in einem fort schien, war das nicht Caitlins Welt.
Nachdem ihre Mutter nun seit drei Tagen ohne Pause von dieser blau-grünen Einöde schwärmte, sehnte sich die jüngste McDonald-Tochter nach einer anständigen Shopping-Zone und Cafés, in denen man einen Latte Macchiato bekam, wenn man einen bestellte, und nicht angeglotzt wurde, als hätte man am helllichten Tag in der Öffentlichkeit eine Portion Kokain verlangt.
„Ich verstehe deine Schwester nicht“, ging es auf dem durchgesessenen Beifahrersitz des alten Mini Cooper weiter, den zwar Caitlin fuhr, der jedoch ihrer Schwester Robyn gehörte, die momentan so gar nicht von ihrer Mutter verstanden wurde. „Warum will Robyn zurück nach Dublin, wenn sie es hier so schön hat? Du kannst mir nicht weismachen, dass sie umgekippte Mülltonnen, Staus und Menschenmengen vermisst.“
Jetzt war es an Caitlin zu seufzen. Eine Menschenmenge wäre toll. Die könnte ihre Stimmung aufhellen. Zur Not würde es auch eine umgekippte Mülltonne tun. Oder Abgase in gesundheitlich bedenklicher Menge. Oder wenigstens ein verspäteter Bus. Aber hier kam einem höchstens der Bus von der Behindertenwerkstatt entgegen. Auf ihre geliebten Bars und Clubs würde sie zugunsten von Kühen und Schafen nochmal drei Tage verzichten müssen.
„Ist mir schon klar, dass du das nicht verstehst.“ Mrs. McDonald rümpfte die Nase. Gleichzeitig bekam sie Herzchenaugen, als eine Möwe im Flug auf die Motorhaube schiss.
„Robyn war von Anfang an nur vorübergehend hier. Aus der Not heraus. Jetzt hat sie einen Job in Dublin. Was soll sie also noch hier?“
Caitlin trat das Gaspedal ein bisschen tiefer durch. Ihre zwei Jahre ältere, im Gegensatz zu ihr selbst überaus ehrgeizige Schwester Robyn hatte nach dem Studium in Dublin keine Arbeit gefunden, obwohl sie ihren Master mit Auszeichnung bestanden hatte. Die Zeiten waren schlecht für Juristinnen. Für alle Berufe. Und darum war Robyn vorübergehend zu den Schafen gezogen.
„Die Stelle hier ist doch tausendmal besser als die in Dublin. Warum wechseln?“
„Robyn besorgt Blut, Mom. Igitt! Mir wird schon schwindlig, wenn ich nur daran denke.“
Mrs. McDonald kurbelte das Seitenfenster runter, streckte ihre Nase in den Wind und atmete tief die würzige Meerluft ein. „Du sagst das, als wäre Robyn ein Vampir.“
„Wenn ich hier in der Gegend arbeiten müsste, käme ich mir wie einer vor. Ich fühle mich jetzt schon ganz ausgesaugt.“
„Du bist unmöglich, Caitlin. Erstens hast du keinen Sinn für Schönheit. Und zweitens ... Deine Schwester tut eine sehr ehrenvolle Arbeit. Außerdem besorgt sie kein Blut, sondern sie verwaltet Stiftungsvermögen und beschafft Geld für einen guten Zweck. Ich finde es höchst bewundernswert, was dieser Schauspieler auf die Beine gestellt hat. Also, ich verstehe das wirklich nicht. Ich sage es noch einmal: Ich an ihrer Stelle würde bleiben.“
Fast kam es Caitlin vor, als würde ihre Mom am liebsten selber bleiben und ihr Leben gegen das ihrer großen Tochter austauschen. Seit Mrs. McDonald das kleine Örtchen mit seinen pastellfarbigen Häuschen gesehen hatte, war sie wie ausgewechselt. Zum ersten Mal seit Mr. McDonald tot war, erlebte Caitlin ihre Mutter unternehmungslustig, entspannt und glücklich. Nur deshalb hatte sie zugestimmt, sie schon wieder auf einen Ausflug zu begleiten, obwohl sie sich heute Morgen liebend gern die Decke über den Kopf gezogen hätte, um bis zur Abreise am kommenden Sonntag zu schlafen. Der viele Sauerstoff und die Herumgurkerei in der alten Klapperkiste, dem einzigen Gegenstand, auf den der Gerichtsvollzieher nach dem Tod ihres Dads keinen Kuckuck geklebt hatte, weil er ihn schon damals für einen Schrotthaufen hielt, gingen ganz schön auf die Knochen.
„Was hat Robyn da eigentlich mit diesem Gynäkologen?“
Caitlin war nicht wirklich davon ausgegangen, dass ihre Mutter das Thema Robyn und der überflüssige Umzug nach Dublin zu den Akten legen würde. Sie schob ihre Gedanken beiseite, die sich um den verstorbenen Vater drehten. „Was soll mit dem sein?“
„Hat sie dir denn nichts erzählt?“
„Nein.“ Das war eine glatte Lüge, aber Caitlin hatte ihrer Schwester versprochen, die Klappe zu halten und daran hielt sie sich. Auch wenn noch heute ein Stachel der Eifersucht ihr Herz durchbohrte, wenn sie jetzt doch wieder daran dachte, dass der Vater immer nur Augen für Robyn gehabt hatte. Robyn war intelligent und konzentriert, klug und freundlich und konnte schon im Alter von fünf Jahren Landkarten lesen. Caitlin dagegen hatte sich ausschließlich für ihre Freundinnen interessiert und der schulpsychologische Dienst hatte ihr zudem Legasthenie attestiert.
Im Nachhinein war das Attest ein Glück gewesen. Oder das Gegenteil davon. Ohne diesen Wisch hätte sie jedenfalls niemals Abitur gemacht – und in der Folge niemals mit diesem leidigen Studium begonnen. Es gab so viel auswendig zu lernen. Caitlin hatte echte Probleme mit der Konzentration. Jedenfalls wenn es um Dinge ging, die sie nicht interessierten. Was sie wirklich interessierte, das wusste sie allerdings auch nicht. In stillen Momenten fühlte sie sich wie ein Blättchen im Winde, auch wenn sie sich nach außen hin ganz anders gab.
„Da ist das Schild“, rief ihre Mutter plötzlich aufgeregt.
„Steht Rose Cliff darauf?“ Caitlin ging mit der Geschwindigkeit runter. Ihre Mutter wollte unbedingt noch einmal an diesen Aussichtspunkt zurück, der angeblich der schönste im ganzen Land war. Allerdings hatte Robyn ihnen das Stück Gras mit Parkbank, von wo aus man aufs Meer gucken konnte, wo auch nichts los war, gleich nach ihrer Ankunft in Roseport gezeigt.
„Ja, Rose Cliff. Du musst da vorn einbiegen. Jetzt. Rechts rum, Caitlin.“
Obwohl ihre Mutter nie den Führerschein gemacht hatte und Caitlin sie seit Tagen unfallfrei und sicher chauffierte, glaubte sie offenbar, ihrer Tochter erklären zu müssen, wie man fuhr. Manchmal forderte sie Caitlin sogar auf, den Blinker zu setzen. So wie jetzt.
„Mom ...“ Doch mitten im Ansatz zu einer Beschwerde, die sie damit hatte beginnen wollen, ob ihre Mutter eigentlich glaubte, dass sie ihren Führerschein in der Lotterie gewonnen hätte, stockte sie.
„Der dicke Wagen hat einen Platten!“, stellte Mrs. McDonald fest.
Der dicke Wagen war ein schwarzer Jeep, der verwaist und mit vier platten Reifen im tiefen Gras stand. Caitlin umrundete das Fahrzeug im Schritttempo. Sie hatte nicht viel Ahnung von Autos, aber der hier war ein Landrover. Nun ja, das stand hinten drauf. Abgesehen von den platten Reifen wirkte das teure Gefährt absolut unversehrt auf sie.
„Wir sollten verschwinden, Mutter.“
Mrs. McDonald reckte den Kopf mit den ergrauten Locken zum Fenster hinaus. „Was mag hier passiert sein?“
„Mom, erinnerst du dich an den Überfall?“ Vor zwei Wochen hatte es ziemlich nah vor ihrem Wohnhaus in Dublin einen Bandenkrieg gegeben. Da hatte auch ein verwaister Wagen mit platten Reifen herumgestanden.
„Caty ... Das hier ist nicht Dublin und auch nicht Belfast. Hier ist etwas anderes passiert. Ein Unfall. Vielleicht ist der Fahrer des Wagens über Nägel gefahren. Halt doch mal an.“
„Über Nägel? Wo sollen die denn herkommen? Und woher willst du überhaupt wissen, ob der Fahrer ein Mann war? Und ob die Reifen nicht von irgendwelchen Mafiosi kaputt geschossen wurden?“
„Mein Gott, Caty! Die Mafia am Ende der Welt ... Du hast vielleicht eine Phantasie! Vielleicht war es ja eine Frau, die über eine Igelfamilie gefahren ist ...“
„Ist ja schon gut, Mom. Es war ein Mann und der ist über dicke Nägel gefahren. Lass uns abhauen, Mutter.“
„Nein! Der Jeep gehört einem Mann. Da ist er! Ich glaube, er braucht unsere Hilfe.“
Ein Mann? Wo hatte ihre Mutter einen Mann entdeckt?
Caitlin sah sich suchend um. Abgesehen von Bäumen, Sträuchern und einer Wand aus Rosenbüschen erkannte sie kein Leben. Insbesondere kein menschliches. „Wo zur Hölle siehst du einen Mann?“
„Sag nicht immer zur Hölle, Caitlin! Er ist dort.“
Und da sah Caitlin ihn auch. Als sie dem Finger ihrer Mutter folgte, der schräg nach oben zeigte.
Das gab’s nicht! Ein Stück über den Rosenbüschen kletterte tatsächlich ein Mann in einem Baum herum.
„Mom?“
„Ja, Caty?“
„Bilde ich mir das nur ein oder hat der Mann, äh, ist der Mann ...?“ Der Rest ihrer Frage blieb ihr im Halse stecken.
* * *
Einen Tag nach dem Sex mit zwei Frauen im Chatraum lenkte Logan seinen Jeep auf die Küstenstraße. An dem ersten Parkplatz wollte er sich mit der blonden Elizabeth treffen. Die brünette Kelly wäre ihm trotz ihrer piepsigen Stimme lieber gewesen, doch sie hatte erst am Donnerstag Zeit. Schade. Aber das war immer noch früh genug, um zu entscheiden, mit welcher von beiden er es ernsthaft angehen lassen wollte.
Vielleicht entpuppte Kelly sich ja im wahren Leben als Nervensäge, die nach einer Karenzzeit, in der sie alles für einen Mann tat, sämtliche Entscheidungen für ihn übernahm. Er meinte solche Anwandlungen an ihr beobachtet zu haben, hoffte jedoch, sich zu täuschen. Die Frauen, die er bisher über das Portal getroffen hatte, waren live alle ganz anders gewesen als am Bildschirm. Er mochte Frauen mit Eigeninitiative, aber er hasste es, wenn eine ihm Vorschriften machen wollte und stets besser wusste, was für ihn gut war als er selbst. Von der Sorte gab es leider reichlich. Mit dreißig war er ganz einfach zu gefestigt, um sich von einer Frau herumschubsen zu lassen.
Gut möglich, dass Elizabeth die anschmiegsamere von beiden war. Dann würde er sie mitnehmen zu dem Barbecue, das Holly und Jack am Wochenende veranstalteten.
Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, als er sich vorstellte, wie die anderen Gäste gucken würden, wenn er in Begleitung kam. Besonders Holly würden die schönen Gesichtszüge entgleisen. Auf diesen Anblick freute er sich ganz besonders. Erst hatte nämlich ihre Tante ihn mit Holly verkuppeln wollen, was ihm ausgesprochen gut gefallen hatte. Und da er bis vor den zwar überraschenden, aber schier umwerfenden Erfolgen in dem Kuppelportal immer der hochanständige Typ gewesen war, der einer Frau nie unaufgefordert auch nur einen Millimeter zu nahe auf den Pelz gerückt wäre, war daraus nichts geworden. Ihr Ex war ihm nämlich mit seiner unverschämten Art zuvor gekommen. So etwas würde ihm nicht mehr passieren. Jetzt ging er die Sache professionell an. Mit Kelly und Elizabeth hatte er gleich zwei höchst attraktive Frauen an der Angel, die bereit waren, zu ihm in das romantische Roseport zu ziehen, sofern es zwischen ihnen schnackelte.
Als er pünktlich zur verabredeten Zeit auf dem Parkplatz eintraf, herrschte dort gähnende Leere und das unangenehme Gefühl, versetzt worden zu sein, überkam ihn. Dabei war er extra nicht zu früh losgefahren, damit es nicht aussah, als könne er es nicht erwarten, endlich eine Frau zu treffen. So etwas wirkte in höchstem Grade unsexy.
War Elizabeth etwa schon wieder abgefahren, nachdem er nicht überpünktlich gewesen war?
In dem Fall wollte er sie nie wiedersehen, denn auf kleinliche Frauen stand er ebenso wenig wie auf herrschsüchtige. Dennoch griff er nach dem Handy. Vielleicht steckte sie im Stau. Wobei er hier in der Gegend nur einmal einen Stau erlebt hatte. Das war, als der Mistwagen von Patrick O’Connor mitten im Ort umgekippt war und sich gefühlte hundert Kubikmeter frische Kuhfladen auf die Hauptstraße ergossen hatten.
Die blonde Elizabeth meldete sich gleich nach dem ersten Klingelton.
„Wo bleibst du?“, maulte sie vorwurfsvoll aus den Lautsprechern seiner teuren Soundanlage.
„Ich bin am vereinbarten Treffpunkt.“
„Aber ich sehe dich nicht!“
Elizabeth war definitiv kein anschmiegsames Mäuschen. Tja, so konnte man sich täuschen. Aber sie war nicht die erste Frau, die er kannte, die hysterisch wurde, wenn sie den Weg nicht auf Anhieb fand.
„Beschreib mir, was du vor dir siehst“, forderte er sie auf.
Vielleicht stand sie auf dem falschen Parkplatz. Auf diesem Abschnitt der Küstenstraße gab es drei Haltepunkte. Kein Einheimischer hatte Probleme sie zu unterscheiden, für einen Fremden dagegen mochten sie alle gleich aussehen.
„Das Meer“, antwortete Elizabeth auch prompt.
„Dreh dich um 180 Grad“, verlangte er. „Was siehst du? Felsen oder Wald?“
„Beides. Wo zum Teufel bin ich? Ich bin genau so gefahren wie du es mir beschrieben hast.“
Bis auf die Tatsache, dass sie die Küstenstraße bis kurz vor Rose House durchgebrettert war. Dabei musste sie die beiden kleinen Parkplätze übersehen haben. Na ja. Das wäre Robyn McDonald, mit der Holly ihn vor wenigen Wochen quasi als Ausgleich dafür, dass es mit ihnen nichts geworden war, verkuppeln wollte, ganz bestimmt nicht passiert. Die war schon als Kind mit ihrem Daddy Rallyes gefahren. Robyn war ohne weiteres in der Lage, eine Kurbelwelle auszuwechseln. Aber auch die patente Robyn war nicht auf ihn abgefahren. Er allerdings auch nicht auf sie. Vielleicht war sie für ihn ganz einfach zu patent.
„Warte auf der Parkbank und genieß die Aussicht. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, versprach er.
„Nicht auflegen“, keifte sie.
Er zündete seinen Wagen und fuhr los, obwohl er jetzt eigentlich lieber umgekehrt wäre.
„Du bist zum Aussichtspunkt durchgefahren. Das ist gut. Den wollte ich dir sowieso zeigen“, erklärte er.
„Ich schwöre, dass ich keinen einzigen Parkplatz gesehen habe.“
„Das macht doch nichts“, versuchte er, sie zu beruhigen. Ein Streit war sicher nicht der ideale Auftakt zu einem Erkundungsdate. Einerseits. Andererseits war die Sache mit der Blondine für ihn sowieso durch. Auf einen Hausdrachen hatte er keine Lust. Mit der Drachen-Lady würde er eine heiße Nummer schieben, sie anschließend zum Essen einladen und dann würde man sich einvernehmlich trennen. Im Frauenloswerden war er inzwischen Experte. Darauf war er keinesfalls stolz. Aber was sollte er machen? Wenn die Richtige nicht dabei war, blieb nur ein rechtzeitiger Schlussstrich.
Als er sich der Plattform näherte, von der aus man den wahrscheinlich gigantischsten Ausblick über das Meer und die umliegenden Hügel, Felder und Wiesen in ganz Irland hatte, leuchtete ihm schon der winzige grüne Toyota entgegen, mit dem Elizabeth angereist war.
Das Autochen war über und über mit einem weißen Blumentattoo überzogen. Logan dachte erneut, dass er Elizabeth abhaken konnte. Was für Frauen legten sich schon einen solchen Wagen zu? Das waren dieselben, die mit ihrem grell kläffenden Haustier ins Bett hüpften, Webpelzdecken über Sofas warfen und nach dem Aufstehen tonnenweise bunte Kopfkissen auf ihr Bett türmten, die man später alle wieder abräumen musste, bevor man sich schlafen legen konnte.
Insgeheim klopfte er sich auf die Schulter. Genau solche Überraschungen waren der Grund dafür, warum er sich so schnell wie möglich mit ihr hatte treffen wollen. Im Chatroom und am Telefon bekam man solche Kleinigkeiten, die einem das ganze Leben vermiesen konnten, nicht raus. Nicht mal auf 90 Matching Points konnte man was geben. Soviel wusste er inzwischen.
Logan parkte seinen schweren Jeep neben Elizabeths Nuckelpinne, stellte sich auf einen sehr kurzen Nachmittag ein und ging festen Schrittes über den schmalen Pfad zur Aussichtsplattform.
Die Plattform lag auf einem malerischen Felsplateau hinter einer Ansammlung sehr hoher Rosenbüsche. Die Aussicht verschlug selbst ihm als alteingesessenem Roseporter Jungen den Atem. Allerdings war es nicht das weite Meer, das heute relativ friedlich im Schein der strahlenden Sonne glitzerte und ihn tief die salzige Luft in die Lungen saugen ließ.
Die blonde Elizabeth räkelte sich in leuchtend blauen Dessous auf der Parkbank und lächelte ihm verführerisch entgegen.
Damit hatte er nicht gerechnet. Augenblicklich verwarf er seinen voreiligen Plan, die Dame, die ihm vor wenigen Minuten am Telefon so zickig erschienen war, so schnell wie möglich abzuservieren.
Dieses Lächeln und die reizenden Dessous, die Elizabeths zierlichen Körper mehr zierten als verhüllten, versprachen so einiges. Ganz davon abgesehen, dass er in den dreißig Jahren seines Daseins noch niemals so empfangen worden war. Er konnte sein Glück kaum fassen, als sie ihm auch noch ihre schlanken Arme entgegenstreckte. Wie ein Schlange. Wow! Auch sein Freund in seiner Hose regte sich bereits gespannt.
Jedoch hielt Elizabeth ihn am ausgestreckten Arm von sich fern.
„Nicht so eilig, mein Lieber“, stoppte sie ihn.
Erstaunt hob er eine Braue. Hatte er da was falsch gedeutet? Blödsinn! Eine so gut wie nackte Frau auf einer Aussichtsplattform, die ihm verführerisch zulächelte, hatte eindeutige Absichten.
Anscheinend wollte sie nur das Tempo bestimmen. Damit konnte er leben. In diesem Fall. Falls es wider Erwarten zu einem weiteren Treffen kam, würde man sehen, was geschah. Schließlich war er kein Hündchen.
Schnell gab er ihr einen Kuss links und rechts auf die Wangen, wobei es allerdings in seinem Rücken unangenehm krachte, weil er sich auf eine sehr unnatürliche Art vorbeugen musste.
„Wie alt bist du?“, grinste die sexy Blondine unverschämt.
Das war ein Witz, oder? Er streckte sich. Glück gehabt. Sein Rücken war in Ordnung. Erleichtert atmete er auf. Es wäre nicht das erste Mal, dass er als Bürohengst sich den Rücken verrenkte. Aus diesem Grund trieb er seit einigen Jahren reichlich Sport, hatte sich sogar eigens eine kleine Fitnessstation in seinem Keller aufgebaut, wo er täglich trainierte. Seither hatte er sein Rückenproblem gut im Griff.
„Wie wäre es, wenn auch du mir zeigst, was sich unter deinen Klamotten verbirgt?“ Elizabeth ließ ihn nicht aus den Augen.
„Du gehst aber ganz schön ran“, bemerkte er.
„Das ist es doch, was du willst, oder?“, gab sie lächelnd zurück.
„Eigentlich bin ich auf was Ernstes aus.“ Wer hätte gedacht, dass er so etwas einmal zu einer Frau sagen müsste? Zumal zu einer, die er in einem Portal für Leute mit ernsten Absichten aufgegabelt hatte.
Dennoch – und auch wegen der Beule in seiner Hose, die pochend ihr Recht forderte – knöpfte er bereits sein Hemd auf, das er zur Feier des Tages angezogen hatte. Frauen standen auf Männer im Anzug und da er wegen seiner Arbeit als Pressesprecher an schicke Kleidung gewöhnt war, hatte er auch heute nicht gezögert, sich für einen guten ersten Eindruck in Schale zu werfen.
„Eigentlich?“, fragte sie langgezogen, während sie zusah, wie er Knopf für Knopf durch die kleinen Löcher schob.
„Hast du nichts Ernstes im Sinn?“, erkundigte er sich.
„Doch natürlich“, zwitscherte sie. „Aber das eine zu wollen, heißt ja nicht, das andere zu lassen.“
Na, das war aber mal eine Ansage! Logan warf sämtliche Bedenken bezüglich Elizabeths mutmaßlicher Zickigkeit, Herrschsucht und weiterer unangenehmer Eigenschaften über Bord und schleuderte sein Hemd von sich.
„Die Hose“, trieb sie ihn an.
Das musste die scharfe Blondine ihm nicht zweimal sagen. Im Nu stand er nackt wie Gott und seine Fitnessgeräte ihn geschaffen hatten vor ihr.
„Ein Sixpack. Wow.“ Elizabeth klimperte mit den Wimpern, während Logan sich kurz fragte, ob er selbst die Regie übernehmen sollte. Wobei ihm allerdings nicht klar war, was er in dem Fall zu tun hätte. Bisher hatte er noch keine Frau erlebt, die ihn ohne Vorspiel vernaschen wollte. Um ehrlich zu sein, hatte er so etwas noch niemals erlebt, auch wenn Frauen im Allgemeinen eher auf ihn abfuhren. Allein schon wegen seiner Größe. Und dann war er als Pressesprecher natürlich auch nicht gerade auf den Mund gefallen. Und hässlich war er auch nicht. Aber das hier war eine Premiere. Die ihm jedoch immer besser gefiel, wie er zugeben musste.
„Setz dich zu mir auf die Bank“, wies Elizabeth ihn an und er kam ihrer Aufforderung sofort nach. Das Teil zwischen seinen Beinen hatte ohnehin das Kommando übernommen und freute sich bereits stahlhart auf die heißen Dinge, die sich ankündigten.
„Bist du sicher, dass du das willst“, raunte er, als sie aufstand, hüftwiegend um die Bank herumging und seine Arme nach hinten nahm, während sie mit ihrer niedlichen Nasenspitze irgendetwas furchtbar Prickelndes in seinem Nacken anstellte.
„Was will ich denn?“, fragte sie neckend zurück.
Diese Frage sollte wohl ein Witz sein! Er mochte in diesem Moment zu einem Neandertaler mutieren, aber was sie mit ihm anstellen wollte, war ja wohl mehr als offensichtlich. Mit einem sanften Ruck befreite er sich aus ihrem Griff und versuchte, ihre Hüften zum Fassen zu kriegen.
„Oh nein, mein Lieber. Die Hände bleiben, wo sie sind“, kam es streng zurück.
Logan schluckte, tat aber vor Verblüffung, was sie von ihm verlangte. Die süße Elizabeth war doch wohl nicht eine von den Frauen, die einen Mann dominieren wollten? Na, da würde sie mit ihm nicht viel Spaß haben. Einmal in seinem Leben hatte er sich auf so etwas eingelassen. Das würde ihm nicht wieder passieren.
„Bist du eine Domina?“, fragte er, hoffte aber noch, dass sie ihn mit ihrem Gehabe einfach nur scharf machen wollte.
„Ich? Nein. Beim ersten Mal will ich nur sicher gehen, dass ich nicht übervorteilt werde.“ Ihre Lippen schlossen sich um sein rechtes Ohr und schon im nächsten Moment bewegte sich eine flinke Zunge in seiner Ohrmuschel.
Irgendwie fand er das gar nicht erregend. Nur gut, dass er sich die Ohren regelmäßig wusch! Nein, so ging das nicht. In wenigen Minuten würde sich seine Erektion aufgelöst haben. Zeit, dass er das Heft in die Hand nahm.
Er wollte sich gerade von der Bank erheben, als er bemerkte, dass er ... festhing.
„Sag mal, hast du mich angebunden?“, stieß er fassungslos hervor.
Im nächsten Moment vernahm er resolute Schritte, und ehe er einen weiteren Gedanken fassen konnte, schlang sich ein Tau um seinen Oberkörper und Elizabeth tauchte vor seinen Füßen auf, die sie ebenfalls fesselte, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.
Die Frage war nur, woher die beiden Hände kamen, die das Tau um seinen Bauch führten und in seinem Rücken festzurrten.
Überrumpelt starrte er auf Elizabeths blonden Schopf, bevor er endlich auf die Idee kam, den Kopf zu wenden.
„Kelly!“
„Schön, dass du mich sofort erkennst, Logan.“
Obwohl er die Brünette, mit der er seit einer Woche allabendlich chattete, sofort erkannt hatte, konnte er nicht fassen, dass sie hier war. Sie war doch erst in zwei Tagen dran.
„Du möchtest sicher wissen, was ich hier zu suchen habe“, sagte sie mit einer gänzlich anderen Stimme als gestern Abend am Computer. Jetzt klang sie gar nicht mehr so quiekend und bezirzend. Sie klang aber auch nicht hasserfüllt oder sauer. Wenn er es recht bedachte, und wenn er das überhaupt recht mitbekam in diesem Moment des Grauens, kam sie ihm geschäftsmäßig vor.
„Wie lange hattest du noch vor, deine widerliche Nummer durchzuziehen?“, mischte sich Elizabeth ein, die inzwischen Jeans und T-Shirt trug und ihre kleinen Füße in ein Paar hellgraue Turnschuhe schob.
„Welche Nummer?“
Elizabeth seufzte.
„Mich mit Frauen treffen?“, würgte er hervor.
„Na, so schwer von Begriff ist er doch gar nicht“, brummte Kelly. „Der Drecksack“, fügte sie mit zusammengekniffenen Augen hinzu.
Äh? Wie bitte? Seit wann war er ein Drecksack?
Kelly schleuderte sein Hemd auf den nächsten Baum.
„Wir sind vor vier Wochen auf dich aufmerksam geworden“, warf Elizabeth ihm einen Brocken hin, während sie zugleich versuchte, seine Anzughose auf den Baum zu werfen, in dem sich sein Hemd in einem recht hohen Ast verfangen hatte. Kelly kam ihr zur Hilfe und im Nullkommanix baumelte auch seine Hose an einem Ast. Boxershorts und Schuhe flogen gleich hinterher. Die Brünette hatte einen ordentlichen Wums.
Inzwischen war Logan klar, dass die beiden ihm eine Lektion erteilen wollten. Sie hielten ihn für einen Drecksack, der Frauen im Internet Hoffnungen machte, nur um sie zu vögeln und sie dann gleich wieder fallen zu lassen.
Aber so einer war er doch gar nicht. Er hatte doch bloß sein Liebesleben professionell angepackt. Was konnte er denn dafür, dass die Richtige noch nicht dabei war? Noch nicht. Er war guten Willens gewesen. Er war sogar bereit gewesen, Abstriche zu machen. Auf blond und flachbrüstig stand er nun wirklich nicht. Und dennoch hatte er Elizabeth eine Chance eingeräumt, weil es auf alle Fälle mehr auf die inneren Werte ankam.
Inzwischen hatten die beiden Frauen ihr Handy gezückt und machten Aufnahmen von ihm.
„Hey, das geht aber entschieden zu weit“, protestierte er. „Macht die Dinger sofort aus und löscht die Fotos.“
„Ich drehe einen Film“, entgegnete Kelly ungerührt und fügte süffisant lächelnd hinzu: „Hast du geglaubt, du könntest ungestraft monatelang Frauen aus dem Dating-Portal abgreifen, um sie zu ficken und anschließend wie heiße Kartoffeln fallen zu lassen?“
Monatelang?
„Ich glaube, ihr versteht da was falsch“, prustete er.
„Das glaube ich kaum“, Elizabeth schnalzte mit der Zunge, „Kelly und ich sind bei Find Your True Love angestellt. Wir wissen, was du treibst, kennen jede einzelne deiner Nachrichten und haben alle Chat-Protokolle ausgewertet.“
Schon mal was von Datenschutz gehört?, lag ihm auf der Zunge, doch die Frage verkniff er sich wohl besser.
„Als was seid ihr denn da angestellt?“, rutschte es ihm dann aber trotzdem raus, was angesichts seiner Lage vielleicht nicht die intelligenteste Entgegnung war. So langsam machte er sich aber doch Gedanken, was aus ihm werden sollte. Er nahm nicht an, dass die beiden Grazien ihn erschießen wollten. Vermutlich machten sie sich gleich vom Acker und ließen ihn hier zurück.
„Wir sind für die Einhaltung der Nutzungsbedingungen zuständig.“
„Ich habe nie dagegen verstoßen“, verteidigte er sich.
„Du hast sechs Frauen in vier Wochen gedatet und mit sechs Frauen geschlafen, nachdem du allen bei einem Abendessen erzählt hast, dass du noch vor deinem 31. Geburtstag heiraten willst.“
„Seit wann ist es verboten, bis zu einem bestimmten Alter verheiratet sein zu wollen?“
„Du nimmst dein Maul ganz schön voll dafür, dass du unterschrieben hast, das Portal nicht für One-Night-Stands zu missbrauchen.“ Breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen stand Kelly vor ihm.
„Nachdem drei Damen sich bei uns beschwert haben, sind wir auf dich aufmerksam geworden, haben dein Profil für Anschriften gesperrt und uns selbst auf deine Fährte gemacht. Die Frauen hatten Recht: Du bist ein systematischer Abgreifer.“
„Vielleicht solltet ihr die Frauen, die bei euch auf Männerfang gehen, mal unter die Lupe nehmen“, wehrte er sich. War doch wahr! Von sechs Frauen waren sechs nur darauf aus gewesen, sich ins gemachte Nest zu setzen. Selin war nun eine wirkliche Schlampe gewesen. Lange rote Locken, eine Ausdrucksweise wie ein Bierkutscher und drei Kinder von drei verschiedenen Männern. Er hatte sie nicht lange bitten müssen, mit ihm ins Bett zu steigen. Auch Anna hatte sich ihm geradezu vor die Füße geworfen. Sie wollte ebenfalls bis zu ihrem 31sten verheiratet sein. Das war aber auch schon ihr einziges gemeinsames Ziel gewesen. Ganz zu schweigen von Betty, die nur in einem Mantel bekleidet im Restaurant aufgetaucht war und ihm einen grün lackierten Zehennagel in die Hoden gerammt hatte.
Die übrigen drei waren so farblos gewesen, dass er sich kaum noch an ihre Namen erinnerte. Ganz zu schweigen von diesen beiden Hyänen, die rechtschaffene Männer wie ihn an eine Parkbank fesselten.
„Was ist das überhaupt für ein Geschäftsgebaren, seine Kunden nackt auszuziehen und an Bänke zu binden? Dagegen werde ich vorgehen“, sagte er absolut ruhig.
„Du kannst gern anwaltlich gegen deine fristlose Kündigung angehen, die bereits auf dem Weg zu dir ist“, sagte Kelly ebenso lässig wie er und Elizabeth fügte träge hinzu: „Aber bedenke bei allem, was du tust, dass wir ständig gegen Typen wie dich vorgehen. Vielleicht googelst du mal den Fall Eric L. Miller. Er hat dasselbe getan wie du. Unser erfolgreiches Vorgehen gegen Typen wie ihn ist für unseren guten Ruf verantwortlich. Manchmal bekommt nämlich auch die Presse Wind davon ...“
„Ciao, Logan“, flötete Kelly.
„Ciao, Logan.“ Elizabeth winkte ihm sogar noch.
Fassungslos sah Logan zu, wie die beiden Racheengel nach einem letzten anerkennenden Blick auf die grandiose Aussicht in den Rosenbüschen verschwanden. Als er bis drei gezählt hatte, heulte der schwächliche Motor von dem kleinen, grünen Auto auf und die Kiste brauste davon. Und die Fesseln an seinen Armen und Beinen saßen wirklich richtig fest.
* * *
Bevor Caitlin ihr Vorhaben umsetzen und den Mini zurück auf die Küstenstraße lenken konnte, sprang ihre Mutter aus dem Wagen.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Masche von Banditen ist, nackt auf Bäumen zu hocken, um vorbeifahrende Frauen auszurauben“, sagte sie bestimmt und stapfte in Richtung der Rosenbüsche davon.
Notgedrungen parkte Caitlin den Mini neben dem Jeep. An Verbrecher glaubte sie ehrlich gesagt auch nicht. Jedenfalls nicht mehr, seit sie den Nackten auf dem Baum gesehen hatte. Allerdings konnte sie sich keinen einzigen Grund vorstellen, weshalb ein Mann überhaupt nackt auf einem Baum hocken sollte.
„Ihm wurde übel mitgespielt, wenn du mich fragst“, reimte Mrs. McDonald sich die Sache selbst zusammen.
Caitlin hatte ihre Mutter zwar nicht gefragt, aber wenn sie meinte ... Sie folgte der Frau, die die zurückliegenden zwölf Jahre in einer Art Wachkoma verbracht hatte, vor drei Tagen dann plötzlich erwacht war und seitdem in einer geradezu beängstigenden Weise vor Energie strotzte. Hintereinander gingen sie über einen Trampelpfad, der sie durch dichte Rosenbüsche führte. Dahinter lag eine mit Gras bewachsene Fläche, auf der es einen Baum und eine Parkbank gab, und eine Wahnsinnsaussicht über das Meer. Und eben besagten nackten Mann auf dem Baum, der ungemein von dem grandiosen Meerblick ablenkte.
Caitlin trat unter den Baum, legte eine Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen, und guckte nach oben.
„Wachsen hier in der Gegend noch mehr Männer auf Bäumen?“, rief sie dem Kerl zu, der aus zusammengekniffenen Augen auf sie hinabstarrte.
Bedingt durch ihren nicht ganz alltäglichen Job, der ihr das verdammte Studium finanzierte, hatte Caitlin McDonald Männer schon in einigen seltsamen Situationen gesehen. Doch auf dem Baum, beziehungsweise einem schwankenden Ast sitzend, noch dazu nackt, war ihr noch keiner erschienen. Der Tarzan da oben war eindeutig eine Premiere.
„Hey, du da auf dem wackelnden Ast ... Haben die Ureinwohner versäumt, dir das Sprechen beizubringen?“, rief sie, als er gefühlte fünf Minuten nach ihrer Bemerkung über die auf Bäumen wachsenden Männer immer noch wie paralysiert auf ihre Mutter und sie hinunter starrte.
Endlich kam Bewegung in den bis dahin versteinert wirkenden Mann. Leider auch in den sowieso schon bedenklich schwingenden Ast. Zum Glück bemerkte Tarzan das auch und rutschte näher an den Stamm ran. Obwohl er das Kunststück auf seinem nackten Hintern vollführte, brachte er es dabei noch fertig, sein bestes Stück mit einer Hand zu verdecken.
„Verzeihung!“ Er räusperte sich, bevor er mit angenehm warmer Stimme fortfuhr: „Wäret ihr beide bitte so freundlich, euch umzudrehen, solange ich hier oben nach meiner Kleidung angele?“
„Höflich ist er ja“, zischte Caitlins Mutter hinter vorgehaltener Hand. „Und überaus gutaussehend“, fügte sie noch eine Spur leiser hinzu, bevor sie seiner Bitte Folge leistete und ihm den Rücken zuwandte.
„An die Verbrechertheorie glaube ich ehrlich gesagt auch nicht mehr“, grinste Caitlin. Hier, am Ende der Welt, hinter den sieben Bergen, wohin sich nicht mal die sieben Zwerge verirrten, war vermutlich tatsächlich ein dummer Unfall die Ursache für den vierfachen Platten. Es sei denn, der Kerl war einer von den sieben Zwergen. Allerdings wirkte er dafür selbst von hier unten aus besehen entschieden zu groß. Egal. Wie auch immer dieser Witzbold in diese Situation gekommen war, ein Verbrecher war der mit seiner gestelzten Ausdrucksweise garantiert nicht!
Caitlin entschied sich dafür, genau so stehen zu bleiben wie sie stand, denn so war die Aussicht perfekt. Sie war gespannt, wie sich der Baumbewohner dabei anstellen würde, wenn er seine Kleidung holte. Jetzt erstmal brach er jedenfalls einen Zweig ab, an dem zwei mickrige Blättlein hingen, die nicht im mindesten den Zweck erfüllten, den sie erfüllen sollten. Trotzdem hielt der Tarzan das Gewächs eisern vor seinen recht ansehnlichen Penis, als er einen Fuß auf den Ast stellte und sich geschickt nach oben stemmte.
„Wie sind die Klamotten eigentlich da raufgekommen?“, fragte Caitlin. Sie merkte selbst, wie es um ihre Mundwinkel herum zuckte.
In ihrer Theorie hatten der Tarzan und eine Frau hier draußen Sex miteinander gehabt. Er hatte Spaß gehabt, sie nicht. Vielleicht hatte sie sogar auf einen Heiratsantrag gehofft. Bei der schicken Kleidung, die am Baum hing, war das durchaus möglich. Aber Monsieur hatte nur sein Vergnügen im Kopf gehabt und war ohne Antrag entschlummert. Entweder im Gras oder auf der Bank. Daraufhin hatte die Möchtegern-Braut wutentbrannt die Klamotten auf den Baum befördert, die Reifen zerstochen und mit dem Handy ein Taxi gerufen.
Auch Mrs. McDonald guckte wieder zu dem Mann hoch.
Für Caitlins Begriffe ging ihre Mutter überraschend locker mit der Situation um. Dabei war sie seit dem viel zu frühen Tod ihres Mannes garantiert keinem nackten Mann mehr so nahe gekommen wie dem Tarzan aus dem irischen Westen. Sie hatte sich in der Wohnung verkrochen, sich ausschließlich auf ihre Töchter konzentriert, war nur zum Einkaufen rausgegangen. Oder wenn einer der Lehrer ihrer jüngsten Tochter sie zum Elternsprechtag bestellte, weil das Kind den Unterricht gestört hatte oder ihm gleich ganz ferngeblieben war.
„Wir sollten den armen Mann nicht so anglotzen“, meinte sie eher halbherzig.
„Wer nackt auf Bäumen hockt, muss damit rechnen, dass man ihn dabei beobachtet“, entgegnete Caitlin ungerührt.
„Dann müsst ihr aber auch damit rechnen, dass ich nachher mit einem Hut rumgehe und für meine Vorführung sammele“, blaffte der Freizeit-Tarzan nicht mehr ganz so hochgestochen.
Nur mit Mühe konnte Caitlin ein Auflachen unterdrücken. Humor hatte der wirklich sehr ansehnliche Herr, das musste man ihm lassen.
„Caty, komm, wir drehen uns um“, lenkte Mrs. McDonald ein und berührte ihre Tochter am Handgelenk.
„Du hast gehört, was deine Schwester sagt“, unkte der Mann auf dem Baum.
Soviel zum Thema Humor. Caitlin verdrehte die Augen. Solche peinlichen Sprüche kamen sonst höchstens von Bauarbeitern kurz vor der Rente.
„Meine jung gebliebene Mom dreht sich bestimmt gern um“, gab sie zurück. „Aber vor mir brauchst du dich nicht zu schämen, wenn du gleich wie ein Affe von Ast zu Ast hüpfst, um dein Höschen zu suchen. Ich habe schon größere Katastrophen gesehen.“
„Sehr witzig“, brummte der Mann und ließ das Ästchen fallen, das er bislang vor seine nicht wirklich kleine Katastrophe gehalten hatte. Ungeniert richtete er sich auf und reckte sich nach dem Hemd, das in der seichten Brise wehte. Dieses Mal erreichte er es beinahe mühelos.
„Versprichst du mir, dass du damit nicht türmst, wenn ich es dir zuwerfe?“, rief er Caitlin fröhlich zu.
„Warum ziehst du dein Hemd nicht sofort an, wenn du Angst hast vor meiner Kleptomanie?“, gab sie zurück.
Seufzend ließ er das Hemd fallen und krabbelte auf allen Vieren über einen mittelmäßig starken Ast, um die schnieke Anzughose aus dem Blätterwerk zu befreien.
„Vorsichtig, junger Mann“, quiekte Mrs. McDonald entsetzt.
„Hast du hinten Augen, Mom?“, erkundigte sich Caitlin amüsiert.
„Sei doch ruhig“, kam es verärgert zurück, doch Mrs. McDonald beobachtete weiterhin scheinheilig über ihre Schulter hinweg, was sich auf dem Baum abspielte.
„Wahrscheinlich hat er es verdient, dass der Ast bricht“, sagte Caitlin ein bisschen gehässig.
Ihre Mutter kicherte zu Caitlins großem Erstaunen leise. Und Caitlin war kurz davor, sich vor Lachen in die Hosen zu pinkeln, als ihre Mutter sich mit vor die Augen gehaltener Hand an den Mann auf dem Baum wandte und in strengem Ton sagte: „Wir warten immer noch auf eine Erklärung, junger Mann. Wie sind die Sachen in der Baumkrone gelandet? Und was ist mit dem Jeep passiert?“
Augenblicklich hörte der Mann auf zu krabbeln. „Was ist mit meinem Wagen passiert?“
„Ob er wirklich keine Ahnung hat?“ Mrs. McDonald sah Caitlin erschrocken an.
„Lass dich nicht verarschen! Natürlich weiß er Bescheid! Er will es uns nur nicht verraten. Wahrscheinlich hat es doch was mit irgendwelchen krummen Geschäften zu tun.“
„Wovon redet ihr da unten überhaupt?“ Der Nackte auf dem Baum schaute so verdutzt aus der Wäsche, dass Caitlin erwog, dass er zumindest nichts von dem Zustand ahnte, in dem sich sein Auto befand.
„Von den platten Reifen.“ Caitlin musterte ihn skeptisch.
„Ah, die platten Reifen ...“, kam es etwas zeitverzögert zurück, bevor er seinen Krabbelweg fortsetzte.
„Wie ist das passiert?“ Mrs. McDonald ließ nicht locker. Caitlin amüsierte sich köstlich darüber.
„Vermutlich hängt es damit zusammen, dass seine Klamotten auf einem Baum hängen“, frotzelte sie und beobachtete, wie der Mann sich ausgestreckt an den Ast klammerte, der sich unter geschätzten neunzig Kilogramm Lebendgewicht leicht durchbog. Der Mann war aber nicht dick, nicht mal kräftig, sondern einfach nur sehr durchtrainiert. Wirklich gute Figur.
„Ich bin über Nägel gefahren“, brummte der Freizeit-Tarzan und streckte den Arm aus, um nach der Hose zu greifen.
„Ich hab’s gesagt!“ Mrs. McDonald bekreuzigte sich.
Caitlin schlug ihrer Mutter auf die Schulter und lachte. „Wo liegen denn hier in der Gegend so viele und so dicke und lange Nägel herum, dass man sich damit vier fette Jeep-Reifen zersticht? Das muss ja geradezu ein Nagelbett gewesen sein, über das du da gebrettert bist.“
„Ab und an fährt ein Forstwagen über die Küstenstraße“, antwortete der bei näherer Betrachtung noch attraktivere Mann ungerührt.
„Und wirft Nagelbomben ab?“