Irische Geschichten - By the Barrow River und andere - Edmund Leamy - E-Book

Irische Geschichten - By the Barrow River und andere E-Book

Edmund Leamy

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Beschreibung

Edmund Leamy war ein irischer Patriot, dem das Schicksal seines Landes sehr am Herzen lag. Im Buch findet man Geschichten von ihm, die vorher noch nicht veröffentlicht wurden. Sie sind teils traurig oder komisch, teils gruselig oder eher banal. Sie leben weniger von literarischem Tiefgang, sind aber unbedingt etwas für den Irlandfan oder den, der es noch werden will. Die meisten Handlungen sind in die vielen Konflikte und Kriege eingebettet und in das irische Leben einer vergangenen Zeit, in das man tief eintaucht, was die eigentlichen Geschehnisse oft zur Nebensache macht. Es gibt aber auch solche Erzählungen, die eher 'neutraler' Natur sind. Man wird in alte Zeiten zurückversetzt, die das Land geprägt haben. Insgesamt wird man Irland und den Kampf um seine Freiheit besser verstehen und - je nach Kenntnisstand - einiges Historisches dazugelernt haben. Hier findet man alles wieder: Kleeblatt, Heidekraut und andere Gewächse der Grünen Insel, charakteristische Landschaften, die Harfe, die Irischen Brigaden, die Rapparees, die Whiteboys, die Yeoman, Geschichten vom irischen Freiheitskampf, mystische Figuren aus dem Feenreich oder Schwarzbrenner - die eigene Herstellung des ,Poitin' oder , Poteen' - Schnaps aus Getreide, Kartoffeln oder Zuckersirup ist immer noch heimlicher irischer Nationalsport - seit 1661. Irland - man muss es einfach mögen!

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Seitenzahl: 357

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INHALT

Vorwort

Am Barrow River

Bendemeer Cottage

Eine Nacht mit den Rapparees

Schlimmer als Cremona

Maurya Na Gleanna oder: Zu guter Letzt gerächt

Ergänzung/Ballade: The Wearing of the Green

Die Geschichte des Raben

Das Gespenst von Barcelona

Der schwarze Hund

Der Geist von Garroid Jarla

Treu bis in den Tod

Das Licht in den Augen der Frauen

Tod durch Missgeschick

Eine Nachricht von den Toten

Ein Traumbild der Nacht

Die schöne Quäkerin

Mein erster Fall

Eine Erscheinung oder ein Traum?

Vom Gefängnis zum Schlachtfeld

Alles für die Augen einer Frau

Die List der Madame Martin

*

*) siehe nächste Seite

'Die List der Madame Martin' ist die letzte Geschichte, die der Autor geschrieben hat. Sie wurde in Frankreich verfasst, wohin er wegen seiner schlechten Gesundheit gegangen war und dort im Jahre 1904, im Alter von 56 Jahren, in der südfranzösischen Stadt Pau verstarb. Sie befasst sich mit den Zeiten nach der Französischen Revolution, die für die Iren auch stets ein Beispiel für ihren eigenen Drang nach Freiheit und der Befreiung von der lästigen englischen Besatzung war.

Sie passt nicht direkt zum Thema des Buchs, zeigt aber, dass es Edmund Leamy auf ein höheres literarische Niveau hätte schaffen können, wenn er während seiner aktiven beruflichen und politischen Laufbahn Zeit und Muße dafür gehabt hätte.

Sie ist mit einem köstlichen Humor versehen, der sich sonst in dieser Weise nur bei der Geschichte 'Schlimmer als Cremona' wiederfindet, wo er den Schnupftabak schniefenden Prinz Eugen von Savoyen mit seiner davon vollgerotzten Weste beschreibt.

Es war Edmund Leamy, der immer für die Sache Irlands eingetreten war, nicht mehr vergönnt, die Entstehung der unabhängigen Dominion Irland innerhalb der britischen Monarchie im Jahre 1922 zu erleben, als Folge des Irischen Unabhängigkeitskriegs und vieler Freiheitskämpfe zuvor.

VORWORT von Katherine Tynan

Edmund Leamy war das Vorbild eines ritterlichen irischen Gentleman, Patrioten und Christen. Während einer Freundschaft, die sich über viele Jahre erstreckte, konnte ich niemals feststellen, dass er auch nur im Geringsten von dem Eindruck abwich, den ich von ihm hatte. Sein Wesen war im höchsten Maße poetisch und romantisch. Über sonnige, wie auch wolkige Tage hinweg, war er durch und durch Ire, und sein Glaube an das endgültige Schicksal des Landes war unerschütterlich. Ich habe niemals eine menschliche Natur gekannt, die edler oder liebenswürdiger gewesen wäre. Lange Jahre von schwacher Gesundheit und Leiden, unter denen die meisten Menschen zerbrochen wären, konnten seine edle Natur nicht ändern. Bis zuletzt behielt er sein großes, liebevolles, treues wahres Herz. Auch wenn die Dinge für ihn traurig genug waren, war es ein Glück für ihn, wenn es Freunden und Nachbarn gut ging. Er kannte keine Missgunst in seinen Gedanken. Die Erfahrungen, die gewöhnlich das mittlere Lebensalter zu einer Zeit der Ernüchterung machen, kamen für ihn, genauso wie für andere Männer, aber er war nie desillusioniert. Er hatte das Herz eines unschuldigen und vertrauensvollen Jungen, bis zu seinem Tod.

Um so gefestigt zu sein, gab es jemanden bei seinem Herzen, die dazu betrug, seine Illusionen am Leben zu erhalten; und seine Last der Krankheit wurde ihm, dank der Barmherzigkeit Gottes, durch eine ebensolche, fröhliche und hingebungsvolle Gefährtenschaft, erleichtert.

Er war Irlands Mann; alles was er tat, tat er für Irland. Er hätte keine politisch angepasste Verszeile oder Prosa für die englische Leserschaft schreiben können, wie sicher ihm auch Stimmrecht und eine Belohnung gewesen wären. Er schrieb viel für Irland, und obwohl er, wie ich glaube, die Höhepunkte seiner Entwicklung als Redner erreicht hatte, ein Redner, der zutiefst durch seine körperliche Schwäche behindert wurde, haben doch seine Geschichten und Gedichte soviel von der Persönlichkeit des Mannes, diese erfrischende, ehrliche und herzliche Persönlichkeit, dass es ein guter Gedanke war, wenigstens eine Handvoll seiner vielen Veröffentlichungen in irischen Zeitungen zu retten, die sich über eine Anzahl von Jahren erstreckten.

Er hatte nicht die Muße, sich gänzlich zum Literaten zu machen. Er war immer mittendrin im Kampf; es hätte ihm das Herz gebrochen, wenn es anders gewesen wäre. Aber die Arbeit, die er hinterlassen hat, insbesondere seine Märchen und dramatischen Geschichten, mit ihrer Fülle an Farbigkeit und Einfallsreichtum, geben einen ehrlichen Eindruck von der Arbeit, die er möglicherweise geleistet hätte. Sein Buch der Irischen Märchen, das seit Langem nicht mehr gedruckt wurde, ist in angemessener Weise neu aufgelegt worden; und ich bin sicher, dass der vorliegende Band, der seine Fantasie auf eine andere Art und Weise zeigt und eine Reihe von Geschichten enthält, die zuvor noch nicht zusammengestellt wurden, auch von seinen Landsleuten willkommen geheißen wird. Würde ich sein Epitaph schreiben, wäre es so: 'Hier liegt eine reine Seele!'; und wenn ich die höchste Tugend in ihm nennen müsste, wäre es: 'Nächstenliebe, die bei ihm Glaube und Hoffnung beinhaltete'.

Katherine Tynan [irische Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin des irischen Widerstands], St. Patrick's Day, 1907.

Yours faithfully Edmund Leamy

AM BARROW RIVER

'Es gibt einige, die sehen können, aber nicht hören, und einige die hören können, aber nicht sehen, und dann einige, die weder sehen noch hören können. Du bist einer von diesen Letzteren, Dermod, Sohn des Carroll.'

Derjenige, der das sagte, war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, etwas über der mittleren Körpergröße, mit einem gut proportionierten Körperbau und einer lebendigen Gesichtsfarbe. Seine buschigen Brauen und schattierten, nachdenklichen Augen, würde man eher bei einem Dichter oder Träumer vermuten, als bei einem Soldaten. Doch Cathal, Sohn des Rory, war ein Soldat und einer der Wachen von Cobhthach Cael, dem Usurpator [Thronräuber], der über Leinster regierte. Im Wachraum in der Außenmauer der Befestigungsanlage von Dun Righ richtete er diese Worte an einen seiner Gefährten, ein Knabe von zwanzig Jahren, der aber furchtlos in seinem Verhalten war.

'Aber was hast du gesehen oder gehört, O Cathal?', sagte ein anderer aus der Garde, von denen es etwa sechs oder sieben gab. 'Sie sagen von dir, dass die weise Frau aus dem Feenreich zu dir gekommen ist, in der Nacht, als du geboren wurdest. Sie hat deine Augen und Ohren berührt, und nun kannst du sehen und hören, was andere nicht sehen oder hören können.'

'Was macht es, was ich sehen oder hören kann? Was macht es, was man sehen oder hören kann, Domhnall, Sohn des Eochy, wenn der König blind und taub ist, wie auch diejenigen, die um ihn herum sind?', antwortete Cathal.

'Warum sagst du blind oder taub, O Cathal?'

'Es war so, während der letzten Nacht', antwortete Cathal, 'als die Männer von Leinster beim Bankett versammelt waren und sich der König von Offaly erhob und der Schrei des Slainthe [Trinkspruchs auf die Gesundheit] durch die Halle dröhnte, wie der Donner der Wellen am Ufer von Carmen. Dabei ächzte das Schild des Königs an der Wand und fiel mit einem mächtigen Knall herunter. Und dennoch hörten und sahen sie nichts und fuhren fort mit ihrer Orgie. Als ich das sah, und auch, dass sie das nicht bemerkt hatten, erhob ich mich und befestigte das Schild wieder an seinem Platz an der Wand.'

'Und was hast du noch gesehen, O Sohn von Rory?'

'Was ich noch gesehen habe? Ich hatte Wache auf dem Schutzwall gehalten, als der junge Mond über die Wälder kam und sich selbst im Wasser des Barrow betrachtete. Ich habe dort Lady Edain gesehen, in ihrer runden Festung, wo sie ihren weißen Arm schwenkte – weißer als der Mond. Ich habe sie stöhnen gehört – leise wie der Wind, der in einer Sommernacht durch das Schilf am Ufer stöhnt. Als ich hinhörte und hinsah, habe ich eine Frau ans Ufer des Flusses kommen sehen, in einem Umhang aus grüner Seide über ihren Schultern. Sie setzte sich gegenüber dem Fort hin, wo sie mit einem Banner winkte. Und das, mit dem sie das Banner schwenkte, war ein Schwert aus Bronze.'

'Und was hast du darin erkannt, O Cathal, Sohn des Rory?'

'Was ich darin erkannt habe? Krieg und Zerstörung habe ich darin erkannt, Domhall, Sohn des Eochy – Krieg und Zerstörung. Denn wenn ein Schild des Königs von der Wand fällt, bedeutet es, dass sein Haus fallen wird, und die Frau, die mit dem Schwert winkte, war die Frau mit dem langen, goldenen Haar aus dem Feenreich. Gefährlich anzuschauen ist sie, Domhnall, Sohn des Eochy, denn weißer als der über Nacht gefallenen Schnee leuchtet ihre Gestalt durch ihr Kleid, und ihre grauen Augen funkeln wie die Sterne. Rot sind ihre Lippen und dünn, und ihre Zähne sind wie ein Perlenregen, und gefährlich ist es, wenn man ihr zuhört, denn die Saiten einer Harfe sind weniger süß als der Klang ihrer Stimme. Sie kommt am Vorabend der Schlacht, und sie winkt denjenigen mit dem Schicksal, die fallen werden; und sie saß am Ufer des Barrow, der hell leuchtend unter dem jungen Mond dahinfloss, und wenn man sie dort wiedersieht, wird alles rot von Blut sein.'

'Aber die Lady Edain, hat sie zur Frau aus dem Feenreich gesprochen, Cathal, Sohn des Rory?'

'Böses soll dir geschehen für deine böse Zunge, Sohn des Eochy; erwähne niemals wieder den Namen der Lady Edain zusammen mit der Frau aus dem Feenreich, oder ich werde dir, an diesen Steinen hier, die Spitze meines Speers durch den Rücken in dein Herzen stechen', und Cathals sanfte Augen funkelten vor Ärger.

'Es liegt mir fern, etwas Böses über Lady Edain zu sagen oder zu denken, Cathal', sagte Domhnall, 'aber du sagtest, dass die Lady Edain von ihrer Festung herunterschaute, als die Frau aus dem Feenreich mit dem grünen Umhang ans Ufer des Barrow kam?'

'Aber sie hat sie nicht gesehen, Domhnall. Nein! Nein!, sie hat die Frau mit dem grünen Umhang nicht gesehen, denn wer sie ihren Fluch winken sieht, dessen Stunde ist gekommen. Nein! Nein! Mein kleines Prinzesschen hat sie nicht gesehen, Domhnall, und wenn sie gestöhnt hat, dann war es wegen des Jungen, der sie verlassen hat – wegen des jungen Helden, Ebor, der mit Prinz Labbraidh fortgegangen ist, dem rechtmäßigen König, aber wir sind heute Nacht die Wachen von König Cobhthach Ceal.'

'Oh, nein, Domhnall, Sohn des Eochy, mein kleines Prinzesschen hat die Frau aus dem Feenreich nicht gesehen, denn ihr Leben ist noch jung und liegt noch vor ihr. Ich erinnere mich gut, Domhnall, Sohn des Eochy, als das Fort angegriffen wurde. Ich war so jung wie Dermod, dem Sohn des Carroll, der neben dir sitzt, und als ich das kleine Mädchen aus den Flammen holte und sie in der Kuhle meines Schildes lag – genau in diesem Schild, das dort an der Wand lehnt, Domhnall. Es leuchtete wie Gold, nun, wie der goldene Knauf an des Königs eigenem Schild, wegen der goldenen Locken, sanfter als Seide, die wie Sonnenstrahlen um ihr kleines Gesicht tanzten. Sie hat zu mir hochgeschaut und gelächelt, Domhnall, Sohn des Eochy, während die Festung voll in Flammen stand. Und seitdem war sie mir lieber als ich selbst. Ich habe sie bewacht, und nun willst du mir erzählen, sie habe die Frau aus dem Feenreich gesehen?'

'Das meinte ich nicht so, Cathal, Sohn meines Herzens', sagte Domhnall, 'aber du hast die Frau aus dem Feenreich gesehen', sagte er, 'und was bedeutet das für dich?'

'Den Tod', sagte Cathal, 'den Tod. Domhnall, habe ich dir nicht gesagt, dass es den Tod für jeden bedeutet, der sie gesehen hat? Ich bin aber ein Soldat, wie du einer bist, und mein Vater vor mir, und sein Vater, und wiederum dessen Vater, starben alle in der Schlacht. Warum also nicht auch ich, und kein Mann kann seinem Schicksal entkommen, Domhnall? Aber das Mädchen mit den Locken! – warum sollte sie jetzt sterben, Domhnall, warum sollte sie jetzt sterben?'

Und Cathal sprach erbittert. Was für ein Elend ist das, wenn sie heute Nacht hier sein muss, wo sie für viele Jahre wie ein Vogel im Käfig saß. Es gab sicher niemals einen Vogel, der eine so süße Stimme hat. Verderben und Zerstörung kommen so schnell, wie der traurige Märzwind über die Hügel kommt.'

'Der König wird sie hierbehalten, Domhnall' fuhr er fort und antwortete sich dann selbst, 'denn hat ihm nicht der Druide Dubthach gesagt – der tot und gegangen ist und den das Böse verfolgen und dem die Sorgen sein Herz zerfressen sollen, wo auch immer er ist – dass das Fort sicher ist gegen jeden Überfall, so lange wie Lady Edain dort als Gefangene gehalten wird und unverheiratet bleibt – ja, eine Gefangene ist sie in diesem steinernen Fort.'

'Die Liebe hat aber ihren Weg in das Fort gefunden, Domhnall, und die Lady Edain hat ihr Herz an Ebor gegeben, dem Sohn von Cailté, obwohl sie nie ein Wort mit ihm gesprochen hatte, aber er ist weggegangen, weggegangen mit dem verbannten Prinzen. Er, der heute hier sein müsste, wenn das schwarze Verderben gegen das Fort marschiert, ist gegangen! Aber sie hat die Frau aus dem Feenreich nicht gesehen, Domhnall. Nein! Nein! Sage nicht, dass sie die Frau aus dem Feenreich gesehen hat!' Cathal beugte seinen Kopf in seine Hände, und für einen Moment war es still.

Dann fuhr er fort:

'Hörst du nicht, Domhnall – hörst du nicht?', und all die Wachen strengten ihre Ohren an.

Durch die Steinmauer des Wachzimmers hindurch, schlich sich ein Klang, fast so weich wie ein Seufzer. Dann schwoll er an, und eine Melodie fiel auf ihre Ohren, die so einschläfernd war, wie ein Wasserfall im Herzen der tiefen Wälder. Die Lauschenden schlossen ihre Augen, einer nach dem anderen. Sie lehnten sich zurück an die nackten Steinbänke und fielen in einen angenehmen Schlaf.

Plötzlich schreckte sie ein metallischer Klang hoch. Cathals Schild war von der Wand auf den steinernen Fußboden gefallen. Die verhexende Musik hatte aufgehört, und sie erschraken, als sie bemerkten, dass die Kerze auf dem Halter, die dem Raum Licht spendete, schon einen halben Zoll heruntergebrannt war.

Sie mussten für mindestens eine halbe Stunde geschlafen haben. Cathal sprang auf, bat seine Kameraden, sich ihre Ohren zuzustopfen, wenn sie die Musik wieder hören sollten, und kletterte nach oben auf den Schutzwall.

Innen war alles ruhig und außerhalb auch. Der Mittsommernachtsmond, mit seinem Gefolge von Sternen, ließ ein Licht herunterfallen, fast so hell wie das am Tag. Der Barrow River erstrahlte wie ein silberner Spiegel und floss so langsam dahin, dass man fast glauben könnte, er stünde still. Es gab auch nicht genug Bewegung in der Luft, um die geringste Delle auf seiner Oberfläche zu hinterlassen.

Cathals Blicke folgten seinem Verlauf, bis er sich im Wald verlor, der sich, eine gute Strecke unterhalb, für einige Meilen auf beiden seiner Seiten, erstreckte.

Zwischen dem Wald und dem Fort, etwas näher an Letzterem gelegen, war die kleine Freistadt mit ihren strohgedeckten Häusern, in denen die Handwerker des Königs wohnten. Auch dort war alles ruhig, und so weit wie die Augen von Cathal sehen konnten, gab es in keiner Richtung irgendwelche Bewegungen.

Er machte seinen Rundgang auf dem Schutzwall und hielt nur inne, wenn immer er zur befestigten Anlage von Lady Edain kam. Es war in solch einer anderen Nacht, nur der Mond war nicht so voll, dass er sie an ihrem offenen Fensterflügel gesehen hatte. Und es war auch an einer solchen Nacht, als er die Frau aus dem Feenreich gesehen hatte, die am Ufer des Barrow saß.

Der Fensterflügel war heute geschlossen und es gab keinerlei Anzeichen von Lady Edain. Aber was war das für eine leuchtende Gestalt, die aus den Wäldern entlang des Ufers kam? Cathal musste sich das nicht erst fragen. Es war die Frau aus dem Feenreich, und nun sitzt sie am Ufer und beginnt mit ihrem Werk des Winkens, und er bemerkte das Funkeln der Spitze des Schwertes, als sie es bei ihrer Arbeit schwenkte.

Und als er hinschaute, sah er, oder dachte, dass er sah, wie der Barrow Fluss einen purpurnen Farbton annahm, aber der Mond schien noch von dem wolkenlosen Himmel und er wusste, dass er ein Opfer seiner Einbildung geworden war und dass das Gewässer silbrig hell dahinfloss.

Er wusste aber auch, dass dieses zweite Erscheinen der Frau aus dem Feenreich anzeigt, dass sich der Fluss purpurrot mit dem Blut der Helden färben wird, bevor der Mond wieder verschwindet – vielleicht sogar noch bevor dessen Untergang. Und trotzdem schläft König Cobhthach und wiegt sich in Sicherheit in seinem Fort, und es gibt niemanden der Cathals Warnungen oder Visionen beherzigen würde, ausgenommen, vielleicht, einige seiner Kameraden im Wachraum.

Und wenn der Mond wieder aufgegangen ist, was würde das Schicksal von Lady Edain sein – seinem kleinen Prinzesschen?

Ein Stöhnen kam über Cathals Lippen, als ihm die Frage in den Kopf kam.

Er konnte mit seinem Speer den Fensterladen berühren, hinter dem sie schlief und vielleicht von dem so weit entfernten Liebhaber träumte. Für einen Moment kam ihn der Gedanke in den Sinn, dass er das Fort hinaufklettern und den Fensterladen aufbrechen sollte, um dann die Lady Edain irgendwohin von dem verfluchten Ort wegzutragen, aber ihre Dienstmägde, die neben ihr schliefen, würden sich zu Tode erschrecken, laut aufschreien und sein Vorhaben verderben. Auch könnte die Lady Edain die Frau aus dem Feenreich sehen, und nichts könnte sie retten.

Mit schweren Herzen ging er die Schritte zurück, und als er zum Wachhaus kam, stieg er hinunter und betrat den Wachraum. Seine Gefährten schliefen fest. Er versuchte sie zu wecken, aber es gelang ihm nicht. Ein Bann war über sie gekommen, und sogar während er seine Anstrengungen unternahm, wurde er selbst von dem Verlangen nach Schlaf übermannt. Seine Augenlider schlossen sich, als wären sie mit Blei beschwert. Er sank nieder auf die steinerne Bank neben Domhnall, dem Sohn des Eochy, und mit einer schwachen Wahrnehmung von seltsamer Musik in seinen Ohren, fiel auch er in einen tiefen Schlummer.

Die Lady Edain warf sich unruhig auf ihrem handbestickten Bett hin und her, genau in dem Moment, als Cathal in Richtung ihres Fensterladens geblickt hatte. Ihre Dienstmädchen lagen schlafend um sie herum. Sie hatte geträumt – geträumt, dass sie mit ihrem Liebhaber durch einen moosbedeckten Weg wandern würde, beleuchtet vom Mondlicht, inmitten der Wälder.

Und als ihr Herz voller Freude war und sie – wie sie dachte – der Musik seiner Stimme lauschte, brach plötzlich eine bewaffnete Bande aus dem Wald auf den Weg heraus, und Ebor hatte kaum Zeit seinen Speer zu erheben, als er, ins Herz getroffen, zu Boden fiel. Sie wachte mit einem Schrei auf. Es gab genug Licht, das durch die Spalten im Fensterladen kam, und ihr erlaubte, zu sehen, dass ihre Dienstmädchen friedlich schliefen. Dennoch war sie nur halb zufrieden damit, dass sie nur geträumt hatte.

Sie erhob sich von dem Bett, warf sich einen grünen Mantel über und befestigte ihn mit einer silbernen Spange. Dann ging sie leise zum Fensterladen, öffnete ihn, und lehnte sich heraus. Ihre goldenen Haare fielen herunter, einige auf ihre Brust, andere über ihre Schulter; und als sie so dasaß, im vollen Glanz des Mondes, hätte mancher durchaus glauben können, dass sie selbst die wunderschöne, goldhaarige, grün bekleidete Frau aus dem Feenreich sei, die in der Kemenate der Maid Platz genommen hat.

Die sanfte Wirkung des Mondes kroch hoch ins Herz der Lady Edain und unterdrückte dessen Unruhe. Sie blickte auf das schillernde Wasser des ruhigen Flusses und entlang seines grünen Ufers, aber sie konnte die Frau aus dem Feenreich nicht sehen, denn die Liebe hatte ihre Augen für diesen Anblick blind gemacht, sonst wäre sie verloren gewesen.

Dann schaute sie hoch zum Mond, der nun langsam über die Ecke des Waldes zog, und der Gedanke kam in ihr Herz, der zu Liebenden allen Alters und in allen Ländern kommt, dass der gleiche Mond auf ihn herabschaut, der so weit weg war, und vielleicht – sogar in diesem Moment – blickte auch er ihn an und dachte daran, wie er auf den Barrow River scheint. Dann ruhten ihre Augen auf dem Landstrich, welcher den Wald von den Feldern trennte, die zwischen diesem und dem Fort lagen, und sie sah den Pfad, über den ihr Liebhaber in den Wald gegangen war, an diesem unheilvollen Tag, als er sich mit Prinz Labraidh in die Verbannung begab.

Und gerade als sie hinblickte, dachte sie, dass etwas aus dem Wald herausgekommen war und in Richtung der Festung ging. Nach einer Weile erfasste sie das Glitzern von Waffen und sah, dass es ein Reiter war, der herankam – irgendein Krieger, ohne Zweifel, welcher wohl die Gastfreundschaft von Dun Righ suchte. Sie beobachtete beide, Pferd und Reiter, als sie sich näherten und ihre Schatten auf das Gras warfen. Sie kamen direkt unter den Schutzwall des Forts, am weitesten entfernt von der Stelle, wo sie war, und in der Nähe der Tür, die zum Wachraum führte.

Während sie darüber nachdachte, wer er sein könnte, hörte sie eine verzerrte Musik, die entlang des Schutzwalls kroch, wie ein träger Wind über die Oberfläche eines Flusses. Sie schaute in die Richtung, aus der sie zu kommen schien, und dann sah sie eine eingehüllte Gestalt, etwas gebeugt, und bemerkte eine kleine Harfe, die in seinen Händen strahlte, und zwei Speere über seinen Schultern.

Sofort kam ihr der Gedanke an den Harfenspieler Craiftine in den Sinn, der auch mit dem verbannten Prinzen fortgegangen war. Vielleicht war er zurückgekommen, geschickt von ihrem Liebhaber, um eine Nachricht zu überbringen!

'Nur Craiftine', sagte sie zu sich selbst, 'kann eine solche Musik aus den Saiten hervorbringen', die sie nun vernahm. Und während sie hinhörte, überkam sie eine sanfte Müdigkeit. Als sie ihren Kopf auf ihre Hand legte, fühlte sie sich, als würde sie einschlafen, aber sofort änderte sich die Musik und flüsterte nun wie der Wind, der über den Springbrunnen der Tränen bläst, auf der Insel der Königin der Sorgen, in den weiter westlich gelegenen Meeren. Und Sorge erfüllte ihr Herz, und die Tränen, die in ihre Augen stiegen, vertrieben ihnen den Schlaf.

Sie erhob sich und schaute direkt auf den herankommenden Harfenspieler. Ja, es war Craiftine! Sei geneigter Kopf, die gebeugten Schultern und sein bardischer Umhang verrieten ihn.

Er kam näher, immer noch spielend, bis er auf dem Schutzwall stand, der zum Fensterflügel hin zeigte.

Dann wurde der Umhang zurückgeworfen. Die gebeugte Gestalt richtete sich auf, und im Schein des Mondlichts erkannte Edain ihren kriegerischen Liebhaber, Ebor!

Er machte eine Geste, damit sie sich zurückziehen sollte, legte seine zwei Speerschäfte auf die Fensterbank, und innerhalb einer Sekunde war er im Raum und die Lady war in seinen Armen.

Er schaute sich um und sah die schlafenden Dienstmädchen.

'Wir brauchen keine Angst zu haben, dass sie aufwachen', sagte er sanft. 'Alle im Fort, sogar die Wachen, sind unter dem Bann des Schlafs. Craiftine ist vor einer Weile hierher gekommen und hat sie alle zum Schlafen gebracht, außer Cathal, Sohn des Rory, dem Hauptmann der Wachen, aber auch er ist nun unter seinem Bann. Craiftine hat mir seine Harfe geliehen, die, selbst in meinen Händen, etwas von ihrer Kraft bewahrt. Aber uns bleibt keine Zeit übrig. Zieh dich schnell an. Mein Pferd ist unterhalb des Schutzwalls, wir haben keinen Moment zu verlieren.'

Edain brauchte keine besondere Aufforderung sich zu beeilen. In einer Sekunde war sie bereit, in der nächsten trug sie Ebor in seinen Armen, über die Speerschäfte hinweg, zum Schutzwall.

Er ließ sich herab und stand auf dem Rücken des Pferdes. Er fing sie auf, setzte sie vor sich auf das Ross, und schneller als das Licht galoppierte er davon, in den Schutz des Waldes. Aber leider schaute Ebor, als sie wegritten, in Richtung des Ufers und sah die Frau aus dem Feenreich, die ihre verhängnisvollen Bannsprüche sprach und winkte.

Die Pfade in den stillen Wäldern waren Ebor bestens bekannt, und er ritt weiter mit dem Mädchen in seiner Obhut, über angenehme, moosbedeckte Wege, die Edain an die erinnerten, welche sie in ihren Träumen gesehen hatte.

Sie waren nicht mehr als eine Viertelmeile vorangekommen, als sie, die glücklich mit Ebor plauderte, plötzlich einen furchterfüllten Schrei ausstieß:

'Oh, Ebor, schau, dort sind bewaffnete Männer!'

'Das sind Freunde, Edain', antwortete er, 'Freunde, und nun ist meine hübsche Braut endlich sicher.'

Sie waren an eine weite Lichtung gekommen. Diese war übersät mit Kriegern, und durch die Bäume hindurch, wo immer das Mondlicht hinfiel, erblickte Edain Gestalten und das Funkeln von Waffen. Ebor sprang von seinem Pferd und nahm Lady Edain beim Arm, um sie sanft herunterzuheben.

Ein Krieger mit stattlicher Miene, der den goldenen Helm eines Königs trug, näherte sich. 'Ein hunderttausendfaches Willkommen, Edain', rief er aus, als er sie in seine Arme schloss.

Es war ihr Verwandter, Labraidh, der rechtmäßige König von Leinster, der zurückgekommen war, um seinen Anspruch geltend zu machen. Labraidh war über die Meere gefahren, um Verbündete zu finden. Bei seiner Rückkehr landete er an der Mündung des Slaney, und nach Gewaltmärschen durch die Wälder, ist er hierher gekommen. Nicht gewillt, das Leben seiner Cousine zu riskieren, wenn er die Festung überfallen hätte, während sich noch darin befand, war es ihm leichtgefallen, den Bitten seines Harfenspielers, Craiftine, und den von Ebor, nachzugeben. Er gestattete ihnen, ihr Vorhaben durchzuführen, welches die Flucht von Edain ermöglichte. Er wusste von den bekannten Fähigkeiten von Craiftine und den Mut von Ebor und zweifelte nicht an ihrem Erfolg.

Und nun, da Edain frei war, beschloss er, sofort loszumarschieren und das Risiko eines Überfalls auf das Fort einzugehen. Zuerst aber führte er Lady Edain zu seinem Zelt, wo sich seine Frau, die Lady Moriadh und ihre Begleiterinnen befanden. Er vertraute sie der Fürsorge von Moridah an, kam zurück und setzte sich an die Spitze der Truppen, denen er befahl, sich so schnell wie möglich vorwärts zu begeben, bis sie zum Rand des Waldes gekommen waren, in Sichtweite des Forts.

Ebor war an der Seite des Prinzen, glücklich in der Gewissheit, dass Lady Edain in Sicherheit war, und zu stark mit seinem Verlangen nach der Schlacht beschäftigt, dass er nicht einen Moment an den Anblick der Frau aus dem Feenreich dachte. Als sie den Rand des Waldes erreichten, hielten sie für eine Weile inne. Sie konnten den Schutzwall deutlich sehen und auch, dass sich niemand darauf bewegte. Der Mond war zu dieser Zeit über dem Wald untergegangen, und im Osten konnte man sie ersten grauen Streifen der Morgendämmerung erkennen.

Dann verteilte der Prinz seine Streitkräfte auf drei Bataillons. Das Zentrum befehligte er selbst, das zur Rechten war unter der Führung von Ebor und sollte sich längst des Ufers bewegen, um einen Angriff in dieser Richtung durchzuführen. Das dritte Bataillon sollte zur Linken um die Festung herumgehen. Befehle wurden ausgegeben, dass keine Trompeten geblasen und keine Rufe abgegeben werden sollten, bis sie sich Angesicht zu Angesicht mit dem Feind befanden.

Die Garnison, die keine Ahnung von dem Herannahen Labraidhs hatte, und von dem man auch nicht wusste, dass er sich in Erin [Irland] befand, war vom Schlaf übermannt worden, der fast so tief war, wie der, welcher die Augenlider von Cathal und seinen Kameraden im Wachraum geschlossen hatte. Der Schutzwall wurde ohne Schwierigkeiten erklommen, und erst nachdem sie die innere Mauer passiert und das Haus des Thronräubers umzingelt hatten, wurden sie entdeckt, und dann auch nur, als sie begonnen hatten, gegen die Tür zu schlagen.

Dem Krach folgte die Aufforderung 'zu den Waffen', der durch das ganze Fort hallte. Er wurde von den Kriegern in den anderen Häusern gehört, die sich hastig bewaffneten und herausströmten.

Ein gab einen verzweifelten Kampf von Mann zu Mann, aber die Überraschung hatte den Angreifern einen mächtigen Vorteil verschafft. Sie umzingelten die verzweifelte Garnison mit einem Ring aus stählernen Waffen und kamen näher und näher, so wie sich deren Reihen lichteten.

Schon bald konnte man den Schrei 'Feuer' hören. Das Haus des Königs brannte. Er stand davor und kämpfte mit Verzweiflung, aber um ihn herum fielen seine Männer, einer nach dem anderen.

Das Donnern der Flammen, die sich nun auch auf die anderen Häuser ausgebreitet hatten, vermischten sich mit den Schreien der Krieger und dem Schall der getroffenen Schilder.

Prinz Labriadh drang immer wieder voran, um Cobhthach zu stellen, aber der Strom der Schlacht drängte sie auseinander. Es wurde unmöglich, das Fort zu retten, und Cobhthach beschloss, sich seinen Weg nach draußen freizukämpfen. Mit letzter Anstrengung trieb er diejenigen, die vor ihm waren, zurück gegen den inneren Schutzwall, und noch bevor sie sich erholen konnten, gelang es ihm, hinaufzuspringen.

Er wurde von Ebor verfolgt, der seine Absichten erkannte. Dieser sprang, mithilfe der Stiele seiner Speere, auf den Schutzwall. Er rief Cobhthach zu, wie ein Krieger zu kämpfen und nicht wie ein Feigling wegzurennen, und warf einen Speer auf ihn, der vom Cobhthachs Helm abprallte. Cobhthach blieb aber nicht stehen. Ebor warf einen zweiten, besser gezielten, der durch den Rücken von Cobhthach ging und sein Herz durchdrang, gerade als er versuchte, auf die äußere Mauer zu springen. Der Thronräuber fiel tot in den dazwischenliegenden Graben.

Ebor war gerade dabei wieder in die Festung herunterzusteigen, als er den Anblick einer Gestalt auf Flussufer wahrnahm. Es war die Frau aus dem Feenreich. Sie winkte nicht länger, sondern planschte mit ihren Händen in dem Gewässer, das nun blutrot dahinfloss. Ein kalter Schauer ergriff sein Herz, denn er dachte an Lady Edain und wusste, dass seine Stunde gekommen war. Er würde aber im Kampf sterben.

Er drehte sich herum und sah, wie Cathal, Sohn des Rory, ihm auf dem Schutzwall entgegenkam. Dieser warf seinen Speer, dem Ebor seinen Schild entgegenhielt, aber er wurde mit einer solchen Wucht geworfen, dass er den Schild durchdrang und ihn schwer verletzte. Seine einzige Waffe war nun sein Schwert, und als Cathal, Sohn des Rory, ihm entgegenkam, stach er es mit all seiner verbleibenden Kraft in dessen Seite.

Diese Anstrengung verbrauchte seine letzten Kräfte. Er fiel tot nach hinten um, und Cathal, Sohn des Rory, fiel tot neben ihn. Die Frau aus dem Feenreich planschte immer noch mit ihren Händen in dem purpurroten Wasser des Barrow River.

BENDEMEER COTTAGE

Vor einigen Jahren besuchte ich einen Freund in der Grafschaft Wicklow, dessen Haus sich in einem der herrlichsten Täler im 'Garten Irland' befand. Es war in der Jahreszeit, als Flieder und Goldregen in voller Blüte waren und die Luft mit ihrem Duft erfüllten. Das Wetter war traumhaft, und ich verbrachte die meiste Zeit draußen, unternahm lange Spaziergänge über die Hügel und durch die Hecken, die von der Musik der Vögel erfüllt, und bald auch mit dem Duft des Weißdorns beladen waren.

Im Verlauf meiner Streifzüge kam ich eines Tages zufällig an einem rostigen Eisentor vorbei, das durch eine ebenso rostige Kette verschlossen war. Der untere Teil war teilweise durch großes, hochwachsendes Gras verdeckt, was zeigte, dass es für lange Zeit nicht geöffnet wurde. Es war an zwei, mit Flechte bewachsenen Steinpfeilern eingehängt. Auf der Oberseite des einen befand sich eine steinerne Kugel. Die andere, die auf dem zweiten angebracht war, ist entfernt worden oder ist, durch die Einwirkungen der Zeit und des Wetters, heruntergefallen.

Vom Tor aus führte ein ehemals mit Kies angelegter Weg, der jetzt aber fast ganz vom Gras überwuchert war. Er ging durch eine recht große Rasenfläche hindurch, zu einem langen, einstöckigen Cottage von solider Bauweise. Dessen Fenster und Türen waren mit Stein umrandet, der, wie auch die Pfeiler, von Flechten bedeckt waren. Das Gras erhob sich hoch über die Türschwelle und erreichte fast die Fensterbänke. Die meisten Schiefer auf dem Dach schienen in einem guten Zustand zu sein, waren aber ebenfalls mit braunen oder grauen Flecken von Moos oder Flechten überzogen. Einige der Schiefer waren heruntergefallen und legten einen Teil der Dachsparren frei. Auf dem Rasen, wie es wohl auch der Fall war, als man das Häuschen bewohnte, weideten einige Schafe. Im Zentrum befand sich eine fast kreisförmige, kleine Wasserstelle, die von einem Drahtgitterzaun umgeben war. In Richtung dieses Teiches gab es eine sanfte Neigung des Bodens, sowohl vom Straßenrand aus, als auch von der Seite, die unmittelbar vor der Hütte lag.

Das Tor durchtrennte eine lange und hohe Hecke, und das gab mir die Gelegenheit, darüber hinwegzuschauen, um zu sehen, was dahinter lag. Die stille, fast düstere Verlassenheit des Cottage stand in einem verblüffenden und beeindruckenden Kontrast zu dem fröhlichen Erscheinungsbild von all den anderen, die ich in der Nachbarschaft gesehen habe, und das war es auch, was mich gereizt hatte, das Tor zu öffnen und zu dem Häuschen hochzuschlendern.

Die Fenster waren mit Brettern verrammelt, die an einigen Stellen nachgegeben hatten. Die Tür aus Eichenholz war fest und gut gesichert. Darüber sah ich einen Stein, in den einige Worte eingemeißelt waren. Von diesen konnte ich, wegen der überwuchernden Flechten, nur die Buchstaben '…ottage' erkennen. Mithilfe meines Spazierstocks gelang es mir, die Flechten zu entfernen, was mich in die Lage versetzte, die Inschrift zu entziffern. Sie lautete 'Bendemeer Cottage'. Dieser Name brachte mir die vertrauten und wundervollen, melodischen Verse von Moore in den Sinn [Thomas Moore, irischer Poet, Sänger und Liederschreiber aus Dublin]:

'Es gibt ein schattige, von Rosen umgebene Laube am Bendemeer Fluss, und den ganzen Tag lang singt dort die Nachtigall.'

Und gerade als das Echo der Melodie in meinen Erinnerungen erklang, erfasste mein Ohr das schwache Flüstern von dahingleitendem Wasser. Ich ging um das Haus herum und sah einen gemächlich fließenden Bach in der Nähe einer Hecke. Zwischen dem Cottage und dem nahen Bach gab es eine große Ansammlung von verhedderten Rosenbüschen, die seit Langem aufgehört hatten, zu blühen, und aus denen nur ein paar schwache Blätter austrieben.

'Und das war ihre Rosenlaube', sagte ich, 'in längst vergangenen Tagen. Wer waren sie, die diesen Duft genossen haben? Wohin sind sie gegangen und warum ist der Mehltau auf die Blüten gefallen?'

Es war eine unnütze Frage, da es niemanden gab, der sie beantworten konnte. Ich ging immer wieder und wieder um das Cottage herum. Noch vor wenigen Augenblicken hatte ich keine Ahnung von seiner Existenz, und nun hatte es bereits begonnen, mich zu faszinieren.

'Gibt es da jemanden', fragte ich mich, 'in irgendeinem entfernten Land, der sein Herz fragt: »Sind die Rosen noch in blühender Pracht am Bendemeer?«', denn ich hatte keinen Zweifel, dass der Name sowohl dem Fluss, wie auch dem Cottage gegeben wurde.

Langsam und voller Gedanken machte ich mich auf den Heimweg und hörte kaum, wie die Amseln ihre vollen Töne in die Stille der Nacht trällerten. Der Anblick einer verfallenen Heimstätte – ach, was für ein Anblick!, so häufig zu sehen, in vielen Teilen Irlands – hatte immer einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich kann nicht anders, als mir ein knisterndes Feuer auf dem Kaminboden herbeizuwünschen, das die Gesichter von glücklichen Kindern erleuchtet, und über das Schicksal zu spekulieren, welches sie erwartete, als sie das Feuer gelöscht hatten und weit über die Meere hinweg verstreut wurden.

Aber dieses verwahrloste Cottage, dessen Name so sehr Jugend und Blüte suggerierte, und Liebe und Glückseligkeit, war wie ein zerfallener Grabstein, der sich über tote Hoffnungen erhob – eine Verspottung dieser Eitelkeiten.

An diesem Abend stellte ich meinem Freund Fragen bezüglich des Hauses. Er kannte es nicht, obwohl er bereits zwanzig Jahre nicht weit davon gewohnt hatte. Er holte mich aus meiner Sentimentalität und meinte, dass die ehemaligen Bewohner wohl dessen müde geworden waren, und dass sie wahrscheinlich einige Dornen zwischen seinen Rosen gefunden hatten.

'Sie waren sentimentale Leute, genau wie du', sagte er. 'Wahrscheinlich sind sie in der Stadt aufgewachsen, und das ist der Grund, warum sie dem Cottage so einen absurden Namen gegeben haben und bald von dem Leben in so einem Cottage genug hatten.'

Mein Freund war ein sehr gutherziger, großmütiger Bursche, immer bereit, einem anderen bei einem Kummer beizustehen. Er war aber geneigt, jeden als nichts Besseres als einen Dummkopf zu bezeichnen, wenn der sich über etwas Sorgen machte, die er als eingebildete Leiden betrachtete.

Ich sah ein, dass ich keine Informationen von ihm bekommen konnte, und ich sollte wohl auch keine Sympathie von ihm bezüglich meines Wunsches erwarten, diese zu beschaffen. Aber mein Verlangen wurde stärker, anstatt nachzulassen; ich befand mich immer und immer wieder in der Situation, in der Richtung dieses einsamen Häuschens zu marschieren.

Aber Tag für Tag sah ich nur die weidenden Schafe auf dem Rasen und hörte nur das Gemurmel des Baches. Ich war drauf und dran aufzugeben, etwas über seine Geschichte zu erfahren, als ich eines Abends zufällig einem alten Schäfer begegnete, der auf das Haus zukam, während ich den Zaunübertritt auf der Straße überquerte. Er begrüßte mich so freundlich, wie es bis heute bei den Leuten seines Schlags üblich ist. Ich begegnete seinem Gruß mit gleicher Freundlichkeit.

Er sprach über das ausgezeichnete Wetter, und als ich sah, dass er gesprächig war, beschloss ich, die Unterhaltung fortzusetzen. Ich dachte, er wäre gerade dabei auch über den Zaunübertritt zu gehen, aber stattdessen ging er auf der Straße weiter, die weg zum Haus meines Freundes führte.

'Das ist ein einsames Cottage, da drüben', sagte ich zaghaft.

'Oh ja, Sie können es wirklich einsam nennen', sagte er, 'aber ich erinnere mich an eine Zeit, als es eines der lebendigsten Cottages war, das ich innerhalb eines Tagesmarsches in der gesamten Grafschaft Wicklow zu sehen bekommen habe.'

'Das muss vor langer Zeit gewesen sein', warf ich ein.

'Ja, das stimmt genau. Es war vor fünfzig oder mehr Jahren. Das war ungefähr die Zeit, als der arme Boney bei seinem Einsatz in Waterloo war. Ich erinnere mich noch gut daran. Damals war ich nur ein Laufbursche, verehrter Herr, aber sehr oft habe ich Erledigungen für die Lady gemacht. Mit Sicherheit war sie eine sehr elegante Lady, verehrter Herr, mit ihren Augen, die so blau waren wie der Himmel über uns, an diesem gesegneten Abend, und ihr Lächeln war so hell und leuchtend wie die Sonnenstrahlen, und ihre Stimme war süßer als der Gesang der Amsel, die in jetzt in der Ulme dort hinten singt, nur doppelt so leise.'

'Und wie lange hat sie dort gelebt und war sie verheiratet?'

'Ja genau, sie war verheiratet, oder zumindest hat es das arme Ding geglaubt. Ihr Ehegatte war auch ein eleganter Mann. Er war größer als Sie, verehrter Herr, aber seine Haare waren doppelt so dunkel. Er war irgendein Ausländer, aber er hatte einen englischen Familiennamen – oder zumindest klang er so – er war Duran. Und sicherlich schienen sie glücklich genug zu sein, obwohl es keine Kinder gab, und sie lebten hier mehr als drei Jahre, verehrter Herr, und man konnte nicht sehen, wer von beiden verliebter in den anderen war. Und das Cottage, verehrter Herr, war mit Rosen überdeckt, und ich habe selbst viele Male die Rosenbüsche getrimmt, die sie hinter dem Haus am Bach sehen können, wo einmal das Sommerhaus stand. Haben Sie den Teich an der Vorderseite bemerkt, verehrter Herr?'

'Das habe ich', gab ich als Antwort.

'Nun, zu der damaligen Zeit war das noch kein Teich gewesen, verehrter Herr, aber ein Loch von einem Steinbruch, und die junge Herrin wollte unbedingt, dass man einen Teich daraus macht. Ich selbst habe dabei geholfen, den Bach einzudämmen, um das Wasser in die Senke zu leiten, die sie auf dem Rasenplatz sehen. Es wurde ein schöner, kleiner Teich daraus, das ist sicher. Das weiß ich ganz bestimmt, denn ein paar Tage nachdem er fertiggestellt war, kam die Nachricht, dass Boney eingezogen wurde.'

'Haben sie noch lange danach hier gelebt?', fragte ich.

'Nicht viel länger als zwei Jahre, verehrter Herr, denn der Teich wurde im ersten Jahr, als sie hier waren, angelegt. Das ist die wahre Geschichte, aber niemanden hier interessiert das noch, außer mir. Die Nachbarn, die Kinder waren, wie ich, sind alle tot und gegangen. Sie waren Fremde, und die beiden trafen oder beschäftigten sich nicht mit jemandem von außerhalb, und bis das Leid kam, waren sie den ganzen Tag lang glücklich.'

'Was war das für ein Leid?'

'Nun, ich selbst weiß nicht die genauen Einzelheiten, verehrter Herr. Aber es war so: Eines Tages, als der Hausherr weg und nach Dublin gegangen war, kam eine dunkelhaarige Frau zur Tür, die zigeunerhafter aussah, als alles andere, mit großen, goldenen Ringen an ihren Ohren. Ich selbst befand mich zufällig im Garten hinter dem Haus, wo ich ihnen einige Rosenbüsche getrimmt habe. Ich habe nur einige eigenartige Worte vernommen. Soweit ich aber hören konnte, hatte die dunkelhaarige Frau gesagt, dass die arme liebliche Lady überhaupt kein Recht habe, sich Mrs. Duran zu nennen, da er ihr entweder versprochen, oder sogar mit ihr verheiratet war.'

'Ich habe das erst später richtig verstehen können, da ich damals nur ein Laufbursche war, verehrter Herr, und nicht viel davon wusste.'

'Als die seltsame Frau aber weggegangen war, ging ich ins Haus, um die Herrin zu fragen, ob sie noch etwas für mich zu tun hätte. Sie war weiß wie ein Geist, die Frau, die gewöhnlich aufgeblüht war, wie die Rosen, die Sie in den Hecken im Monat Juni sehen. Nun, verehrter Herr, sie hatte mir gesagt, dass sie vor dem nächsten Morgen nichts mehr von mir wollte, und ich habe sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr lebend gesehen.'

'Warum, was ist passiert?'

'Was passiert ist, verehrter Herr? Es gab mit Sicherheit keine beklagenswertere Geschichte.'

'Der Hausherr kam in dieser Nacht zurück nach Hause, aber es gab kein Anzeichen von der armen Herrin. Viel später hörte ich, dass sie einen Brief hinterlassen hatte, aber ich erfuhr nie, was darin gestanden hatte.'

'Nun, mit Sicherheit, war er außer sich, und als es dann keine Anzeichen mehr dafür gab, dass sie zurückkommen würde, ging er weg, irgendwo hin ins Ausland. Ich selbst dachte, dass auch er nicht wieder zurückkommen würde, aber er kam eines Morgens zurück, und lebte weiterhin im Cottage, wie zuvor, als sie noch zusammen waren. Der Einzige, den er je ins Haus gelassen hat, ausgenommen eine alte Dienerin, war ich. Denn sehen Sie, verehrter Herr, er wusste, dass die arme junge Herrin mich gern hatte, und er beschäftigte mich gewöhnlich damit, nach den Rosen zu sehen und um das Sommerhaus in Ordnung zu halten, wo ich sie oftmals gesehen habe, wie sie zusammensaßen.'

'Nun saß er auch des Öfteren dort und schaute so einsam aus, wie ein Friedhof bei Nacht, verehrter Herr, und er sprach kaum ein Wort. Und dann wusste ich, dass er noch so verliebt war, wie zuvor, in die arme Herrin, und dass er die ganze Zeit über an sie dachte. Ich selbst habe ihr Bild in seinem Schlafzimmer gesehen und gedacht, sie würde ihn so anlächeln, als wäre sie aus dem Rahmen gekommen. Dann wusste ich, die seltsame Frau hatte ihr und ihm unrecht getan.'

'Und wie lange lebte er dort alleine?'