Ithaka, der Peloponnes und Troja - Heinrich Schliemann - E-Book

Ithaka, der Peloponnes und Troja E-Book

Heinrich Schliemann

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Beschreibung

Schliemanns enthusiastischer Reisebericht, den er in dem Buch "Ithaka, der Peloponnes und Troja" veröffentlichte forderte vielfach Spott heraus und wurde im Ganzen als antiquarische Halluzination abgetan ... bis sich Schliemann mit der Entdeckung von Troja direkt in die Geschichtsbücher beförderte ...

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Ithaka,der Peloponnes und Troja

Heinrich Schliemann

Inhalt:

Heinrich Schliemann – Lexikalische Biografie

Ithaka, der Peloponnes und Troja

Vorrede

Erstes Kapitel – Korfu

Zweites Kapitel – Kephalonia

Drittes Kapitel – Ithaka

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Ithaka, der Peloponnes und Troja, H. Schliemann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849634404

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Heinrich Schliemann – Lexikalische Biografie

Altertumsforscher, geb. 6. Jan. 1822 zu Neubuckow in Mecklenburg-Schwerin als der Sohn eines Predigers, gest. 27. Dez. 1890 in Neapel, erhielt seine erste Bildung in Neustrelitz, war fünf Jahre lang Kaufmannslehrling in Fürstenberg, ließ sich dann auf ein nach Venezuela bestimmtes Schiff anwerben, litt aber an der holländischen Insel Terel Schiffbruch und sah sich unter den größten Entbehrungen genötigt, in Amsterdam eine kleine Bürostelle anzunehmen. Hier gelang es seinem Wissensdurst, sich nach und nach die Kenntnis der modernen europäischen Sprachen anzueignen; Anfang 1846 konnten ihn seine Prinzipale schon als Agenten nach Petersburg schicken, und hier gründete er das Jahr darauf ein Haus auf eigne Rechnung. Nachdem er trotz eines umfangreichen Geschäftsbetriebs seine Sprachenkunde erweitert und sich auch das Altgriechische angeeignet hatte, bereiste er den europäischen Kontinent, Syrien und Ägypten und kam 1859 zum ersten mal nach Griechenland. In den Besitz eines großen Vermögens gelangt, unternahm er 1864 eine Reise um die Erde und ließ sich 1866 in Paris nieder, wo er mit Begeisterung archäologischen Studien oblag. So ausgerüstet, führte er endlich seinen lange gehegten Lieblingsplan aus: er suchte zunächst den Boden des alten Ithaka auf und wandte sich dann nach der kleinasiatischen Küste, wo er in dem Hügel von Hissarlyk die Stätte des alten Troja vermutete und im April 1870 auf eigne Kosten die ersten Nachgrabungen veranstaltete, die in den beiden folgenden Jahren in größerem Maßstab und, mit Unterbrechungen, bis 1. Aug. 1890 fortgesetzt wurden. Die Ausbeute, die nur durch seine und seiner Gattin, einer geborenen Griechin, Ausdauer möglich wurde, war höchst bedeutend, obgleich seine Methode nicht einwandfrei war und der Gedanke an das Homersche Troja von zahlreichen Forschern bekämpft wurde. Der Prozess, den die türkische Regierung bei den griechischen Gerichten gegen S. wegen seiner Nachgrabungen anstrengte, wurde dadurch beendigt, dass S. eine Entschädigungssumme von 50,000 Frank zahlte, wogegen er als alleiniger Besitzer seiner Sammlungen anerkannt wurde. Die bis 1882 gefundenen Stücke schenkte er dem Deutschen Reich (bisher im Museum für Völkerkunde, künftig im Neuen Museum zu Berlin). Noch großartiger gestaltete sich das Resultat der Ausgrabungen in Mykenä, die er 1876 begann, zunächst in der dortigen Akropolis beim berühmten Löwentor und dem sogen. Schatzhaus des Atreus. S. entdeckte auf der Burg von Mykenä unter anderem (1877) in tiefen Schächten, die zu einer Anzahl von Gräbern führten, eine Menge von kostbaren Schmuckgegenständen, Waffen und selbst noch Skelette (jetzt im Polytechnikum zu Athen). In Ithaka nahm S. im Herbst 1878 seine früheren Nachforschungen wieder auf und entdeckte auf dem steilen Berg Aktos die Überreste einer uralten Stadt kyklopischer Bauart. Im Herbst 1881 und im Frühjahr 1882 grub S. das sogen. Schatzhaus des Minyas in Orchomenos aus, in den Jahren 1884 und 1885 deckte er die großartige Anlage des Palastes der Könige von Tiryns auf der Akropolis daselbst auf, und 1888 setzte er die Ausgrabungen in Mykenä fort. 1879 wurde S. von der Universität Rostock zum Ehrendoktor und 1881 von der Stadt Berlin zum Ehrenbürger ernannt. Er erbaute sich in Athen ein Haus zu seinem ständigen Wohnsitz. Über die Ergebnisse seiner Forschungen berichtete er in folgenden Werken, die größtenteils auch in französischen und englischen Bearbeitungen erschienen: »Ithaka, der Peloponnes und Troja« (Leipz. 1869, mit Autobiographie); »Trojanische Altertümer« (das. 1874, mit Atlas); »Mykenä« (mit Vorwort von Gladstone und Atlas, das. 1877); »Ilios, Stadt und Land der Trojaner« (das. 1881); »Orchomenos« (das. 1881); »Reise in der Troas im Mai 1881« (das. 1881); »Troja« (das. 1883); »Tiryns« (das. 1886). In den letzten Jahren wurde S. bei seinen Ausgrabungen in Troja von dem Architekten W. Dörpfeld unterstützt, der die Ausgrabungen auch nach Schliemanns Tode bis 1895 fortsetzte; Weiteres darüber im »Bericht über die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890« (Leipz. 1891) und im Artikel »Troja«. Vgl. Schuchhardt, Schliemanns Ausgrabungen in Troja, Tiryns, Mykenä, Orchomenos, Ithaka (2. Aufl., Leipz. 1891); »Heinr. Schliemanns Selbstbiographie« (vervollständigt von Sophie Schliemann, das. 1892); H. Schmidt, H. Schliemanns Sammlung trojanischer Altertümer, beschrieben (Berl. 1903).

Ithaka, der Peloponnes und Troja

Vorrede

Als ich im Jahre 1832 zu Kalkhorst, einem Dorfe in Mecklenburg-Schwerin, im Alter von zehn Jahren, meinem Vater als Weihnachtsgabe einen in schlechtem Latein geschriebenen Aufsatz über die Hauptbegebenheiten des trojanischen Krieges und die Abenteuer des Odysseus und Agamemnon überreichte, ahnte ich nicht, dass ich sechsunddreissig Jahre später dem Publikum eine Schrift über denselben Gegenstand vorlegen würde, nachdem ich das Glück gehabt hatte, mit eignen Augen den Schauplatz dieses Krieges und das Vaterland der Helden zu sehen, deren Namen durch Homer unsterblich geworden sind.

Sobald ich sprechen gelernt, hatte mir mein Vater die grossen Thaten der Homerischen Helden erzählt. Ich liebte diese Erzählungen; sie entzückten mich, sie versetzten mich in hohe Begeisterung. Die ersten Eindrücke, welche ein Kind empfängt, bleiben ihm während seines ganzen Lebens, und obgleich es mir bestimmt war, im Alter von vierzehn Jahren in das Materialwaarengeschäft des Herrn E. Lud. Holtz, in der kleinen mecklenburgischen Stadt Fürstenberg, als Lehrling einzutreten, anstatt die wissenschaftliche Laufbahn zu verfolgen, für welche ich eine ausserordentliche Neigung in mir verspürte; so bewahrte ich doch immer für die berühmten Männer des Alterthums dieselbe Liebe, welche ich für sie in meiner ersten Kindheit gehegt hatte.

In dem kleinen Laden, in welchem ich fünf und ein halb Jahr thätig war, zuerst bei dem genannten Hrn. Holtz, dann bei seinem Nachfolger, dem vortrefflichen Hrn. Th. Hückstädt, bestand meine Beschäftigung darin, Heringe, Butter, Branntwein, Milch, Salz im Detail zu verkaufen, die Kartoffeln zum Destilliren zu mahlen, den Laden zu fegen u. s. w.; ich kam immer nur mit der niedern Klasse der Gesellschaft in Berührung.

Von fünf Uhr Morgens bis elf Uhr Abends war ich im Geschäft und hatte keinen freien Augenblick zum Studiren. Auch vergass ich schnell das Wenige, was ich in meiner Kindheit gelernt hatte, verlor aber trotzdem nicht die Lust zum Lernen; ja, ich verlor sie nicht, und werde mein Lebelang daran denken, wie eines Abends ein betrunkener Müllergesell in den Laden kam. Er war der Sohn eines protestantischen Pfarrers in einem Dorfe bei Teterow und hatte seine Studien auf dem Gymnasium beinahe beendigt, als er wegen schlechter Aufführung relegirt wurde. Um ihn dafür zu bestrafen, hatte der Vater ihn das Müllerhandwerk ergreifen lassen. Mit seinem Loose unzufrieden, hatte sich der junge Mann dem Trunke ergeben, der ihn indess nicht den Homer hatte vergessen lassen; denn er sagte uns aus ihm ungefähr hundert Verse mit Beobachtung des Rhythmus her. Obwohl ich kein Wort davon verstand, so machte doch diese klangvolle Sprache einen tiefen Eindruck auf mich, und ich weinte bittere Thränen über mein unglückliches Schicksal. Dreimal liess ich mir diese göttlichen Verse wiederholen, indem ich ihm drei Gläser Branntwein mit den wenigen Pfennigen, die mein ganzes Vermögen ausmachten, bezahlte. Von diesem Augenblick an habe ich nie aufgehört Gott zu bitten, es möchte mir durch seine Gnade gelingen, noch griechisch zu lernen.

Indess war keine Hoffnung für mich vorhanden, aus der traurigen und niedrigen Lage, in welcher ich mich befand, herauszukommen. Und doch wurde ich wie durch ein Wunder daraus gerettet. Beim Aufheben eines zu schweren Fasses beschädigte ich mir die Brust; ich spuckte Blut und war nicht mehr fähig zu arbeiten. In meiner Verzweiflung ging ich nach Hamburg, wo es mir gelang, mich als Schiffsjunge an Bord eines nach Laguayra in Venezuela bestimmten Schiffes anwerben zu lassen.

Am 28. November 1841 verliessen wir Hamburg, litten aber am 12. December bei einem furchtbaren Sturme an der Küste der Insel Texel Schiffbruch. Nach tausend Gefahren wurde die Mannschaft gerettet. Ich sah es als meine Bestimmung an, in Holland zu bleiben und beschloss, nach Amsterdam zu gehen und Soldat zu werden. Aber dies ging nicht so rasch, als ich gedacht hatte. Einige Gulden, welche ich auf der Insel Texel und zu Enkhuyzen als Almosen zusammengebracht hatte, waren in Amsterdam in zwei Tagen verthan. Da meine Hülfsquellen erschöpft waren, so stellte ich mich schwer krank und wurde ins Hospital aufgenommen. Aus dieser schrecklichen Lage befreite mich der brave Schiffsmakler J. F. Wendt aus Hamburg, welcher, als er von meinem Unglück gehört hatte, mir den Ertrag einer kleinen für mich veranstalteten Collecte übersandte. Er empfahl mich zugleich dem vortrefflichen Generalconsul der Nord-Conföderation in Amsterdam, Herrn W. Hepner, der mir eine Stelle als Büreaudiener bei Hrn. F. C. Quien verschaffte.

In meiner neuen Stellung war meine Beschäftigung, Wechsel stempeln zu lassen und sie in der Stadt einzucassiren, Briefe nach der Post zu tragen und von dort zu holen. Diese maschinenmässige Beschäftigung gefiel mir, weil sie mir Zeit liess, an meine vernachlässigte Erziehung zu denken.

Zuerst bemühte ich mich, leserlich schreiben zu lernen, und machte mich sofort, um meine Lage zu verbessern, an das Studium der neuern Sprachen. Mein Gehalt belief sich jährlich nur auf 800 Franken, von welcher Summe ich die Hälfte für meine Studien verausgabte; von der andern Hälfte lebte ich, aber freilich kümmerlich. Meine Wohnung, welche monatlich 8 Franken kostete, war eine elende Dachstube ohne Ofen, in welcher ich im Winter vor Kälte zitterte und im Sommer von der Hitze gesengt wurde; mein Frühstück bestand aus einem Brei von Roggenmehl, meine Mittagsmahlzeit kostete niemals mehr als vier Dreier. Aber nichts spornt mehr zum Studium an, als das Elend und die gewisse Aussicht, durch angestrengtes Arbeiten sich aus demselben befreien zu können. Mit ausserordentlichem Eifer ging ich an das Studium der englischen Sprache. Die Nothwendigkeit wies mich auf eine Methode hin, welche das Sprachstudium ungemein erleichtert. Diese Methode besteht darin, viel mit lauter Stimme zu lesen, keine Uebersetzungen zu machen, alle Tage eine Stunde zu nehmen, immer Ausarbeitungen über uns interessante Gegenstände niederzuschreiben, diese unter der Aufsicht des Lehrers zu verbessern, auswendig zu lernen und in der nächsten Stunde aufzusagen, was man am Tage vorher verbessert hat. Mein Gedächtniss war schlecht, weil es von Kindheit an nicht geübt worden war; aber ich benutzte jeden Augenblick und stahl sogar Zeit zum Lernen. Niemals machte ich meine Gänge, selbst bei Regen, ohne mein Heft in der Hand zu haben und auswendig zu lernen; niemals wartete ich an der Post, ohne zu lesen. Auf diese Weise stärkte ich allmälig mein Gedächtniss, und es gelang mir, in Zeit von einem halben Jahre die englische Sprache gründlich zu lernen. Nun wandte ich dieselbe Methode auf das Studium des Französischen an, dessen Schwierigkeiten ich ebenfalls in einem andern halben Jahre bewältigte. Diese angestrengten und übermässigen Studien hatten mein Gedächtniss innerhalb eines Jahres in einem solchen Grade gestärkt, dass mir das Studium des Holländischen, Spanischen, Italienischen und Portugiesischen sehr leicht erschien, und ich hatte nicht nöthig, mehr als sechs Wochen auf jede dieser Sprachen zu verwenden, um sie geläufig zu sprechen und zu schreiben. Aber meine Leidenschaft für das Studiren liess mich meine maschinenmässige Beschäftigung als Büreaudiener vernachlässigen, besonders als ich anfing sie als meiner unwürdig anzusehen. Doch wollten meine Vorgesetzten mich nicht befördern; sie glaubten wahrscheinlich, dass ein Mensch, der seine Unfähigkeit für die Beschäftigung eines Büreaudieners beweise, ebendeshalb zu einer höheren Leistung ganz untauglich sei.

Endlich hatte ich das Glück, durch die Fürsprache meiner braven Freunde, L. Stoll aus Mannheim und Ballauff aus Bremen, eine Stelle als Correspondent und Buchführer im Büreau der Herren B. H. Schröder u. Comp. in Amsterdam zu erhalten, welche mich mit einem Gehalt von 1200 Franken engagirten; als sie aber meinen Eifer sahen, zahlten sie mir, um mich anzuspornen, 2000 Fr.– Diese Grossmuth, für welche ich denselben ewig dankbar sein werde, begründete in der That mein Glück. Da ich nämlich glaubte, dass ich mich vielleicht durch die Kenntniss der russischen Sprache noch nützlicher machen könnte, beeilte ich mich, auch diese zu lernen. Ich konnte mir aber von russischen Büchern nur eine alte Grammatik, ein Lexicon und eine schlechte Uebersetzung des Telemach verschaffen. Trotz aller meiner Nachfragen konnte ich keinen Lehrer des Russischen finden, denn Niemand in Amsterdam verstand ein Wort von dieser Sprache. Ich machte mich also daran, ohne Lehrer zu studiren, und mit Hülfe der Grammatik lernte ich in einigen Tagen die russischen Buchstaben und ihre Aussprache. Dann fing ich an, meiner alten Methode folgend, kleine Geschichten eigner Ausarbeitung russisch niederzuschreiben und auswendig zu lernen. Da ich Niemand hatte, der meine Arbeiten corrigirte, so waren sie jedenfalls herzlich schlecht; aber ich suchte zu gleicher Zeit mich durch praktische Uebung zu corrigiren, indem ich den Telemach auswendig lernte. Ich glaubte, dass ich mehr Fortschritte machen würde, wenn ich Jemand bei mir hätte, dem ich die Abenteuer des Telemach erzählen könnte. Zu diesem Zwecke miethete ich für wöchentlich vier Franken einen armen Juden, der jeden Abend kommen musste, um zwei Stunden hindurch meine russischen Vorträge anzuhören, von denen er nicht eine Sylbe verstand.

Da die Zimmerdecken in Holland aus einfachen Brettern bestehen, so hört man im Erdgeschoss, was im dritten Stock gesprochen wird. Meine mit lauter Stimme gehaltenen Vorträge belästigten daher die andern Miether sehr, welche sich beim Hausbesitzer beklagten; und zweimal während meines Studiums der russischen Sprache zwang man mich auszuziehen. Aber diese Unannehmlichkeiten schwächten meinen Eifer nicht, und nach Verlauf von sechs Wochen schrieb ich meinen ersten russischen Brief an einen Russen in London und war im Stande, mich mit den russischen Kaufleuten, welche nach Amsterdam zur öffentlichen Versteigerung des Indigo gekommen waren, in dieser Sprache geläufig zu unterhalten.

Nachdem ich das Studium der russischen Sprache beendet hatte, fing ich an, mich ernstlich mit den Literaturen der erlernten Sprachen zu beschäftigen.

Im Anfang des Jahres 1846 sandten mich meine braven Vorgesetzten als Agenten nach St.-Petersburg, wo ich ein Jahr später ein Handlungshaus für meine eigne Rechnung gründete; aber während der ersten acht oder neun Jahre, welche ich in Russland verlebte, war ich mit Arbeiten dermassen überladen, dass ich meine Sprachstudien nicht fortsetzen konnte, und erst im Jahre 1854 wurde es mir möglich, das Schwedische und Polnische zu erlernen.

So gross auch mein Wunsch war, das Griechische zu lernen, so wagte ich doch das Studium desselben nicht eher zu beginnen, als bis ich einen gewissen Wohlstand erreicht hätte; denn ich fürchtete, dass diese Sprache einen zu grossen Reiz auf mich ausüben und mich dem Handel entfremden würde. Als ich indess meiner Lernbegierde nicht mehr widerstehen konnte, machte ich mich endlich im Januar 1856 rüstig daran, zuerst mit Herrn N. Pappadakes, und dann mit Herrn Th. Vimpos aus Athen, indem ich immer meiner alten Methode folgte. Ich gebrauchte nicht mehr als sechs Wochen, um die Schwierigkeiten des Neugriechischen zu bewältigen, und machte mich darauf an die alte Sprache, welche ich in drei Monaten hinreichend erlernte, um einige der alten Schriftsteller, und besonders Homer, zu verstehen, den ich mit dem lebendigsten Enthusiasmus las und wieder las.

Hierauf beschäftigte ich mich zwei Jahre hindurch ausschliesslich mit der altgriechischen Literatur und las während dieser Zeit fast alle alten Schriftsteller cursorisch, und mehrmals die Iliade und Odyssee.

Im Jahre 1858 bereiste ich Schweden, Dänemark, Deutschland, Italien und Aegypten, wo ich den Nil bis zum zweiten Katarakt in Nubien hinauffuhr. Ich benutzte diese Gelegenheit zur Erlernung des Arabischen und durchreiste darauf die Wüste von Cairo bis Jerusalem. Ich besuchte Petra, durchreiste ganz Syrien und hatte auf diese Weise hinlänglich Gelegenheit, die arabische Sprache praktisch zu erlernen, deren tieferes Studium ich in der Folge zu St.-Petersburg betrieb. Nächst Syrien besuchte ich im Sommer 1859 Athen, und war eben im Begriff, nach der Insel Ithaka abzureisen, als ich in eine Krankheit verfiel und gezwungen wurde, nach St.-Petersburg zurückzukehren.

Der Himmel hatte meine Handelsunternehmungen auf wunderbare Weise gesegnet, so dass ich am Ende d. J. 1863 mich im Besitz eines Vermögens befand, nach welchem zu streben mein Ehrgeiz niemals gewagt hatte. Ich zog mich daher vom Handel zurück, um mich ausschliesslich den Studien, welche den grössten Reiz für mich haben, zu widmen.

Im Jahre 1864 war ich auf dem Wege, das Vaterland des Odysseus und die Ebene von Troja zu besuchen, als ich mich veranlassen liess, Indien, China und Japan zu besuchen und die Reise um die Welt zu machen. Auf dieser Reise brachte ich zwei Jahre zu, und nach meiner Rückkehr im Jahre 1866 liess ich mich in Paris nieder, um meine übrige Lebenszeit den Wissenschaften zu widmen und mich vorzugsweise mit der Archäologie zu beschäftigen, welche Wissenschaft den grössten Reiz für mich hat.

Endlich konnte ich den Traum meines ganzen Lebens verwirklichen und mit Musse den Schauplatz der Begebenheiten, welche mir ein so grosses Interesse eingeflösst hatten, und das Vaterland der Helden besuchen, deren Abenteuer meine Kindheit entzückt und getröstet haben. Ich reiste also im verflossenen Sommer ab und besuchte nacheinander die Gegenden, in welchen noch so lebendige poetische Erinnerungen an das Alterthum vorhanden sind.

Doch hatte ich keineswegs den Ehrgeiz, eine Studie über diesen Gegenstand zu veröffentlichen: ich entschloss mich erst dann dazu, als ich fand, welche Irrthümer fast alle Archäologen über die einst von der Homerischen Hauptstadt Ithaka's eingenommene Stelle, über die Ställe des Eumäus, die Insel Asteris, das alte Troja, die Grabhügel der Batieia und des Aesyetes, das Grab des Hektor u. s. w. verbreitet haben.

Abgesehen von der Hoffnung, Meinungen, welche ich für irrthümlich halte, zu berichtigen, würde ich mich glücklich schätzen, dazu beitragen zu können, unter dem intelligenten Publicum Geschmack an den schönen und edlen Studien zu verbreiten, welche meinen Muth in den harten Prüfungen meines Lebens aufrecht erhalten haben und mir die Tage, welche ich noch zu leben habe, versüssen werden.

Paris, den 31. December 1868.Heinrich Schliemann.6 Place St.-Michel.

Erstes Kapitel – Korfu

Identität Korfu's mit dem Homerischen Scheria. – Etymologie des Wortes Korfu. – Geschichte der Insel. – Die beiden kleinen zwei Schiffen ähnlichen Inseln. – Paläopolis. – Die beiden Homerischen Häfen. – Κρεσσίδα Βρύσις. – Die Waschgruben der Nausikaa. – Alte Inschrift. – Es fehlt an Grenzlinien zwischen den Besitzungen auf Korfu.

Den 6. Juli, 6 Uhr Morgens, kam ich in Korfu, der Hauptstadt der gleichnamigen Insel, an und verweilte daselbst zwei Tage, um das Land zu besichtigen.

Nach dem einstimmigen Zeugniss des Alterthums ist Korfu die Insel Scheria oder das Phäakenland des Homer (Odyssee V, 34); die Insel wurde wegen ihrer Aehnlichkeit mit der Sichelgestalt auch Drepane, Δρεπάνη, genannt (Apollonius IV, 983; Plinius IV, 19).

Das Wort Scheria kommt ohne Zweifel von dem phönicischen schera, Handel, her, und da der Name der Phäaken auch grosse Aehnlichkeit mit demjenigen der Phönicier, »Φοίνικες«, hat, so ist es wahrscheinlich, dass die Phäaken phönicischen Ursprungs waren, obgleich nach Homers Angaben sie der dem Lande der Cyklopen benachbarten Landschaft Hyperien entstammten (Odyssee VI, 3–8).

Βῆ ῥ᾽ ἐς Φαιήϰων ἀνδρῶν δῆμόν τε πόλιν τε · Οἳ πρὶν μέν ποτ᾽ ἔναιον ἐν εὐρυχόρῳ Ὑπερείῃ, Ἀγχοῦ Κυϰλώπων, ἀνδρῶν ὑπερηνορεόντων, Οἵ σφεας σινέσϰοντο, βίῃφι δὲ φέρτεροι ἦσαν. Ἔνθεν ἀναστήσας ἄγε Ναυσίθοος θεοειδής, Εἷσεν δ᾽ ἐν Σχερίῃ, ἑϰὰς ἀνδρῶν ἀλφηστάων.

»Sie ging in die Stadt und unter das Volk der Phäaken. Diese wohnten früher in den weiten Gefilden Hyperiens, in der Nähe der Cyklopen, der übermüthigen Männer, die ihre Felder plünderten und sie an Stärke übertrafen. Der göttliche Nausithoos liess sie von dort auswandern und in Scheria, fern von den räuberischen Menschen, ihren Wohnsitz nehmen.«

Die Cyklopen müssen die Ostküste Siciliens bewohnt haben. In der That sieht man am Meeresufer, in der Nähe von Catania, eine ungeheuere Grotte, und neben dem Eingang einen mächtigen Felsblock von derselben Grösse wie die Oeffnung. In geringer Entfernung vom Meere erheben sich in Kegelgestalt zwei Felsen. Das ist gewiss die Grotte, welche Polyphem bewohnte, der Felsblock, mit welchem er sie verschloss, und die beiden Felsengipfel im Meere, welche er ausriss und in der Richtung schleuderte, wo er die Stimme des Odysseus vernahm (Odyssee IX). – Man verlegt Hyperien, die alte Heimath der Phäaken, an die Südküste Siciliens, an die Stelle, wo sich späterhin Camarina befand, welches in der That von Catania nicht weit entfernt ist.

Der gegenwärtige Name Korfu oder Korcyra ist eine Verderbung des byzantinischen Namens der Insel, Êïñõöþ, hergeleitet von den zwei hohen Spitzbergen, auf welchen die Festung erbaut ist. Dies sind wahrscheinlich die luftigen Burgen der Phäaken, aëriae Phaeacum arces, von denen Virgil spricht (Aeneis II l, 291). Die Griechen nennen die Insel »Κορυφώ,«, welchen Namen man schon bei Herodot (III, 48) findet; Strabo nennt sie »Κέρϰυρα«, während sie auf den alten Münzen den Namen »Κόρϰυρα« führt.

Sie liegt Chaonien, einem Theile von Epirus, gegenüber, und wird davon durch einen Kanal getrennt, welcher im Norden eine Breite von noch nicht 4 Kilometer hat; dieser erweitert sich und bildet einen Golf, welcher an mehreren Stellen 24 Kilometer breit ist; alsdann verengt er sich wieder bis auf 7 Kilometer.

Die Länge Korfu's beträgt 65, die Breite 7 bis 34 Kilometer.

Die Insel ist sehr gebirgig; der höchste Berg, auf Italienisch San-Salvatore und auf Griechisch Pantaleon genannt, erhebt sich mehr als 1000 Meter über dem Meeresspiegel. Schon im Alterthume war sie wegen ihrer Fruchtbarkeit berühmt. Xenophon spricht davon in seiner Griechischen Geschichte (VI, 2): »Er eroberte das Land, verwüstete die herrlich angebauten Ländereien und plünderte die prächtigen Häuser und die Weinpflanzungen auf den Feldern, sodass die Soldaten durch Wohlleben so verwöhnt wurden, dass sie nur noch gewürzte Getränke trinken wollten.«

Nach Strabo (VI, 2) landete Archias, der Gründer von Syrakus, auf Korfu und liess dort den Chersikrates, einen Herakliden, zurück, welcher die Liburner, die damaligen Bewohner der Insel, vertrieb, die Stadt Korcyra erbaute und mit Korinthern bevölkerte. Dies geschah wahrscheinlich im Jahre 734 v. Chr., in welchem Jahre Syrakus gegründet wurde.

Die Kolonie lebte von Anfang an in Zwietracht mit dem Mutterlande, und nach Thukydides (I, 13) wurde die erste bekannte Seeschlacht zwischen den Korinthern und Korcyräern 260 Jahre früher, als er sein Geschichtswerk schrieb, geliefert. Nehmen wir nun an, dass er i. J. 405, nach dem Ende des peloponnesischen Krieges, schrieb, so wird die genannte Schlacht i. J. 665 v. Chr. stattgefunden haben.

Durch ihren Handel und ihre Industrie wurde die Kolonie so mächtig, dass sie i. J. 617 v. Chr. die Stadt Epidamnus an der illyrischen Küste gründete.

Korcyra war die Ursache des peloponnesischen Krieges, an welchem es einen sehr thätigen Antheil nahm; aber seine Macht schwand in den unheilvollen Kriegen, welche dem Tode Alexanders des Grossen folgten, sehr schnell dahin, und die Insel war glücklich, sich i. J. 220 v. Chr. unter den Schutz Roms begeben zu können.

Zwei kleine Inseln, die eine im jetzigen Hafen, die andere in dem kleinen Golf an der Nordküste der Insel, sind, aus der Ferne gesehen, Schiffen mit aufgespannten Segeln sehr ähnlich. Ohne Zweifel hat eine von diesen kleinen Inseln bei Homer die Vorstellung erweckt, dass das Phäakenschiff, welches den Odysseus nach Ithaka getragen hatte, auf seiner Rückkehr durch den Zorn des Neptun in einen Felsen verwandelt worden sei (Odyssee XIII, 159–164).

Αὐτὰρ ἐπεὶ τόγ᾽ ἄϰουσε Ποσειδάων ἐνοσίχθων, Βῆ ῥ᾽ ἴμεν ἐς Σχερίην, ὅθι Φαίηϰες γεγάασιν. Ἔνθ᾽ ἔμεν᾽ · ἡ δὲ μάλα σχεδὸν ἤλυθε ποντοπόρος νηῦς, Ῥίμφα διωϰομένη · τῆς δὲ σχεδὸν ἦλθ᾽ Ἐνοσίχθων, Ὅς μιν λᾶαν ἔθηϰε, ϰαὶ ἐῤῥίζωσεν ἔνερθεν, Χειρὶ ϰαταπρηνεῖ ἐλάσας · ὁ δὲ νόσφι βεβήϰει.

»Als nun Poseidon, der erderschütternde Gott, dies gehört hatte, eilte er nach Scheria, dem Wohnsitz der Phäaken. Dort verweilte er, und bald nahete das rasch dahin getriebene Schiff: der Erderschütterer näherte sich dem Schiffe und verwandelte es in Stein, und indem er mit der flachen Hand darauf schlug, befestigte er es im Grunde des Meeres; darauf ging er von dannen.«

Nach den Andeutungen, welche uns Homer in den folgenden Versen der Odyssee (VI, 262–264) giebt:

Αὐτὰρ ἐπὴν πόλιος ἐπιβείομεν, -- ἣν πέρι πύργος Ὑψηλός, ϰαλὸς δὲ λιμὴν ἑϰάτερθε πόληος, Λεπτὴ δ᾽ εἱσίθμη · νῆες δ᾽ ὁδὸν ἀμφιέλισσαι Εἰρύαται.

»Aber wenn wir nach der Stadt gehen – sie ist von einer hohen Mauer umgeben, und auf jeder Seite befindet sich ein schöner Hafen mit einem engen Eingang, und die wohlberuderten Schiffe werden auf beiden Seiten des Weges ans Ufer gezogen;« –

nach diesen Andeutungen, sage ich, findet man leicht die alte Stadt der Phäaken, an der Ostküste, auf einer Paläopolis genannten Halbinsel, im Süden der neuen Stadt Korfu.

Von den beiden von Homer erwähnten Häfen trennt der eine, jetzt Golf von Kastrades genannt, die Halbinsel von dem Vorgebirge, auf welchem die neue Festung liegt; der andere, Peschiera oder See von Kalichiopulos genannt, ist ein kleiner Golf, der die Halbinsel von der Küste durch einen engen Kanal trennt, welchen Homer vollkommen genau mit den Worten: »λεπτὴ εἰσίθμη « (enger Eingang) bezeichnet. Dieser letztere Hafen ist ohne Zweifel der »Ὑλλαϊϰὸς λιμήν« (der Hylläische Hafen), den Thukydides erwähnt, und der Golf von Kastrades der »λιμὴν πρὸς τῇ ἀγορᾷ« (Hafen am Marktplatz) (Thukyd. III, 72).

Da nach demselben Schriftsteller die alte Akropolis in der Nähe des Hylläischen Hafens war, so musste sie am äussersten Ende der Halbinsel, im Süden der alten Stadt liegen. Man sieht dort noch Ruinen von alten, sehr dicken Mauern, welche gar wohl der alten Citadelle angehört haben können; weiterhin die Reste eines kleinen dorischen Tempels.

Vom Palaste des Alkinoos ist keine Spur mehr vorhanden; nach meiner Ansicht lag er auf einer Hochebene der Halbinsel, am südlichen Ende der alten Stadt, und gerade an der Stelle, wo sich gegenwärtig das königliche Schloss befindet; denn Nausikaa sagt zu Odysseus da, wo sie vom Palast des Königs, ihres Vaters, spricht: »Ῥεῖα δ᾽ ἀρίγνωτ᾽ ἐστί, ϰαὶ ἂν παῖς ἡγήσαιτο νήπιος« (er ist leicht zu erkennen, und ein unmündiges Kind könnte dich führen) (Odyssee VI, 300). Den örtlichen Verhältnissen nach kann der königliche Palast kaum anderswo gelegen haben.

Ueberall, wo man den Boden an der Stelle der alten Stadt aufgräbt, findet man behauene Marmorblöcke und hie und da Gräber mit Urnen; indess sind die Ausgrabungen bis jetzt mit so schwachen Hülfsmitteln und so wenig Energie unternommen worden, dass sie keine bedeutenden Resultate haben liefern können. Vor Kurzem hat man das Fundament einer Säule mit folgender Inschrift gefunden:

Nach der Mittheilung des Demarchen liest man sie in Korfu auf folgende Weise: Στάλα Ξενάρεος τοῦ Μειξίος εἰμ᾽ ἐπὶ τύμῳ.

Hr. Egger, Mitglied des Institut de France, giebt im Jahresbericht der Sitzungen der Académie des Inscriptions, December 1866 (p. 393), folgende Uebersetzung der Inschrift: »Ich bin der Pfeiler (gestellt) auf das Grab des Xenares (Sohn?) des Mexis.«

Vergleiche den Jahresbericht der Sitzungen vom Juli 1867, p. 158.

Thukydides (III, 70, 75, 81) führt unter den öffentlichen Gebäuden der Stadt die Tempel des Alkinoos, der Dioskuren, des Bacchus, der Juno und des Jupiter auf: die Stadt muss also prachtvoll gewesen sein, und ich glaube, dass gut geleitete Nachgrabungen sich reichlich lohnen würden.

Die Tradition bezeichnet einen grossen Bach, Kressida-Quell, »Κρεσσίδα Βρύσις« genannt, welcher sich von Westen her in den See Kalichiopulos ergiesst, als den Fluss, an dessen Ufer Nausikaa mit ihren Mägden die Wäsche wusch, und wo sie den Odysseus empfing.

Die Tochter des Königs Alkinoos ist einer der edelsten Charaktere, welche uns Homer gezeichnet hat. Die Einfachheit ihrer Sitten hat immer einen ausserordentlichen Zauber auf mich ausgeübt; und ich war kaum in Korfu ans Land gestiegen, so eilte ich nach Κρεσσίδα Βρύσις um den Ort zu besichtigen, welcher der Schauplatz einer der rührendsten Scenen der Odyssee gewesen ist.

Mein Führer geleitet mich zu einer an einem kleinen Fluss, 1 Kilometer von seiner Mündung erbauten Mühle; von da bin ich gezwungen zu Fusse zu gehen. Aber kaum habe ich hundert Schritte gethan, so stosse ich auf Hindernisse. Rechts und links vom Flusse hat man für die Bedürfnisse der Bewässerung Kanäle gegraben, welche zu breit sind, um hinüber springen zu können. Ausserdem sind die Felder theilweise unter Wasser gesetzt. Aber diese Schwierigkeiten steigern nur mein Verlangen, vorwärts zu gehen. Ich entkleide mich bis auf's Hemde und lasse meine Kleider unter der Obhut meines Führers. So gehe ich immer den kleinen Fluss entlang, oft bis an die Brust im Wasser und im Schlamm der Kanäle und überschwemmten Felder. Endlich, nach einer halben Stunde beschwerlichen Marsches, sehe ich zwei grosse, plump behauene Steine, welche die Tradition als den Waschplatz der Einwohner der alten Stadt Korcyra bezeichnet, und als den Ort, wo Nausikaa mit ihren Dienerinnen die Wäsche gewaschen und den Odysseus empfangen hat.

Die örtliche Lage entspricht vollkommen der Beschreibung Homer's; denn Odysseus landet an der Mündung des Flusses (Od. V, 460–464). Nausikaa kommt mit ihren Mägden zu den Waschgruben am Flusse (Od. VI, 85–87).

Αἱ δ᾽ ὅτε δὴ ποταμοῖο ῥόον περιϰαλλέ᾿ ἵϰοντο, νθ᾽ ἤτοι πλυνοὶ ἦσαν ἐπηετανοί, πολὺ δ᾽ ὕδωρ Καλὸν ὑπεϰπρορέει, μάλα περ ῥυπόωντα ϰαθῆραι.

»Als sie zu dem reizenden Strome kamen, wo Waschgruben immer voll von klarem und reichlichem Wasser waren, das alle Flecken reinigt. ....«

Diese Waschgruben mussten sich nothwendig dicht am Meere befinden; denn nachdem Nausikaa und ihre Dienerinnen die Wäsche gewaschen haben, breiten sie dieselbe auf den Kieselboden längs des Meeresufers, um sie zu trocknen (Od. VI, 93–95).

Αὐτὰρ ἐπεὶ πλῦνάν τε ϰάθηράν τε ῥύπα πάντα, Ἑξείης πέτασαν παρὰ θῖν᾽ ἁλός, ᾗχι μάλιστα Λάϊγγας ποτὶ χέρσον ἀποπλύνεσϰε θάλασσα.

»Aber nachdem sie gewaschen und alle Flecken gereinigt, breiten sie die Kleider längs des Gestades aus, wo das Meer die meisten Kiesel ans Land gespült hat.«

Darauf baden sie, salben sich, speisen und alsdann spielen sie Ball.

»Die Fürstin, welche den Ball nach einer ihrer Dienerinnen wirft, verfehlt ihr Ziel; der Ball fällt in die Strömung des Flusses; die jungen Mädchen erheben ein lautes Geschrei, worüber Odysseus erwacht (Od. VI, 115–117).«

Σφαῖραν ἔπειτ᾽ ἔῤῥιψε μετ᾽ ἀμφίπολον βασίλεια · Ἀμφιπόλον μὲν ἅμαρτε, βαθείῃ δ᾽ ἔμβαλε δίνῃ · Αἱ δ᾽ ἐπὶ μαϰρὸν ἄϋσαν -- ὁ δ᾽ ἔγρετο δῖος Ὀδυσσεύς.

Hieraus folgt, dass die Stelle, wo Odysseus im Gebüsch neben der Mündung des Flusses sich gelagert hatte, ganz dicht bei den Waschgruben und dem Ufer war, wo die Mädchen Ball spielten.

Ueber die Identität dieses Flusses mit dem Homerischen kann kein Zweifel obwalten, denn er ist der einzige Fluss in der Umgegend der alten Stadt. In der That giebt es auf der ganzen Insel nur noch einen andern Fluss; aber dieser befindet sich 12 Kilometer vom alten Korcyra, während die Κρεσσίδα Βρύσις nur 3 Kilometer davon entfernt ist.

Ohne Zweifel führte im Alterthum ein Fahrweg von der alten Stadt zu den Waschgruben; aber jetzt sind die Felder bebaut, und es ist keine Spur von diesem Wege mehr übrig.

Ich durchwanderte Korfu nach allen Richtungen, und war sehr erstaunt darüber, dass nirgends eine Umzäunung oder ein anderes Grenzzeichen zwischen den Besitzungen vorhanden ist. Das Ganze erscheint als ein einziger ungeheurer Garten von Olivenbäumen, Cypressen und Weinstöcken, und die Abwechselung der Erhebungen und Senkungen des Bodens ist so plötzlich und häufig, dass sie der Landschaft einen unaussprechlichen Reiz verleihen.

Aber die Pflege der Wissenschaften steht leider mit dem Anbau des Bodens bei Weitem nicht auf gleicher Höhe, und ich wage die Behauptung, dass von 50 Menschen kaum einer lesen und schreiben kann. Die Unwissenheit des Volks ist die Ursache der Verderbung ihrer stark mit italienischen, spanischen und türkischen Wörtern gemischten Sprache.